Emscher-Umbau und Abwasserkanal Emscher

01.01.2012 Peter Wittkampf

Inhalt

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Am Ende des 20. Jh.s gab es an der Emscher kaum noch Zechen, Kokereien oder Stahlwerke. Der Steinkohlebergbau war entweder längst nordwärts gewandert oder aber eingestellt worden. Das Problem starker Bergsenkungen wurde deutlich geringer als noch zur Mitte des 20. Jh.s. Das Bestreben der Menschen hingegen nach einem Leben in einer möglichst sauberen Um­welt nahm stark zu. Und da die Luft im "Ruhrgebiet" inzwischen einen markanten Wandel zum Besseren erfahren hatte, weil zum Beispiel die Montan­indus­trie nur noch eine geringe Rolle spielte, Halden begrünt und Filteranlagen bei den noch genutzten Schloten Standard wurden, sollten nun auch für den Emscherverlauf – der Kloake des Ruhrgebietes (s. Beitrag Wittkampf) – Projekte zur Umgestaltung entwi­ckelt werden.

Abb. 1: Der Abwasserkanal Emscher (Quelle: verändert nach www.abwasserkanal-emscher.de)

Eine erste Phase dieser Umgestaltung fand während der "Internationalen Bauausstellung Emscher Park" (1989–1999; s. Beitrag Wehling) statt, an der 14 westfälische Städte, 3 Städte des Rheinlandes und 2 westfälische Landkreise beteiligt waren. Damals nahm man bereits die Umgestaltung einiger Wasserläufe und die Säuberung der Emscher in Angriff. Letzteres sollte vor allem durch große Kläranlagen geschehen, die das Klärwerk Em­schermündung entlasten sollten. Die beiden neuen Klärwerke auf westfälischem Gebiet wurden 1994 in Dortmund-Deusen und 1996 in Bottrop in Betrieb genommen (Abb. 1).

1991 entschied die Emschergenossenschaft, dass das Emschersys­tem komplett ökologisch umgestaltet werden solle. Hauptsächlich geht es seither dabei um zwei Maßnahmen: unterirdische Ableitung der Abwässer mit Hilfe eines Rohrsys­tems und ökologische Umgestaltung der Emscher sowie ihrer Nebenläufe mit dem Ziel, die Bäche und den Flusslauf im "Neuen Emschertal" naturnah zu gestalten (Abb. 2).

Beide Maßnahmen zusammen sollen, begleitet von weiteren Impulsen etwa auf dem Gebiet der Kultur und des Tourismus, eine Aufwertung der gesamten Region bewirken.
 

Abb. 2: Planung und Profil des Deininghauser Baches (Quelle: Stemplewski 2011)

Der Abwasserkanal Emscher

Die Abwässer, die bisher in die Emscher – oder vorher in die der Emscher zufließenden Bäche – geleitet wurden, sollen komplett durch Rohre unterirdisch abgeführt werden. Diese Stahlbeton-Rohrsegmente des neuen "Abwasserkanals Emscher" (AKE), der parallel zur Emscher gebaut wird und das zentrale Bauwerk der Emscher-Umgestaltung bildet, haben einen Innendurchmesser von 1,4 bis 2,8 m. Verlegt werden sie 8 bis 40 m unter der Erdoberfläche und auf einer Gesamtstrecke von 51 km zwischen der – 1994 fertig gestellten – Kläranlage Dortmund-Deusen und der Emschermündung bei Dinslaken (Abbn. 1 u. 2). Einige Abschnitte werden als Zweirohrstrecke verlegt. Das Abwasser soll unter Ausnutzung eines natürlichen Gefälles abfließen. Dies beträgt durchschnittlich 1,5 m pro km, daraus soll sich eine Fließgeschwindigkeit von 4 km/h ergeben. Um jedoch ein solches Gefälle herzustellen, sind an bestimmten Stellen des AKE Pumpwerke erforderlich, in denen das Abwasser auf ein höheres Niveau gehoben wird. Eines dieser Pumpwerke befindet sich unmittelbar vor dem Klärwerk in Bottrop, ein weiteres in Gelsenkirchen.

Ungefähr alle 800 m wird ein Schachtbauwerk gebaut, von dem aus während der Bauphase der unterirdische Rohrvortrieb erfolgt und nach Fertigstellung die Wartungsroboter eingesetzt werden sollen. Insgesamt wird der AKE über 100 Schachtbauwerke bekommen, von denen etwa zwei Drittel auf der Hauptachse und ein Drittel an den Nebenläufen der Emscher liegen.

Der Baubeginn für den AKE war 2009, 2017 soll der Kanal fertig sein.

Das Kernstück des AKE, gleichzeitig größtes Einzelprojekt, ist das Teilstück zwischen Dortmund und Bottrop. Es berührt die Städte Dortmund, Castrop-Rauxel, Recklinghausen, Herne, Herten, Gelsenkirchen, Essen und Bottrop (Abb. 1). Der Auftrag für das ausführende Unternehmen wurde im Januar 2012 vergeben. Für diesen Bauabschnitt sind fünf Jahre Bauzeit und 420 Mio. Euro veranschlagt. Gebaut wird an mehreren Standorten gleichzeitig. Für die Baustellen und die vorgesehenen Bauwerke mussten zahlreiche Grundstücke angekauft werden, für die Einrichtung der Baustellen müssen teilweise Rodungen und Verkehrsumleitungen erfolgen. Beim Abpumpen des Grundwassers aus den Baugruben darf möglichst der Grundwasserspiegel in der Umgebung nicht so abgesenkt werden, dass es zu Setzungen kommt – eine besondere Herausforderung für die Ingenieure.

Abb. 3: Betonschalen der Emscher (Quelle: Stemplewski 2011)

Die ökologische Umgestaltung

Hauptziel der ökologischen Umgestaltung des Emschersystems ist es, den Fluss und seine Nebenbäche wieder in einen naturnahen Zustand zu versetzen. Voraussetzung hierfür ist die – zuvor beschriebene – Neugestaltung der Abwasserabfuhr mit Hilfe des im Bau befindlichen "Abwasserkanals Emscher", durch die sowohl die Emscher selbst als auch die Nebenbäche frei von Abwasser werden. Außerdem gehört eine Umgestaltung der Bachbetten und des Flussbetts im Sinne einer möglichst weitgehenden Renaturierung zum Programm, das in Bezug auf die Renaturierung der Zuflüsse an mehreren Stellen bereits realisiert wurde. Schließlich wird eine weitere Verbesserung der Möglichkeiten angestrebt, den Emscherbereich für Naherholung, Kultur, Sport und Freizeit nutzen zu können.

Als generelle planerische Basis wurde 2006 der Masterplan "Emscher-Zukunft" vorgestellt.

Zur Umgestaltung der Wasserläufe gehören im Einzelnen:

  • Entfernung der Betonschalen (Abb. 3),
  • Möglichst naturnahe Gestaltung des Bach- bzw. Flussbettes mit flachen und weniger flachen, steinigen und eher sandigen Uferbereichen,
  • Anpflanzen gewässertypischer Gehölze,
  • Anlage von Wander- und Fahrradwegen sowie öffentlichen Grünanlagen, Aufstellen von Ruhebänken usw. an geeigneten Stellen.
     

Dabei soll der Hochwasserschutz der Siedlungsbereiche gewährleistet bleiben. Aus diesem Grund müssen Hochwasserrückhalteverfahren teilweise beibehalten und verbessert werden, ebenso müssen weitere, zusätzliche Möglichkeiten geschaffen werden. Insgesamt werden über 4,6 Mio. m3 Volumen für erforderlich erachtet, hiervon waren Ende 2007 knapp 1,8 Mio. m3 realisiert.

Für den Bau des AKE (s.o.) und für die ökologische Umgestaltung des Emschersystems wurden jeweils über 2 Mrd. Euro veranschlagt. 2017 bis 2020 sollen beide Vorhaben verwirklicht sein.

Einen "Vorgeschmack" auf künftige Nutzungsmöglichkeiten entlang der Emscher bot – für mehr als 200.000 Besucher – das Projekt "EMSCHERKUNST. 2010" im Rahmen der Projekte der "Kulturhauptstadt Europas RUHR. 2010". Räumlich konzentrierte sich die Ausstellung der EMSCHERKUNST.2010 hauptsächlich auf die Emscherinsel. Hierbei handelt es sich um einen 34 km langen, schmalen Streifen zwischen der Emscher und dem Rhein-Herne-Kanal, von Cas­trop-Rauxel bis Oberhausen (Abb. 1).

Im Januar 2012 gab die nordrhein-westfälische Landesregierung bekannt, man werde der Emschergenossenschaft für die nächste "Emscherkunst" im Jahre 2013 weitere 1,25 Mio. Euro bewilligen, weil dieses Kunstereignis "ein großes Infrastruktur-Projekt" begleite.

Erklärtes Ziel der Emschergenossenschaft ist es dabei, die Menschen "mitzunehmen auf dem Weg ins Neue Emschertal" (www.emscherkunst.de).

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Weiterführende Literatur/Quellen

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Erstveröffentlichung 2012