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(69 KB)   Görke, Caspar (1821-1896): Alexander Haindorf, 1854 / Münster, Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Münster / Münster, Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Münster   Görke, Caspar (1821-1896): Alexander Haindorf, 1854 / Münster, Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Münster / Münster, Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Münster
TITELAlexander Haindorf, 1854
URHEBER OBJEKTGörke, Caspar (1821-1896)
DATIERUNG1854
GEOPOSITIONGoogle Maps OSM | 51.745228273865200 (NS), 8.712327182292938 (EW) (exakt)


INFORMATIONDas lebendige Porträt von der Hand des Münsteraner Malers Caspar Görke (1821-1896) zeigt Alexander Haindorf im Alter von 71 Jahren mit zweien seiner sieben Enkel, Agnes und Robert Loeb. [1] Haindorf selbst sitzt vor einem Architektursockel in einem Sessel, in der Rechten einen Spazierstock, auf seinem Knie das dunkelhaarige, ernstblickende Mädchen, das ihm einen Blumenstrauß reicht, während der blondgelockte Junge sich zwischen Großvater und Schwester zu drängen sucht. Das Porträt entstand in dem Jahre, in dem sich Haindorf, alt und krank, von Münster nach Hamm zurückzog.

"Arzt, Schriftsteller, Kunstsammler, Professor und Philanthrop" lautet der Untertitel einer medizinhistorischen Dissertation über Alexander Haindorf (1784-1862) [2], der von berufener Seite "der Bedeutendste unter den westfälischen Juden des 19. Jahrhunderts" [3] genannt worden ist. Zwi/Hirsch ben Nessannel, der sich seit 1809 Alexander Haindorf nannte, wurde m sauerländischen Dorf Lenhausen, Kreis Meschede, geboren. [4] Nach dem frühen Tod der strenggläubigen Eltern kam der Junge in das Haus seiner Großeltern mütterlicherseits nach Hamm, wo er einen Teil seines Lebensunterhalts durch Botengänge verdienen mußte. Von unbändigem Wissensdurst getrieben, erlag er früh der Faszination der europäisch-christlichen Wissenschaft, die er sich in verbotenem Eigenstudium anzueignen versuchte. Wenig später hatte er das Glück, in das Haus des reichen, gebildeten, kunstsinnigen und liberalen Hammer Obervorstehers Anschel Hertz aufgenommen zu werden, der ihm den Besuch des Gymnasiums ermöglichte. Der Spannungsgegensatz zwischen jüdischer Herkunft und europäischer Geisteswelt prägte Haindorfs Leben. Während des Universitätsstudiums in Würzburg geriet er in den Bannkreis des romantischen Philosophen Johann Jakob Wagner und strebte über das medizinische Fach hinaus eine umfassende philosophische, geschichtliche und literarische Bildung an. So schrieb er neben medizinischen Abhandlungen Bücher über spanische, portugiesische, italienische und deutsche Geschichte und trug später als Kunstliebhaber eine berühmte Gemäldesammlung von fast vierhundert Bildern zusammen. Seine Bemühungen freilich, nach der Habilitation Professor in Heidelberg und Göttingen zu werden, scheiterten. Aufgrund der jüdischen Glaubenszugehörigkeit immer wieder in seinem Fortkommen blockiert, suchte er zeit seines Lebens nach Wegen zur Überwindung der leidvoll erfahrenen Gegensätze und strebte den Austausch der Kulturgüter beider Religionen an. Als preußischer Patriot und als überzeugter Aufklärer gründete er zur Überwindung von Vorurteilen und zur Hebung des darniederliegenden jüdischen Schulwesens die später nach ihm und seinem Schwiegervater genannte Marks-Haindorfsche Anstalt "zur Beförderung von Handwerken unter den Juden in Verbindung mit einer Lehranstalt". Bis zu seinem Tode begleitete er dieses Werk mit steter pädagogischer Anteilnahme, wobei er durchaus moderne Ansätze, wie etwa die Ganzheitsmethode, die musisch-sportliche Erziehung oder die Koedukation verfolgte. [5]

Es zeigt das Scheitern des westfälischen und deutschen Judentums unter dem Nationalsozialismus in besonders tragischer Weise, daß die schon entrechteten letzten Juden Münsters zusammengepfercht auf ihren Abtransport in einem Gebäudekomplex warten mußten, der noch damals nach einem Mann - Alexander Haindorf - benannt war, dessen pädagogische Leitsterne einst vorurteilsfreie Humanität und europäische Bildung gewesen waren.


[1] Das Porträt ist neu gewürdigt und umfassend beschrieben von Siegfried Kessemeier, in: Das Kunstwerk des Monats, Mai 1988. Westfälisches Landesmuseum Münster. Vgl. dazu weiter Monumenta Judaica. Dokumente zu einer Geschichte der Juden in Deutschland. Katalog Köln 1964, S. 512-519.
[2] Wolfgang Reckmann: Alexander Haindorf (1782-1862). Leben und Wirken eines jüdischen Arztes, Schriftstellers, Kunstsammlers, Professors und Philanthropen, med. Diss. Münster 1960 (ungedruckt). [NB: Das Geburtsjahr wurde nachträglich in 1784 geändert. MW]
[3] Herzig (vgl. Literatur Nr. 20) S. 42.
[4] Über ihn zuletzt Bernhard Briliing: Alexander Haindorf - seine Bemühungen um Anstellung als Universitätsprofessor und seine Tätigkeit als Dozent in Münster, in: Westfälische Zeitschrift 131/132, 1981/1982, S. 69-120.
[5] Arno Herzig: Alexander Haindorfs Bedeutung für die Pädagogik in Westfalen, in. Westfälische Forschungen 23, 1971, S. 57-74.


MATERIALÖl auf Leinwand
FORMATjpg
MASZE97,0 x 84,5 cm


OBJEKT-PROVENIENZMünster, Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Münster
OBJEKT-SIGNATUR1341 LM
FOTO-PROVENIENZMünster, Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Münster


QUELLE    Aschoff, Diethard | Juden in Westfalen | Dia 06, S. 30f.
PROJEKT    Diaserie "Westfalen im Bild" (Schule)

SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ35   Bildmaterial (Reproduktion, Foto)
Zeit3.8   1850-1899
Sachgebiet6.8.10   Juden
13.7.3   Medizin, Pharmazie
DATUM AUFNAHME2004-02-23
AUFRUFE GESAMT2685
AUFRUFE IM MONAT188