[ Start | Die Folgen | Die Fabrikordnung der Knopffabrik Gebr. Dicke in Lüdenscheid 1823 ]
   
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„Da es durchaus nöthig ist, wenn eine Fabrik bestehen soll, daß sowohl auf gute Ordnung als auch auf gute Waren gesehen werden muß, so haben wir es für nöthig gefunden, nur unter folgenden Bedingungen [Arbeiter] in unserer Fabrick aufzunehmen.

1. Ein jeder Arbeiter, er mag stückweise oder im Taglohn arbeiten, muß sich im Sommer zwischen 5 und 6 Uhr und [im] Winter um 7 Uhr morgens und um 1 Uhr nachmittags zur Arbeit einfinden und bis des Abends 8 Uhr arbeiten, derselbe kann aber im Sommer des Morgens von 8 bis 9 Uhr zum Kaffee trinken nach Hause gehen, im Winter aber muß solcher, ehe er zur Arbeit kommt, schon getrunken haben oder sich den Kaffee bringen lassen. Alle Nachtarbeit vor 5 Uhr morgens und nach 8 Uhr abends wird gar nicht ohne besondere Erlaubniß bewilligt und überhaupt alle Untreue strenge verboten.

2. Wenn ein Arbeiter wegen häuslichen Geschäften nicht zur Arbeit kommen kann, so muß derselbe uns dieses anzeigen lassen, geschieht dieses nicht, so wird es angesehn, als wenn er herumgeschwärmt hätte, und es wird dafür dann demselben die Arbeit für so viele Tage, als er abwesend war, für die nächstfolgenden Tage untersagt.

3. Muß jeden Morgen das Arbeitszimmer im Sommer 7 Uhr und im Winter um 8 Uhr gereinigt und der Ofen angemacht worden seyn, und zwar von einem jeden, an dem die Reihe ist, außer den Werkmeistern, diese müssen dafür aber sorgen, daß des Abends das Feuer gehörig ausgelöscht, die Zimmer gehörig verschlossen und die Schlüssel an dem angewiesenen Ort in Verwahrung gebracht werden.

4. Alle Zänkereien, Schlägereien, Specktakel machen und unanständiges Singen und Branntwein trinken in Complotten werden durchaus nicht gelitten, es steht aber einem jeden frei, für sich allein etwas Branntwein zur Stärkung zu nehmen. Den Werkmeistern wird es daher besonders zur Pflicht gemacht, genau hierauf zu achten.

5. Wenn der eine oder andere Arbeiter beleidigt wird, so muß derselbe uns solches gleich anzeigen, wo wir dann die Sache untersuchen, und die nöthigen Maasregeln darüber treffen werden.

6. Da auch Unvorsichtigkeit und Muthwillen oft Fensterscheiben zerbrochen werden und es uns schwerfällt, den Thäter daran zu erforschen, so wird einem Jeden zur Pflicht gemacht, das Fenster, woran er arbeitet, selbst zu bewahren, und muß derselbe alle die Scheiben, welche darin zerbrochen, gleich auf seine Kosten ohne Widerrede wieder machen lassen, so ist aber auch ein Jeder verpflichtet, seine Gerätschaft, Materialien & die in Arbeit habenden Waaren ordentlich aufzubewahren und nicht zerstreut herumliegen zu lassen, weil sonst alles uns durch Nachlässigkeit verdorben und fehlerhaft gemacht wird, demjenigen, der es unter Händen gehabt hat, berechnet wird, ebenso wird das unnöthige Herumgehen von der einen Stube in die andere nicht gestattet.

7. Denen Werkmeistern, welchen Lehrlinge zur Aufsicht übergeben sind, wird aufgegeben, solche zur Ordnung und zur Ruhe anzuhalten, dafür zu sorgen, daß sie thätig sind, zur rechten Zeit an ihre Arbeit kommen und gute Waare machen, und sind solche für die Nichterfüllung ihrer Pflichten verantwortlich, dahingegen wird den Lehrlingen hiermit Gehorsam anbefohlen.

8. Diejenigen Arbeiter, welchen Vorschüsse auf ihre Arbeiten bewilligt werden, erhalten solche nur unter der Bedingung, daß sie darauf jede Woche den 3ten Theil ihres Verdienstes stehen lassen. Würde aber der eine oder andere aus unserer Arbeit kommen, ehe der Vorschuß abrendiert ist, so verpflichtet sich derselbe, den Rest sofort gleich wieder zurückzuzahlen und nicht eher in andere Arbeit zu treten, bis solches geschehen, wo er dann auch seinen Losschein erhalten kann. Dieses bezieht sich auch ebenfalls auf diejenigen, welche in ihren Häusern für uns arbeiten.

9. Die Zeit, auf welche Arbeiter angenommen werden, ist allemal stillschweigend 14 Tage, es muß daher der Arbeiter sowohl als wir, wenn es dem einen oder anderen nicht mehr gefallen sollte, die Arbeit 14 Tage zuvor aufkündigen. Wir halten es uns aber bevor, daß, wenn ein Arbeiter gegen diese unsere Verordnung handelt, es uns frey steht, denselben ohne Aufkündigung aus unserer Arbeit zu entlassen. Dieses nämliche Recht kann der Arbeiter auch anwenden, wenn ihm sein verdienter Lohn enthalten wird.

10. Schließlich wird noch bemerkt, daß alle Arbeiter, die jetzt in unsere Fabrick gehen, mit dieser Verordnung zufrieden sind, würde aber der eine oder andere sich nicht dazu bequemen wollen, so muß derselbe von jetzt an seine Arbeit mit 14 Tage aufkündigen, widrigenfalls wir das Stillschweigen als Annahme dieser Verordnung ansehen, und ist solche einem jeden vorgelesen, und in dem Fabrickenhause zu jedermannes Wissen angeschlagen worden.“

 
Zitiert nach: Fabrik, Verein und "Klassenkampf". Arbeiterleben und Arbeiterorganisation
in Lüdenscheid von 1820 bis 1950 in Bildern und Dokumenten, Begleitband zur Ausstellung,
bearb. und eingeleitet von Dietmar Simon, Lüdenscheid 1996, S. 13f.

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