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Zwei typische katholische Gebetbücher um 1800: Aemilian Grasers „Auserlesene schriftmäßige Gebete“ (1802) und Wilhelm Nakatenus „kleiner Psalm=Garten“ (1807)
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Die ersten 22 Seiten – die „Besondere[n] Vorschriften christlicher Klugheit zur Erleichterungen der Gebetsübungen aus dem Herzen, und Anweisung, aus dem Herzen beten zu lernen“ - stellen eine Anleitung zum richtigen Beten dar. Leser und Leserin werden folgendermaßen unterrichtet: „Wer aus dem Herzen will beten lernen, der muß sich zum nachdenken über das, was die Religion, was seine Seele, seinen sittlichen Zustand und sein ewiges Heil betrifft, gewöhnen, und fleißig in demselben üben“ (S. 5). - Über das Nachdenken findet der Christ zum Gespräch mit Gott: „Wenn wir niemals oder nur selten daran [das heißt, an die Religion] denken [...], so muß es uns freylich schwer fallen, diese Dinge zum Inhalt unseres Gebetes zu machen, uns darüber mit Gott, mit uns selbst zu unterreden [...]. Wir müssen gewisse Stunden dazu aussetzen, wo wir von allen weltlichen Geschäften und Zerstreuungen entfernt, unsre Aufmerksamkeit von den äußerlichen, sinnlichen Dingen abziehen, und sie auf geistliche, unsichtbare, zukünftige Dinge richten“.
Nicht mehr die totale religiöse Durchdringung des Alltags war demnach erstrebt, sondern eine Differenzierung des Arbeitens und des Gebetes, die Trennung von beidem. Religion erhält ihren eigenen Sektor – als Teil des Lebens, einen zeitlich abgesteckten Raum, um an das Überirdische, das Überzeitliche, das Jenseitige zu denken.
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