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„Fürstliche Münstersche In Vier Theile eingetheilte Eigenthums-Ordnung“ vom 10.5.1770, 1. Teil, S. 6f
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Auszüge aus der „Münsterschen Eigenthums-Ordnung“ von 1770:
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„Erster Theil: Von den persönlichen Rechten und Pflichten der Guts-Herren und Leibeigenen.
Erster Titel: Von dem Leibeigenthums-Rechte und der Leibeigenschaft überhaupt und an sich selbst
§. 1.
Die Leibeigenschaft ist eine Personal-Dienstbarkeit, und rechtliche Verbindung, vermög welcher jemand seinem freyen Stande zum Nachtheil, einem andern in Absicht auf einen gewissen Hof, Erbe oder Kotten mit Gut und Blut zugethan, und zu Abstattung sicherer Pflichten, neben dem auch, wann er einen Hof, Erbe oder Kotten nach Eigenthums-Recht würcklich unter hat, gegen den Genuß und Erbnies-Brauch seinem Guts-Herrn die hergebrachte oder vereinbarte jährliche Praestanda [Abgaben] abzutragen, schuldig ist.
§. 2.
Diese Verbindung betrifft, und verpflichtet sowohl den Guts- und Eigenthums-Herrn, als den Eigenhörigen, und zwar jenen, daß er seinem Eigenbehörigen, was ihm nach Eigenthums-Rechte gebührt, ungekränckt zukommen lasse, und diesen, daß er seinem Gutsherrn, was die Leibeigenschaft mit sich bringet, unweigerlich praestire.
[...]
§. 4.
Da aber die Pflichten und Abgaben der Eigenbehörigen nicht einerley, sondern dem Herbringen, oder der Vereinbarung nach, an sich unterschiedlich sind, so hat es auch dabey, was ein jeder besitzt, und erweißlich hergebracht hat, oder zwischen Guts-Herren und Eigenbehörigen vereinbaret worden, oder noch vereinbaret werden wird, zwar sein Bewenden;
§.5.
Damit aber gleichwohl inskünftige wegen des Beweißthums keine Irrungen, und Streitigkeiten entstehen mögen, so haben die Guts-Herren hinführo die Pflichten, und jährliche Praestationes ihrer Eigenbehörigen denen Gewinn-Briefen deutlich und Stückweise einverleiben, dieselben in duplo ausfertigen, und von denen Eigenbehörigen, oder wann die Schreibens unerfahren, an deren Stat durch einen Notarium in der Eigenbehörigen und zweyer Zeugen Gegenwart mit unterschreiben, so dann das Duplum denen Eigenbehörigen einhändigen zu lassen, und sich selbst beyzumessen, wan sie dieses unterlassen, .. ihnen dadurch nachgehends der Beweiß abgehet, [...]“
„Zweiter Titel: Von denen Ursachen, woraus die Leibeigenschaft entstehet.
§. 1. Die Leibeigenschaft entstehet aus verschiedenen Ursachen, und entweder aus der Geburt, oder aus Heyrathen, oder aus freywilliger Eingebung, oder aus Vertauschung, Verschenckung, Kauf- und Verkauf, oder aus Verjährung, oder aus Urtheil und Recht.
§. 2.
Wer also von Leibeigenen Eltern gebohren, der ist demjenigen Leibeigen, dem die Eltern eigen sind.
§. 3.
Weiter ist einer der Geburt nach Leibeigen, oder ein Eigenbehöriger, der von einer Leibeigenen Mutter gebohren wird, wann schon der Mann und Vatter freyen Standes wäre.
[...]
§. 7.
Wann eine freye Manns- oder Weibs-Person sich auf ein eigenbehöriges Gut, Erbe oder Kotten mit dem Anerben oder der Anerbinne verheyrathet, und von dem Guts.-Herrn zur Gewinnung zugelassen wird, [...] so ist eine solche Person ... ohne weitere Eigengebung und Renuntiation [Verzicht] auf seinen freyen Stand sofort Leibeigen, und beynebens [...] dem Guts-Herrn ein billiges Gewinn-Geld zu entrichten schuldig.
§. 8.
Ist aber die Person, welche auf das Erbe kommet, einem anderen mit Leibeigenthum zugethan, so muß dieselbe sich zuvor freykaufen, und die darüber erhaltene Bescheinigung dem neuen Gutsherrn einliefern.“
„Dritter Titel: Von dem Leib-Eigenthums-Herrn, und dessen Obliegenheit in Ansehung des Eigenbehörigen
[...]
§. 8.
Die Guts-Herren müssen ihre Eigenbehörige nicht unbescheiden, grausam, oder allzu hart und streng, sondern Christ- und Menschlich tractiren, denenselben auch, wo es nöthig, Hülf und Vorschub leisten, und zu ihrem Wohlstand, Aufnahm und Erhaltung beförderlich seyn.“
„Vierter Titel: Von der Obligenheit, und Personal-Pflicht, des Eigenbehörigen in Ansehung des Guts-Herren
§. 1.
Ein Eigenbehöriger muß seinem Guts-Herrn treu, hold, und gewärtig, auch in billigen Dingen, und in so weit ihm über seine hergebrachte Pflichten nichts zugemuthet wird, willfährig, und gehorsam seyn.
[...]
§. 5.
Dann müssen auch der Eigenbehörigen Kinder nach erreichtem Dienstfähigen Alter bey ihren Guts-Herren den Zwang-Dienst verrichten, und ein halb Jahr (es wäre dann, daß der Guts-Herr einen längeren, oder der Eigenhörige einen kürtzeren, oder gar keinen Zwang-Dienst hergebracht zu seyn, beweisen könnte) ohne Lohn für die Kost dienen, jedoch muß der Aufbott zum Zwang-Dienst, wann die Kinder bey anderen würcklich dienen, zu rechter Edict-mässigen Mieth-Zeit geschehen.“
„Fünfter Titel: Von der Gutsherrlichen Gewalt über die Person des Eigenbehörigen
§. 1.
Sollte ein Eigenbehöriger der aufhabenden Pflicht in Erzeigung geziemender Ehrerbietung [...] nicht nachkommen, sonderen gegen denselben, oder die Seinige sich mit unanständigen Gebährden, Worten, oder Wercken ungeziemend aufführen, oder halsstärrig und widerspenstig erzeigen, so gebührt dem beleidigten Guts-Herrn eine mässige Correction und Züchtigung, mithin kann derselbe seinen Eigenbehörigen nach Maß des Verbrechens [...] auf 24 Stunden in einer Kammer auf Wasser und Brot einschliessen [...]
§. 2.
Es kann aber der Guts-Herr seine Eigenbehörige mit keiner Geld- Kercker- oder Leibstrafe belegen [...]
[...]
§. 4.
Wann sich der Eigenbehörige in Leistung schuldiger Diensten saumseelig oder weigerlich haltet [...] hat der Gutsherr Macht und Gewalt, gegen den Saumseeligen und Widerspenstigen ohne Zuziehung des Richters mit der Execution zu verfahren, denselben Pfänden [...]“
„Sechster Titel: Von Ehe-Verlöbnissen und Heyrathen.
§. 1.
Eigenbehörige Kinder und Anerben, welche auf ein eigenbehöriges Gut oder Erbe succediren wollen, müssen nicht [dürfen nicht] ohne Vorwissen und Bewilligung der Guts-Herren sich verheyrathen, wann sie auch das Erbe würcklich gewonnen und beweinkaufet [die geforderten Gelder gezahlt] hätten.“
„Siebenter Titel: Von Testamenten und Vormundschaften.
§.1.
Eigenbehörige können, so lang sie Leibeigene sind, kein Testament machen, noch durch eine andere Willens-Verordnung über das erworbene Vermögen disponiren.“
„Zweiter Theil: Von dem Rechte der Guts-Herren, und Eigenbehörigen in Ansehung der Güter
[...]
Zweiter Titel: Von dem Genuß und Gebrauch der Güteren
§. 1.
Ein Eigenbehöriger hat von dem unterhabenden Gut oder Hofe den Erbnies-Brauch nach Eigenthums-Recht, und muß der Guts-Herr alles und jedes, was sowohl von Alters her dazu gehörig gewesen, [...] ungeschmälert dabey lassen.
§. 2. Diesem Zufolge dann geniesset der Eigenbehörige von seinem Hofe oder Erbe, und sämtlichen dazu gehörigen Pertinentien alle Früchten und Nutzbarkeiten, die durch Fleiß und Arbeit, oder auch von der Natur selbst herfür gebracht werden.
§. 4.
Weilen aber denenselben nur der Niesbrauch, und nicht das Dominium [Eigentum] deren Höfen und Erben zustehet, so können sie auch davon auf keine Art und Weise etwas veräussern, vertauschen, versetzen oder verbringen, sonderen alles, was ohne Gutsherrliche Bewilligung vorgehet, [...] ist ipso Jure null, nichtig und kraftlos.
§. 8.
Wann ein Eigenbehöriger auf seinem Hofe oder Erbe etwas fürnehmen wollte, wodurch die äusserliche Gestalt der Gründen, oder des Hofes verändert würde, als zum Exempel: Wann er aus Weiden, Wiesen, oder aus Busch-Grund Acker- und Bauland [für Getreide- oder Gemüseanbau] machen, oder den Raum seines Hof-Platzes erweiteren, oder einschräncken, oder sein Wohnhaus versetzen wollte, so muß er zuvor seinen Guts-Herrn darum fragen, und dessen Bewilligung einhohlen, wann es auch dem Erbe zum kenntlichen Nutzen gereichet.
[...]
Vierter Titel: Von den Pflichten, und jährlichen Praestationen der Eigenbehörigen insgemein.
§. 1.
Für den Erbnies-Brauch ist der Eigenbehörige seinem Guts-Herren allerhand Pflichten, und jährliche Praestationes nach Ziel und Maaß, wie solche bedungen, oder hergebracht sind, zu leisten verbunden.
§. 2. Diese Pflichten und Praestationes kann der Gutsherr nicht vermehren, noch veränderen, viel weniger über die hergebrachte oder bedungene dem Eigenbehörigen wider seinen Willen neue aufdringen.
Fünfter Titel: Von Gewinn oder sogenannten Wienkäufen und Auffahrts-Geldern
§. 1.
Obschon der Eigenbehörigen Kinder von der Geburt aus, und durch die Fürsehung deren Eltern das Erb- und Successionsrecht überkommen, so kann doch niemand zu der würcklichen Succession gelangen, er habe dan zuvor den Hof oder das Erbe dem allgemeine Gebrauch nach gewonnen, oder beweinkaufet.
§. 2.
Wann demnach ein Anerb auf Absterben oder auch gutwilligen und mit Gutsherrlicher Bewilligung geschehenen Abstand seiner Eltern die Stette wieder annehmen, und sich darauf verheyrathen will, so muß er erst bey dem Eigenthums-Herren die Gewinn- und Auffahrts-Gelder für sich und sein künftiges Weib, oder , wann es die Tochter wäre, für ihren künftigen Ehemann behandlen und bedingen, und was alsdann behandelt und bedungen worden, darüber soll dem Anerben eine ordentlicher und deutlich beschriebener Gewinn-Brief gegen die gewöhnliche Schreib-Gebühr ertheilet werden.“
„Siebenter Titel: Von Hand- und Spann-Diensten.
§. 1.
Die rechtliche Muthmassung gehet überhaupt dahin, daß ein jeder Eigenbehöriger, wann er davon ausgenommen zu seyn, nicht beweiset, Dienstpflichtig, und seinem Guts-Herrn entweder mit Pferden, oder wann er deren keine hat, noch halten kann, mit Hand- und Leib-Arbeit zu dienen, schuldig seye.
§. 3.
Wan aber zwischen dem Gutsherrn und Eigenbehörigen Streit darüber entstünde, und der Gutsherr mehr dann einen wöchentlichen Dienst, der Eigenbehörige hingegen dazu nicht verpflichtet, sondern weniger hergebracht zu seyn, praetendiren wollte, so hat auf den ersten Fall der Guts-Herr, und auf den zweyten der Eigenbehörige den Beweiß zu führen.
[...]
Achter Titel: Von Sterb- und Erb-Fällen, oder sogenannten Beerbtheilungen
§. 1.
Das Successions-Recht, welches der Leib- und Eigenthums-Herr durch Absterben eines Eigenbehörigen an dessen Güter und Verlassenschaft überkommt, oder der sogenannte Sterb-Fall, bestehet nach Gestalt der Sache zuweilen in der halben, und zuweilen auch in der gantzen Nachlassenschaft.“
„Dritter Theil: Von zulässigen und verbothenen Contracten
Fünfter Titel: Von bewilligten und unbewilligten Schulden.
§. 1.
Die Eigenbehörige sollen sich, so viel möglich, vor Schulden hüten, und wann sie Geld aufzunehmen benöthigt sind, solches und die Ursach, warum sie zu der Annahm gezwungen werden, ihrem Guts-Herren vortragen, und bey demselben sich um die Gutsherrliche Bewilligung geziemend bewerben.“
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