Die natürliche Bevölkerungsentwicklung in Westfalen

30.09.2016 Claas Beckord

Inhalt

Abb. 1: Entwicklung der Geburten und Sterbefälle in Westfalen 1970–2014 (Quelle: www.it.nrw.de)

Entwicklung der Geburten und Sterbefälle seit 1970

Die natürliche Bevölkerungsentwicklung als der Saldo der Geburten und Sterbefälle ist in Westfalen bereits seit den 1970er Jahren rückläufig. Seine Ursache hat dieser Trend vor allem im Rückgang der Geburtenzahlen, deren Einbruch umgangssprachlich auch als Pillenknick bezeichnet wird, zu dessen umfassender Erklärung jedoch eine Vielzahl weiterer Entwicklungen herangezogen werden müssen.

Während die Sterbefälle in ihrem Umfang in den letzten Jahrzehnten weitestgehend stabil geblieben sind, haben sich die Geburten in Westfalen von nahezu 110.000 im Jahr 1970 auf ca. 70.000 im Jahr 2014 reduziert. Dabei lassen sich in den einzelnen Teilregionen Westfalens deutlich unterschiedliche Entwicklungen erkennen (Abb. 1).

Während in den Regierungsbezirken Detmold und Münster bis in das Jahr 2000 hinein noch ein Geburtenüberschuss verzeichnet werden konnte, ist die Entwicklung im Regierungsbezirk Arnsberg seit den 1980er Jahren durch einen Überschuss der Sterbefälle gekennzeichnet. Allein im Jahr 2014 lagen die Bevölkerungsverluste in dieser Teilregion mit 12.124 höher als in den Teilregionen Detmold (3.254) und Münster (4.971) zusammen.

Abb. 2: Lebendgeborene und Sterbefälle je 1.000 Einwohner im Jahr 2014 (Quelle: www.it.nrw.de)

Geburtenbilanzen der Städte und Gemeinden 2014

Ein deutlich differenzierteres Bild erhält man, wenn man sich die kleinräumigen Entwicklungen in den einzelnen Städten und Gemeinden Westfalens anschaut. Zur Messung der Fertilität werden dabei zwei Maßzahlen unterschieden. Dies sind zum einen die sog. rohe Geburtenrate, die die Zahl der Lebendgeborenen ins Verhältnis zur Gesamtbevölkerung setzt, sowie die sog. allgemeine Geburtenrate, welche die Geburten auf 1.000 Frauen im Alter von 15 bis unter 45 Jahren misst.

Die hier betrachtete Geburtenbilanz ist der Saldo der rohen Geburtenrate sowie der rohen Sterberate (Abb. 2). Für das Jahr 2014 wird deutlich, dass es innerhalb der Teilregionen deutliche Differenzierungen in Bezug auf das generative Verhalten sowie der Mortalität gibt. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Städte und Gemeinden, die eine positive natürliche Bevölkerungsentwicklung aufweisen. Diese finden sich vorrangig im nördlichen Münsterland sowie im Raum um Paderborn. Die Gemeinde Augustdorf weist dabei mit einem natürlichen Wachstum von 3,1 Personen je 1.000 Einwohner den höchsten Wert auf (Abb. 3).

Mit wenigen Ausnahmen weisen die Städte und Gemeinden des westfälischen Ruhrgebietes, Südwestfalens, des Sauer- und Siegerlandes sowie des Weserberglandes eine negative Geburtenbilanz auf. Mit einer Abnahme von 9,2 Personen je 1.000 Einwohner werden für Schwelm die stärksten Bevölkerungsverluste nachgewiesen (Abb. 3).

Mit -2,5 im Jahr 2014 fällt die Geburtenbilanz in Westfalen insgesamt schlechter aus als im Landestrend (-2,15). Bei einem langfristigen Vergleich lässt sich feststellen, dass sich dieses Verhältnis im Laufe des letzten Jahrzehnts zu Ungunsten des westfälischen Landesteiles gedreht hat, denn noch bis 2000 war die natürliche Bevölkerungsentwicklung hierzulande deutlich positiver als im nordrheinwestfälischen Durchschnitt.

Abb. 3: Geburtenbilanz je 1.000 Einwohner im Jahr 2014 (Quelle: www.it.nrw.de)

Erklärungsansätze

Nach de Lange et al. (2014) können verschiedene Erklärungen für die Veränderung der Fertilität herangezogen werden. So existieren Wechselwirkungen zwischen Fertilität und ökonomischen Faktoren sowie bestimmten Entwicklungsindikatoren, wie z.B. Schulbildung oder der Grad der Verstädterung. Einen zusätzlichen Einfluss können staatliche Anreize sowie Kontrollsysteme haben (ebd., S. 99 f.). Das Auftreten moderner Verhütungsmittel ab den 1970er Jahren wird daher begleitet durch zahlreiche Verhaltensänderungen, die auf die Nutzung dieser Einfluss haben.

Diese Faktoren wirken sich in unterschiedlicher Weise auf die Realisierung von Kinderwünschen aus. Zum einen ist weiterhin mit einem zunehmenden Alter der Mütter bei Geburt des ersten Kindes zu rechnen, zum anderen scheint sich die Anzahl der Kinder, die eine Frau im Laufe ihres Lebens zur Welt bringt, auf niedrigem Niveau zu stabilisieren.

Auch lassen sich traditionelle Kern-Peripherie-Muster der Fertilität nur noch bedingt feststellen, so dass sich das generative Verhalten der städtischen Bevölkerung unwesentlich von dem in ländlichen Regionen unterscheidet.

Einen zusätzlichen Einfluss auf die natürliche Bevölkerungsentwicklung haben zudem die Wanderungsbewegungen (s. Beitrag Wittkampf). Da diese stark altersselektiv ablaufen, fehlen in den Abwanderungsregionen Frauen im gebärfähigen Alter. Damit verstärken sich negative natürliche und räumliche Bevölkerungsbewegungen gegenseitig.

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2016