Am 6. Dezember 1838 legt der Lehrer Hertlitschka einen Bericht über die Schule der Fabrik Cromford vor:
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„Nach der Aussage unseres Pfarrers hat derselbe, als Präses und Schulvorstandes, mit dem Fabrikinhaber Herrn Brügelmann die Einrichtung der Schule dasselbst besprochen und beschlossen. In welchem Auftrage weiß ich nicht zu bestimmen. Am 13. Januar 1835 wude in der Pastorat beschlossen, daß der Unterricht am 17. desselben Monats beginnen sollte. Herr Brügelmann gab ein Zimmer und die nöthigen Utensilien her; er bezahlte die zu gebrauchenden Lehrmittel: Kinderfreunde, biblische Geschichten, Fibeln und Schiefertafeln und besorgte die Heizungsmaterialien (Bücher und Tafeln wurden in der Schule aufbewahrt, gleich vor dem Unterricht ausgeteilt und nach demselben eingesammelt, daß so den Kindern kein Augenblick verloren geht.) Die Unterrichtsstunden sind Mittwochs und Samstags Nachmittags von 1-2 Uhr und Sonntags von 1-4 Uhr. Damit die Arbeiter keinen Abzug an ihrem Arbeitslohn erleiden müssen, arbeiten sie 4 Mal in der Woche Abends eine halbe Stunde länger. Sonntags Morgens besuchen die Kinder um 9 Uhr die Kirche, und des Nachmittags gegen 3 oder halb 4 Uhr kommt ein Kaplan herauf, der ihnen ein Stündchen Religions-Unterricht ertheilt; letzteres gratis. Die Mittwoche und der Sonnabend sind deshalb gewählt worden, weil dann in den Elementarschulen frei ist. Für den Unterricht wird den Kindern monatlich 3 Silbergroschen von ihrem Lohn abgehalten, welche Gutschrift der Lehrer mit einem Fabrikmeister in dem Schulzimmer verrichtet. Auch diejenigen, welche die Schule versäumen, müssen dieses Schulgeld zahlen, damit sie dadurch einen Sporn zum fleißigen Besuche erhalten mögen. Der Lehrer liefert Tinte, Federn und Griffel frei. Die Stundenzahl, der Lehrplan und der Schulgeldsatz sind von der Königl. Regierung genehmigt worden; letzterer kam ihnen jedoch zu hoch vor, ist aber geblieben.
Mit dem Glockenschlag 1 wird in der Fabrik geläutet und die Schule beginnt; ebenso wird um 2 Uhr der Unterricht beschlossen.
Um in der Schule viel zu wirken, da die Zahl der Schulkinder meist an 100 kommt und mehrere Abtheilungen nöthig sind, wird die Lankaster'sche Lehrmethode angewandt, und der Lehrer wirkt mit Monitoren, welche er aus den fähigsten seiner Schüler wählt, die er durch Überzeugung ihrer guten Handlung gegen hilfebedürftige Mitbrüder für die Schule zu gewinnen sucht.
Ratingen, den 6. Dezember 1838
Der Lehrer:
Herlitschka“ |
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Quelle: Stadtarchiv Wuppertal
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Bericht des Schulpflegers Pfarrer August Wilhelm Hülsmann über eine Fabrikschule in Hammerstein bei Wuppertal, 1839:
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„Actum Hammerstein, d. 23 Dec. 1839.
In Folge der Verfügung der Königl. Regierung zu Düsseldorf, vom 21. Septbr d.J. die Beaufsichtigung des Unterrichts der in den Fabriken arbeitenden Kinder betreffend, wurde am heutigen Tage von dem unterzeichneten Schulpfleger die von dem Herrn Fr. Aug. Jung, Gutsbesitzer u. Kaufmann zu Elberfeld auf seiner Fabrikanlage zu Hammerstein bei Sonnborn eingerichtete Schule, in welcher die in der Fabrik, einer Baumwollenspinnerei, arbeitenden Kinder den erforderlichen Unterricht erhalten, unter Beistand der Herrn Bürgermeister Schnittert von Haan u. des Schulvorstandes zu Sonnborn, von welchem der Herr Präses Pfarrer Herminghaus u. der Hl. Schulvorsteher Kopp zugegen waren, inspizirt und untersucht. Das Resultat dieser Untersuchung war im Allgemeinen, daß diese Schuleinrichtung nicht bloß alles leiste, was nach den bestehenden Vorschriften von einer Anstalt dieser Art gefordert werden muß, sondern als Meister einer Fabrikschule betrachtet werden kann u. ein sehr rühmliches Zeugniß davon abgiebt, wie der obengenannte Herr Fabrikinhaber für das geistige u. physische Wohl der in seiner Fabrik arbeitenden Jugend eine wahrhaft väterliche Sorge trägt.
Das Schulzimmer liegt zur ebenen Erde, ist 30' lang 25' breit und 11' hoch u. mit fünf großen Fenstern versehen. In diesem Zimmer befinden sich außer dem Pulte des Lehrers 12 vorschriftmäßig eingerichtete Schreibpulte von welchen jedes hinlänglichen Raum für 10 Kinder darbietet, so daß in dem Schulzimmer 120 Kinder bequem sitzen können, u. noch ein sehr bedeutender Raum für Gänge pp übrig bleibt. Das Lokal wird im Winter durch eine vom Heizapparat der Fabrik führende Röhre nach Belieben mehr oder weniger erwärmt.
An Lehrmitteln war alles Erforderliche vorhanden, eine hinreichende Anzahl Bibeln für die evangelischen, Neue Testamente nach der katholischen Übersetzung für die katholischen Kinder, Lesebücher Fibeln u. Rechenbücher, eine Wandtafel u. eine große Anzahl von Schiefertafeln, lithographische Vorschriften für den Schreibunterricht, Landkarten u. Tafeln Behufs des Unterrichts in der vaterländischen Geschichte, u.s.w., so daß Nichts vermißt wurde, was zu einem der Schule angemessenen Lehrapparat erforderlich erscheint.
Außerdem wird jeder Schüler mit einem blauen Kittel u. jede Schülerin mit einer blauen Schürze vor dem Eintritt in das Lehrzimmer versehen u. dafür Sorge getragen, daß in dem Vorzimmer alle Schüler vor dem Anfange des Unterrichts sich waschen und reinigen, so daß die Kinder, welche größtentheils frisch u. gesund aussehen, in dieser reinlichen Kleidung einen sehr (ist im Text gestrichen worden! E.v.N.) erfreulichen Anblick darbieten.
Die Zahl der jetzt in die Schule aufgenommenen Kinder beläuft sich auf 85, vom 10. bis zum 14. Jahr, wobei jedoch bemerkt wird, daß nur sehr wenige von 10 jährigem Alter sich unter denselben befinden u. wobei es hervorgehoben zu werden verdient, daß der Herr Fabrikinhaber auch solchen Kindern, die das schulpflichtige Alter bereits zurückgelegt haben, den Besuch der Schule, wenn sie des Unterrichts noch bedürfen, gerne gestattet, ohne ihnen für den dadurch verursachten Ausfall an Arbeitsstunden irgend einen Abzug an ihrem Wochenlohn zu machen. Eben so wird denjenigen Kindern, welche den Konfirmandenunterricht besuchen, in derselben Weise gestattet, daß sie dreimal in der Woche u. zwar jedes mal zwei Stunden an demselben theilnehmen, den Katechumenen, daß sie einmal wöchentlich den Unterricht des betreffenden Pfarrers genießen, ohne Abzug des Wochenlohns.
Zum Lehrer dieser Schule ist der Lehrer Hummeltenberg aus Sonnborn von dem Fabrikinhaber und auf seine eigene Kosten engagiert u. erteilt ersterer den Unterricht täglich von halb zwölf bis halb ein Uhr, nachdem er seine Schulstunden in der etwa 10 Minuten entferntliegenden Schule zu Sonnborn geendigt hat.
Was nun die Leistungen der in der Schule unterrichteten Kinder betrifft, so waren dieselben nach der angestellten Prüfung sehr befriedigend zu nennen. Die Schreibübungen auf der Schiefertafel u. auf Papier mit Federn u. Dinte übertrafen selbst die gehegten Erwartungen, indem einige Schüler nicht bloß eine deutliche und leserliche, sondern fast schöne Handschrift sich angeeignet hatten. Die Fertigkeit im Lesen zeigte sich bei den Meisten ebenfalls befriedigend und eben so wurde auch der Unterricht im Rechnen u. Gesang mit Erfolg erteilt, so daß die Fortschritte der Kinder um so mehr als befriedigend erscheinen mußten, als manche Kinder vor ihrem Eintritt in die Fabrik, theils gar keinen, theils einen sehr unregelmäßigen Schulunterricht genossen hatten. Es läßt sich von dem Fortbestehen dieser Schule bei der väterlichen Aufsicht u. thätigen Theilnahme des Herrn Fabrikbesitzers, durch dessen Anordnung ein höchst regelmäßiger Besuch dieser Fabrikschule, wie sich aus der darüber geführten Liste ergab, erzielt worden ist, u. bei den treuen u. verständigen Bemühungen des einsichtsvollen Lehrers, die beste u. erfreulichste Wirkung erwarten u. ist es außer allem Zweifel, daß für diejenigen Kinder, die von ihren Ältern zu der Fabrikarbeit gebraucht werden müssen, in einer solchen Schule Alles vorhanden ist, was als Erfolg für den ordentlichen Schulunterricht, nach den bestehenden Vorschriften, gefordert wird.
Nach beendigtem Schulunterricht ist den Kindern ein großer im Winter erwärmter Saal mit den nöthigen Tischen u. Bänken angewiesen, in welchem sie ihr Mittagsessen verzehren können u. wird ihnen außerdem noch die nöthige Zeit zum Aufenthalt in freier Luft u. zur Erholung bewilligt, wie denn auch den Kindern unter 16 Jahren nur eine Arbeitszeit von kaum 10 Stunden zugewiesen, innerhalb derselben auch die nöthige Zeit zum Frühstück u. Abendbrot so wie zur Erholung vergönnt wird, wobei noch zu bemerken ist, daß die Arbeit keineswegs eine anstrengende noch eine die Gesundheit der Kinder gefährdende genannt werden kann, sondern größtentheils in einer Beaufsichtigung der arbeitenden Maschinen, anknüpfen der abgerissenen Fäden u. dgl. besteht.
Vorstehender Bericht wurde vorgelesen, r. von den anwesenden Herrn Bürgermeister u. Schulvorsteher u. dem Schulinspector unterzeichnet. Hl. Pfarrer Herminghaus hatte sich wegen Amtsgeschäften vor dem Schluß des Protokolls entfernt.
Schnittert Ernst Kopp Hülsmann“
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Aus: Erika van Norden, Die Jungsche Fabrikschule in Sonnborn. Ein Beitrag zur historischen Sozialforschung, in: Geschichte in Wuppertal, ediert von Uwe Eckardt, Michael Knieriem und Volkmar Wittmütz, Bd. 12, Wuppertal 2003, S. 20f.
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