Zur Zukunft von Einfamilienhausgebieten in Südwestfalen – das Beispiel Altena

22.11.2016 Christian Krajewski

Inhalt

Ausgangssituation: Schrumpfung und Stadtumbau

Altena ist in besonders hohem Maße vom demografischen Wandel betroffen. Mit einem Einwohnerrückgang von 21% seit dem Jahr 2000 zählt Altena zu den am stärksten schrumpfenden Kommunen in Deutschland. Seit dem Einwohnerhöchststand im Jahr 1970 hat die im tief eingeschnittenen Lennetal im märkischen Sauerland gelegene Stadt bis 2014 sogar einen Einwohnerverlust von 45% zu verzeichnen. Dieser ist vornehmlich auf den anhaltenden Wirtschaftsstrukturwandel und die damit verbundenen Arbeitsplatzverluste in der metallverbarbeitenden Industrie (v.a. Drahtherstellung) zurückzuführen. Dabei liegen die Verluste durch Abwanderung – vor allem von jungen Menschen und Familien – seit vielen Jahren deutlich über der negativen natürlichen Bevölkerungsentwicklung. Diese negative Entwicklung führte u.a. zu Wohnungsleerständen, Kaufkraftverlusten und einem Downgrading-Prozess der Innenstadt. Den daraus resultierenden Herausforderungen und Problemen begegnete Altena mit Strukturanpassungen bei der städtischen Infrastruktur, Aufwertung und Modernisierung der durch Funktionsverluste und städtebauliche Mängel gekennzeichneten Innenstadt (u.a. Lenne-Promenade, Haupteinkaufsstraße, Verbindung zur Burg über einen Event-Aufzug) sowie einer stark auf bürgerschaftliches Engagement ausgerichteten partizipativen Politik, deren Basis ein seit 2007 durch das Städtebauprogramm "Stadtumbau West" gefördertes integriertes Entwicklungs- und Handlungskonzept "Altena 2015" darstellt. Die "Altenaer Baugesellschaft" ist mit ca. 2.000 Wohneinheiten der größte Anbieter von Mietwohnungen im Mehrfamilienhaussektor, der einen Anteil von ca. 54% am Gesamtwohnungsbestand in Altena umfasst. Obwohl sie ihre insbesondere in der Innenstadt gelegenen Bestände seit 2002 durch Rückbau um 22% reduziert hat, beträgt der Wohnungsleerstand dort weiterhin 13%. Im gesamten Stadtgebiet stehen 10% aller Wohneinheiten leer.

Abb. 1: Wohngebiet "Am Rimberg" in Altena-Evingsen (Foto: M. Meyer/ WWU Münster 2014)

Einfamilienhausgebiete in Ortsteilen im Umbruch

Die Auswirkungen von Bevölkerungsrückgang und -alterung machen sich zunehmend auch in den Ortsteilen Altenas bemerkbar, deren Siedlungsstruktur dominant durch Ein- und Zweifamilienhäuser (EZFH) im Eigentum geprägt ist. Unter der Fragestellung "Was wird aus den Traumhäusern?" hat das Institut für Geographie der Universität Münster im Rahmen eines Studien- und Forschungsprojektes 2014 den Wandel von EZFH-Gebieten in den 6 km vom Stadtzentrum entfernten Ortsteilen Dahle und Evingsen untersucht. Ebenso wie die Gesamtstadt sind die beiden auf den Höhen des Lennegebirges gelegenen Dörfer durch deutliche demografische Schrumpfung (Dahle: 2.324 Ew. (2013), -10% seit 2008; Evingsen: 2.081 Ew. (2013), -7% seit 2008) und Alterung gekennzeichnet (aktuell: Anteil < 20 Jährige: ca. 16%, Anteil > 60 Jährige: ca. 32%). Die Wohngebiete der 1950er bis 1990er Jahre wuchsen außerhalb der alten Ortskerne die teilweise steilen Hänge hinauf (Abb. 1). In Dahle existieren drei größere Wohngebiete, in Evingsen zwei mit jeweils rund 360 Wohngebäuden, was ca. 60% bzw. 70% des gesamten Wohngebäudebestandes in den Ortsteilen entspricht. Nach der Jahrtausendwende sind kaum noch Neubauten entstanden; Mietwohnungen oder -häuser sind selten. Die nachlassende Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt drückt sich nicht nur im Ausbleiben von Neubautätigkeit aus, sondern zunehmend auch in entsprechenden Folgen für Bestandsgebäude, die nach Ableben oder Wegzug der Vorbesitzer nicht immer eine Weiternutzung aufweisen können, weil erbende Kinder längst weggezogen sind und die Immobilie nicht mehr selbst bewohnen wollen oder sich trotz sinkender Immobilienpreise kein Käufer findet. Wie eine Leerstanderhebung mittels Daten von Strom- und Wasserversorgern und Ortsbegehungen ergeben hat, stehen im Ortsteil Dahle aktuell bereits rund 5% aller EZFH ganz oder teilweise leer, in Evingsen beträgt die Leerstandsquote in den Eigenheimgebieten 3%. Der Wohnungsleerstand in den beiden Ortsteilen insgesamt liegt jeweils zwei Prozentpunkte höher. Entsprechend sind die EZFH-Gebiete etwas weniger stark von Leerstand betroffen.

Die demografische Alterung lässt allerdings erwarten, dass sich die Leerstandsproblematik in den nächsten Jahren verschärfen wird. So stieg das Durchschnittsalter in Altena zwischen 2002 und 2013 von 42,2 auf 45,5 Jahre und liegt damit rund zwei Jahre über dem Landesmittel NRWs. Bereits heute sind ein Großteil aller selbstgenutzten Häuser unterbelegt und zumeist nur noch durch ein oder zwei Personen der Generation 65+ bewohnt, während die jüngere Generation im Laufe der Zeit das Elternhaus verlassen hat (‚empty nest‘). Dass in den letzten zehn Jahren die demographische Entdichtung der Siedlungen bereits deutlich zugenommen hat, zeigt sich auch an der Zunahme der Wohnfläche pro Person: Diese stieg in Altena zwischen 2002 und 2011 von 41 auf 49 m2 (NRW.BANK 2013).

Reaktionen der Bewohner

Wie die im Rahmen der Untersuchung durchgeführte Haushaltsbefragung gezeigt hat, wird der existierende Leerstand von der Mehrheit der Bevölkerung bereits als negative Veränderung wahrgenommen, ebenso wie ein Abbau der Versorgungsinfrastruktur (insbesondere die anstehende Schließung der Grundschule und fehlende Einkaufsmöglichkeiten in Evingsen), die demografische Entwicklung allgemein und die Abwanderung vor allem von jungen Menschen und Familien im Besonderen. Während die Wohnungsmarktsituation im Ortsteil Dahle – nicht zuletzt aufgrund einer besseren Ausstattung mit Einkaufsmöglichkeiten sowie mit Bildungs- und Freizeiteinrichtungen – von einer Mehrheit der Befragten noch positiv bewertet wird, überwiegen in Evingsen vor dem Hintergrund der Ausstattungsdefizite die negativen Einschätzungen. Als Gründe für skeptische Urteile werden neben dem Genannten insbesondere der Preisverfall von Immobilien und Leerstände angeführt. So glaubt auch nur jeder fünfte Befragte, dass sich das Eigenheim zu den eigenen Preisvorstellungen problemlos verkaufen ließe – die Mehrheit der Bevölkerung hat die entspannte Wohnungsmarktsituation mit Angebotsüberhängen bereits antizipiert. Tatsächlich spiegelt sich die Marktsituation in gesunkenen Wiederverkaufspreisen bei EZFH wider. So erzielten Häuser der Baualtersklasse 1950–77 in den Jahren 2012–2014 im Mittel nur noch 156.000 Euro (Mittelwert im Zeitraum 2002–2004: 167.000 Euro; normierter Verkaufspreis) bei einer kontinuierlichen Zunahme der Verkaufsfälle. Die Abschläge gegenüber den ermittelten Sachwerten sind im 10-Jahres-Vergleich von 4% auf 10% gestiegen (Sonderauswertung des Gutachterausschusses des Märkischen Kreises, bezogen auf die Stadt Altena insgesamt).

Abb. 2: Altersklassen der erfassten Haushaltsmitglieder in Altena (Dahle und Evingsen) nach Baualtersklassen (Quelle: Institut für Geographie der WWU Münster 2014)

Wohndauer und Generationswechsel

Für die Zukunftsfähigkeit von Wohnstandorten sind eine funktionale, soziale und demografische Mischung bedeutend. Aus planerischer Sicht stellt sich die Frage, inwiefern sich in den EZFH-Gebieten bereits ein Generationswechsel vollzogen hat. Zunächst einmal lässt sich festhalten, dass das durchschnittliche Alter der erfassten Wohngebäude rd. 50 Jahre beträgt, in diesen haben die Bewohner im Durchschnitt 32 Jahre (Dahle) bzw. 30 Jahre (Evingsen) gelebt.

Aus der Aufschlüsselung nach Alter und Wohndauer der Bewohner für die einzelnen Baualtersklassen von EZFH lassen sich Rückschlüsse auf die demografische Alterung sowie auf den Generationswechsel ziehen. Die höchste Quote an Erstbewohnern in älteren EZFH lässt sich in der Baualtersklasse 1970–79 feststellen: Seit Bezug wohnen hier noch 74% (Evingsen) bzw. 42% (Dahle) der Hausbesitzer der ersten Generation, gefolgt von der Baualtersklasse 1960–69 (Anteil Erstbewohner: 50% zw. 42%). In diesen beiden Baualtersklassen liegt auch der Anteil älterer Menschen (Generation 60+) am höchsten (Abb. 2). In den Wohngebäuden aus den 1950er Jahren lebt nur noch in jedem vierten (Dahle) bzw. fünften Haus (Evingsen) jemand aus der ersten Bewohnergeneration, ungefähr ebenso viele sind erst nach dem Jahr 2000 in diese Objekte gezogen. In der Baualtersklasse 1950–59 findet sich auch – bezogen auf ältere EZFH – der kleinste Anteil über 60-Jähriger, zugleich gibt es dort die meisten Kinder und Jugendlichen. In diesen Objekten ist demnach die demografische Durchmischung am höchsten und der Generations- und Bewohnerwechsel am weitesten fortgeschritten.

Fazit und Ausblick

Es bleibt festzuhalten, dass in Schrumpfungskommunen wie Altena auch ältere EZFH-Gebiete, die lange Zeit als beliebteste Wohnform und "Selbstläufer" galten, von einem strukturellen Wandel betroffen sind. Diese Gebiete weiterzuentwickeln, kann nicht allein den Eigentümern überlassen werden, die Kommune als Moderator und Lotse ist hier ebenso gefragt wie bürgerschaftliches Engagement. Dieses existiert in den Ortsteilen und wurde in der Vergangenheit beispielsweise durch das Bundesmodellvorhaben "Altersgerecht umbauen – Infrastruktur" gefördert. Empfehlenswert ist eine strategische Steuerung durch siedlungsbezogene Handlungskonzepte und Vor-Ort-Ansätze wie z.B. ein Quartiersmanagement. Als Haushaltssicherungskommune ist Altena dabei auf externe finanzielle und personelle Ressourcen angewiesen, um den Umbruch in den durch ältere Einfamilienhausbestände gekennzeichneten Siedlungen zukunftsfähig gestalten zu können.

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2016