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Rede des Präses Nonnes vor der märkischen Gesamtsynode, 1832
Erste Seite des Abdrucks in den Verhandlungen der Gesammtsynode in der größeren evangelischen Kirche zu Unna den 9. und 10. October 1832 Bildnachweis
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Rede des Präses Nonnes vor der märkischen Gesamtsynode 1832:
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Vielleicht werde ich den Wünschen der Mehrzahl von Ihnen, meine hochgeehrtesten Herren Brüder und Deputirten! entgegenkommen, wenn ich bei meiner Eröffnungsrede einen Gegenstand berühre, welcher seit einer Reihe von Jahren uns bei allen unsern Synodalversammlungen, bei unsern Privat-Conferenzen und Zusammenkünften auf das angelegentlichste beschäftigt, und unsre, wenn auch nicht ausschließliche, doch vielleicht regste Theilnahme in Anspruch genommen hat, ich meine unsre Kirchenverfassung, und deren Wiederbelebung.
Die evangelische Kirchen-Zeitung, eine Zeitschrift, die wohl von keinem Theologen, weß Glaubens, und welcher Ansicht er auch sein mag, unbeachtet bleiben darf, tritt in dem Januarstücke dieses Jahres mit offenem Visiere und entschiedener Haltung gegen das Streben nach einer freien, selbstständigen Kirchenverfassung in die Schranken, und da sie dabei der Grafschaft Mark, und zwar eben nicht auf eine rühmliche Weise erwähnt, so liegt die Kenntnißnahme, und Prüfung ihrer Behauptungen so ganz im Interesse unserer derzeitigen Verhandlungen, daß ich nicht umhin kann, dieselben etwas näher anzugeben.
Ungemein betrübend und verletztend steht, an der Spitze der gegen eine freie Kirchenverfassung gerichteten Invectiven, die Behauptung, daß die Bemühungen um kirchliche Freiheit sich in einem engen Zusammenhange mit den parallelen Ansichten und Bestrebungen auf dem politischen Gebiete, wie sie sich schon seit Jahren geltend gemacht haben, befänden, und ein nothwendiges Erzeugniß des, sich schon seit geraumer Zeit durch die Völker hindurchziehenden Sehnens nach einer unbestimmten Freiheit seien. Das Streben nach politischer Freiheit sei durch die Maaßregeln der Regierungen seines freien Spielraums beraubt, habe einen andern Ausweg gesucht, und auf dem kirchlichen Gebiete einen weit gefahrloseren Schauplatz seiner Thätigkeit gefunden. In Folge der Julitage in Frankreich habe in Deutschland das Streben nach kirchlicher nicht weniger wie nach politischer Freiheit, nicht nur an Stärke und Ausdehnung gewonnen, es habe sich sogar in mehrern Ländern den Weg zu einem glücklichen äußern Erfolge gebahnt, und wenn es auch bis jetzt noch nirgends bis ans Ziel gekommen sei, so rücke es doch demselben an manchen Orten immer näher, besonders dadurch, daß es sich in den Ländern, wo das Streben nach politischer Freiheit vollen Spielraum habe, als den Bruder desselben ankündige und empfehle. Deshalb sehe man überall Herolde der kirchlichen Freiheit auftreten, und da sogar Manche, welche die Wahrheit in ihrem volleren Gehalte erkannt hätten, dennoch diesen elenden Satzungen der Welt dienten, so läge darin eine Aufforderung für Alle, die der Herr dazu berufen, dies blutlose Phantom so lange zu verfolgen, bis es unter ihren Händen sein Scheinleben aufgegeben habe. Es solle deshalb die evangelische Kirchen-Zeitung den Verhandlungen über kirchliche Verfassung geöffnet, und diese mit solchem Ernste und Nachdruck geführt werden, daß der Eifer mit welchem sich unsre götzendienerische Zeit an diesem Götzen anklammere, wenigstens etwas abgekühlt werde.
Diese schroffe, scharf einschneidende Paralellisirung des Strebens nach kirchlicher Freiheit, mit dem aus dem Reiche der Finsterniß hervorgegangenen, mit Aufruhr und Empörung verzweigten, mit einem gänzlichen Verkennen aller durch Gott und Gottes Wort geheiligten Ordnung verbundenen Liberalismus und Democratismus unserer Zeit, wird dadurch zur Einseitigkeit und Ungerechtigkeit, daß sie in nackter und unbedingter Allgemeinheit ausgesprochen ist. Die Grafschaft Mark, welche sich von jeher durch die entschiedenste, treueste, innigste, ja durch eine feurige Anhänglichkeit an ihr angestammtes Fürstenhaus ausgezeichnet hat, die Grafschaft Mark, wo sich nie, auch nicht die leiseste Spur demagogischer Schwindeleien und wahnwitziger, democratischer Bewegungen, weder früher noch jetzt gezeigt hat, muß sich durch diese Aeußerungen um desto mehr verletzt und beleidigt erachten, da ihrer und ihrer kirchlichen Verfassung mehrere Male in dem gedachten Aufsatze Erwähnung geschehen ist, und es das Ansehen gewinnen könnte, als ob jener Lügengeist, der jetzt die Welt verwirrt, jenes gottlose, der Hölle entkrochene Gespenst, Volks-Souveränität geheißen, auch zwischen ihren Bergen umherschleiche, und auf ihre Brachfelder seine dämonischen Saaten ausgestreut habe. Da sie namentlich genannt worden ist, so hätte auch namentlich davon Erwähnung geschehen müssen, daß sie sich von diesem verderblichen Zeitwahne unbefleckt, und von jenem Gifte, das im Reiche des Satans gekocht ist, durchaus und völlig frei erhalten hat. Mögen Beweise vorliegen, daß der sinnlose Spuk, welcher die, den bürgerlichen Horizont verdunkelnden Nebel aus verpesteter Tiefe hinaufbeschworen, und zu Hambach seine Larve abgeworfen hat, so daß sein ganzes scheußliches Angesicht und seine höllischen Züge offenbar wurden, sich hier und da auf das kirchliche Gebiet geflüchtet hat, wodurch denn die verehrliche Redaction der Kirchen-Zeitung zu ihrem Hülferuf veranlaßt sein mag, wir haben, dem Herrn sei Dank, noch nicht einmal von ferne das Rauschen seiner Füße gehört, und die Markaner stehen rein von dieser Schuld vor Gott und Menschen da. Schon daraus beweiset es sich, daß unser Ringen nach Wiederherstellung unsrer Kirchenverfassung mit jenen verbrecherischen Umtrieben auch nicht das mindeste gemein habe, weil wir es thatsächlich nachweisen können, daß dasselbe in eine weit frühere Zeit fällt. Was jene verworrenen Schwindler suchen und bezwecken, eine Freiheit, die sich von der göttlichen Weltordnung losreißt, eine Freiheit, die die bemessende Regel und das bindende Gesetz von sich abwirft, um gleich einem zügellosen Rosse wildtoll durch die Wälder zu birschen, das wollen, begehren und bezwecken wir nicht. Wir suchen keine Freiheit, die im Losgebundensein von dem zügelnden Gesetze, ihre eigenen regellosen Bahnen verfolgt, keine, die sich vom Staate trennen will, um selbst einen Staat zu bilden. Wenn wir Gerechtsame reclamiren, welche wir von unsern Voreltern als ein theures Gut ererbt erhalten haben, deren Zusammenhang mit den apostolischen Institutionen wir nachweisen können, deren innere Gültigkeit aus dem einfachen Gesellschaftsrechte resultirt, und die dem Geiste und Wesen der evangelischen Kirche angemessen erachtet werden müssen, Gerechtsame, die eine Gleichheit aller Glieder und Diener der Kirche in sich schließe, und uns die Bürgschaft gewähren, daß das Reich Gottes nicht mit den Reichen dieser Welt vermengt wird, so ist diese Reclamation so wenig parallel laufend mit dem politischen Liberalismus, daß es kaum nöthig ist, uns durch eine feierliche Protestation vor dem Verdachte auch nur der leisesten Billigung, oder gar Theilnahme am letztern sicher zu stellen.
[...]“
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