1850 wurde der Bielefelder Kaufmann Delius anonym vor Ausschreitungen gewarnt:
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„Lieber Herr Delius
Ich finde mich genöthigt Ihnen den geheimen Entschluß mehrerer Weber und Spinner mitzuteilen. Weil ich denke, Sie können sich bessern und die Sache nachlassen. Die Weber und Spinner in den Gemeinden Schildesche Jöllenbeck und Enger und wer weiß wo noch mehr haben sich vereinbart, wen Sie von Bielefeld nach Bürkel fahren, in Entweder Todt zu Schießen oder ganz mörderlich zu behandeln, wo Sie sich dreiste auf verlassen können. Wenn Sie in kurzen nicht anfangen, und befördern unßer Handspinnerei und lassen Maschienerei nach, den denken Sie sich einmahl, wenn die Spinnerei aufhört, wo sollen die Armen Leute von leben, den Sie können daß gut sagen Sie haben Geld un gut genug, und ich weiß gar nicht was Sie daraus haben aber Sie meinen vielleicht Sie hätten nur alleine was nöthig und da Sie schon genug haben. Aber sie meinen Vielleicht, die Welt hätte der liebe Gott alleine für die reichen gegeben aber Gott will doch, daß wir alle leben Sollen, den wir müssen doch alle Sterben und denn Erfährt ein jeder und erhält seinen lohn wie er gehandelt hat bei leibes leben es sey den Böse oder Gut was ihnen vielleicht bald überkommen kann wenn sie sich nicht besinnen. Oder Glauben Sie an keinen Gott den sind Sie noch Schlechter als ein Vieh, Wehe dir Wehe dir du Armer Mann die Weil du wohl reich bist.
Diese Gegend ist jetzt ganz ruhig aber Sie fangen es wieder dazu an, daß wieder Aufruhr kommen muß.
Ich bitte besinnen Sie sich doch, sonst bleibt kein Stein auf den andern und Sie können es auch niemals vor Gott nicht verantworten. Ich rahte Sie und alle die, die Maschienen haben wollen laßt davon ab.
Enger, den 15 ten Januar 1850
Ein guter Freund N.N.“
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Zitiert nach: Eudard Schoneweg, Das Leinengewerbe, ein Beitrag zur niederdeutschen Volks- und Altertumskunde, Bielefeld 1923, S. 237f.
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Bereits 1847 äußerte sich Georg Ludwig Wilhelm Funke über die Stimmung der Heuerlinge:
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„Blicken wir auf die Stimmung, welche unter den Heuerleuten herrscht, so kann uns nicht verborgen bleiben, daß diese oft eine sehr bedenkliche ist. Bei der drückenden Lage, in welcher sich dieser zahlreichste Teil der hiesigen Bevölkerung befindet, kann es nicht fehlen, daß sich leicht Mißmut und Unzufriedenheit mit allen Lebensverhältnissen erzeugt, was dann wieder lähmend auf die ganze Tätigkeit wirken muß. Die Not ist da. Ohne nun zu untersuchen, ob dieselbe bloß den äußeren drückenden Verhältnissen oder nicht vielmehr zum großen Teile auch der eigenen Schuld zuzuschreiben ist, werden dann alle möglichen, oft auch völlig unbegründeten Klagen ausgestoßen. Man glaubt einmal nicht weiterkommen zu können, und so zeigt sich nicht selten bei allen Arbeiten Unlust, Nachlässigkeit und Unordnung, wodurch dann, zumal da unter diesen Umständen der Trieb nach eigenem Besitze, mithin auch die Sparsamkeit fehlt, das Übel nur noch ärger werden muß. Es kann nicht ausbleiben, daß bei einer solchen Stimmung die Kolonen von Heuerlingen häufig ungerechterweise der Bedrückung angeklagt werden. Die Regierung pflegt dann auch nicht leer auszugehen, obwohl die Forderungen des Staates an einen Heuermann sehr gering sind. Je länger eine solche Stimmung genährt wird, desto größer wird dann die innere Verhärtung und die Trägheit, selbst die billigsten Obliegenheiten zu erfüllen, besonders wenn bei dem sehr unregelmäßigen Schulunterrichte und bei der nicht selten frühen Verwilderung der Kinder der Heuerleute während ihres Hirtenlebens auch nicht einmal in der Jugend ein sittlich-religiöser Grund gelegt werden kann.
Es läßt sich zwar nicht leugnen, daß die Not der Heuerleute, wie wir solches auch glauben nachgewiesen zu haben, allerdings in den letzten Jahrzehnten groß genug geworden ist; aber wenn die Behauptung wahr ist, daß Armut an sich weder für ein Volk noch für den einzelnen ein Unglück ist, wenn Religiosität, Einfalt und Sittenreinheit vorhanden ist, so findet diese Behauptung auch auf die Verhältnisse der Heuerleute ihre Anwendung; denn gewiß würde die Not derselben nicht so groß geworden sein, wenn mit einer lebendigen Religiosität die Einfalt des Gemüts und die Sittenreinheit bewahrt wäre. Weil aber bei zu vielen der feste religiöse Grund verloren gegangen ist, so fehlt auch die rechte Ergebung und Geduld, welche im Vertrauen auf Gott ausharrt, und jene Hoffnung, welche nicht zu Schanden werden läßt. Daß man in Zeiten der Not sich schicken, sich einschränken und entsagen und entbehren, aber dabei mit verdoppelter Kraft arbeiten muß, davon will man nichts wissen. Stattdessen, daß in früherer Zeit die Bedürfnisse einfach waren, so daß sie leicht in irgendeiner Weise befriedigt werden konnten, sind sie jetzt gesteigert; und kann dann deshalb bei der gegenwärtigen Not die Befriedigung nicht stattfinden, so ist die Unzufriedenheit da. Man darf darum wohl behaupten, daß neben dem Mangel eines lebendigen Glaubens die gesteigerten Bedürfnisse der unteren Schichten der Bevölkerung es sind, welche die Armut zum Elend gemacht und zugleich bei den einzelnen Individuen oft eine Roheit hervorgerufen haben, welche man früher nicht kannte. Ist diese sittliche Verrohung aber da, so fehlt damit zugleich auch alle innere Kraft, sich aus der Not wied3er emporzuarbeiten; der Mensch trachtet nur danach, seine Genüsse zu befriedigen, und sollte es auch auf Unkosten anderer geschehen. So kommt es denn von selbst zu einer Auflehnung gegen die bestehende Weltordnung.
Was wir soeben aussprachen, findet zwar insbesondere seine Anwendung auf eine Bevölkerung, wie sie besonders durch Fabriken hervorgerufen wird; aber in vieler Hinsicht paßt es auch auf unsere Heuerleute, wie sie seit den letzten Jahrzehnten geworden sind.”
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Aus: Georg Ludwig Wilhelm Funke, Ueber die gegenwärtige Lage der Heuerleute im Fürstenthume Osnabrück, mit besonderer Beziehung auf die Ursachen ihres Verfalls und mit Hinblick auf die Mittel zu ihrer Erhebung [Bielefeld 1847], S. 28-51.
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