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Johann Moritz Schwager, 1794
Johann Moritz Schwager (1738-1804), Titelblatt des „Allgemeinen Magazins für Prediger nach den Bedürfnissen unsrer Zeit“ hg. von Johann Rudolph Gottlieb Beyer, Band 10, 4. Stück, Leipzig 1794
Typendruck, Kupferstich
19,9 x 11,3cm (Blatt)
WLMKuK Münster, Inv.Nr. C-500245 PAD
Auch in den evangelischen Kirchen gab es Pastoren, die sich als Aufklärer und Volkserzieher verstanden, in Predigten und Schriften auch Fragen praktischer Lebensgestaltung, etwa der Pferdezucht und verbesserten Düngemethoden, erörterten. Neben Peter Florenz Weddigen (1758-1809), seit 1793 Prediger in Bucholz, seit 1797 Pfarrer zu Kleinenbremen bei Minden, und dem Schwelmer Pfarrer Friedrich Christoph Müller (1751-1808) war Johann Moritz Schwager (1738-1804) einer der führenden Vertreter einer theologisch fundierten Volksaufklärung.

Schwager, seit 1768 lutherischer Pastor zu Jöllenbeck unweit Bielefeld, war Redakteur einer aufklärerischen Zeitschrift, der Mindener Beyträge zum Nutzen und Vergnügen. Sowohl in dort erschienenen Aufsätzen als auch durch Predigten in seiner Gemeinde wollte Schwager nützliche Kenntnisse vermitteln und damit zum Fortschritt der Menschheit beitragen.

1774 erschien einer seiner programmatischen Artikel über die Notwendigkeit, die Kirchhöfe vor die Ortschaften zu verlegen:
„Lange ging ich schon damit um, das Publikum einmal auf die Schädlichkeit der Kirchhöfe in bewohnten Oertern aufmerksam zu machen [Sp. 369-370] ...
Die Kirche liegt meist in der Mitte des Kirchhofes und bey öffentlichem Gottesdienste stehen drey Kirchthüren offen. Die vergiftete Luft streicht also durch die ganze Kirche, und reizt bey vielen den Zunder der Sterblichkeit [Sp. 371-372] ...
Warum sollten wir denn nicht endlich einmal aufwachen und das Gift entfernen, das so offenbar viele Menschen tödtet? Ausser den geschlossenen Dörfern müssen die Kirchhöfe angelegt werden ...".

179? Ließ er sogar eine Predigt drucken, in der er davor warnte, Leichen zu schnell – und damit eventuell lebendig – zu begraben:
„Allgütiger Gott! Du leitest uns mit Vaterhänden von unserem Kinderalter bis zur Reife unserer Vernunft, von einer heilsamen Erkenntniß zur andern, und dein gütiger Wille war es nie, daß wir auf der niedrigern Stufe der Einsichten stehen bleiben sollten, auf welcher unsere Vorfahren standen. ... unser ist die Schuld, wenn wir deine so begreifliche Winke nicht verstehen wollen. Laß sie uns ... heute verständlich werden, damit wir ... nie wieder in die Gefahr gerathen, wider unsre Absicht, Todtschläger an unsern liebsten Freunden und Verwandten zu werden. Amen.
Zu predigen ist heute über Matthäus 5 Vers 21-22:
„Ihr habt gehört, daß zu den Alten gesagt ist: Du sollst nicht tödten; wer aber tödtet, der soll des Gerichts schuldig seyn. Ich aber sage Euch: wer mit seinem Bruder zürnet, der ist des Gerichts schuldig ..."
... Heute rede ich darüber mit euch auf die Aufforderung einer gegen euch väterlich gesinnten Obrigkeit, die es herzlich gut mit euch meynt; heute ... soll allein die Rede davon seyn:
Daß man durch zu frühes Begraben, lebendige Menschen, die man mit Unrecht für todt hielt, auf die schrecklichste Weise tödten könne.
Zunächst werde ich euch zu beweisen suchen: daß Menschen lebendig begraben werden können und oft begraben werden; und
zweitens werde ich euch vor dieser Versündigung noch näher warnen. Moses hatte es noch mit einer äußerst rohen Menschenart zu thun, ... Dies waren die Alten, zu welchen bloß gesagt worden war: du sollst nicht tödten ...
Ein edler deutscher Fürst hat schon den Anfang gemacht, ein Todtenhaus auf dem Kirchhofe zu erbauen, wo die Leichen so lange unter Aufsicht bleiben müssen, bis man von ihrem wirklichen Tode völlig überzeugt ist. ... Ich traue es nun auch den Verständigern unter euch zu, daß sie nur dann erst die Ueberbleibsel ihrer lieben Angehörigen der Erde anvertrauen werden, wenn unverdächtige Kennzeichen des wirklich erfolgten Todes sie überzeugen werden: daß sie keine Mörder mehr an ihnen werden können.
So sey es! und Gott segne uns mit Folgsamkeit! Amen!"

Charakteristisch für das Denken Schwagers waren auch Lieder in dem neuen Ravensberger Gesangbuch von 1784:
„Neues Gesangbuch zum Gottesdienstlichen Gebrauch in der Grafschaft Ravensberg, Bielefeld 1783, S. 557 Nr. 373 (Melodie: Wer nur den lieben Gott läßt walten).“

„[Vers 2] Der ehrt Dich nicht, der seine Tage In trägem Müßiggang verlebt,
Und, sich und andern gleich zur Plage, Das ihm geliehne Pfund vergräbt.
Du bists, der uns den Fleiß gebot, Und wer ihn übt, Ehrt dich, mein Gott!

[Vers 3] Du gabst mit so viel andern Trieben Uns auch den Trieb zur Thätigkeit,
Und, ihn aufs nützlichste zu üben, Giebst Du uns auch Gelegenheit.
Du kennest unsrer Arbeit Müh, Und Deine Kraft erleichtert sie."
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