[ Start | Freiheit und Wettbewerb | Rechtfertigung der Zunftverfassung 1802 ]
   
  zurück
Aufgrund der Beratungen über das Gesuch des Wagenmachers Böcker reichte das combinirte Maler-, Glaser-, Sattler- und Wagenmacher-Amt zu Münster dem nach dem Tode des Fürstbischofs regierenden Domkapitel ein Gesuch um Bestätigung der Amtsrolle ein.
Das Domkapitel gab Mitte November 1801 diese Zunftordnung an den münsterischen Stadtrat weiter – mit der Aufforderung, Stellung zu beziehen. Der Stadtrat kam dieser Aufforderung im März 1802 ausführlich nach.

 
Konzept der Antwort des Stadtrates vom 19.2.1802, abgeschickt 15.3.1802:


„Hochw.
Die uns mit dem gnädigen Rescript vom 16t. Novembr[is]. v[origen]. J[ahres]. zugekommene Vorstellung und Original-Amtsrolle des combinirten Glaser- Maler- Satler= und Wagenmacher-Amts remittiren [zurücksenden] wir nunmehr gehorsamst hierbey und wollen nach gehobener bisherigen Verhinderung zuvordrist auch der in gemelten Rescript der Maleren halber geeußerte Bedencklichkeiten zufolge der eingezogenen Nachrichten bemercket haben,

1. daß die Maler in Kunst- und Staffir-Maler abgeteilet, erstere auch Platt Maler von der Platte oder Palette, so sie zum Malen gebrauchen, genennet werden und eigentlich freye Künstler seyen. Die Staffir Maler aber, [die] ihre Unterabteilung in Anstreicher, Vergolder und Lackirer oder Vernißirer [Firnisser, die eine Fläche mit Firnis, einem Schutzlack, anstreichen] haben, deren Verrichtungen zu den Mechanischen Künsten gehören, und diese Künste des Anstreichens, Vergoldens und Lackirens zwarn in gewißer Verbindung miteinander stehen, jedoch nicht ganz von einander abhangen.

2. Dieses ist der eigentliche und wahre Begriff von den Maleren, welche also von allen Kunstverständigen (insbesondere von dem beruhmten Maler Hatin (?) in seinem Tractat vom Staffir Maler) geeußert wird, und wann schon bey den Kunst- oder Plattmalern es auf Genie und vorzügliche Geistesgaben ankommt, so ist doch nicht zu zweifelen, auch bey anderen Künsten auf diese Eigenschaften es viel ankommen und nichts desto weniger durch vorläufige [vorhergehende] gehoerige Erlernung der Anfangsgründen die Vorbereitung darzu geschehen und ein jeder sein Metier, um sich darinnen vervollkommnen zu können, sowohl theoretisch und practisch verstehen müßte, zu diesen Endzweck sind für die erste Gattung der Maler die Maleracademien gestiftet, für die zweyte Gattung aber die Zünfte eingeführet, und wan schon jene zu den freyen Künsten gerechnet wird, so gehoeret doch diese als eine mechanische Kunst in Ansehung sowohl der Arbeit als der zu verarbeitenden Materialien ohnstreitig zu den Handwercken.

3. Gleichwie eine Malerzunft an mehreren Orten besonders zu Nürenberg, Lübeck, Oßnabrück, Hannover, Braunschweig, Berlin, Königsberg, Strasburg, Franckfurth, Wien, Bremen, Hamburg, Stettin existirt und wir davon nach Unterschied sicher und glaubhafft überzeuget sind, so beweisen auch die von uns zur Einsicht gehabte ältere und neuere Rollen, daß bereits vor der Wiedertäufer Aufruhr und nach solcher Zeit bei anhero beständig dahier in der Stadt eine Malerzunft obhanden gewesen seye.

4. In Ansehung der Malerarbeit und Meisterstücken finden wir die letzte von wegen S[eine]r. Ch[urfürstlichen]. D[urchlaucht]. den 16ten May 1791 g[nädig]st. confirmirte Rolle mit den vorherigen, besonders nicht jener den 21sten May 1727 bewilligter Rollen gleichförmig, außerhalb, daß in den älteren Rollen der Unterschied zwischen Plattmalen, Waßerfarben und Staffiren gemachet, und daß der die Meisterschafft nachsuchender Gesell von solchen Arbeiten auch nur eine und diejenige, so er zu gebrauchen gedencket, erwehlen kann und solle, verordtnet, insbesondere auch das Anstreichen allen außerhalb der Zunfft insbesondere verbotten seye.

5. Die zu einer Zunft gehörigen Arbeiten ausschließlich zu verrichten und anderen so in der Zunft nicht sind, zu verbieten, ist ohnstreitig eine natürliche und dem Zunftrecht von selbst entspringende Folge und Würckung, diesem zufolge ist noch unterm 17. Jan. 1755 dem damaligen Hofmalern Rottman auf desfals entstandener Klage das Malen, Staffiren und in specie das Anstreichen in dieser Stadt per Sententiam [Urteil], worvon Extractus Protocolli [ein Auszug aus dem Protokoll, vermutlich des Geheimen Rates] hierbey praesentiret wird, inhibiret [verboten] worden.

6. Daferne den Zünften ein jus executivum [ausführende Gewalt] nicht zustünde, so wären ja die Freymeisterserteilungen nicht nothwendig, sondern überflüßig. Rechtlicher Anleitung nach wird dahero durch diese Erteilung jenes Recht anerkannt, und desto mehr festgestellet, wie dan als viel die Maler betrifft, solche Anerkantnus und Feststellung dadurch geschehen ist, daß dem besagten Hofmalern Rottman seine Malerprofession gegen Praestation [Ableistung] der Bürgernlasten [Steuerpflicht, Stadtverteidigung usw.] zum Beispiel hiesiger Eingeseßenen sowohl als Frembden frey zu excerciren nach Zeit ergangener obenerwehnter Sentenz, sodan unterm 26t. und 29t. Aug. 1801 dem Anton Zilleken und Joan Masdorff die Freyheit zum Lackiren, Vergolden, Zimmermalen und Anstreichen landesherrlich erteilet, der Picker auch den 8.Jun. 1798 in den Wanderjahren g[nädig]st dispensiret worden.

7. Vermög der Amtsrolle § 26 lit. a stehet nun zwarn den Maleren das erwehnte jus exclusivum oder Zunfftzwangsrecht nur nach dem Fall zu, wenn und als lange von deren Anzahl und Geschicklichkeit kein Mangel vorhanden seyn wird, es ist uns aber von seiten der Maler und Verwanten [Zunftangehörigen] dieserhalb und wegen der übrigen in obberürten Rescript geeußerten Bedencklichkeiten angezeiget und erklähret worden,
a) gleichwie gegen die dem Maleramt nicht einverleibet gewesene Platt- oder Kunst-Malern das Zunftszwangsrecht bis anhero nicht ausgeübet worden, so wären sie auch keineswegs gesinnet, denselben bey ihrer vorzüglichen Fähig- und Geschicklichkeit, wenn sie sich wegen Mangel der Lehrjahren obsonsten zum Amte nicht qualificiren können, das Treiben ihrer Kunst einiger gestalt künfftig zu verhindern, und wäre ihre Intention [d.h. der Zunftzwang] eigentlich nur auf das Anstreichen, Vergolden und Lackiren oder Fernißiren gerichtet.
b) mit dieser Arbeit hatten sich schon vor Zeit den 16ten May 1791 von ihnen erhaltener neuen Amtsrolle und nach Absterben des von den sieben vorigen Malern übergebliebenen Damlet folgende dahier abgegeben als Lechleitener, Walters, Rincklake, Bruns und Steinbach, das diese zur zunftmeßigen Erlernung sich nicht mehr hätten anschicken können, und sonst brodloes werden dörfften, so hätten sie auch nichts dawider, daß dieselben ihr Metier Zeit Lebens ohngehindert continuiren mögten.
c.) Das Maleramt bestünde nunmehro aus dreyen nemblich Rienerman, Picker und Masdorff, beyde erstere hätten schon mehrere bey ihnen ein- und ausgeschriebene Lehrlinge zu geschickten Maleren gebildet, man würde also auf dieselben bevorab, so viel den Rienerman betrifft, in Ansehung seiner Eigenschafft eines Hofmalers das Vertrauen zu einer Kunstkäntnus hoffentlich wohl setzen, es wäre sonsten von solcher ihrer Kentnis die Proben in dieser Stadt gnug vorhanden, und wollten erforderlichenfalls darüber der strengesten Untersuchung sich unterwerfen; an der Fähigkeit des Masdorff aber würde in Rücksicht auf die demselben vorhin ertheilte Freyheit, da dieser sonsten nicht gegeben seyn würde, wohl nicht zu zweifelen seyn.

8. Zu Ausübung der Malerkunst, als viel das Anstreichen, Vergolden und Lackiren oder Fernißen betrifft, seind demnach nebst den drey Amtsmeistern die im vorigen Absatz lit. b nahmhafft gemachte 5= und der privilegierte Zilteker insamt an der Zahl 9 dahier obhanden, und es ist nicht zu zweifelen, daß in kurzem das Maleramt sich noch weiter vermehren werde, besonders wenn die Amtsrolle, wie wir es billig und nützlich zu seyn ohnvorgreiflich dafür halten, dahie gnädig erläuteret würde, daß den das Amt gesinnenden Maleren ein oder anders Stuck der Meisterkunst zu wählen, und darauf das Meisterstuck zu machen, freystehen, dieselben aber von der Malerkunst nichts weiters als diese von ihnen erwehlten mit auszuüben bemacht [= bevollmächtigt] seyn sollen.

9. Da obangeführter maßen
a) die in mehrangeregten gnädigen Rescript angeführte Bedencklichkeiten, nach welchen dem Maleramt nicht das geringste ausschließliche Recht verbleiben würde, unsers unterthanigen Dafürhaltens nach gehoeben sind,
b) eine Malerzunft dahier von Jahren obhanden gewesen,
c) laut der Anlage in Contradictorio rechtskräfftig entschieden worden, daß das Staffiren, besonders das Anstreichen eine den Malerzunftgenoßen privative [ausschließlich] anbehoerende Arbeit seye, solches nicht in der neueren Rolle § 28 dadurch offenbar festgestellet ist, daß den Maleren das Anstreichen oder Anmalen jener Sachen, die außer Hause oder im Regen stehen sollen, anderster nicht als mit Oelfarben zu verfuegen verbotten worden,
d) die Glaseramtsverwante wegen denselben zu belaßende respe[ctiv]e. zu gestattenden Mitanstreichens angeführte Ursachen für gegründet halten,
e) wenn solches den Glaseren gnädig verwilliget wird, die Stadt fast einen Überflus von Anstreicheren hat, indeßen auch in Ansehung der übrigen Teilen der Staffirmalerkunst überhaubt nach Anleitung obigen 8ten Absatzes nunmehro eine hinlangliche Anzahl der Professionisten vorhanden seyn wird, und dan wider das die Satler betreffende Gesuch der Gildemeisteren zumahlen daßelbe in der alten Rolle vom Jahr 1727 gegründet ist, wir nichts zu erinneren finden,

So dörffte unserer ohnvorgreifflichen Meinung nach eine der Sachen Bewantnis und den obangeführten Umständen angemeßene Erläuterung und Extension der Amtsrolle gnädig das dienlich und sicherste Mittel seyn, allen künfftigen Zweifelen und Schwierigkeiten vorzubeugen, wobey jedoch dem hohen Ermeßen Ew[er]. H[ochwürdigen]. H[erren]. G[naden]. unterthanig anheimstellen, ob nicht auch wormit die Gildemeister allenfals friedig zu seyn bey uns sich geeußeret haben, jenen Bürgeren, außer obgemelten, welche mit dem Anstreichen, Vergolden oder Lackiren bis anhero sich abgegeben und keine andere Profession haben, solche Arbeit jedoch nuhr für sich und ohne Gehülfen Zeitlebens fortzusetzen, auch den Blechschlägeren das Anstreichen der von ihnen verfertigten Blechschlägerarbeit, wie bis anhero von ihnen geschehen, fernerhin billig zu verstatten, dahingegen sothane Arbeit ums Lohn oder für Geld zu verrichten, jedem anderen, so des Maleramts nicht seyn wird, von nun an zu verbieten seyn wolle, die p. [es folgt die Schluß- und Grußformel].“
 
Quelle: Stadtarchiv Münster, A IX Nr. 196, Bl. 146-152.

Zum Seitenanfang 
 
Der LWL -  Freiherr-vom-Stein-Platz 1 -  48133 Münster -  Kontakt -  Impressum