Aus: Ralf Peter Sieferle, Energie, in: Besiegte Natur. Geschichte der Umwelt im 19. und 20. Jahrhundert, hg. von Franz-Josef Brüggemeier und Thomas Rommelspacher, München 1987, S. 30f:
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„Fossile Brennstoffe, in erster Linie die Kohle, bilden die energetische Grundlage der Industrialisierung. Nutzung von Kohle half zunächst, lokale Engpässe der traditionellen Brennstoffversorgung zu überwinden, doch bildete sich seit dem 18. Jahrhundert in England ein fossiles Energiesystem mit bestimmten Merkmalen heraus, die es fundamental von dem traditionellen Solarenergiesystem unterschieden.
Auch die Kohle beruht letztlich auf photosynthetisch gebundener Sonnenenergie, doch werden mit ihr Energien nutzbar, die sich in sehr langen Zeiträumen aufgespeichert haben und innerhalb relativ kurzer Zeiträume freigesetzt werden. Der Holzbestand eines Urwalds etwa mag einen Energiegehalt haben, der auf dreihundertjährige Photosyntheseleistungen der Bäume zurückgeht. Schlägt man diesen Wald zum ersten Mal, so steht für eine kurze Zeit eine große Menge gespeicherter Energie zur Verfügung. Wird der Wald jedoch, wie in der Forstwirtschaft üblich, nachhaltig und dauerhaft genutzt, so kann auf seiner Gesamtfläche innerhalb eines bestimmten Zeitraums nur so viel Holz gewonnen werden, wie innerhalb desselben Zeitraums nachwächst. Ein forstwirtschaftlicher Betrieb erntet also von seiner Nutzfläche in der Regel nur das dauerhafte ‚Energieeinkommen‘ dieser Fläche. Bei der Nutzung von Kohle hingegen greift man auf einen einmaligen Schatz gebundener Energie zurück, der sich (in historischen Zeiträumen) nicht erneuert, sondern der immer kleiner wird, bis er eines Tages vollständig verbraucht ist. Dieser Schatz ist allerdings gewaltig groß. Er wurde über einen Zeitraum von mehreren Millionen Jahren hinweg angesammelt und wird innerhalb von wenigen hundert Jahren verbraucht. Eine Gesellschaft, die auf fossile Energie zurückgreifen kann, befindet sich daher in einem vorübergehenden Zustand des Energieüberflusses, der es ihr erlaubt, in nie dagewesener Weise Stoffe umzuwandeln, zu bewegen und zu konzentrieren.“
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