Woher kommt das Geld für den Lebensunterhalt?

12.09.2019 Peter Wittkampf

Kategorie: Bevölkerung

Schlagworte: Westfalen · Einkommen

Inhalt

Grundsätzliches

Nur ein Teil der Bevölkerung bezieht das Geld für den Lebensunterhalt aus dem Lohn oder Gehalt für die eigene Erwerbstätigkeit (s. Beitrag Wittkampf) bzw. aus der entsprechenden Rente oder Pension. Ein anderer Teil lebt überwiegend oder ganz von den Einkünften der Angehörigen oder auch von öffentlichen Leistungen (Arbeitslosengeld, Sozialhilfe, Grundsicherung o.ä.). Die prozentuale Verteilung ist dabei durchaus unterschiedlich. So sorgten 2018 etwa in Münster mehr als 50% aller Einwohner selbst, also durch eigene Erwerbstätigkeit, für ihren Lebensunterhalt, während dies z.B. in Gelsenkirchen nur etwas mehr als 36% waren. Hingegen lebten z.B. im Kreis Steinfurt nur 3,5% der Einwohner von öffentlichen Leistungen, in Gelsenkirchen jedoch 17,4%. Bei einer etwas genaueren Beschäftigung mit der Eingangsfrage werden also durchaus auch regionale Unterschiede in Bezug auf die Wirtschafts- und Sozialstrukturen sichtbar (Abb. 1).

Abb. 1: Bevölkerungsanteile, bei denen der Lebensunterhalt im Jahr 2018 jeweils überwiegend aus eigener Erwerbstätigkeit, öffentlichen Leistungen, Renten bzw. Pensionen oder Einkünften von Angehörigen stammte (in %) (Quelle: www.it.nrw.de)

Differenzierungen im Jahr 2018

Wenn nur ein Familienmitglied berufstätig ist, so ist dies nach wie vor in der Mehrzahl der Fälle der Mann. Gut 50% der männlichen, aber nur knapp 40% der weiblichen Einwohner sorgen finanziell für den Hauptanteil des jeweiligen Lebensunterhalts. Der Anteil der weiblichen Personen, die in finanzieller Hinsicht den Lebensunterhalt überwiegend selbst aufbringen, ist dort, wo es eine hohe Arbeitslosenquote und einen relativ hohen Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund gibt, eher niedrig. In Gelsenkirchen beispielsweise waren es 2018 nur 31,5%, in Herne 34,4%, in Hagen 35,9%. Dagegen lagen die entsprechenden Werte etwa in Müns­ter bei 49,0%, im Kreis Gütersloh bei 42,7%. Hierbei ist – neben der Wirtschaftskraft und der Wirtschaftsstruktur einer Teilregion – auch die jeweilige Sozialstruktur von Bedeutung.

In Münster konzentrieren sich viele Arbeitsplätze in der Verwaltung, den Dienstleistungen und bei Behörden. Überdurchschnittlich hoch ist hier sowohl der Frauenanteil bei den Beschäftigten als auch die Quote der allein lebenden Frauen im Alter zwischen 35 und 65 Jahren. Letztere betrug im NRW-Durchschnitt im Jahr 2015 16,4%, in Münster waren es 29,1%. Dies trägt mit zu dem hohen Bevölkerungsanteil derjenigen bei, die in Münster den Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit verdienen (51,9% der männlichen und 49,0% der weiblichen Einwohner Münsters).

Wenn nur ein Familienmitglied ein Lohn- oder Gehaltseinkommen hat und andere Familienmitglieder allenfalls als Geringverdiener einzustufen sind, aber auch wenn mehrere Kinder in einer Familie zu versorgen sind, steigt der Anteil derjenigen, deren Lebensunterhalt im Wesentlichen nicht eigenständig, sondern durch die Einkünfte von Angehörigen erbracht wird. Letzteres ist in überdurchschnittlicher Größenordnung in eher traditionell ausgerichteten Teilregionen Westfalens der Fall, vor allem in einigen Kreisen des Münsterlandes sowie des Sauerlandes. Im Kreis Steinfurt z.B. betraf dies 2018 30,2% der Menschen, im Kreis Borken 30%, im Kreis Olpe 29,3%. Dagegen liegt die entsprechende Quote etwa in Bielefeld lediglich bei 23,9%. Die in dieser Hinsicht ebenfalls relativ niedrigen Quoten in Gelsenkirchen (24,4%) und Herne (23,3%) mögen vielleicht zunächst überraschen, sie erklären sich aber vor allem vor dem Hintergrund der dort besonders hohen Quoten derjenigen, die hauptsächlich von öffentlichen Leistungen leben. Dadurch ist dort der Anteil derjenigen, bei denen überhaupt eigenständig der Lebensunterhalt verdient wird, von Anfang an eingeschränkt.

Zum soeben angeführten Stichwort "mehrere Kinder" ist Folgendes hinzuzufügen: Die durchschnittliche Kinderzahl je Frau (im Alter von 15 bis 49 Jahren) betrug im Jahr 2017 in den Kreisen Steinfurt und Borken 1,83 bzw. 1,77, im Kreis Olpe 1,79. In der Stadt Münster hingegen hatte eine Frau im Durchschnitt 1,29 Kinder. Der nordrhein-westfälische Durchschnitt betrug 2017 1,59 Kinder je Frau.

Von einer Rente bzw. Pension lebt etwa ein Fünftel der Bevölkerung Westfalens. In manchen Städten oder Kreisen ist dieser Wert allerdings deutlich niedriger – ebenso wie das Durchschnittsalter, da in den letzten Jahren relativ viele jüngere Menschen dorthin zugewandert sind – sei es, weil die Stadt entsprechend attraktiv ist, sei es, weil es sich um wirtschaftlich prosperierende Kreise handelt. In Münster beispielsweise kam der überwiegende Lebensunterhalt im Jahr 2018 nur bei 15,5% der Einwohner aus Renten bzw. Pensionen. Die Kreise Borken und Coesfeld weisen Werte auf, die immerhin noch unter 18% liegen. Im Gegensatz dazu leben etwa in Hagen 23,8% der Menschen von der Rente bzw. Pension, im Kreis Recklinghausen 23,4%. Die höchsten Werte weisen  mit 24,9% der Kreis Höxter und mit 24,1% der Hochsauerlandkreis auf, wo die Abwanderung gerade jüngerer Menschen – und damit verbunden die Entwicklung der Altersstruktur – große Herausforderungen darstellen (Abb. 1).

Eine sehr kleine Gruppe von Einwohnern Westfalens (im Durchschnitt etwas mehr als 0,6%) bestreitet den Lebensunterhalt hauptsächlich aus dem eigenen Vermögen.

Abb. 2: Frauen, die ihren Lebensunterhalt überwiegend durch eigene Erwerbstätigkeit verdienen: Steigerung 2008–2018 (in Prozentpunkten) (Quelle: www.it.nrw.de, eigene Berechnungen)

Die Entwicklung 2008–2018

Erfreulich ist – nach der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 – die generelle Zunahme der Quote jener, die ihren Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit bestreiten. Dies ist im Zeitraum von 2008 bis 2018 in sämtlichen Kreisen und kreisfreien Städten in Westfalen der Fall. Den Hauptanteil an diesen Steigerungsraten haben durchweg die besonders kräftig gewachsenen Quoten speziell bei den Frauen. Da immer mehr Frauen berufstätig wurden und ihren Lebensunterhalt selbst verdienten, stiegen auch die Gesamtquoten, zusammengerechnet also für Frauen und Männer, relativ deutlich an.

Ein besonders kräftiges Plus in Bezug auf die Frauen, die in die Berufstätigkeit gingen und dadurch selbst für sich sorgen konnten, gab es dort, wo in dieser Hinsicht besonders hohe Steigerungen gegenüber früher möglich waren. Während im Jahr 2008 etwa in Bielefeld bereits 46,5% aller Vollzeitbeschäftigten Frauen waren, lag der entsprechende Prozentsatz z.B. im Kreis Olpe bei unter 30%. Folglich erhöhte sich in Bielefeld der Anteil der Frauen, die für ihren Lebensunterhalt selbst aufkommen konnten, von 2008 bis 2018 nur in geringem Maße, im Kreis Olpe dagegen von 23,9% der Gesamtbevölkerung auf 36,7% (= +12,8 Prozentpunkte). Ähnlich hohe Steigerungsraten gab es auch in Müns­ter (+11 Prozentpunkte), in den Kreisen Coesfeld (+11,7) und Höxter (+11,4) sowie in der Stadt Hagen (+10,4) (Abb. 2).

Der Steigerung der Gesamtquote jener Männer und Frauen, die ihren Lebensunterhalt überwiegend durch eigene Erwerbstätigkeit bestreiten, steht in negativer Hinsicht die Tatsache gegenüber, dass in manchen Städten und Kreisen im Jahr 2018 mehr Menschen auf öffentliche Leistungen angewiesen waren als 2008. Letzteres ist z.B. in Gelsenkirchen zu beobachten. Dort erhöhte sich zwar die Quote der überwiegend von eigener Erwerbstätigkeit Lebenden von 32,1% (2008) auf 36,4% (2018) der Gesamtbevölkerung, also um 4,3 Prozentpunkte. Gleichzeitig stieg aber auch die Quote der auf öffentliche Leistungen Angewiesenen, und zwar von 11,5% auf 17,4%. Eine solche Steigerung um 5,9 Prozentpunkte stellt innerhalb von Westfalen einen Negativrekord dar. Herne und Hamm weisen in dieser Hinsicht Werte von 4,3 bzw. 3,8 Prozentpunkte auf.

Als Indiz für eine insgesamt positiv zu bewertende Gesamtentwicklung der Wirtschafts- und Sozialstruktur kann die gleichzeitige Verbesserung der Erwerbstätigkeit und die Reduzierung der Sozialhilfenotwendigkeit gelten. Diese Tendenzen liegen in Bottrop und Hagen sowie in den Kreisen Borken, Steinfurt, Höxter, Lippe, Minden-Lübbecke sowie dem Märkischen Kreis und dem Hochsauerlandkreis vor.

Beitrag als PDF-Datei ansehen/speichern (Größe: < 1 MB)

↑ Zum Seitenanfang


Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2019