Kommunalwahl 2020 in NRW – Ergebnisse in den Kreisen und kreisfreien Städten

01.02.2021 Meinolf Rohleder

Inhalt

Am 13. September 2020 fanden in Nordrhein-Westfalen Kommunalwahlen statt. Rd. 14,2 Mio. Bürgerinnen und Bürger waren aufgerufen, die parlamentarischen Vertretungen in allen Städten und Gemeinden zu wählen. Zur Wahl standen gleichzeitig die Oberbürgermeister in den kreisfreien Städten, die Landräte in den Landkreisen und die Bürgermeister in den kreisangehörigen Kommunen. Damit gab es nach mehr als sechs Jahren Amtszeit der Räte und Verwaltungsspitzen erneut einen gemeinsamen Wahltermin.

Eine Art "Normalzustand" stellte sich im Vorfeld des Wahltermins allerdings nicht ein. Dies hatte mehrere Ursachen:

1. Versuchte Abschaffung der Stichwahlen der Bürgermeister und Landräte:
Das zweite Halbjahr 2019 wurde bestimmt von dem Versuch der CDU und FDP geführten Landesregierung, die Stichwahlen der Bürgermeister und Landräte abzuschaffen, wenn entsprechende Bewerberinnen bzw. Bewerber im ersten Wahlgang keine absolute Mehrheit erzielen können. Die Gegner von Stichwahlen verwiesen im Wesentlichen auf eine zu geringe Wahlbeteiligung bei einem zusätzlichen zweiten Wahlgang. Eine relative Mehrheit im ersten Wahlgang reiche zur Legitimation. Mehr als 80 Landtagsabgeordnete reichten gegen die Gesetzesnovelle Klage beim Verfassungsgericht des Landes NRW ein und erhielten per Urteil am 20. Dezember 2019 Recht. Das Gericht beurteilte den Vorstoß der Landesregierung als verfassungswidrig. Als Folge des Urteils fand damit im September 2020 ein zweiter Wahlgang zwischen den beiden Bestplazierten um das Amt des Bürgermeisters bzw. Landrats statt.

2. Ausbruch der Corona-Pandemie:
Spätestens seit Anfang März 2020 wurde angesichts steigender Infektionen das öffentliche Leben stark eingeschränkt. Veranstaltungen mit vielen Menschen, z.B. im kulturellen und sportlichen Bereich, wurden verboten. Schulen und Kitas wie auch mehrheitlich der Einzelhandel wurden geschlossen. Für Pflege- und Senioreneinrichtungen wurden Maßnahmen erlassen, um Kontakte zu minimieren. In der Wirtschaft gab es ebenfalls einschränkende Regeln. Der Begriff "Homeoffice" war über Nacht kein Fremdwort mehr. Dies alles hatte für die Kommunalpolitik – gerade im Vorwahlkampf – bisher nie gekannte Auswirkungen. Ein normaler Ablauf der Vorbereitung und Organisation der Wahlen war in vielen Kommunen kaum noch möglich.

3. Gesetz zur Durchführung der Kommunalwahlen im Mai 2020:
Obwohl trotz der Kontaktbeschränkungen bei öffentlichen Aktivitäten Zusammenkünfte zwecks Aufstellung von Kandidierendenlisten rechtlich nicht untersagt waren, zeigten sich oft­mals terminliche Engpässe. Das galt auch für die fristgerechte Vorlage der notwendigen Unterstützungsunterschriften. Schließlich befürchtete man wegen der Ansteckungsgefahr, nicht hinreichend genügend Wahlhelferinnen und -helfer gewinnen zu können. Als weiteres Problem gab es nach der Schließung von Kitas, Schulen und Altenheimen vielerorts Engpässe bei den für die Durchführung der Wahl benötigten Räumlichkeiten. Manchen Kommunen fehlten bis zu 30% der sonst üblichen Wahllokale. Daher legten Mitte Mai 2020 die Fraktionen von CDU, SPD und FDP im Landtag einen Gesetzentwurf zur Durchführung der Kommunalwahlen 2020 vor (Drucksache 17/9365). Dieser wurde wenig später verabschiedet, sodass Wahltermin und -organisation trotz aller Widrigkeiten im Vorfeld gesichert waren.

Abb. 1: Wahlbeteiligung und Stim­menanteile 2014 und 2020 in NRW (Quelle: Landeswahlleiter NRW 2021)

Wahlkampf

Aufgrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie konnte der Wahlkampf nicht wie gewohnt stattfinden. Auf Großveranstaltungen (z.B. öffentliche Kundgebungen, Podiumsdiskussionen mit Publikum) musste verzichtet werden. Soziale Medien wurden zwar verstärkt eingesetzt, wie weit diese die Wahlberechtigten tatsächlich erreichten, bleibt insgesamt aber ungeklärt. Eine Renaissance erlebte die Verwendung von Großplakaten, vor allem in den Kommunen, in denen es um die Neubesetzung des Bürgermeisteramtes ging. Neu belebt wurde auch die Verteilung von Werbeflyern in den Wohnbereichen "von Haustür zu Haustür".

Inhaltlich standen bei der Wahl Aspekte der Wohn- und Verkehrspolitik sowie Fragen der Schulpolitik im Vordergrund. Dabei spielten Homeschooling und Digitalisierung eine wesentliche Rolle. Während umweltpolitische Fragestellungen eher in den Hintergrund traten, rückten außerdem gesundheitliche Themen von Monat zu Monat mehr ins Blickfeld. Die wirtschaftliche Entwicklung und ihre Auswirkungen auf die Arbeitswelt verunsicherten Politik und betroffene Arbeitnehmer. Homeoffice gemeinsam mit dem Homeschooling bereiteten vielen Familien große Probleme. Die täglichen und wöchentlichen Inzidenzwerte der Pandemie wurden ebenso normal wie der Wetterbericht. Die Coronakrise überlagerte also eine tiefer gehende politische Debatte – eine Lücke, die auch der "digitale Wahlkampf" nicht schließen konnte.

Abb. 2: Kommunalwahl 2020 in NRW: Mehrheiten und Wahlbeteiligungen in den Kreisen / kreisfreien Städten (Quelle: Landeswahlleiter NRW 2021)

Wahlbeteiligung und Ergebnisse

Befürchtungen, die Wahlbeteiligung könnte sich nach 2014 (s. Beitrag Rohleder) noch einmal verringern, traten nicht ein. Im Gegenteil: Die Wahlbeteiligung stieg landesweit um fast zwei Prozentpunkte auf 51,9% (Abb. 1), erreichte aber immer noch nicht die Beteiligungsquote von 2009 (52,3%). Bei den kreisfreien Städten hatte die Stadt Münster mit 63,0% landesweit den höchsten Wert. Die niedrigste Wahlbeteiligung wies die Stadt Duisburg mit 39,1% auf; innerhalb Westfalens hatten die beiden kreisfreien Städte Gelsenkirchen und Herne mit jeweils 41,5% die geringste Quote. Zahlreiche kreisangehörige Kommunen im westlichen Münsterland sowie in Ostwestfalen-Lippe wiesen eine überdurchschnittlich hohe Beteiligung von über 70% auf (z.B. Gemeinde Heek: 75,9%, Marienmüns­ter: 71,3%) (Landeswahlleiter NRW 2021) (s. Beitrag Rohleder).

Insgesamt 30 Parteien stellten sich 2020 zur Wahl. Dazu kamen in allen kreisfreien Städten und Kreisen die freien Wählervereinigungen bzw. -gruppen (FWG). Deren Stimmenanteil blieb mit 4,5% stabil. Die Piraten spielten hingegen keine Rolle mehr. Die PARTEI erreichte 1% (ebd.).

Zwar blieb die CDU in NRW mit 34,3% die stärkste Kraft, verlor aber über drei Prozentpunkte; die SPD verlor über sieben Prozentpunkte, während die Grünen über acht Prozentpunkte dazugewannen und sich mit 20,0% als dritte politsche Kraft auf der kommunalpolitischen Ebene etablieren konnten (Abb. 1). Absolute Mehrheiten auf Kreisebene gab es nur noch in Heinsberg und Olpe, jeweils für die CDU. In vielen Kreisen konnten also die absoluten Mehrheiten aus der vergangenen Kommunalwahl nicht gehalten werden, relative Mehrheiten wechselten außerdem die Parteipräferenz (Abb. 2). Ursache dafür war im Allgemeinen der erhöhte Stimmenanteil der Grünen.

Eine hohe Aufmerksamkeit galt dem Abschneiden der AfD. Diese hatte im Vorfeld den Anspruch propagiert, zweistellig zu werden (Bsp. Kampagne "Schwerte zweistellig"). Aufgrund von parteiinternen Auseinandersetzungen auf der Bundes- und Landesebene sowie eines wenig überzeugenden Auftritts auf der regionalen und lokalen Ebene (vgl. WDR vom 21.08.2020: "Wie sich die NRW-AfD (im Münsterland) zerlegt") kam die Partei jedoch lediglich landesweit auf 5,1% (Abb. 1). Eine Zweistelligkeit wurde nur in der Stadt Gelsenkirchen mit 12,9% erzielt (Schwerte: 3,7%). Insgesamt kandidierte die AfD nur in 53 Kommunen auf lokaler Ebene.

Abb. 3: Sitzverteilung im Westfalenparlament ab 2020 (Quelle: Landeswahlleiter NRW 2021)

Landschaftsversammlung, sog. Westfalenparlament

In der Landschaftsversammlung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, dem sog. Westfalenparlament, spiegelt sich auch 2020 der Ausgang der Kommunalwahlen in den 18 westfälischen Kreisen und 9 kreisfreien Städten wider (Abb. 3). Für die kommende Legislaturperiode umfasst die Landschaftsversammlung nunmehr 125 Mitlieder: 45 von der CDU, 34 von der SPD und 24 von den Grünen. Gemeinsame Fraktionen bilden FDP und Freie Wähler (10) sowie LINKE und Die PARTEI (6). Sechs Abgeordnete stammen von der AfD. Die Piraten sind im Westfalenparlament nicht mehr vertreten.

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2021