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Aufgrund der Beratungen über das Gesuch des Wagenmachers Böcker reichte das combinirte Maler-, Glaser-, Sattler- und Wagenmacher-Amt zu Münster dem nach dem Tode des Fürstbischofs regierenden Domkapitel ein Gesuch um Bestätigung der Amtsrolle ein.
Das Domkapitel gab Mitte November 1801 diese Zunftordnung an den münsterischen Stadtrat weiter – mit der Aufforderung, Stellung zu nehmen.


 
Antwort des Geheimen Rates auf das Gesuch des Maler-, Glaser-, Sattler- und Wagenmacher-Amtes um Bestätigung der Amtsrolle, 16.11.1801, dem Stadtrat vorgelegt am 20.11.1801:


„Wir Domdechant, Senior und sämmtliche Kapitularen der hohen Kathedral Kirche zu Münster etc. als Sede Vacante gnädig Regierende Herrn.
Ehrsam Hochgelehrte liebe Getreue! Das hiesige combinirte Maler-Glaser-Sattler- und Wagenmacher-Amt hat die im Jahre 1791 von Weiland Seiner Khurfürstlichen Durchlaucht ihnen ertheilte Amtsrolle bey Uns unmittelbar zur Bestätigung eingereicht. – Wir haben noch zur Zeit Anstand genommen, dieselbe zu bestätigen, indem Wir den Nutzen der zusammengesezten Rolle nicht absehen, auch die Zusammensetzung der verschiedenen Handwercke so geartet finden, dass hieraus nur gar zu leicht Uneinigkeit, Feindschaft und Processe entstehen können.

Die Amtsgenossen dieses combinirten Amts haben nun am 4ten dieses eine anderweite Vorstellung und Bitte eingedient, worin sie selbst um verschiedene Abänderungen ihrer Rolle ansuchen.

Dieses veranlasset uns, euch nicht nur die VorStellung, sondern auch besagte Rolle mit dem Auftrag zuzustellen, dass ihr den Inhalt beider Stücke in reife Erwägung ziehet, und gutachtlich in Vorschlag bringet, was Ihr zum Nutzen des Publicums hauptsächlich, und dann zum Vortheil der zu den in der Rolle combinirten Handwercken, gehörigen Amtsgenossen zu verordnen am nüzlichsten haltet.

Wir sezen hierbey voraus, dass die den besagten und andern Handwercken schon früher, und vor Erhaltung der jezigen Amtsrolle landesherrlich gegebenen Rollen, und derenselben vormaliges Zunftwesen euch nicht unbekannt sey, und daher bey Abstattung eures bereits hierauf werde mit Rücksicht genommen werden.

In Betreff der Maler bemercken Wir auch noch insbesondere Folgendes:
a. Wir halten das Mahlen nicht für ein Handwerck, sondern blos für eine freye Kunst, wobey es auf Genie und vorzügliche Geistesgaben, sodann auf die Nachfolge großer Meister, aber darauf gar nicht ankommt, ob Jemand eine vorgeschriebene Zeit von 6 Jahren diese Kunst als ein Handwerck zünftig gelernet habe.

b. Es ist uns nicht bekannt, ob es in hiesiger Mahler-Zunft wircklich geschickte Männer gebe, welche hinreichende Kunst-Kenntniß haben, und ihre oder andere Arbeiten den Lehrlingen vorlegen können, um auf der Art sowohl durch eigene Kenntnisse, als auch durch Darstellung vorzüglicher Meister geschickte Mahler zu bilden.
Von der andern Seite sind wir aber fest überzeuget, dass in andern größern Städten, wo es geschickte Mahler giebt, diese gleich den Handwercken keine Zunft oder Innung haben.
Sollten nun die hiesigen Maler nach Maaßgabe ihrer Rolle einen Zunftzwang gegen Fremde sich hier ansiedelnde Maler ausüben, und diese, weil sie das Malen nicht handwercksmäßig wie bestimmte Zeit von Jahren bey einem zunftmäsigen Maler-Meister gelernet haben, das Treiben ihrer Kunst hindern können; so ist die Folge einleuchtend, dass es Uns hier für immer an geschickten Malern fehlen werde, und wir für diese Kunst nur den Fremden und Ausländern zahlen müssen.

c. So wie an andern Orten wurde das Malen auch hier in Vorzeiten für eine freie Kunst gehalten, und es gab hier in frühern Zeiten mehrere geschickte Maler, welche gewiß in keinem Amte oder Maler-Zunft eingeschrieben waren.
Es ist Uns daher auch sehr auffallend, dass die supplicirende Gildemeister in ihrer eingereichten Vorstellung in Beziehung auf den 15. 26. und 28ten Absatz alles Malen – Firnissen Vergolden- und sogar Anstreichen für ein ausschliesliches Zunft-Recht halten wollen. – Ganz evident würde der hierauf für die Kunst = und fürs Publicum erwachsene Nachtheil seyn.

Wir entnehmen auch aus den hierüber bey uns vorhandenen Nachrichten, und insbesondere aus einem am 16ten May 1791 /: grade in dato, worauf die dem combinirten Amte gegebene bestätigte Amtsrolle gnädigst gezeichnet ist:/ ad Supplicam des Hofmahlers Rienermann ertheilten gnädigsten Decrete, dass Weiland Seine Kuhrfürstliche Durchlaucht diesem jedoch mit dem Vorbehalte das Zunftrecht gaben, dass derselbe dieserhalb andere von der Ausübung seiner Profession auszuschließen kein Recht haben solle.
Dieser Vorbehalt zeugt deutlich von der in dieser Hinsicht gehegten Höchsten landesherrlichen Willensmeinung, und es würde ganz unnüz gewesen seyn, einen solchen Vorbehalt in Rücksicht des Rienermann zu machen, wenn die Mahler-Zunft in Concreto /:falls noch mehrere außer Rienerman, als worüber Ihr mitzuberichten habet, darin aufgenommen sind :/ einen solchen Zunftzwang sollte ausüben können.

Wir halten also die erwähnten Absätze der Rolle, wenn Solche über diesem Gegenstand etwan noch Zweifel sollte erregen können, durch jenes gnädigste Decret vollkommen erläutert, und da auch eine hiesige Maler-Zunft, so viel uns bekannt ist, und wie Wir auch aus der angelegten Vorstellung mit Grunde vermuthen, bisher kein ausschliesliches Recht zu mahlen – zu firnissen – zu vergolden – anzustreichen – und zu lackiren – ausgeübet hat; So finden Wir Uns bewogen, hierüber in der gnädig zu ertheilenden Bestätigung auf allen Fall insbesondere zu verordnen, damit in dieser Hinsicht künftig in allen Zweifeln, und Schwierigkeiten, welche Uns sonst zum Nachtheile der Kunst – und des Publicums ganz unvermeidlich scheinen, vorgebogen werden.

Wir tragen Euch demnach gnädig auf, alles dieses reiflich mit zu erwägen, und hierüber euren gehorsamsten Bericht in Zeit eines Monats zu erstatten. Die Wir Euch des Versehens mit Gnaden gewogen sind, Münster den 16ten November 1801.
Von Wegen Hochwürdigen Domkapitels Gnädig angeordnete President und Geheime
Räthe. VT. E. v. Wrede
C B Münstermann
Dem hiesigen Stadtmagistrat.“
 
Quelle: Stadtarchiv Münster, A IX Nr. 196, Bl. 146-152.

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