Der Demokrat Rudolf Rempel schrieb am 8. März 1850 im „Volksfreund“ über die erste Anlage einer mechanisierten Spinnerei in Bielefeld:
|
 |
„In der Nähe Bielefelds, am Gadderbaume, soll eine Spinnmaschine angelegt werden. Der Unternehmer, Herr Carl Bozi, ist deshalb mit der Staatsregierung in Unterhandlung getreten und diese hat sich zur Unterstützung des Etablissements bereit erklärt. [...]
Ich habe mich in Betreff der Möglichkeit, das Maschinengarn hier zu verdrängen, getäuscht, das gestehe ich offen ein ... Die Tatsache steht fest, daß heute mehr als die Hälfte aller hier verbrauchten Kettengarne mit englischen und belgischen Maschinen gesponnen werden. Ich nehme diese Tatsache mit allen daraus folgenden Konsequenzen an ... Warum sollen wir denn unter diesen Umständen der Anlegung einer Spinnmaschine uns hier widersetzen? Sollen wir etwa nach wie vor unser schweres Geld nach Belgien und England schicken und zwar mit jedem Jahre in größerem Maßstabe, damit wir dort den Arbeitern etwas zu verdienen geben, während bei uns die Leute darben? Oder tun wir nicht besser, die Garne, die wir hier gebrauchen, auch hier spinnen zu lassen und dadurch, (durch Anlegung einer Spinnmaschine) ca. 400 bis 500 Familien einen reichlichen Broterwerb zu verschaffen? Und wird der, jedenfalls geringe, Ausfall der Spinner nicht hinlänglich gedeckt durch die Beschäftigung von 500 Menschen und die wahrscheinliche Ausbreitung des hiesigen Geschäfts nach fernen Ländern? ... Seht, ich bin mit Euch darin ganz einig, daß es anders, daß es besser mit Euch werden muß. Das könnt Ihr aber nicht dadurch erreichen, daß Ihr eine Spinnmaschine entzweischlagt und Euch dafür zusammenschießen laßt. Laßt uns alle dahinarbeiten, daß wir die Grundsätze der Demokratie zur Geltung bringen, daß wir den Arbeiter aus seiner bisherigen unterdrückten Stellung befreien und ihm zur Herrschaft verhelfen, dann werden uns keine Maschinen mehr schaden.
Nicht war, es wäre so dumm nicht, wenn die vereinigten Spinner und Weber ihre eigenen Maschinen besäßen, von denen sie selbst den Nutzen zögen und nicht der jetzt alles beherrschende Kapitalist.“
|
|
Zitiert nach: Eduard Schoneweg, Das Leinengewerbe, ein Beitrag zur niederdeutschen Volks- und Altertumskunde, Bielefeld 1923, S. 237f.
|
Zum Seitenanfang  |
|
|
|
Am 1. Mai 1850 veröffentlichte Rudolf Rempel, einer der bekanntesten Demokraten in Bielefeld, einen Artikel im „Volksfreund“ über die künftige Entwicklung im Ravensberger Land:
|
 |
„Die Weber befürchteten, daß mit der Anlegung einer Spinnmaschine in unserer Gegend die bisherige Art und Weise, wie der Handel hier betrieben wird, aufhören würde. Sie fürchten, daß die Bielefelder Leinenhändler, die bis jetzt nur Großhändler waren, zur Fabrikation übergehen und daß sie (die Weber), die eigentlichen Fabrikanten, dann zu Fabrikarbeitern herabsinken würden. Die Weber haben zu dieser Befürchtung gegründete Ursache. Es wird auch so kommen. Die Lage der englischen Weberbevölkerung vor der Einführung der Spinnmaschine zeigt uns den Weg. Dort wurde die Industrie gerade so betrieben, wie noch heute bei uns. Die Verspinnung und Verwebung der Rohstoffe geschah im Hause des Arbeiters. Frauen, Töchter, Söhne und kleine Kinder waren mit dabei beschäftigt. Die Weber lebte auf dem Lande, in der Nähe der Städte und hatten größtenteils ihr eigenes kleines Grundstück, welches sie selbst bebauten. Sie konnten so viel Zeit auf ihre Oekonomie verwenden, wie sie wollten, denn es hing lediglich von ihnen ab, ob und wann sie weben wollten.
Mit der Einführung der Spinnmaschine hörte dieses Stillleben auf, die Industrie dehnte sich mächtig aus, die ländlichen Arbeiter wanderten nach den Städten, woselbst große Fabrik-Etablissements entstanden, die Masse der kleinen Fabrikanten oder Webermeister auf dem Lande verschwand und die industrielle Bevölkerung bestand bald nur noch aus den Fabrikanten, früheren Großhändlern auf der einen Seite, und dem Proletariat, der arbeitenden Weberbevölkerung, auf der andern Seite. Anfänglich mit der Ausdehnung der Industrie stieg der Weberlohn und damit die Zahl der Arbeiter, später, als Ueberproduktion eintrat (d. h. Ueberproduktion im Sinne unserer heutigen Bourgeoisgesellschaft, in der die Arbeiter als Consumenten wenig oder gar nicht gerechnet werden) war der Lohn allen Schwankungen und Krisen des Handels unterworfen und die arbeitende Weberbevölkerung theilte das allgemeine Schicksal des Proletariats, heute satt zu essen, morgen zu hungern, mit einem Worte – von einem Tag zum andern zu leben, ohne irgend eine Sicherheit für die fernere Existenz. So ist es mit der Entwickelung der Industrie in England den Arbeitern ergangen, so wird es auch, das läßt sich mit Bestimmtheit behaupten, bei uns kommen.
Aber das ist kein Unglück, sondern ein Glück. Mit diesr Entwickelung, mit dem Augenblicke, in dem unsere Arbeiterbevölkerung in die Reihen des Proletariats tritt, tritt sie aus ihrem früheren Nebelleben hinaus, sie wird zu einer denkenden Masse, die sich ihres Zieles bewußt wird und als geschichtlich berechtigte Klasse mit der Bourgoisie um die Herrschaft ringt. Zwar wird dieser Uebergang nicht ohne Schmerzen und Wehen vor sich gehen, aber unsere Weberbewölkerung wird ihn rasch durchmachen und sie wird dann zu der großen Proletarierfamilie gehören, deren Befreiung und deren Herrschaft, wenn nicht alle Anzeichen trügen, schon ganz nahe bevorsteht. Das Proletariat in ganz Europa hat ein g e m e i n s a m e s I n t e r e s s e, was in England oder Frankreich dafür geschieht, kommt Deutschland zu gute.“
|
Zum Seitenanfang  |
|
|