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Vorschriften aus dem Gefängnis Werden, der ehemaligen Reichsabtei, 1811

Vorschriften aus dem Gefängnis Werden,
der ehemaligen Reichsabtei, 1811
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„Vorschriften. Wie sich die Züchtlinge in den Kerkern und Arbeitsstuben zu verhalten haben.“

„1) Jeder, wenn ihn die Ordnung trift, ist verpflichtet, Morgens beym Aufstehen den Kerker auszukehren, die Fenster zu öffnen und den Nachtstopf zu leeren, die Strohsäcke aufzustellen und die Decken aufzuhängen.

2) Die Wände durch Ausspucken, oder sonst zu beschmutzen, zu verkratzen, oder den Boden durch Toback-Kauen unsauber zu machen, ist streng verboten.

3) Bey der Nacht darf nicht gesungen, oder sonstiges Geräusch gemacht, auch nicht heimlich mit einander gesprochen werden. Fluchen, unzüchtige Reden, zusammensprechen durch die Thürenöffnungen, so wie das Reden mit der Wache ist verboten.

4) Wer der Wache bey Tage oder bey den nächtlichen Visitationen grob begegnet, wird streng bestraft werden.

5) Brandwein trinken, und Toback rauchen ist allgemein verboten, und der Zubringen wird wie der Empfänger gestraft werden.

6) Wer um der Arbeit zu entgehen krank zu seyn vorschützt, muß nicht nur die versäumte Arbeit nachhohlen, sondern wird auch körperlich gestraft werden.

7) Wer von den ihm zur Bearbeitung gegebenen Materialien, oder an dem Werkzeuge etwas muthwillig verdirbt, oder davon verschleppt, muß den gemachten Schaden durch Ueberverdienst ersetzen.

8) Das Plaudern außer den Kerkern, und das Steigen an die Fenstern ist streng verboten.

9) Alle Versuche zum Ausbrechen das Komplottiren, und jedes Widersetzen gegen die Wache, oder das übrige Zuchthaus-Personale wird durch schwere körperliche Strafe, und nach Umständen durch Verlängerung der Strafzeit geahndet, jene, welche dergleichen Vergehungen gesehen, gehört, und nicht angezeigt haben, ziehen sich eine ähnliche Strafe zu.

10) Wer Vergehungen gegen diese Vorschriften mit Grund anzeigt, und die Thäter nahmhaft macht, wird nicht nur günstig berücksichtigt, sondern auch zu erwarten haben, daß nach Befinden der Umstände auf Abkürzung seiner Strafe wird angetragen werden.

Düsseldorf den 1. Januar 1811.

Der Präfect
Graf von Borcke.“
 
799 von dem Abt des münsterischen Paulusklosters, dem Heiligen Ludgerus aus seinem Familienvermögen als Benediktinerkloster gestiftet, entwickelte sich Werden im Hochmittelalter zu einer reichsunmittelbaren Abtei. Die jährlichen Einkünfte bezifferte man auf knapp 32.000 Taler.

Der von 1732 bis 1764 nach und nach errichtete vierflügelige Barockbau wurde erst nach 1806 umgenutzt, als Werden – 1802 von Preußen säkularisiert und 1803 aufgehoben – dem Großherzogtum Berg zugeschlagen wurde. Der Klosterbau wurde 1811 zum Gefängnis umfunktioniert. Er beherbergt heute in Teilen ein Museum.

 
Erläuterungen zur Umfunktionierung der Abtei Werden aus: Jan Gerchow (Hg.), Das Jahrtausend der Mönche. Kloster Welt Werden 799-1803, Essen / Köln 1999, S. 486:

„Die säkularisierte Reichsabtei [Werden] wurde unter französischer Zwischenherrschaft als Zuchthaus für Männer und Frauen eingerichtet und 1811 mit den ersten Gefangenen belegt. Zunächst übernahm man unter Einziehung von Zwischenwänden weitgehend die Raumaufteilung des Klosters …; in den vierziger Jahren erfolgte die Einrichtung von Isolierzellen. Weitere Gebäude, v.a. Dienstwohnungen für die Angestellten kamen hinzu, aber erst Anfang des 20. Jhs. Führte ein umgreifender Neuausbau des Inneren zu der typischen Gefängnisarchitektur mit Umwehrungsmauer […]. Zu dieser Zeit konnte die nunmehr zum reinen Männergefängnis gewordene „königliche Strafanstalt“ 770 Gefangene, davon 99 in Einzelhaft, aufnehmen und beschäftigte 53 Beamte (inkl. Einem Lehrer und zwei Geistlichen). Die Verwaltung war durch eine quer über den vorderen Hof geführte Mauer vom eigentlichen Vollzugstrakt mit seinen vergitterten Fenstern abgetrennt. Die ehemalige Abtei diente noch bis 1928 als Gefängnis und stand danach – trotz mehrerer Versuche einer klösterlichen Wiedernutzung – bis nach Kriegsende leer.“

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