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Quadriga auf dem Brandenburger Tor in Berlin, 2006 / Foto: Marcus Weidner

1804-1807


4. Steins erste Ministerzeit in Berlin

 
 
Nach zwanzigjährigem Dienst in der preußischen Provinzialverwaltung wurde Stein vom preußischen König Friedrich Wilhelm III. (1770-1840, reg. ab 1797) am 27.10.1804 als Fachminister nach Berlin berufen. In der Berliner Regierung war der Reformwille des Oberkammerpräsidenten bekannt, er war als Gutachter immer wieder für Verwaltungsfragen herangezogen worden. Die Ernennung zum Minister war demnach mit bestimmten Erwartungen verbunden. Sie war das Werk der reformfreudigen Kräfte um den Kabinettsrat Karl Friedrich Beyme (1765-1838). Die Wertschätzung des Kabinettsrats wurde, wie sich in der Folgezeit zeigen sollte, von Stein nicht erwidert. Das übertragene Ressort für Akzise-, Zoll-, Salz-, Fabriken-, Manufaktur- und Kommerzwesen ermöglichte Stein, nunmehr von einer höheren Ebene aus und im Bereich des gesamten Staates, seine Tätigkeit auf Gebieten fortzusetzen, denen schon lange sein Interesse galt und auf denen er sich Kompetenzen erworben hatte.

Die großen Reformen unter den leitenden Ministern Stein und Karl August Freiherr von Hardenberg (1750-1822, seit 1814 Fürst) hatten nicht nur in preußischen Nebenländern (Rheinland-Westfalen bzw. Franken), sondern auch in den Kernprovinzen und auf Regierungsebene eine Vorgeschichte. 1807/1808 befanden sich in Steins Mitarbeiterstab mehrere Räte, die ihm schon als Ressortminister zur Seite gestanden hatten, und bereits vor der preußischen Niederlage bei Jena und Auerstedt (14.10.1806) fanden Agrar- und Wirtschaftsreformen statt. Über 50.000 Domänenbauern wurden von Frondiensten und Erbuntertänigkeit befreit. Preußen schloss sich damit der europäischen Agrarreformbewegung an, die zweifellos von der Französischen Revolution starke Impulse erhalten hatte.

Kriegsvorbereitung und Krieg im Jahre 1806 setzten fiskalischen Erleichterungen engste Grenzen. In Steins Ressort fiel die Verantwortung für einen ausgeglichenen Staatshaushalt, gleichzeitig die Organisation der Versorgung der preußischen Truppen. 27 Millionen Taler betrugen die Einkünfte des Haushaltsjahres 1805/1806, für die Zivilverwaltung standen 6,7 Millionen zur Verfügung, der Rest (drei Viertel) für Militärausgaben. Das Zahlenverhältnis fiel jedoch nicht allzu sehr aus dem zeitüblichen Rahmen. Stein bemühte sich nicht nur um eine Erhöhung des Staatseinkommens, sondern auch um eine Egalisierung der regionalen Unterschiede.

Die Bereitschaft der Regierung, Staat, Verwaltung und Gesellschaft zu modernisieren, ging keineswegs nur auf die Absicht zurück, den Wohlstand der Untertanen zu heben. Ein wesentliches Motiv war vielmehr, die Leistungsfähigkeit des Landes für den Staat zu erhöhen. Steins Spielraum für eine Liberalisierung der Wirtschaft, für ein einheitliches Abgabensystem sowie für eine ständische Selbst- oder Mitverwaltung war begrenzt. Es war nicht möglich, die großen Leitziele auf der Basis von Steuerentlastungen und geringerer Staatseinkünfte zu realisieren. So wurde für Salz, dessen Vertrieb im Staatsmonopol erfolgte, zwar ein einheitlicher Preis festgesetzt, doch der Preis gleichzeitig erhöht, so dass die Reform zu Mehreinnahmen von einer halben Million Talern führte.

Der Abbau von Schranken für Handel und Verkehr hatte zur Folge, dass die Binnenzölle wenigstens zwischen den Provinzen Pommern, Neu- und Kurmark, Magdeburg, Halberstadt, Mansfeld und Hohenstein abgeschafft wurden. Das Reformziel, provinzielle Unterschiede zu egalisieren, ist in dem Streben erkennbar, die Akzisetarife einander anzugleichen. In der Akzise- und Zollverwaltung stärkte Stein die Kompetenzen der Provinzen gegenüber der Regierung. Der Staat verzichtete zwar nicht auf eine Gewerbeaufsicht und hob auch den Zunftzwang nicht radikal auf, doch er förderte unternehmerische Initiativen statt sie zu gängeln. Die Wirtschaft suchte er durch eine Lockerung zünftischer und staatlicher Zwänge sowie durch eine Verbesserung des Schulwesens und Aufklärung zu fördern.

Stein widmete sich nicht nur Reformen auf dem Gebiet der Finanz- und Wirtschaftspolitik, sondern auch der Behördenorganisation. Eine Stärkung der Provinzialbehörden gelang ihm aber ebenso wenig wie die Beseitigung der Kabinettsregierung, bei der Sekretäre die einzige Verbindung zwischen dem Herrscher und den obersten Staatsdienern herstellten. Der erbitterte Kampf um ein verantwortliches Staatsministerium, dessen Mitglieder ein persönliches Vortragsrecht beim Monarchen besaßen, endete am 03.01.1807 mit Steins erster Entlassung. Zwischenzeitlich hatte der Krieg gegen Napoleon den preußischen Staat in eine existenzielle Krise gebracht.
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Friedrich Wilhelm III. (7770-1840, reg. ab 1797), als Kronprinz von Preußen, um 1795


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Luise von Mecklenburg-Strelitz (1776-1810), seit 1793 Ehefrau von Friedrich Wilhelm III. (1770-1840, reg. ab 1797), als Kronprinzessin von Preußen, Dessau 1796/1797


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Karl Freiherr vom und zum Stein, Brustbild des preußischen Staatsministers, 1804


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Palais Donner in Berlin mit der Dienstwohnung (Obergeschoss) des Freiherrn vom Stein in seiner Zeit als Finanzminister, ab 1808 Amtsitz der preußischen Finanzminister


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Büste des preußischen Staatsministers Fürst von Hardenberg (1750-1822), Cappenberger Ausstellung 1957


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Karl Freiherr vom Stein, 1806
 
 
In der Frage der Kriegführung gegen das napoleonische Frankreich war die preußische Regierung unschlüssig und gespalten. Die einen suchten einen Ausgleich mit Frankreich, die anderen befürworteten Kampf und Widerstand. Stein gehörte zur Kriegspartei. Im Krieg gegen Napoleon ging das alte Preußen unter. Kampflos kapitulierten zahlreiche Festungsbesatzungen, Desertionen waren an der Tagesordnung. Stein kritisierte schonungslos eklatante Schwächen der außenpolitischen und militärischen Führung und forderte fundamentale Reformen. Er beschränkte sich nach der Niederlage von Jena und Auerstedt vom 14.10.1806 nicht auf sein Ressort, sondern ließ sich mit ungezügelter Heftigkeit auf einen Kampf um die Staatsführung ein und forderte deren Neuorganisation.

Die Kritik am monarchischen Regierungsstil machte seine Entlassung am 03.01.1807 unumgänglich. Gänzlich inakzeptabel schien ihm die Regierung des Monarchen aus dem Kabinett, bei der die Fachminister unzureichend in den Beratungs- und Entscheidungsprozess einbezogen wurden und statt dessen die königlichen Privatsekretäre großen Einfluss besaßen. In Anlehnung an das von ihm bewunderte politische System Englands wollte er den Throninhaber und ein Ministerkollegium zu einem politischen Machtzentrum zusammenschweißen. König und Staatsministerium sollten in unvermitteltem Zusammenwirken die Geschäfte führen.

Nach seiner Entlassung Anfang 1807 begab sich der Freiherr auf sein Nassauer Schloss. Er besaß nach der Mediatisierung, nach dem Verlust der Hoheitsrechte, nicht mehr den Status der Reichsunmittelbarkeit, sträubte sich jedoch dagegen, den Herzog Friedrich August von Nassau-Usingen (1738-1816) als rechtmäßige Obrigkeit anzuerkennen. Preußen fühlte er sich weiterhin verbunden. Vor dem bevorstehenden Höhepunkt seiner politischen Laufbahn als leitender preußischer Staatsmann (1807/1808) verfasste er in Nassau sein Reformprogramm.

Ohne amtlichen Auftrag entwarf er in einer berühmt gewordenen  "Nassauer Denkschrift" von Juni 1807 sein politisches Credo, in dem die Veränderung der preußischen Behördenorganisation im Mittelpunkt stand. Auf Provinzial-, Kreis- und Gemeindeebene wollte er staatliche Bürokratie und Selbstverwaltung kombinieren, die rheinisch-westfälischen Verhältnisse und Erfahrungen auf ganz Preußen übertragen. Die ständische Mitwirkung in der Verwaltung war für ihn deshalb so wichtig, weil er in ihr ein stabilisierendes und belebendes Element des Staatswesens sah, in dem sich die öffentliche Meinung artikulierte. Das zentrale Anliegen war nicht die "Ersparung an Verwaltungskosten", sondern ein politisch-pädagogisches Ziel, "die Belebung des Gemeingeistes und Bürgersinns, die Benutzung der schlafenden oder falsch geleiteten Kräfte und der zerstreut liegenden Kenntnisse, der Einklang zwischen dem Geist der Nation, ihren Ansichten und Bedürfnissen und denen der Staatsbehörden, die Wiederbelebung der Gefühle für Vaterland, Selbständigkeit und Nationalehre". Es sollte nicht lange dauern, bis sich Stein die Chance bot, das Reformprogramm der Nassauer Denkschrift seiner Regierungspolitik zugrunde zu legen.
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Darstellung Napoleons auf einer Medaille (Vorderseite) des Kaiserreichs Frankreich anläßlich der Gründung des Königreichs Westphalen, 1807


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Grundriss der Königl[ichen] Residenzstädte Berlin, 1824


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Bildnis des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. (1770-1840, reg. 1797-1840), um 1800


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Berlin: Arbeitskabinett des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. (1770-1840, reg. ab 1797) im Kronprinzenpalais Unter den Linden, um 1826/1834


 Denkschrift Steins "Über die zweckmäßige Bildung der obersten und der Provinzial-, Finanz- und Polizei-Behörden in der preußischen Monarchie" ("Nassauer Denkschrift")