Weihnachtsbaumkulturen aus ökonomischer und ökologischer Perspektive

05.10.2015 Karl Heinz Maurmann

Für die Entwicklung des Weihnachtsbaumanbaus waren früher die aus der landwirtschaftlichen Produktion fallenden Grenzertragsböden wichtig. Heute werden diese Kulturen durchaus auch auf besseren Bö­den angelegt. Entscheidend ist heute, ob Flächen zur Vergrößerung des Betriebs hinzugewonnen werden können. Dafür zahlen Weihnachtsbaumbetriebe deutlich höhere Pachtpreise und erschweren da­durch die Expansion traditionell wirtschaftender Betriebe. Nach Expertenschätzung kann in der "Weihnachtsbaumhochburg" Sauerland (s. Beitrag Maurmann) bei der Produktion von Weihnachtsbäumen ein durchschnittlicher Jahresüberschuss von ca. 3.000 Euro/ha veranschlagt werden, während der durchschnittliche Jahresüberschuss für Ackerbau und Grünlandwirtschaft lediglich 800–1.000 Euro/ha erreicht. Hohe Pachtangebote der Weihnachtsbaumproduzenten sind daher für Bauern z.T. attraktiver als die eigene Bewirtschaftung im Rahmen der traditionellen Landwirtschaft.

Die Struktur der Weihnachtsbaumbetriebe im Hochsauerlandkreis ist durch eine große Zahl kleiner Betriebe und wenige Großbetriebe gekennzeichnet:
Rund 40 Groß- und Mittelbetriebe nutzen ca. 4.000 ha Anbaufläche, 390 kleine Betriebe (unter 20 ha) ebenfalls zusammen rund 4.000 ha. Die kleineren Betriebe wirtschaften als agrarische Mischtbetriebe oder als Nebenerwerbsbetriebe (Landwirtschaftskammer NRW 2006, S. 13). Ob die kleineren Betriebe beim prognostizierten stärker werdenden Verdrängungswettbewerb am Markt bestehen können, wird von der Ko­operationsfähigkeit zwischen den Betrieben abhängen. Gerade bei den Großbetrieben sind die Weihnachtsbaumflächen räumlich auch weiter verteilt; Entfernungen der Anbauflächen von 20–30 km bis zum Be­triebssitz sind nicht ungewöhnlich. Denn oft herrscht in der näheren Umgebung des Betriebs Mangel an Flächen, oder die Pachtpreise sind hier zu hoch. Als Nebeneffekt aus den ökonomischen Zwängen bietet die größere Entfernung auch Hilfe zur Streuung der Anbaurisiken. Denn Spätfröste treten unter Umständen kleinräumig auf, vor allem gilt dies aber für Hagelschäden.

Abb. 1: Bodennutzung in Bestwig-Heringhausen 2013 (Quelle: eigene Kartierung, Kartengrundlage: Geobasis NRW)

Die starke Ausweitung des Weihnachtsbaumanbaus auf zuvor landwirtschaftlich genutzten Flächen in den 1970er Jahren und die Perspektive lokaler Weihnachtsbaum-Monokulturen, wie z.B. in Heringhausen (zu Bestwig, Hochsauerlandkreis; Abb. 1), führte zu Klagen über eine Bedrohung der typischen Landschaftsausprägung. Deshalb wurde 1980 die Neuanlage von Weihnachtsbaumkulturen genehmigungspflichtig. Diese Anbauflächen galten nun als Wald und mussten vom Forstamt genehmigt werden. Falls ein Antrag abgelehnt wurde, deklarierten manche Produzenten nun ihre Flächen als Baumschulflächen, die ohne eine Genehmigung angelegt werden durften. Die Zahl und Größe von Baumschulflächen im Kerngebiet des Weihnachtsbaumanbaus findet z.T. hierin eine Erklärung. Seit 1987 gelten Weihnachtsbaumkulturen außerhalb des Waldes auf landwirtschaftlicher Nutzfläche nicht mehr als Wald. Nach §4(2) des Landschaftsgesetzes Nordrhein-Westfalen gilt "die Neuanlage von Weihnachtsbaum- und Schmuckreisigkulturen außerhalb des Waldes" als Eingriff in Natur- und Landschaft und muss von der Unteren Landschaftsbehörde ge­nehmigt werden. Diese kann die Genehmigung verweigern, wenn Beeinträchtigungen zu befürchten sind, oder sie unter Auflagen erteilen, z.B. die Insektizidnutzung verbieten oder die Entnahme von Weihnachtsbäumen mit Wurzelballen zum Schutz der meist nur ge­ringmächtigen Bodenschicht. Als Ausgleich für den Eingriff kann z.B. eine Umpflanzung mit Laubbäumen verlangt werden oder Ersatzmaßnahmen an anderer Stelle. Von 1987–2014 wurden im Hochsauerlandkreis insgesamt 1.686 Anträge auf Genehmigung der Neuanlage von Weihnachtsbaumkulturen mit einer Fläche von 3.251 ha ge­stellt, 2/3 davon wurden genehmigt: 1.144 Anträge mit 2.250 ha Fläche. Allein auf die ersten fünf Jahre nach der Einführung der Ge­nehmigungs­pflicht nach dem Landschaftsgesetz (1987–1991) entfielen 59% der Anträge mit 58% der beantragten Fläche. In diesem Zeitraum wurden nur 62% der Anträge und Fläche genehmigt. Von 1992–2014 waren Zahl und Flächen der Anträge rückläufig, die Genehmigungsanteile stiegen auf nahezu 100%, da durch die inzwischen aufgestellten Landschaftspläne schon vor einer Antragstellung erkennbar war, wo Ablehnungen zu erwarten waren.

Nach den Waldschäden durch den Sturm Kyrill 2007 (s. Beitrag Schmidt) haben sich in NRW die Anbauflächen von Weihnachtsbäumen im Wald um rund 2.200 ha auf ca. 4.080 ha mehr als verdoppelt. Diese liegen fast vollständig im Sauerland. Die Waldbesitzer haben so gehandelt, weil Weihnachtsbaumkulturen weitaus schneller als die "normale" Forstwirtschaft wieder Einnahmen bringen. Zugleich sind durch diese Forstflächen die Pachtpreise für landwirtschaftliche Flächen nicht weiter gestiegen, denn die "Kyrillflächen" haben eine Entlastung bei der Nachfrage bewirkt. Doch die örtlich z.T. erheblichen zusätzlichen Weihnachtsbaumflächen haben heftige Diskussionen ausgelöst. In Bestwig hat sich die Bürgerinitiative "Giftfreies Sauerland" gebildet, die sich eigentlich nicht gegen den Weihnachtsbaumanbau richtet, aber gegen die ihrer Meinung nach zu intensive und ge­sundheitsge­fähr­dende Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln auf diesen Flächen. Die Landesregierung hat deshalb 2013 das Landesforstgesetz so geändert, dass Weihnachtsbaumkulturen zukünftig nicht mehr im Wald an­gepflanzt werden dürfen; der Be­standsschutz für bestehende Kulturen im Wald gilt nur bis 2028 (https://recht.nrw.de, Landesforstgesetz). Die Weihnachtsbaumanbauer befürchten, dass der Wegfall der Waldflächen die Existenz zahlreicher Betriebe ge­fährdet. Immerhin stellen die Weihnachtsbaumbetriebe im Sauerland rund 1.000 Dauerarbeitsplätze und weitere etwa 2.500 Saisonarbeitsplätze.

Der Einsatz chemischer Mittel spielt schon seit Jahrzehnten eine wichtige Rolle in der Diskussion über Weihnachtsbaumkulturen. Denn besonders in den ersten Jahren nach der Anpflanzung überwuchert die Be­gleitflora schnell die noch kleinen Bäumchen. Diese können sich nicht frei entfalten, das Wachstum droht unter der Konkurrenz der schnell wachsenden Wildkräuter zu verkümmern. Bei zu starker Begleitflora steigt auch die Gefährdung durch Spätfröste. Intensiver Herbizideinsatz führt dagegen zu einer kahlen, "braunen" Fläche – und beeinträchtigt da­durch das Landschaftsbild. Dieser völlig kahle Boden ist der Witterung ungeschützt ausgesetzt. Er erwärmt sich im Sommer stark und trocknet schneller aus, dazu kommt in den vielfach hängigen Lagen die Ge­fahr von Bodenerosion bei starken Niederschlägen. Erstrebenswert ist daher die Be­kämp­fung der zu stark und hoch wachsenden Be­gleitflora, ohne dass ein restlos blanker Boden resultiert. Dies kann durch geeignete Untersaaten in den Streifen zwischen den Baumreihen erreicht werden, z.B. mit Weidelgras oder Jähriger Rispe, so­wie durch eine mechanische Bestandspflege durch Traktoren (Portalschlepper wie im Weinbau) mit Einsatz von Wildkrautbürsten. Eine Alternative sah man zu Beginn der 1990er Jahre in der Be­weidung der Weihnachtsbaumflächen mit Shropshire-Schafen, die im Unterschied zu anderen Schafen die Kulturpflanzen nicht verbeißen. Doch hat sich diese Schafhaltung nicht nachhaltig durchgesetzt. Vornehmlich wird daher auf den Einsatz von chemischen Mitteln zu­rückgegriffen. Bei einem dosierten Einsatz im zugelassenen Rahmen soll die Chemikalienmenge pro ha nur rund 1/5 der Ausbringung auf Ge­treideäckern betragen. Ob die derzeitige Diskus­sion, angestoßen durch die Bürgerinitiative, hier wieder zu Änderungen führt, bleibt abzuwarten.

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2013, Aktualisierung 2015