"Westfalen im Bild" - Bildansicht

Höxter: Der Kaisersaal im Corveyer Schloss
Foto

    Bild 12  Vergrößerung der Abbildung Vergrößerung der Abbildung
Im Verhältnis zur Kirche, deren Ausstattung noch die Volksfrömmigkeit vergangener Jahrhunderte widerspiegelt, überschreiten die Abteigebäude der Barockzeit jedes praktische Maß (vgl. Bild 1  Medien). Sie entsprachen so "weniger den Bedürfnissen als dem Rang und der Stellung, die der Reichsabtei zukamen" (alle Zitate im Folgenden nach K. Püttmann, in: Monastisches Westfalen, 1982, S. 489-491).

Obwohl es über die Planung einen Briefwechsel zwischen Abt Florenz von Velde (1696-1714) und dem Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel gibt, ist ein Architekt nicht bekannt: "Es scheint, daß Abt Florenz ... selbst als Schöpfer des Baues gelten wollte". Die Baupläne wurden Abschnitt für Abschnitt durchgeführt, so entstand zuerst der Mittelteil des Westflügels, dann der Nordflügel mit der Gartenfront, danach der Ostflügel, der um 1714 fast fertig war, und am Ende der Querriegel zwischen dem Schloßhof und der Kreuzganganlage. Florenz' Nachfolger Abt Maximilian von Horrich (1714-1721) ließ sich auf seinem Bild in der Abtgalerie mit Bauplan und Zirkel in der Hand darstellen. Er hatte den Bau wohl schon unter seinem Vorgänger betreut. Jetzt vollendete er die höfische Ausstattung u. a. mit der heutigen Toranlage des Klosters, mit der nach Höxter führenden Allee und mit einem auf seine Kosten errichteten Corveyer Tor in Höxters Stadtmauer! So verkörperte die Klosteranlage auch den "Wunsch, dem protestantisch gesinnten Höxter und dessen Unabhängigkeitsstreben ein sichtbares Zeichen entgegenzusetzen".

Das unterstreichen die lateinischen Inschriften der beiden Gründerfiguren neben der Haupteinfahrt in den Schloßhof. Es lohnt sich, sie auf deutsch zu bedenken:
"Karl der Große, des Glaubens Verbreiter und hochberühmter Vorkämpfer, hat diese ehrwürdige Kirche zu gründen beabsichtigt und seinen frommen Sohn als dieses Planes Vollstrecker hinterlassen im Jahre 814. - Ludwig der Fromme, der väterlichen Pietät Erbe und Nachahmer, hat diese Fürstliche Abtei zur Mehrung der rechten Religion als eine Säule des Glaubens gegründet, ausgestattet und bereichert im Jahre 822."

Die Inschriften verpflichten zur Verteidigung der Orthodoxie als ererbte Aufgabe. Ähnlich wie gleichzeitig in Hildesheim beruft man sich auf die Gründer aber auch, um frühen Gefahren der Säkularisation entgegenzutreten.

Von der Verpflichtung zu gegenreformatorischer Bewahrung des katholischen Glaubens ist im wichtigsten Raum des Schlosses wenig zu spüren. Denn die Bilder des Kaisersaales haben keine erklärenden Zusätze, wie sie die erhaltenen Porträts der Abtgalerie (besonders die ersten fünf) und auch die verlorenen Glasfenster des barocken Kirchenschiffs auszeichneten. Dieser größte Saal des Schlosses liegt oberhalb der Haupteinfahrt im Westflügel und reicht über den ersten und zweiten Stock. Zum erstenmal wurde er am Vortag des Vitusfestes, am Sonnabend 14. Juni 1704, zur Bewirtung von Gästen benutzt.

Zu seinem Hauptzweck als festlicher Speisesaal passen das große Ovalbild und die kleineren Rundbilder an der nach italienischer Manier stuckierten Decke. Es handelt sich um die Hochzeit zu Kana nach Johannes 2 (Bild) und vier weitere biblische Malszenen: Abraham empfängt drei Eingel (1. Mose 18); Joseph speist mit seinem Vater und seinen Brüdern in Ägypten (1. Mose 47,12); Rebecka tränkt lsaaks Brautwerber Eliezer und seine Kamele (1. Mose 24, 15ff.); Abigail versorgt Davids Schar (1. Samuel 15). Über den Kaminen an den Stirnwänden stehen sich ganzfigurige Darstellungen Karls des Großen (Bild) und Ludwigs des Frommen mit Kirchenmodell gegenüber. Die Seitenwände neben ihnen und die Mittelzone der Längswände über den Fenstern und unter den ovalen "Ochsenaugen" schmücken 22 große Medaillons mit den Namen und Brustbildnissen deutscher Könige und Kaiser. In Annäherung an ihr vermeintliches historisches Aussehen sind alle die Herrscher dargestellt, die als Besucher oder als Stifter und Gewährer von Vorrechten in Beziehung zum Kloster standen. So wird der Kaisersaal durch Zweck und Ausstattung zum Schlüssel für die von den Klosterbauten angestrebte "barocke Repräsentanz", da "er am deutlichsten die Reichsunmittelbarkeit des Kloster dokumentierte".


TECHNIKFoto


FOTO-PROVENIENZMünster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/S. Sagurna


QUELLE  Krüger, Karl Heinrich | Das Kloster Corvey | Dia 12, S. 34-37
PROJEKT  Diaserie "Westfalen im Bild" (Schule)

SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN
Typ35   Bildmaterial (Reproduktion, Foto)
Ort
Ort2.4.5   Höxter, Stadt
2.8   Corvey, Reichsabtei / FBtm. / Ftm. < - 1815>
Sachgebiet3.7.1   Regierungssitze, Herrschaftssitze
16.6.5   Domkapitel / Klöster / Stifte, Klosterleben
DATUM AUFNAHME2004-02-25
AUFRUFE GESAMT4074
AUFRUFE IM MONAT235