Die Bundesstraße 54/54n

31.03.2015 Peter Wittkampf

Die Bundesstraße 54 gehört – neben den Autobahnen – zu den wichtigsten Straßenverbindungen Westfalens. Sie führt von Enschede (Niederlande) über Gronau, Steinfurt, Münster, Werne, Lünen, Dortmund, Herdecke, Hagen, Lüdenscheid, Meinerzhagen, Olpe und Siegen zur Landesgrenze bei Burbach, um schließlich über Limburg die hessische Landeshauptstadt Wiesbaden zu erreichen.

Fast alle Teilstücke dieser Fernverbindung gehörten bereits im Mittelalter zu wichtigen Handelswegen oder Pilgerrouten. Im Zentrum Dortmunds beispielsweise kreuzte die heutige B54 als Nord-Süd-Handelsverbindung den in West-Ost-Richtung verlaufenden Hellweg.

Der südliche Abschnitt der heutigen B54 zwischen Hagen und Siegen, der gegenwärtig als "Eisenstraße" auch eine touristische Bedeutung erlangt hat, erlebte im und seit dem 18. Jh. eine besondere Blüte, als einerseits Metallindustrie und Bergbau, andererseits die zunehmende Arbeitsteilung zu einer immer stärkeren Verkehrsentwicklung führten.

Tab. 1: Tägliche Pendlerströme über die B54n im Jahr 2013 (Quelle: IT.NRW 2014)

Die Belastungen durch und für den zunehmenden Verkehr wurden vergrößert durch die Raumenge in Flusstälern, etwa im Volmetal, sowie durch die teilweise sehr dichte Bebauung infolge der Flächenkonkurrenzen von Siedlungs- und Gewerbeflächen.

Das hohe Verkehrsaufkommen nahm in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s noch zu, trotz des Baus vor allem der A 45 (Sauerlandlinie) und nördlich von Dortmund der A 1 (Hansalinie). Denn die an der Bundesstraße 54 liegenden Oberzentren wurden oder blieben u.a. für die größer werdende Zahl der Pendler wichtige Ziele. Etliche dieser Pendler fahren mit dem privaten PKW über die B54.

Insbesondere für die Abschnitte, in denen die Bundesstraße durch enge Ortslagen führt bzw. führte, wurden schon bald Ausbaupläne entworfen. In einigen Fällen beinhalten diese eine Vermehrung der Fahrspuren. In Lünen beispielsweise plant man seit langem den vierspurigen Ausbau der B54, der dortigen "Dortmunder Straße". Im Januar 2015 wurde die Einleitung eines entsprechenden Planfeststellungsverfahrens angekündigt.

Anderswo schien eine Verbesserung der Verkehrssituation für die B54 nur durch eine Neugestaltung der Trassenführung möglich zu sein, wobei vor allem Umgehungsstraßen eine zentrale Rolle spielen. Solche neuen Trassenführungen wurden in den letzten Jahrzehnten vor allem zwischen der niederländischen Grenze und Münster sowie im Bereich von Siegen verwirklicht. In beiden Fällen heißen die neuen Trassen jeweils "B54n".

Abb. 1: B54n nordwestlich von Altenberge (Foto: P. Wittkampf)

Bei Siegen erreicht man seit 2006 auf der neuen B54 die von Olpe-Süd aus nach Osten verlängerte Autobahn A 4. Die "alte" B54 wurde zwischen Siegen und Kreuztal-Krombach größtenteils durch die neue "Hüttentalstraße" ersetzt. Diese verläuft als vier- und fünfspurige, aufgeständerte Hochbrückenstraße durch das Stadtgebiet von Siegen. Dafür verschwinden aus dem Innenstadtbereich seither nach und nach die alten B54-Markierungen.

Außer der Innenstadtentlastung soll diese neue Straße – im Rahmen einer Optimierung der Regionalentwicklung – auch dazu beitragen, dass "die Regionen Sauerland und Siegerland enger zusammenrücken", wie es der damalige nordrhein-westfälische Verkehrsminister 2006 formulierte.

Auch am anderen Ende der B54, zwischen Gronau und Münster, wurde eine neue Trasse gebaut. Seit 2010, als der letzte Lückenschluss freigegeben wurde, ist dort die B54n durchgängig kreuzungs- und ampelfrei befahrbar.

Gerade diese Teilstrecke im nordwestlichen Münsterland hat eine lange und bewegte Geschichte hinter sich. Schon in den ersten Jahren des 19. Jh.s kam der Wunsch auf, den Handelsweg von Münster über Borghorst und Burgsteinfurt nach Enschede auszubauen. Die entsprechende Genehmigung hierzu wurde schließlich im Jahre 1840 erteilt. Der sog. "Blaue Brief" mit der Bestätigung, die sogar die Unterschrift König Friedrich Wilhelms trug, hätte allerdings die Adressaten beinahe nicht erreicht, weil dieser Brief unfrankiert war und sowohl Borghorst als auch Burgsteinfurt sich zunächst weigerten, einen unfrei versandten Brief anzunehmen.

Die Bauarbeiten begannen im November 1844. An dem Projekt, das nach zehn Jahren schließlich erfolgreich abgeschlossen werden konnte, waren 200 bis 400 Bauarbeiter beteiligt.

Abb. 2: B54n – Verkehrsaufkommen pro Streckenabschnitt 2010 und Entwicklung der Unfallzahlen 1985–2011 (Quelle: WN, 20.01.2012)

Wegen des vor allem seit der Mitte des 20. Jh.s immer stärker werdenden Verkehrsaufkommens fasste man dann in den 1960er Jahren den Plan, die Verbindung zwischen Enschede und Münster als Autobahn A314 neu zu bauen. Da sich dies nicht verwirklichen ließ, wurde die Bundesstraße 54 auf dieser Strecke als zumeist dreispurige Schnellstraße B54 n neu gebaut. 42 Jahre dauerte es, bis 2010 der letzte der insgesamt 13 Bauabschnitte realisiert war. Allein dieser letzte, 5,2 km lange Lückenschluss zwischen der Ortsumgehung Burgsteinfurt und dem Anschluss an die Bundesstraße 70 kostete etwa 21 Mio. Euro.

Als Vorteile dieser B54n werden u.a. die Steigerung der wirtschaftlichen Attraktivität der Region, die Verbesserungen für den regionalen und überregionalen Verkehrsfluss, die Optimierung der Anbindung der Oberzentren Münster und Enschede (NL) sowie die Weiterentwicklung der grenzüberschreitenden deutsch-niederländischen Wirtschaftsbeziehungen im EUREGIO-Raum (s. Beitrag Bönig) genannt. Ein im Jahre 2007 von der Industrie- und Handelskammer erstelltes Stärken- und Schwächen-Profil der Kommunen in Nord-Westfalen zeigt deutlich, dass Gemeinden wie z.B. Altenberge wirtschaftlich sehr stark von einer gut ausgebauten Straßenverbindung Münster–Enschede profitieren. In Altenberge sind nicht nur einige namhafte Unternehmen wie Schmitz-Cargobull AG (s. Beitrag Lindemann), Fa. Vollmer Kaffee, Essmann´s Backstube usw. bereits in der Nähe der B54n ansässig, sondern Altenberge hat hier auch in dem zusätzlichen Gewerbegebiet "Kümper IV" weitere Ansiedlungsmöglichkeiten geplant.

Die lange Bauzeit der Strecke war vor allem durch die vielen Proteste, Klagen und Gerichtsverfahren bedingt, von denen fast jeder Bauabschnitt begleitet war. Sogar das Oberverwaltungsgericht war mehrmals eingeschaltet. Bei dem juristischen Tauziehen ging es u.a. um die Problemfelder Lärm, Naturschutz, Trassenführung und Zerschneidung landwirtschaftlichen Besitzes.

Aber nicht nur die juristischen Probleme und zeitlichen Verzögerungen beim Bau dieser Straße sorgten für Gesprächsstoff, sondern auch die Unfälle, die die Neubaustrecke bei manchen Menschen in Verruf brachten. In den 27 Jahren von 1985 bis 2011 waren hier 51 Tote zu beklagen, außerdem wurden bei den Unfällen 269 Personen schwer und 435 leicht verletzt (Abb. 2). In den Jahren 2012 bis 2014 kamen weitere sechs Todesopfer hinzu.

Im Zusammenhang mit den Unfällen wird immer wieder auch über eine Optimierung der 2+1-Fahrstreifenführung nachgedacht. Die dritte Fahrspur dient hierbei abschnittweise gegenläufigen Fahrtrichtungen. Zwischen Münster und Altenberge konnte durch den Bau einer trennenden Betonwand die Unfallträchtigkeit reduziert werden. Auf weiteren Abschnitten ist eine solche Trennung wegen der zu geringen Trassenbreite aber nicht möglich.

Mit 33.000 Fahrzeugen pro Tag zwischen Münster und Nordwalde im Jahre 2011 nimmt die B54n – hinter der Umgehungsstraße Münster – bei den meistbefahrenen Straßen des Münsterlandes den zweiten Platz ein. Auch wegen dieser hohen Fahrzeugfrequenz hat der Regionalrat bei der münsterischen Bezirksregierung im Dezember 2012 beantragt, die B54n zwischen dem Autobahnkreuz Münster Nord und Borghorst sowie zwischen Gronau und Ochtrup vierspurig auszubauen.

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2013, Aktualisierung 2015