Die Wohnraumversorgung in Westfalen im Jahr 2020

31.08.2021 Peter Wittkampf

Inhalt

Laut dem Statistischen Landesamt IT.NRW gab es Ende 2020 in Westfalen insgesamt 4.157.823 Wohnungen. Im statistischen Mittel bedeutete dies 1,98 Personen pro Wohnung. 401.921 Wohnungen, also 9,7% des gesamten aktuellen Wohnungsbestandes, wurden zwischen 2000 und 2019 neu gebaut, hiervon 45,9% als Einfamilienhäuser. Selbstverständlich bedürfen diese allgemeinen Zahlen einer teilräumlichen Differenzierung.

Abbn. 1 u. 2: Zunahme des Wohnungsbestands 2010–2020 und Anteil der Eigentümerhaushalte an allen Haushalten 2018 (li.) sowie Anteile der Ein-, Zwei- und der mindestens Fünfzimmerwohnungen am gesamten Wohnungsbestand 2020 (Quelle: IT.NRW, eigene Berechnungen)

Entwicklung von 2010 bis 2020

Abgesehen von einer einzigen Ausnahme (Stadt Altena) gab es in fast allen Kommunen im Jahr 2020 mehr Wohnungen als 2010. Teilweise war diese Zunahme allerdings sehr gering. Vor allem war dies der Fall in Herne (+0,7%), im Märkischen Kreis (+1,3%) sowie in Hagen (+1,5%) und Gelsenkirchen (+1,6%) (Abb. 1). Die altindustrialisierten Städte und Kreise, in denen der Strukturwandel bisher nicht hinreichend gelungen ist, sind häufig durch Bevölkerungsverluste ge­prägt, und Neubauwohnungen werden nur in verhältnismäßig geringer Anzahl errichtet. Im Märkischen Kreis dominiert immer noch stark die Indus­trie. Laut IT.NRW nahm die Bevölkerungszahl dort von 1999 bis 2019 um 10,7% ab. Die Stadt Altena im Märkischen Kreis hat von 2010 bis 2020 insgesamt 3,4% der Wohnungen verloren, da eine Reihe älterer Wohngebäude abgerissen wur­de. IT.NRW hatte bereits 2013 berichtet, dass Altena die landesweit höchste Quote an Altbauwohnungen aufweist. Etwa 50% der dortigen Wohngebäude stammte aus der Zeit vor 1950 (s. Beitrag Krajewski).

In starkem Gegensatz hierzu stehen in Bezug auf den Zuwachs an Wohnungen die meisten Städte und Gemeinden im Münsterland. Von den 231 Kommunen Westfalens wiesen laut IT.NRW 35 zwischen 2010 und 2020 einen Zuwachs an neuen Wohnungen von 10% oder mehr auf, 32 dieser Kommunen gehören zu den Kreisen Steinfurt (14), Borken (8), Coesfeld (5) und Warendorf (5). "Spitzenreiter" waren dabei die Kommunen Südlohn mit einer Zunahme des Wohnungsbestandes um 15,5%, Wettringen (Kr. Steinfurt, +15,3%) und Raesfeld (Kr. Borken, +14,1%). Außerhalb der Münsterlandkreise wurden nur in Verl und Langenberg (Kr. Gütersloh) sowie Hövelhof (Kr. Paderborn) noch Steigerungs­raten von mehr als 10% erreicht.

Für die beschriebene teilräumliche Konzentration der Wohnraumentwicklung und die hohen Wachstumszahlen speziell im westlichen Münsterland gibt es mehrere Gründe. Die wichtigsten sind folgende:

  • Das Münsterland hat sich seit den 1970er Jahren zu einer wirtschaftlichen Boom-Region entwickelt. Niedrigste Arbeitslosenquoten landesweit, Wachstum und Krisenfestigkeit der aufstrebenden, mittelständisch geprägten Unternehmen und der Zuzug junger Arbeitskräfte prägten die folgenden Jahre. Die Kinder dieser "ersten Generation" bleiben häufig in der Region und sind hier nach 2010 zusätzlich um Wohneigentum, vorzugsweise den Bau eines Einfamilienhauses, bemüht.
  • Eine durchaus nennenswerte Anzahl von Niederländern erwirbt in den grenznahen Teilregionen des Münsterlandes Wohneigentum.
  • Wenn in größeren Städten kaum Bauland für Einfamilienhäuser zur Verfügung steht und sehr teuer ist, weichen viele Familien auf das Umland aus. Dies gilt vor allem für die Stadt Münster. Diejenigen, die den Traum vom Eigenheim in Münster selbst nicht verwirklichen können, ziehen z.B. nach Greven, Senden, Telgte, Altenberge oder Havixbeck. Aber auch bei einer Stadt wie Bocholt ist dieser Trend zu beobachten. Das Unternehmen "empirica" schrieb 2015 in einer Wohnungsnachfrageanalyse für die Stadt Bocholt: "Die tatsächliche Wohnungsbautätigkeit in Bocholt betrug in der Phase 2008–2011 gerade einmal die Hälfte des 2007 prognostizierten erforderlichen Neubauvolumens."

Baugrundstücke für Einfamilien­häuser in mittlerer Lage kosteten Anfang 2021 laut dem Online-Portal boris.nrw.de pro Quadratmeter z.B. in Bocholt 245 Euro, in der Nachbarstadt Isselburg 105 Euro. Für Münster werden 550 Euro angegeben, für Havixbeck 205 Euro, für Nottuln 160 Euro.

Abbn. 3 u. 4: Durchschnittliche Wohnfläche je Wohnung und Wohnfläche je Einwohner 2020 (li.) sowie Anteile von Einpersonenhaushalten und von Seniorenhaushalten an allen Haushalten 2018 (Quelle: IT.NRW, eigene Berechnungen)

Aktuelle Wohnraummerkmale

Die beschriebenen Trends schlagen sich auch in den Wohnraummerkmalen nieder, wie sie von IT.NRW für die Jahre 2020 bzw. 2018 ermittelt wurden. Einer der entsprechenden Indikatoren ist die Wohnungsgröße. Da in den ländlicheren Teilregionen verhältnismäßig viele Ein- und Zweifamilienhäuser gebaut werden und weil, wie beschrieben, im Münsterland dieser Trend besonders ausgeprägt ist, gehörten 2020 die Kreise Borken, Coesfeld und Steinfurt zu den fünf Kreisen, in denen mehr als 57% aller Wohnungen fünf oder mehr Zimmer haben. Außerdem zählten noch die Kreise Höxter und Olpe zu dieser Kategorie (Abb. 2).

Ein vergleichbares Bild ergibt sich, wenn man die Eigentumsverhältnisse und die durchschnittlichen Wohnflächen je Wohnung betrachtet. Mehr als 55% Eigentümerhaushalte gab es 2018 in den Kreisen Steinfurt, Höxter, dem Hochsauerlandkreis sowie in den Kreisen Minden-Lübbecke, Borken, Siegen-Wittgenstein und Warendorf. Am geringsten waren die Anteile in Gelsenkirchen (20,3%) und in Herne (23,0%) (Abb. 1).

Und auch in Bezug auf die größten Wohnflächen je Wohnung führten die Kreise Höxter, Coesfeld, Steinfurt, Borken und Olpe das Feld an: Überall dort waren die Wohnungen im Jahr 2020 durchschnittlich mehr als 106 m2 groß (Abb. 3).

Speziell der Kreis Höxter hat allerdings nicht nur vergleichsweise hohe Quoten bei den großen Wohnungen und dem Wohneigentum, sondern er gehörte 2018, dem letzten diesbezüglichen Erhebungsjahr, auch zu den Kreisen mit den höchsten Anteilen an Seniorenhaushalten, in denen also alle Haushaltsmitglieder mindes­tens 65 Jahre alt waren (Abb. 4). Abwanderungen junger Menschen spielen hier sicherlich eine wichtige Rolle. Und weil relativ viele Senioren verwitwet sind, aber weiterhin in ihrem Haus oder ihrer großen Wohnung wohnen, wurden 2020 die meis­ten Quadratmeter je Einwohner im Kreis Höxter errechnet: 53,8 m2 waren es dort, während z.B. in Gelsenkirchen durchschnittlich nur 40,4 m2 und in Herne 41,4 m2 Wohnfläche auf jeden Einwohner entfielen (Abb. 3).

Im Gegensatz zum Hochsauerlandkreis, der Stadt Hagen sowie den Kreisen Minden-Lübbecke, Höxter, dem Märkischen Kreis und dem Ennepe-Ruhr-Kreis zählten 2018 die Müns­terlandkreise zu den Teilregionen mit niedrigen Quoten an Seniorenhaushalten. Hier machen Familien einen beträchtlichen Teil der Bevölkerung aus, was sich u.a. auch darin niederschlägt, dass der Anteil an Einpersonenhaushalten hier relativ gering ist. Am niedrigsten war er in den Kreisen Steinfurt (29,1%) und Coesfeld (29,7%), während z.B. Münster in dieser Hinsicht auf 49,4%, Dortmund auf 46,0% und Bochum auf 47,2% kamen (Abb. 4). Für Großstädte ist dies nicht verwunderlich, zumal dann nicht, wenn es sich um Universitätsstädte handelt. Entsprechend war 2020 auch in Münster mit 22,6% der Anteil der Ein- und Zweizimmerwohnungen am gesamten Wohnungsbestand am höchsten (Abb. 2).

Beitrag als PDF-Datei ansehen/speichern (Größe: 1,2 MB)

↑ Zum Seitenanfang


 

Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2021