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Im Westfälischen Anzeiger erschien 1807 folgender Artikel des Herausgebers Hermann Mallinckrodt, betitelt „Etwas über Zünfte“:


„Daß Freyheit der mächtige und sichere Hebel alles menschlichen Wirkens sey, daß bey Anerkennung ihrer vornehmlich Handlung und Gewerbe blühen, statt daß Bevormundung derselben ihnen die Schwungkraft lähmt, dieses bezweifeln jetzt wohl nur Wenige noch. Daher erkennt man auch immer mehr die Schädlichkeit der Monopole an, welche nur dann, auf gewisse Jahre ertheilt, von Nutzen seyn können, wenn man eine nützliche Erfindung belohnen, oder den Unternehmer eines neuen, mit Schwierigkeiten verknüpften Gewerbes unterstützen will. Und doch haben wir noch immer der Monopole so viele, deren Schädlichkeit weniger geachtet wird, weil deren verjährtes Alterthum uns daran gewöhnt hat – die Zünfte.

Als sie eingeführt wurden, war die Errichtung derselben weise; man wollte Handwerke und Künste befördern, sie in Gang u. die Städte in Aufnahme bringen. Als der Zweck erreicht war, vergaß man, daß die Zünfte nur ein Mittel der Zeit waren. Sie wurden späterhin ein Druck für’s Ganze, die große Mehrheit der Staatseinwohner wurde der Willkühr und der Vervortheilung Einzelner Preis gegeben. Zwar wurden von Zeit zu Zeit Verordnungen zur Abschaffung der Handwerksgebräuche und zur Beschränkung der Zunftprellereyen erlassen; allein sie fruchteten nur wenig, das Uebel hatte zu tiefe Wurzeln geschlagen. Noch jetzt leidet der größte Theil der Staatseinwohner unter dem Druck der Gilden und Zünfte; man fühlt fast allgemein diesen Druck jetzt lebhaft, der gegenwärtige Geist der Zeit wird das Joch dieser veralteten Verfassung abschütteln.

Das, was die Gilden Gutes leisten können, besteht darin, daß die einzelnen Handthierungen gehörig erlernt werden müssen; daß Lehrlinge und Gesellen nicht willkührlich und unversehens ihren Meister verlassen u. ihn darauf setzen dürfen; daß in einigen Zünften die Gesellen reisen, und so sich auswärts versuchen müssen, um Mehreres und Besseres in der Welt zu sehen; daß zur Verhütung von Pfuschern ein gehöriges Meisterstück verfertiget werde; daß von Amts wegen auf Richtigkeit und Güte der Arbeit gesehen werde; alles übrige der Zünfte gehört in der Regel zum Uebel, da jenes Gute bey den vielen eingerissenen Zunftmißbräuchen nicht einmahl mehr gehörig erreicht wird, noch erreicht werden kann.

Gewiß ist dagegen, da alle jene Vortheile besser noch durch eine gute Policey-Ordnung erreicht werden können; zur Erreichung des letzteren Vortheils: Richtigkeit und Güte der Arbeit, gibt es insbesondere kein besseres Mittel als freye Concurrenz, der beste Sporn für jeden, gute Arbeit zu liefern, damit er Kunden u. Brot habe.

Am zweckwidrigsten und der öffentlichen Wohlfarth am nachtheiligsten bleiben übrigens die Zünfte, deren Gewerbe sich auf die nothwendigsten Lebensmittel bezieht, Bäcker- Metzger- und Brauer-Zünfte. Aufhören einer näheren Verbindung unter den Gewerbsgenossen und völlig freye Concurrenz werden bald gute und möglichst wohlfeile Lebensmittel uns geben.

Viele Leser wird es interessiren, hier kurz etwas Gründliches über diesen Gegenstand zu lesen, aus einem Buch, was allgemeiner gelesen, und von allen öffentlichen Beamten studirt zu werden verdient, aus Jacobs Grundsätzen der National-Oeconomie oder Nationalwirthschaftslehre §. 548. f. ...“
 
Quelle: Westfälischer Anzeiger, Bd. 19, 1807, Nr. 67, 21. August 1807, Sp. 1060-1062.

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