Das Lohn- und Gehaltsniveau in Westfalen

11.09.2018 Peter Wittkampf

Kategorie: Wirtschaft

Schlagworte: Westfalen · Didaktische Hinweise · Einkommen

Inhalt

Im Folgenden geht es um die durchschnittliche Höhe der Löhne und Gehälter von Arbeitern und Angestellten. Das Lohnniveau gilt sowohl als ein für die Wirtschaft wichtiger Standortfaktor als auch als Indiz für den "Wohlstand" einer Region. Bei der exakten Bestimmung der Höhe dieses Lohnniveaus gibt es allerdings unterschiedliche methodische Verfahrensweisen. Bei der Angabe des – für die Finanzämter interessanten – "Primäreinkommens" etwa werden die Einkünfte aus Vermögensanlagen (z.B. Zinsen und Dividenden) mitgezählt.

Abb. 1: Verfügbares Einkommen je Einwohner in den Kreisen / kreisfreien Städten Westfalens im Jahr 2015 und dessen Entwicklung 2009–2015 (Quelle: www.it.nrw.de, eigene Berechnungen)

Das "verfügbare Einkommen"

Am gängigsten ist die Nennung des "verfügbaren Einkommens", bei dem Steuern und Abgaben abgerechnet wurden, sodass der Betrag übrig bleibt, der dann für Konsumzwecke oder zur Ersparnisbildung tatsächlich zur Verfügung steht. Zu beachten ist, dass bei den entsprechenden Erhebungen zusammen veranlagte Ehegatten als ein Steuerpflichtiger gezählt werden. Und bei der Angabe des "verfügbaren Einkommens je Einwohner" spielt für die jeweils genannte Summe zusätzlich z.B. die Anzahl der Kinder eine Rolle. Teilregionen mit relativ vielen Alleinlebenden oder kinderlosen Paaren, bei denen beide Partner berufstätig sind, unterscheiden sich schon aufgrund dieser Voraussetzungen in den Ergebnissen von anderen Teilregionen, in denen etwas andere familiäre Strukturen überwiegen.

Die hier zugrunde gelegten Jahresdaten sind die aktuellsten, die verfügbar sind, da die Finanzbehörden frühestens nach Abschluss aller für ein bestimmtes Jahr vorgenommenen Veranlagungsarbeiten die entsprechenden Zahlen vorlegen.

Ein weiterer Aspekt, der für die Interpretation der hier dargestellten Daten von Bedeutung ist, betrifft die unterschiedlichen Löhne und Gehälter in den verschiedenen Wirtschaftsbereichen. Verhältnismäßig hohe Löhne werden – gemäß Statistischem Bundesamt –  z.B. in der Metallindustrie, im Maschinenbau, im Bereich der Elektrotechnik bzw. Elektronik, in der Automobilindustrie und Informatik gezahlt, weil hier die benötigten Fachkräfte nicht uneingeschränkt zur Verfügung stehen. Niedrige Löhne sind dagegen z.B. in der Landwirtschaft, der Speisenzubereitung, der Floristik, der Gastronomie, im Lebensmitteleinzelhandel sowie im Gesamtbereich der Körperpflege üblich. Es ist klar, dass das Lohnniveau regional auch davon abhängt, welche Branchen jeweils vor Ort eine besondere Rolle spielen.

Das verfügbare Jahreseinkommen betrug 2015 in Nordrhein-Westfalen im Durchschnitt 21.336 Euro pro Einwohner. Innerhalb Westfalens (Abb. 1) bewegen sich die Werte zwischen den Extremen 26.127 Euro (Kreis Olpe) und 16.274 Euro (Gelsenkirchen). Für den Kreis Olpe haben einige wenige – z.B. in Attendorn lebende – Einkommensmillionäre eine besondere Bedeutung (s. Beitrag Grothues); sie beeinflussen entscheidend den statistischen Durchschnitt des Kreises. Es fällt aber insgesamt auf, dass im Kreis Gütersloh und in Südwestfalen insgesamt relativ hohe Einkommen zu verzeichnen sind. Hier dominieren in der Tat einige der Branchen, in denen hohe Löhne und Gehälter gezahlt werden, z.B. Autozulieferer, Metallverarbeitung, Maschinenbau usw. Sogar manche Weltmarktführer sind hier ansässig.

Die Ruhrgebietsstädte dagegen weisen im Durchschnitt deutlich niedrigere verfügbare Einkommen auf. Hier sind viele Personen in Jobs – z.B. im Dienstleistungsbereich – tätig, in denen keine hohen Lohnsummen zu erwarten sind. Auch die relativ hohen Arbeitslosenquoten schlagen dort zu Buche, vor allem in Gelsenkirchen (s. Beitrag Wittkampf). Zu den weiteren möglichen Gründen zählen dort der relativ hohe Anteil von Menschen mit ausländischen Wurzeln (s. Beitrag Wittkampf), in deren Familien oft nur der Mann berufstätig ist, sodass das Einkommen pro Kopf geringer ausfällt, wie auch der Anteil der Hartz-IV-Empfänger (SGB II-Quote 2015: Gelsenkirchen 23%; zum Vergleich: Kr. Coesfeld 4,7%).

Eine positive Wirtschaftsentwicklung hat u.a. folgende Konsequenzen:

  • Die Zahl der angebotenen Arbeitsplätze steigt insgesamt an,
  • die "höherwertigen" und besser bezahlten Arbeitsstellen, z.B. im Management, im IT-Bereich usw., nehmen zu und
  • die Unternehmen müssen – angesichts der Konkurrenz mit anderen Teilregionen – den potenziellen Fachkräften einiges bieten, um sie anzuwerben.

Von Interesse ist auch die Frage, wie sich die Höhe des verfügbaren Einkommens in den letzten Jahren entwickelt hat (Abb. 1): Im wirtschaftlich besonders starken Kreis Coesfeld – mit der niedrigsten Arbeitslosenquote in ganz NRW – nahm die Höhe des verfügbaren Einkommens von 2009 bis 2015 um 14,2% zu (Durchschnitt NRW: +8,6%). Zu den weiteren Teilregionen mit sehr positiver Entwicklung zählen z.B. die Kreise Borken, Steinfurt und Paderborn, aber auch Höxter und Unna. Höxter hatte – als strukturschwacher Kreis – einen erheblichen Nachholbedarf, aber zumindest in Bezug auf die Entwicklung des Lohnniveaus scheint die Aufwärts­entwicklung signifikant. Die Zeitung "Neue Westfälische" veröffentlichte entsprechend im Oktober 2017 einen Artikel mit der Überschrift "Konjunktur im Kreis Höxter boomt weiter".

In den großen Städten war die Lohnentwicklung dagegen oft eher unterdurchschnittlich. Der Anteil von Studierenden an der Gesamtbevölkerung, ein relativ hoher Anteil an "Mini-Jobbern" sowie von Dienstleistern in Berufen mit allgemein niedrigem Lohnniveau (s.o.) können hier eine Rolle spielen.

Vergleicht man das verfügbare Einkommen mit dem Primäreinkommen (Abb. 2), bei dem die Vermögenszinsen, Dividenden und weitere Einkünfte mitzählen, dann zeigt sich eine besonders große Diskrepanz in der Stadt Münster. Hier lag 2015 das Primäreinkommen um 26,6% über dem verfügbaren Einkommen, sodass hier davon auszugehen ist, dass entsprechendes Vermögen für zusätzliche private Gewinne sorgt. Hiervon dürften allerdings bei weitem nicht alle Lohn- und Gehaltsempfänger profitieren. Ebenfalls recht hohe Durchschnittszahlen wiesen die Kreise Coesfeld und Paderborn auf.

Abb. 2: Verhältnis – Primär- / verfügbares Einkommen 2015 und durchschnittliche Bruttostunden- löhne 2016 in den Kreisen / kreisfreien Städten Westfalens (Quellen: www.it.nrw.de, eigene Berechnungen; Die Welt, 27.07.2018, S. 13)

Die Bruttostundenlöhne

Anders als das Primär- und das verfügbare Einkommen, das "je Einwohner" umgerechnet wurde, bezieht sich die Angabe der Bruttostundenlöhne nur auf die tatsächlich Berufstätigen.

Im Juli 2018 veröffentlichten die Statistischen Landesämter Deutschlands gemeinsam eine Übersicht über die durchschnittlichen Bruttostundenlöhne in den Kreisen und kreisfreien Städten 2016. Am höchsten lagen diese Löhne innerhalb Deutschlands in den Zentren der Automobilindustrie (Wolfsburg mit 35,99 Euro, Ingolstadt 35,82 Euro usw.), und auch in den großen städtischen Zentren ohne Autoindustrie, dafür aber mit anderen Konzernzentralen und Großunternehmen, wurden sehr hohe Stundenlöhne gezahlt. Der Durchschnittswert für NRW insgesamt lag bei 26,63 Euro, Spitzenpositionen nahmen landesweit die Städte Leverkusen (32,86 Euro) und Düsseldorf (32,12 Euro) ein. Innerhalb Westfalens lag der entsprechende Wert in Müns­ter mit 27,85 Euro pro Stunde am höchsten, während er in den Kreisen Höxter und Coesfeld lediglich 22,45 Euro bzw. 22,87 Euro betrug (Abb. 2). Hierbei wirken sich in der Tat wirtschaftsstrukturelle Aspekte aus, und zwar dahingehend, dass an Standorten überregional bedeutender Unternehmen die durchschnittlichen Stundenlöhne – insbesondere für die erhöhte Anzahl "leitender Angestellter" – deutlich höher sind als beispielsweise in den Kreisen, in denen kleinere und mittlere Familienunternehmen dominieren – obwohl natürlich letztere, wie es das Beispiel Coesfeld zeigt, in besonderer Weise die wirtschaftliche Stärke einer Teilregion begründen und ausmachen können.

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2018