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(86 KB)   Aldegrever, Heinrich (1502-1555/61): Bernd Knipperdollinck (Knipperdolling), 1536 / Münster, Stadtmuseum / Münster, Stadtmuseum/T. Samek   Informationen zur Abbildung

Aldegrever, Heinrich (1502-1555/61): Bernd Knipperdollinck (Knipperdolling), 1536 / Münster, Stadtmuseum / Münster, Stadtmuseum/T. Samek
FAMILIEKnipperdollinck
VORNAMEBernd


GESCHLECHTmännlich
GEBURT DATUM1490 [kurz vor]   Suche
GEBURT ORTMünster
TOD DATUM1536-01-22   Suche
TOD ORTMünster
TODESURSACHEHinrichtung auf dem Prinzipalmarkt in Münster


BIOGRAFIEEine der führenden Persönlichkeiten des münsterischen Täuferreiches, entstammte Bernd Knipperdollinck einer seit mindestens zwei Generationen in Münster ansässigen Kaufmannsfamilie. Während seine Brüder Hermann und Johann Geistliche wurden - Johann wurde Stiftsherr und 1537 sogar Dechant am Alten Domstift zu Münster und galt als einer der entschiedensten Anhänger der Alten Kirche; er verstarb 1553 wurde Bernd wie sein Vater und Großvater Kaufmann und heiratete um 1525 eine reiche Kaufmannswitwe vom Prinzipalmarkt in Münster, Margareta Hangesbecke geb. Kannegeter. Als Wandschneider gehörte er der angesehensten Gilde an, die die reichen Großhandelskaufleute vereinigte. Allerdings muß er ein streitbarer Mann gewesen sein - der Augenzeuge Heinrich Gresbeck nennt ihn "einen dreisten und stolzen Mann, kühn und dreist war er von Sinnen", der Chronist Hermann von Kerssenbrock nannte ihn aufgrund von Charakterisierungen des Bruders Johann "in Worten und Gehabe wichtigtuerisch, neuerungssüchtig, aufrührerisch und leichtfertig..., ein grober, aufgeblasener und verschwenderischer Mann". Daß er ehrgeizig und geltungssüchtig war, machte schon sein erstes bekanntes politisches Engagement deutlich, als der Rat einen Mann namens Anton Kruse festgenommen hatte, weil dieser einen Tumult vor dem Geistlichen Gericht des Bischofs angezettelt hatte. Das Geistliche Gericht tagte damals im Domparadies und nahm - sehr zum Unwillen der betroffenen Bürger - auch Zivilklagen von Geistlichen gegen Bürger zur Entscheidung an.

Knipperdollinck machte sich zum Sprecher der Sympathisanten Kruses und der Kritiker des Geistlichen gerichts und kritisierte öffentlich Rat und Bischof. Wegen Beleidigung der Obrigkeiten wurde er dafür 1528 der Stadt verwiesen und durfte erst nach Zahlung einer Buße von 100 Goldgulden wieder zurückkehren. 1529 ließ ihn der Bischof auf der Rückkehr von einer Geschäftsreise nach Lübeck in Vechta verhaften, unter der Folter verhört und über ein halbes Jahr gefangen gehalten. Die ihm auferlegte Buße von 600 Gulden - das war der Wert eines mittelgroßen Bauernhofes ! - ruinierte sein Geschäft, konnte er das Geld doch nur durch Darlehen aufbringen. Prozesse, die er deswegen gegen Rat und Bischof vor dem Reichskammergericht anstrengte, blieben ohne Erfolg.

So beteiligte sich Knipperdollinck in seinem Haß gegen Rat und Bischof an der bürgerlichen Opposition, er war einer der 36 "Wortholder", die als Bürgerausschuß vom Stadtrat 1532 die Einführung der Reformation forderten - gemeinsam mit seinem jüngeren Halbbruder, dem Ratsherrn Jasper Jodefeld und seinem Schwager, dem Gastwirt Peter Vrese. Wegen seiner Beliebtheit und Beredsamkeit bestellte man ihn bei der Ratswahl im Februar 1533 zum Kurgenossen (Wahlmann). Im Januar und Februar 1534 war sein Haus einer der Versammlungsorte der Täufergemeinde; er beherbergte  Jan van Leiden und Jan Matthijs, die Häupter der zugewanderten niederländischen Täufer. Anfang Februar 1534 war er einer der Wortführer derjenigen Münsteraner, die sich die neue Glaubenstaufe spenden ließen; am 9. Februar 1534 rief er selbst lautstark auf den Straßen der Stadt zur Buße auf. Gegen den Einfluß der Prediger konnte er sich als einer der führenden Köpfe der Bewegung behaupten, weil er sich durch Visionen und ekstatische Auftritte als Erleuchteter auszuweisen vermochte. Auch seine Familie, seine Frau und seine Schwiegermutter wurden unter die "fanatischen" Wiedertäufer gerechnet.

Als entschiedener Anhänger des radikalen Reformators Bernd Rothmann wurde er, nachdem die Tolerierung der Täufer beschlossen war und viele konservative und gemäßigte Bürger die Stadt verlassen hatten, am 23.02.1534 zum Ratsherrn und im Rat neben dem Wandschneider Gerd Kibbenbroick zum Bürgermeister gewählt - sein Halbbruder, der bisherige Bürgermeister Jaspar Jodefeld und sein Schwager, der bisherige Ratsherr Peter Vrese, hatten dagegen die Stadt verlassen und waren nach Hamm geflüchtet.

Während der Täuferherrschaft - also bis zum Juni 1535 - bekleidete Knipperdollinck Führungsämter. Zunächst Bürgermeister, wurde er wohl im April 1534 in der von dem Propheten Jan van Leiden etablierten Ordnung der Zwölf Ältesten deren "Schwertträger" und Scharfrichter mit der Aufgabe, "ein Mindestmaß an Konformität in der Stadt zu gewährleisten. Seine polizeiliche Kompetenz als Hüter der öffentlichen Odnung erstreckte sich auch auf die Kontrolle der Neuankömmlinge, deren Bereitschaft, sich in das heilige Volk einzugliedern, er zu prüfen hatte" (Ralf Klötzer). Er wurde so zu einem Hauptträger der täuferischen Schreckensherrschaft, der nach Gresbeck mehr Menschen mit eigener Hand tötete als der König selbst; in einem späteren Verhör gab er die eigenhändige Tötung von "11 oder 12" Personen zu.. Als Zeichen seines Amtes ließ er sich zwei große Schlachtschwerter nachtragen.

In der "Hofordnung" des Täuferkönigs Jan van Leiden wurde er dessen Stellvertreter als "Statthalter". Spätestens in dieser Zeit wandelte er sein Familienwappen - drei Eichenzweige, die von einer Hand aus Wolken gehalten wurden - insofern ab, daß statt der Eichenzweige nun ein Schwert erschien. So hat es Heinrich Aldegrever später auf dem Bildniskupfer dargestellt; dort wird Knipperdollinck als "einer der zwölf Herzöge" bezeichnet, was aber in den zeitgenössischen Quellen keine Bestätigung findet. Gresbeck und Kerssenbrock berichten, Knipperdollinck habe sogar Jan van Leiden einmal den Rang streitig gemacht, indem er versuchte, unmittelbare göttliche Eingebungen zu zeigen, die versammelten Menschen zu "heiligen" und schließlich sich zum Nachfolger des Königs auszurufen - wofür er aber verhaftet und erst nach einer Entschuldigung begnadigt wurde.

Nach seiner Gefangennahme bei der Erstürmung der Stadt durch das Belagerungsheer am 24./25.06.1535 wurde er mehrfach, auch unter der Folter, verhört, hielt aber an seinen täuferischen Überzeugungen fest. Zum Tode verurteilt, wurde er mit Jan van Leiden und dem Rat Bernd Krechting - früher Geistlicher in Schöppingen - am 22.01.1536 öffentlich auf dem Prinzipalmarkt zu Münster hingerichtet. Das Todesurteil wurde entsprechend den Bestimmungen der Peinlichen Halsgerichtsordnung von 1531 für die Bestrafung von Aufrührern verschärft, indem die Delinquenten mit glühenden Zangen "gerissen", d.h. ihnen Fleisch von den Knochen gerissen wurde. Danach wurden die Verurteilten erstochen, enthauptet und die Leichen zu ewiger Abschreckung in "Eisenkörben" am Lambertikirchturm, dem städtischen Wachturm, ausgestellt.


Literatur

Joseph Prinz, Bernd Knipperdollinck und seine Sippe, in: Westfalen 40, 1962, S. 96-116; Karl-Heinz Kirchhoff, Die Täufer in Münster 1534/35, Münster 1973; Ralf Klötzer, Die Täuferherrschaft von Münster. Stadtreformation und Welterneuerung, Münster 1992; ders. / Wilhelm Ribhegge u.a. in: Ausst.Kat. Stadtmuseum Münster 2000: Das Königreich der Täufer, Bd. 1: Reformation und Herrschaft der Täufer in Münster, S. 64-251, hier S. 78, 170-174, 209-213, 240-243; Gerd Dethlefs, Wappenscheibe des Dechanten Johann Knipperdollinck, Münster 1997 (=Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Münster, Das Kunstwerk des Monats April 1997)

Gerd Dethlefs
AUFNAHMEDATUM2004-01-08


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16.5   Sonstige Kirchen, Konfessionen, Sekten
DATUM AUFNAHME2004-01-08
DATUM ÄNDERUNG2010-09-23
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