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„Fabrikreglement für die Ravensberger Spinnerei“, 1857


§. 1.
Jeder in die Fabrik aufgenommene Arbeiter muß sich bei seinem Eintritt verbindlich machen, der von der Ravensberger Spinnerei errichteten Krankenkasse beizutreten, so wie auch, mindestens vier Wochen nacheinander im Dienste der Fabik zu bleiben. Wird ihm nach Verlauf dieser Zeit der Abschied nicht gegeben, so sind beide Parteien, die Fabrik-Verwaltung und der Arbeiter zu einer wechselseitigen Kündigung von vier Wochen verpflichtet; falls darüber besondere Kontrakte nicht andere Bestimmungen getroffen haben. Die Kündigung muß vor dem Lohntage im Comptoire gemacht werden und wird daselbst in ein Buch mit dem Datum eingetragen.
Die wegen Untreue, Ungehorsam, Untauglichkeit oder wegen schlechter Arbeit und Aufführung verabschiedeten Arbeiter sind von diesem Vorzuge ausgeschlossen und können augenblicklich aus der Arbeit entlassen werden.

§. 2.
Die Arbeit beginnt an jedem Tage, außer an den Sonntagen und den gesetzlichen Feiertagen, des Sommers früh 5 ½ Uhr, des Winters früh 6 Uhr, und dauert mit Ausnahme von ½ Stunde Frühstückzeit, 1 Stunde Mittagruhe (12 bis 1 Uhr) im Sommer bis Abends 7 Uhr, im Winter bis Abends 7 ½ Uhr, also volle 12 Stunden, und ist es den Arbeitern nicht gestattet, sich innerhalb dieser Zeit ohne Erlaubniß zu entfernen.

§. 3.
Jeder Arbeiter unterzieht sich außerdem bei vorkommender Reparatur der Betriebs-Werke pp. auch nöthigenfalls der Nachtarbeit, wobei jedoch die Einrichtung getroffen werden soll, daß dessenungeachtet einem Jeden die nöthige Ruhe und Erholung unentzogen bleibt.

§. 4.
Der jedesmalige Beginn der Arbeit wird durch das Läuten einer Glocke angezeigt, in der Art, daß ½ Stunde vor Beginn zum ersten Mal und 20 Minuten später zum zweiten Mal angeschlagen wird und müssen sämmtliche Personen fünf Minuten nachher bei ihrer Arbeit stehen. Nach dem Frühstück und nach der Mittagszeit wird wiederum 10 Minuten vor dem Anfange geläutet.

§. 5.
Jedem Arbeiter, der zu spät in die Arbeit kommt, oder ohne Erlaubniß zu Hause bleibt, wird eine Strafe von dem doppelten Werthe der Zeit seines Ausbleibens auferlegt; die geringste Strafe wird für ¼ Tag gerechnet.

§. 6.
Kein Arbeiter kann sich während der Arbeitszeit ohne Ausgangszettel von der Verwaltung aus der Fabrik entfernen; befolgt der Pförtner diese Regel nicht, so verfällt er in Strafe und der Arbeiter wird ebenfalls für den Ungehorsam nach Verhältniß bestraft.

§. 7.
Während der Arbeitzeit sind sämmtliche in der Fabrik beschäftigten Personen den Fabrikverwaltern, deren Stellvertretern und den Aufsehern unbedingten Gehorsam schuldig; ein Jeder muß Fleiß mit Treue, Reinlichkeit und Ordnungsliebe verbinden, und zur Vermeldung von eigenem Unglück und Nachtheilen der Fabrik, seine ganze Aufmerksamkeit auf die ihm angewiesene Arbeit richten.

§. 8.
Der Meister oder die dazu beauftragten Arbeiter sollen allein die zu reparierenden Maschinen und Getriebe wieder in Ordnung bringen und müssen zu dem Ende durch den Arbeiter unter Vorwissen des Aufsehers herbeigerufen werden; der Arbeiter darf auch nicht die geringste Reparatur an der Maschine selbst vornehmen und zwar bei Strafe von zwei Arbeitstagen und Schadenersatz; der Arbeiter muß seine Maschine gut behandeln, zur festgesetzen Zeit pugen und schmieren, den Platz unter und neben seiner Maschine, sowie auch sich selbst rein halten und den guten Abfall sorgfältig aufbewahren.

§. 9.
Es ist verboten, das Innere der Fabriklokale sowohl, als den Hof und dessen Umgebung auf irgend eine Weise zu verunreinigen.Aus müssen die Abtritte immer rein gehalten werden, worüber die Aufseher zu wachen haben. Diejenigen Arbeiter, welche überwiesen werden die Abtritte verunreinigt, oder bei deren Besuch Spinnerei-Abfälle benuzt zu haben, zahlen an die mit der Reinhaltung beauftragte Person 5 Sgr. Strafe; auch darf niemals mehr als ein Arbeiter auf den Abtritt gehen und sich nicht länger aufhalten, als es nöthig ist, indem er sonst in Strafe verfällt.

§. 10.
Zur Verhütung von Unglücksfällen darf außer dem Aufseher und den dafür bestimmten Personen Niemand Lampen anzünden, oder auslöschen, die Heitung reguliren wollen, die Dampfröhren, Betriebswellen oder Räder berühren, noch Fenster öffnen oder schließen.

§. 11.
Ein Jeder ist für das ihm übergebene Werkzeug pp., oder daß zur Maschine gehörige Inventarium verantwortlich, muß sich daher unbrauchbar gewordene Stücke gegen neue umtauschen lassen, und hat verlorene zu ersetzen.

§. 12.
Das Tabackrauchen und der Genuß geistiger Getränke ist in der Fabrik und ihrer Umgebung bei Strafe von 10 Sgr. bis 1 Thlr. verboten, ebenso ist dem Arbeiter unnützes Plaudern, Fluchen, Streiten, Singen unanständiger Lieder und überhaupt jedes Störung verursachende unanständige Benehmen bei Strafe untersagt.

§. 13.
Jedem Arbeiter, der betrunken zur Arbeit kommt und dadurch die Ruhe auf irgend eine Art stört, wird eine Strafe von mehreren Tagelöhnen auferlegt.

§. 14.
Jeder Ungehorsam von Seiten der Arbeiter gegen ihre Vorgesetzten oder gegen die von Letzteren dazu verordneten Personen, soll nach Verhältniß des Fehlers mit einer Strafe von mehren Tagelöhnen belegt werden und der Fehlende wird für Alles, was daraus entstehen könnte, verantwortlich gemacht.

§. 15.
Die von der Fabrik-Verwaltung angeordneten Geldstrafen fallen der Krankenkasse zu gut.

§. 16.
In Krankheitfällen wird den sämmtlichen in der Fabrik beschäftigten Personen außer den Tagelöhnern, an Stelle der fortfallenden Löhnung eine wöchentliche Unterstützung aus der Krankenkasse nach Maßgabe des für dieselbe festgesetzten Statuts verabreicht; auch den Kranken noch außerdem freie ärztliche Hülfe und freie Arznei bewilligt. Diejenigen Personen, welche sich in Folge von Trunksucht oder Unreinlichkeit eine Krankheit zuziehen, haben auf eine Unterstützung nicht zu rechnen.

§. 17.
Im Interesse der Fabrik und der ehrlichen Arbeiter liegt es, die sämmtlichen Arbeiter und Arbeiterinnen ohne Unterschied bei ihrem Fortgange aus der Fabrik mitunter revidiren zu lassen und haben sich dieselben einem solchen Verfahren ohne Widerrede zu unterwerfen.
Es wird bei dieser Gelegenheit bemerkt, daß es untersagt ist, selbst werthlose Abfälle einzustecken, und sollen auch solche Kleinigkeiten als Diebstahl betrachtet und als solcher geahndet werden.

§. 18.
Den Arbeitern, welche eine von einem Andern begangene Untreue entdecken und dieselbe auf dem Comptoir anzeigen, wird eine Belohnung versprochen und ihre Namen sollen verschwiegen bleiben; wer dagegen Diebstähle verhehlt, soll gleich dem Thäter bestraft werden.

§. 19.
Sämmtliche Personen dürfen nur auf den schon bestehenden Wegen kommen und gehen, keine Feldwege bahnen, und am wenigsten durch dieFenster der Säle ein- und aussteigen, welche nach §. 10 nur der Aufseher zu öffnen befugt ist.

§. 20.
So lange Jemand bei der Fabrik beschäftigt ist, wird ihm strenge Verschwiegenheit über die Fabrik auferlegt; er darf daher über die Fabriktation weder mündliche noch schriftliche Mittheilungen machen, noch weniger Zeichnungen von Maschinen und Modellen abnehmen und verbreiten, auch unter keinen Umständen irgend Jemand, der in der Fabrik nicht beschäftigt ist, darin mit einführen. Die Nichtbefolgung wird in vorkommenden Fällen wenigstens mit Einhaltung eines Wochenlohnes, nach Befinden der Umstände auch höher bestraft.

§. 21.
Sollte der Fall eintreten, daß von den Fabrik-Arbeitern einer oder der andere, männlich oder weiblich, den hier vorstehenden Vorschriften wiederholt entgegen handeln sollte, so steht es der Verwaltung frei, einen solchen Arbeiter oder eine solche Arbeiterin ohne irgend eine Entschädigung sofort zu entlassen.

§. 22.
Die Auszahlung des Wochenlohns erfolgt alle 14 Tage des Sonnabends bei der Fabrik-Kasse. Ein jeder Anspruch darauf muß sofort bei der Fabrik-Verwaltung angemeldet wrden und wird ausdrücklich festgesetzt, daß sämmtliche vermeintliche Ansprüche auf Wochenlöhne 14 Tage nach der betreffenden Arbeitszeit als erloschen angesehen werden.

§. 23.
Die durch besondere Contrakte bewilligte Jahres-Prämie wird nach Ablauf eines Jahres gezahlt, sit jedoch verwirkt, wenn den vorstehend aufgeführten Verpflichtungen nicht sämmtlich und pünktlich nachgekommen sein sollte; wird auch in etwa vorkommenden Krankheit- oder anderen Fällen nur für die Zeit ermittelt und gezahlt, während welcher der Arbeiter und die Arbeiterin in der Fabrik thätig gewesen ist.

§. 24.
Gegenwärtiges Reglement wird in allen Arbeitssälen angeschlagen, so daß sich Niemand mit Unkenntniß desselben entschuldigen kann.Sollte einer dieser Anschlagzettel zerrissen oder absichtlich beschmutzt werden, so soll der Thäter, oder wenn derselbe nicht ermittelt werden kann, der ganze Saal 2 Thlr. Strafe bezahlen.

Zitiert nach: Unterrichtseinheit: Industriestadt Bielefeld I, Stunde: Die Fabrikordnung, Quellensammlung, Historisches Museum Bielefeld o.J.
Hier wird der Text noch nachgeliefert (in Bearbeitung!!!)

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