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5. Frauen im Aufbruch


 
 
 

Politisch aktiv!

 
 
 
Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg fand sich nicht selten die Parole: "Nun sind die Frauen an der Reihe". Angesprochen fühlten sich jedoch zunächst vor allem Frauen wie Friederike Nadig oder Elisabeth Küper, die bereits vor 1933 politisch aktiv gewesen, mit den Strukturen demokratischer Parteien vertraut und zudem von Ehe- und Familienpflichten weitgehend unbelastet, nicht selten ledig waren. Mit Verve engagierten sie sich in den Anfangsjahren der Bundesrepublik insbesondere in den Bereichen Sozial-, Kultur- und Gleichstellungspolitik.

Allen hier vorgestellten Politikerinnen ist gemeinsam, dass sie Pionierinnen auf ihrem Feld waren, sei es, dass sie als erste Frauen ein Amt als Ministerin bekleideten, zu Mitbegründerinnen ihrer Partei gehörten oder jahrelang als einzige Frau unter Männern in ihrem Umfeld Politik gestalteten.

Alle Frauen trugen durch ihr politisches Engagement entscheidend dazu bei, dass sich das Bild von der parlamentarischen Arbeit als ‚männliche Domäne’ entscheidend verändert hat. Immerhin stieg der Frauenanteil von durchschnittlich rund 6% in den Parlamenten der Weimarer Republik auf über 30% in den Landes- und Bundesparlamenten der Gegenwart; und seit dem Jahr 2005 wird die Regierung erstmalig von einer Kanzlerin geführt.
 
 

Lebenswege

 
 









Aenne Brauksiepe (1912-1997)
geb. Engels

 
 
 
Als Aenne Brauksiepe 1949 in den Bundestag gewählt wird, gehört die 37-jährige CDU-Politikerin zu den jüngsten der nur 38 Frauen umfassenden Gruppe weiblicher Abgeordneter des ersten bundesdeutschen Nachkriegsparlaments.

Aenne Engels wächst in einem Arbeitervorort von Duisburg auf. Nach ihrem Abitur am Oberlyzeum "Unserer Lieben Frau" in Duisburg arbeitet sie zunächst in der Behindertenfürsorge mit Kindern. Da sie wegen des politischen Engagements ihrer Mutter, die während der Weimarer Republik in der Zentrumspartei aktiv war, im nationalsozialistischen Deutschland nicht studieren kann, entscheidet sie sich 1934 nach Schottland, später in die Niederlande zu gehen, wo sie den Journalisten Dr. Werner Brauksiepe heiratet. Zwischen 1946 und 1948 gehört Brauksiepe, mittlerweile Mitglied der neu gegründeten CDU und Mutter eines Sohnes, als einzige Frau dem Duisburger Stadtparlament an. 1949 kandidiert sie für den Bundestag, dem sie 23 Jahre angehören wird. Als ihr Mann 1954 eine Stelle als stellvertretender Chefredakteur der Oelder Tageszeitung "Die Glocke" antritt, wird sie als Pendlerin zwischen Oelde und Bonn zum "leibhaften Bindestrich zwischen Nordrhein und Westfalen".

Ihr besonderes Interesse gilt neben ihrem sozialpolitischen Engagement der Mitwirkung von Frauen am politischen Aufbau Deutschlands. Couragiert setzt sie sich für deren Belange ein - sowohl in ihrer Partei, im Bundestag als auch bei Konrad Adenauer, dem sie empfiehlt, mehr Frauen ins Kabinett zu holen. Bereits seit Jugendjahren Mitglied im Katholischen Deutschen Frauenbund, gehört sie seit 1952 dessen Präsidium an. Gleichzeitig ist sie Mitbegründerin der Frauenunion, der sie zwischen 1958 und 1971 vorsteht und in der sie sich für die berufliche und politische Gleichstellung von Frauen einsetzt. Bereits 1953 wird sie aufgrund ihres Engagements in den Wahlausschuss ihrer Bundespartei für Frauenfragen berufen, 1956 in den Bundesvorstand gewählt, von 1964 bis 1969 bekleidet sie das Amt der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und zwischen 1966 und 1969 ist sie das erste weibliche Mitglied des Präsidiums ihrer Partei.

Schließlich übernimmt Brauksiepe 1968 als erste Frau das Bundesministerium für Familien und Jugend, in dem sie sich tatkräftig für das Recht der Ehefrau "auf personale und berufliche Entfaltung" einsetzt.

Für ihre Verdienste z.B. als Mitbegründerin der Europäischen Frauen-Union und des Familienbundes deutscher Katholiken wurde sie u.a. mit dem Großen Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.
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Anne Brauksiepe (1968)


Weitere Informationen:
 Politikerinnen in der CDU
 









Elisabeth Küper (1901-1991)

 
 
 
Elisabeth Küper, einzige Tochter einer siebenköpfigen Bergmannfamilie aus Altenessen, gehört zu den vielen auch heute noch allzu häufig vergessenen politisch engagierten christlichen Gewerkschaftlerinnen. Als Weberin in den 1920er Jahren in die Zentrumspartei und die christliche Textilgewerkschaft in Dülmen eingetreten, engagiert sich Küper zunächst im Betriebsrat, als sie im Jahre 1931 eine Berufung als hauptamtliche Gewerkschaftssekretärin in Münster erhält. Doch schon kurze Zeit später muss sie ihre Gewerkschaftskarriere wieder beenden. Am 2. Mai 1933 lösen die Nationalsozialsten alle Gewerkschaften auf und Elisabeth Küper verliert ihre Stellung "wegen staatsfeindlicher Einstellungen". Nun folgen Jahre der Flucht vor den Schikanen des NS-Regimes, bis sie schließlich als Haushälterin bei ihrer Tante in Merfeld unterkommt.

Nach der Befreiung Deutschlands vom Nationalsozialismus und der Wiedergründung demokratischer Parteien nimmt Elisabeth Küper ohne zu zögern ihre politische Tätigkeit wieder auf. Als Mitbegründerin der CDU im Kreis Coesfeld gehört sie bereits 1946 als Vertreterin der Frauen dem geschäftsführenden Kreisvorstand des CDU-Kreisverbandes an, engagiert sich im Wahlkampf zu den ersten Kommunalwahlen und kandidiert schließlich als einzige Frau im Wahlkreis Coesfeld - wenn auch zunächst nur im "Reservestock". Da die CDU ausreichend Stimmen gewinnt, wird auch Elisabeth Küper in den Kreistag gewählt, dem sie bis 1951 angehört.

Zuvor ist Küper bereits in den 1946 ernannten "Beratenden Westfälischen Provinzialrates" berufen worden sowie in den dann folgenden "Ernannten Landtag". Ihre anschließende Kandidatur zum ersten frei gewählten nordrhein-westfälischen Landtag im Jahre 1947 scheitert jedoch an den Mehrheitsverhältnissen der CDU im Kreis Coesfeld. Zwei Jahre später wird Elisabeth Küper erneut aufgestellt - diesmal für den ersten Deutschen Bundestag. Allerdings erringt sie erneut keinen Parlamentssitz, nicht zuletzt weil sie statt eines Direktmandats lediglich einen - wenn auch 5. Platz - auf der Landesliste zugewiesen bekommt.

Ihre politische Arbeit konzentriert sie nun ausschließlich auf die Kommunal- und Kreispolitik ihrer Region, zunächst noch in Merfeld, seit 1963 wieder in ihrer Heimatstadt Dülmen, wofür sie bereits 1956 mit einer von Konrad Adenauer verliehenen Verdienstplakette, anlässlich ihres 65. Geburtstages mit dem Bundesverdienstkreuz und hochbetagt, im Alter von 85 Jahren, als eine der ersten BürgerInnen mit dem neu geschaffenen Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen ausgezeichnet wird. Die Motivation für ihr langjähriges couragiertes politisches Engagement formuliert sie in ihrer Danksagung mit den Worten: "Das, was ich getan habe und das, was mir diese Auszeichnung wahrscheinlich eingebracht hat, tat ich aus der Überzeugung, dass gerade in unseren Tagen niemand das Recht hat, tatenlos abseits zu stehen. Niemand hat das Recht zur Kritik, der nicht mittut an den Aufgaben der Gemeinschaft. Es ist meine Überzeugung, dass viel allein von denen gerettet wird, die nicht nur verantwortungsbewusst sind, sondern auch verantwortungsbewusst handeln."
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Elisabeth Küper (1946)

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 Politik- und Karriereverläufe von Kommunalpolitikerinnen
 









Friederike Nadig (1897-1970)

 
 
 
Dass der Artikel 3,2 des Grundgesetzes in der Formulierung: "Männer und Frauen sind gleichberechtigt" nach nunmehr 60 Jahren zu einem selbstverständlichen Grundsatz unseres demokratischen Gemeinwesens gehört, ist nicht zuletzt dem couragierten Eintreten Frieda Nadigs zu verdanken, die gemeinsam mit Elisabeth Selbert als eine von nur vier 'Müttern' des Grundgesetzes zu den engagiertesten Streiterinnen für die Gleichstellung von Frauen und Männern gehört.

Die in einem sozialdemokratischen Elternhaus in Herford aufgewachsene Frieda Nadig, die mit 16 Jahren selbst Mitglied der Sozialistischen Arbeiterjugend und später der SPD wird, absolviert nach einer Lehre als Verkäuferin Anfang der 1920er Jahre in Berlin eine Ausbildung zur Wohlfahrtspflegerin an der von Alice Salomon gegründeten "Sozialen Frauenschule", die ihr 1922 eine Stelle als Jugendfürsorgerin in der Bielefelder Stadtverwaltung ermöglicht.

Bereits sieben Jahre später wird die engagierte Sozialpolitikerin für ihre Partei in den Westfälischen Provinziallandtag gewählt. Mit der Auflösung der Parlamente im Jahre 1933 wird Nadig nicht nur ihres Mandats beraubt, sondern auch von den national­sozialistischen Machthabern mit einem Berufsverbot belegt. Erst 1936 gelingt es Nadig wieder eine bezahlte Stellung als Gesundheitspflegerin in Ahrweiler zu finden.

Nach dem Ende der nationalsozialistischen Diktatur beteiligt sich Nadig - zunächst als Mitglied im Zonenbeirat für die Britische Zone sowie von 1947 bis 1950 im nordrhein-westfälischen Landtag - am demokratischen Wiederaufbau Deutschlands. Gleichzeitig wird die mittlerweile zur Bezirkssekretärin der Arbeiterwohlfahrt ernannte Nadig in den Parlamentarischen Rat berufen, in dem sie als einzige Frau neben der CDU-Politikerin Helene Weber dem Ausschuss für Grundsatzfragen angehört. Während sie sich hier mit der Forderung nach Gleichberechtigung von Frauen und Männern durchsetzen kann, scheitert sie mit ihrer Forderung, uneheliche Kinder den ehelichen Kindern gleichzustellen. Ein Jahr später zieht sie in den ersten frei gewählten Bundestag ein, in dem sie sich weiterhin engagiert dafür einsetzt, den Gleichberechtigungsgrundsatz in die Reform des Ehe- und Familienrechts einzuschreiben.

Als sie 1961 aus dem Bundestag ausscheidet, wird sie für ihren Einsatz um die Festigung des demokratischen Gedankens vor allem bei der weiblichen Bevölkerung mit dem Großkreuz des Bundesverdienstkreuzes ausgezeichnet.
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Frieda Nadig (um 1948)

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Wahlplakat (1949)

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 Politikerinnen in der SPD
 










Liselotte Funcke (1918-2012)

 
 
 
Als die 1918 in Hagen geborene Diplomkauffrau nach dem Zweiten Weltkrieg in die FDP eintritt und sich schon bald einen Namen als Bildungs- und Finanzpolitikerin macht, sind erfolgreiche Frauen in der Politik noch eine Ausnahme. Bereits 1947 wird Liselotte Funcke in den nordrhein-westfälischen FDP-Landesvorstand, sieben Jahre später in den Bundesvorstand und 1977 zur stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt. Zudem gehört sie als eine der wenigen weiblichen Mandatsträger ihrer Partei zwischen 1950 und 1961 dem nordrhein-westfälischen Landtag und von 1961 bis 1979 dem Deutschen Bundestag an, zu dessen erster Vizepräsidentin sie 1969 gewählt wird.

Als Pionierin gilt sie auch dort, wo sie als Frau in sogenannte männliche Politikdomänen einbricht: So leitet sie als erste weibliche Abgeordnete den Finanzausschuss des Bundestages und wird im November 1979 zur nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministerin ernannt. Bei den Landtagswahlen im Mai 1980 ist sie Spitzenkandidatin ihrer Partei, allerdings scheitert die FDP an der Fünf-Prozent-Marke.

Ein Jahr später wird Funcke - nach einer nur einjährigen Amtszeit ihres Vorgängers - die zweite Ausländerbeauftragte der Bundesregierung in der Geschichte der Bundesrepublik. In dieser damals noch ehrenamtlichen Position setzt sie sich für die Anerkennung Deutschlands als Einwanderungsland ein, lange bevor das Thema 'Migration' auf der Agenda der politischen Diskussionen stand. Auch nach ihrem Rücktritt im Jahre 1991 bezeugen zahlreiche Würdigungen die große Wertschätzung, die dem Wirken Liselotte Funckes auf internationaler Ebene entgegengebracht wird. Am 1. August 2012 verstarb die engagierte und couragierte Politikerin.
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Liselotte Funcke (1989)

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 Politikerinnen in Landtagen
 









Elfriede Eilers (geb. 1921)

 
 
 
Bereits in dritter Generation trat die aus Bielefeld stammende Elfriede Eilers mit neun Jahren in eine sozialdemokratische Organisation ein, wenn auch zunächst nur in die Vorfeldorganisation „Die Kinderfreunde“. Den zu ihrem 12. Geburtstag ersehnten Wimpel mit den drei Pfeilen, dem Zeichen der Einigung der Arbeiterschaft, konnte sie jedoch nicht mehr in Empfang nehmen: Mit der Machtergreifung der Nationalsozialsten am 30. Januar 1933 wurden nicht nur alle demokratischen Parteien verboten; auch die Kinder- und Jugendorganisationen der Sozialdemokratie wurden geschlossen. Statt in der Öffentlichkeit konnten in der Familie nun nur noch im Verborgenen politische Gespräche geführt und ausländische Radiosender gehört werden. Nicht ohne Grund bezeichnet Eilers daher ihren Eintritt in die SPD unmittelbar nach Wiedergründung der Parteien im Herbst 1945 als lang ersehnte Befreiung von der Diktatur und Verantwortungsübernahme für die neu aufzubauende Demokratie.

Elfriede Eilers hatte nach dem Besuch der Realschule und Frauenfachschule eine kaufmännische Lehre absolviert und arbeitete seit 1941 als Buchhalterin bei den Bielefelder Stadtwerken. 1950 entschied sie sich nochmals für einen beruflichen Neuanfang und absolvierte eine Ausbildung im Seminar für Sozialberufe der Arbeiterwohlfahrt (AWO), die sie 1954 zu ihrem neuen Aufgabenfeld in der Jugendfürsorge der Stadt Bielefeld führte.

Gleichzeitig verschaffte sie sich als sozialpolitische Expertin Gehör in ihrer Partei, was ihr bereits 1957 einen Listenplatz und als damals jüngste Abgeordnete ein Mandat im Bundestag sicherte, das sie noch fünf weitere Wahlperioden - bis zum Jahre 1980 - innehaben sollte. Daneben arbeite sie in verschiedenen Parteifunktionen: Als Mitglied des Vorstandes der SPD-Bundestagsfraktion, von 1977 bis 1980 als Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion und Mitglied im Ausschuss für Jugend, Familie und Gesundheit sowie Mitglied im Sozialpolitischen Ausschuss, von 1966 bis 1977 Mitglied des Bundesvorstandes der SPD, seit 1972 auch des Präsidiums, von 1973 bis 1977 Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF), von 1979 bis 1993 Mitglied bzw. Vorsitzende der SPD-Kontrollkommission und von 1978 bis 1991 Bundesbeauftragte für Seniorenarbeit des SPD-Parteivorstandes.

Parallel zu ihrer Bonner Bundestags- und Parteiarbeit war sie von 1979 bis 1984 Mitglied im Stadtrat von Bielefeld, und hier besonders im Sozialausschuss der Stadt. Neben ihren vielen politischen Ämtern und Mandaten engagierte sich Eilers darüber hinaus von 1972 bis 1990 als stellvertretende Bundesvorsitzende in der Arbeiterwohlfahrt (AWO) und errichtete 2004 die Elfriede-Eilers-Stiftung in Bielefeld für Projekte im Bereich der Kinder-, Jugend-, Alten- und Behindertenhilfe.

Für ihre unermüdliche Arbeit für die Sozialdemokratie wurde sie im November 2005 zur Ehrenvorsitzenden des SPD-Unterbezirks Ostwestfalen-Lippe ernannt; 25 Jahre zuvor erhielt sie bereits das Große Bundesverdienstkreuz mit Stern sowie 2008 den Ehrenring der Stadt Bielefeld verliehen.
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Elfriede Eilers

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 Politikerinnen in der SPD
 









Maria Seifert (geb. 1937)

 
 
 
Als sich im September 2009 die langjährige Ratsfrau, ehemalige Bürgermeisterin und Vorsitzende der Landschaftsversammlung Westfalen-Lippe vom Rat der Stadt Gladbeck verabschiedete, konnte Maria Seifert auf eine eindrucksvolle, mehr als 33jährige Tätigkeit auf den verschiedensten Feldern der Kommunal-, Kreis- und Regionalpolitik zurückblicken.

Wenngleich sie sich, so erinnert sich Seifert, bereits als Jugendliche nicht mit einfachen Antworten abspeisen ließ, sich über Ignoranz und Ungerechtigkeit empörte und kritisch (kommunal-)politische Entscheidungen verfolgte, fasste die Industriekauffrau erst mit 35 Jahren den Entschluss, parteipolitisch aktiv zu werden. Im Jahre 1972, als Maria Seifert in ihrem Wohnort Gladbeck in die Christlich-Demokratische Union Deutschlands (CDU) eintrat, schien die Zeit für Frauen günstig zu sein: Die Welle der Emanzipation hatte die Frauen erreicht, und im Gefolge der Neuen Frauenbewegung sahen sich nun die Parteien einem wachsenden Druck ausgesetzt, ihr äußeres Profil und ihre innere Struktur zu verändern. Frauen wurden nun umworben, in die Parteien einzutreten, wodurch zumindest die Frauenanteile in den Parteien deutlich anstiegen. Zudem waren jüngere Frauen, zumal mit kleinen Kindern, in der damaligen CDU noch die Ausnahme. Doch was bis dahin noch als Hindernis galt, wurde in Gladbeck nun als strategische Chance begriffen und Maria Seifert wurde als jüngste Frau und zweifache Mutter von ihrer Partei 1976 für den Rat ihrer Stadt aufgestellt. Damit gehörte Maria Seifert zu den kommunalpolitischen Pionierinnen, denn mit einem durchschnittlichen Anteil von nur acht Prozent waren Frauen in den 1970er Jahren in den Kommunalparlamenten noch weithin unterrepräsentiert. Erst in den 1980er Jahren sollte sich bei den Mandaten für Frauen der eigentliche Durchbruch zeigen. Lag der durchschnittliche Frauenanteil 1983 bereits bei rund 13 Prozent, betrug er 1990 schon knapp 21 Prozent. Fünf Jahre später konnten die Mandatsanteile von Frauen nochmals auf 25 Prozent gesteigert werden – seit dieser Zeit allerdings stagnieren die Sitze für Frauen in den Räten der Kommunen.

Auch die konkreten Arbeitsfelder und Ausschüsse, in denen Frauen sich engagieren, waren und sind bis heute noch vornehmlich die traditionell als ‚weiblich‘ konnotierten Bereiche wie Soziales und Kultur, nicht zuletzt, da deren – eigentlich elementarer – Stellenwert im städtischen Gesamtgefügte als eher marginal eingestuft wird. Maria Seifert hat sich deshalb auch zunächst gegen diese geschlechtstypisierende Zuordnung gewehrt, bevor sie ihre Kompetenzen zum Anlass nahm, sich selbstbewusst den Herausforderungen in diesen Politikfeldern zu stellen. Der Erfolg ihrer Arbeit zeigte sich nicht zuletzt darin, dass sie seit 1984 bis zu ihrem Ausscheiden aus der Politik im Jahre 2009 durchgängig die Leitung des Sozialausschusses ausübte. Ähnlich agierte sie, wenn es darauf ankam, Themen der Gleichberechtigung und sozialen Chancengleichheit aufzugreifen und politisch umzusetzen. Gemeinsam mit anderen Frauen – auch über Parteigrenzen hinweg – versuchte sie, verkrustete Strukturen zu lösen und „Frauen nach vorne zu bringen“. Stolz ist sie noch heute darüber, dass sie mithelfen konnte, eine Frauenberatungsstelle in Gladbeck aufzubauen und die Stelle einer städtischen Gleichstellungsbeauftragte einzurichten.

Demgegenüber galt es parteiintern vor allem ‚Sitzfleisch‘ zu entwickeln, nicht zuletzt in außerparlamentarischen Räumen. Solche Strategien und das Quäntchen Glück waren es, die trotz aller Hindernisse dann Maria Seifert den notwendigen Karrieresprung verschafften, um den erhofften Einfluss zu erhalten und Veränderungen mitgestalten zu können: 1983 wurde sie zunächst in den Kreistag des Kreises Recklinghausen gewählt und konnte per Zufall unmittelbar danach als Nachfolge für einen in den Bundestag nachgerückten Parteikollegen in die Landschaftsversammlung Westfalen-Lippe nachrücken.

Obgleich sich der Frauenanteil in den überregionalen Parlamenten Anfang der 1980er – nicht zuletzt durch den Einzug der GRÜNEN, der damals einzigen bereits quotierten Partei erhöht – hatte, betrug der Anteil von Frauen im ‚Westfalenparlament‘ in Münster nur sechs Prozent. Lediglich sieben von 108 Parlamentariern waren Frauen. Erst seit dem Jahre 1989 erreichten die Frauen in der Landschaftsversammlung Westfalen-Lippe eine zweistellige Mandatsgröße.

Während in den meisten Parlamenten zu dieser Zeit Frauen zunächst um Mandate ringen mussten, wurde in Gladbeck 1989 Maria Seifert zur stellvertretenden Bürgermeisterin gewählt und 1994 - wenn auch nur für wenige Monate - zur Bürgermeisterin. 1995 schließlich wurde sie, die sie sich über Jahre in politischen Fachausschüssen Kompetenzen erworben hatte, zunächst zur stellvertretenden Vorsitzenden der Landschaftsversammlung, 2000 zur Vorsitzenden des Landesjugendhilfeausschusses und 2002 zur Vorsitzenden der Landschaftsversammlung gewählt, das sie bis zu ihrem Ausscheiden aus der Politik im Jahre 2010 innehatte. Im Jahre 2008 wurde Maria seifert für ihre Verdienste für Westfalen vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe mit der Freiherr-vom-Stein-Medaille in Gold ausgezeichnet.
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Maria Seifert

Vergleiche hierzu auch das Portrait zu Maria Seifert im Portal
"FRAUEN.ruhr.GESCHICHTE"
 











Geesken Wörmann (geb. 1937)

 
 
 
Die 1937 in Osterwald (Kreis Grafschaft Bentheim) geborene Geesken Wörmann absolvierte nach ihrem Abschluss auf einer Höheren Handelsschule zunächst eine kaufmännische Lehre, bevor sie in der Personal- und Sozialabteilung eines ansässigen Textilbetriebes eine Anstellung erhielt.

Nach ihrem Umzug nach Soest, ihrer Heirat und Familiengründung mit dem evangelischen Pastor Eduard Wörmann, begann für Geesken Wörmann ein dritter Lebensabschnitt: Mit der Geburt ihres dritten Kindes, das blind zur Welt kam, musste sie feststellen, dass die damals vorhandenen Angebote für behinderte Kinder diese eher aus der Gesellschaft ausschloss, denn integrierte.

Um stattdessen die Eigeninitiative von Menschen mit Behinderung zu stärken, engagierte sie sich gemeinsam mit weiteren MitstreiterInnen in der ehrenamtlichen Selbsthilfearbeit behinderter Menschen. Sie wurde Mitbegründerin der 'Arbeitsgemeinschaft Eltern blinder und stark sehbehinderter Kinder in Westfalen-Lippe e.V.‘ und trat für die Verbesserung der Frühförderung, der Einführung und Institutionalisierung der integrativen Beschulung blinder Kinder in Regelschulen durch einen Schulversuch und durch Einrichtung eines Förderzentrums für NRW ein. 1989 wurde sie Mitglied des Vorstandes der Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe Behinderter e.V. NRW (LAG SB NRW), und seit 1994 deren Vorsitzende wie auch seit 1998 Vorsitzende des Landesbehindertenrat (LBR NRW). Darüber hinaus ist sie seit Dezember 2003 Mitglied des WDR-Rundfunkrats und seit dem Jahre 2005 stellvertretendes Mitglied des Programmbeirats für das Erste Deutsche Fernsehen/ARD.

Parallel zu ihrem ehrenamtlichen sozialpolitischen Engagement trat sie in die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) ein. Als Ortsvereinsvorsitzende, stellvertretende Vorsitzende des Unterbezirks der SPD, Mitglied des Kreistages in Soest und Vorsitzende des dortigen Ausschusses für Soziales und Gesundheit wie auch und schließlich Mitglied des Westfalenparlamentes des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, konnte sie nicht zuletzt auch auf parlamentarischer Ebene, ihren Zielen Nachdruck verleihen.
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Geesken Wörmann

Vergleiche hierzu auch das Portrait zu Geesken Wörmann auf der homepage des "WDR"
 











Renate Schmitt-Peters (geb. 1935)

 
 
 
Nicht zuletzt ihre Erfahrungen von Zerstörung und sozialer Not in der unmittelbaren Nachkriegszeit waren Anlass für Renate Schmitt-Peters sich bereits früh für politische Fragen zu interessieren, sei es als aufmerksame Beobachterin all der vielen Aktivitäten ihrer Nachbarin Leni Rommel, eine der ersten Ratsfrauen in Dortmund-Brackel nach dem Krieg, oder als stellvertretende Schülersprecherin.

Schließlich hoffte sie als Lehrerin ihrer sozialen Verantwortung nachkommen zu können: Nach Abitur und einem Lehramtsstudium, trat sie 1957 als Volksschullehrerin in den Schuldienst. Zur gleichen Zeit wurde Renate Schmitt-Peters in Dortmund auch Mitglied in der Sozialdemokratischen Partei und engagierte sich bereits seit 1958 in der Ostermarschbewegung gegen die Stationierung von Atomraketen.

In den 1960er Jahren erhielt nach ihrer Heirat und Familiengründung statt des zusätzlich geplanten Psychologiestudiums zunächst die Erziehung ihrer beiden Kinder Priorität. Auch für die politische Arbeit blieb zunächst nur wenig Zeit. Schließlich wurde sie im Zuge der Neuen Frauenbewegung und der gezielten Ansprache von Frauen durch die politischen Parteien Anfang der 1970er Jahre als erste Frau an die Spitze eines SPD-Ortsvereins in Dortmund gewählt und bereits kurze Zeit später zur stellvertretenden Vorsitzende des dortigen Unterbezirks. In dieser Zeit des politischen Aufbruchs erlebten nicht nur Themen wie Bildung oder Ökologie Konjunktur, auch strukturellen Fragen nach Gleichberechtigung und Partizipation, sei es durch Quoten oder innerparteiliche Demokratieanstrengungen, wurden diskutiert. In diesem Zusammenhang engagierte sich auch Renate Schmitt-Peters als Stellvertreterin im Bundesvorstand der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF) für frauenpolitische Fragen.

Nach fast 50jähriger Mitgliedschaft in der SPD trat sie 2006 wegen Unstimmigkeiten aus ihrer Partei aus. Engagiert bleibt sie weiterhin: Sowohl in der Frauen- und Friedenspolitik wie auch in der Versöhnungsarbeit.

Vergleiche hierzu auch den Beitrag von Renate Schmitt-Peters für die
"Festschrift zum Jubiläum der SPD Brackel"
 

 

In Amt und Würden

 
 
 
Der Weg zum akademischen Beruf war steinig. Finanzieller Rückhalt, hervorragende Leistungen und Netzwerke waren lange unabdingbare Voraussetzungen für den Einstieg. Die frühen Akademikerinnen entstammten gutsituierten Familien, fast immer war der Vater selbst Akademiker. Oft gab er den Impuls zum Studium. Männermangel und wirtschaftlicher Druck führten zu neuen Rollenvorstellungen von jungen Frauen, die "standesgemäß" für sich selbst sorgen konnten. Dieser Weg stand seit Mitte der 1950er auch Frauen aus anderen Milieus offen. Langsam besserten sich Schulangebot und finanzielle Förderung. Die mentalen Hürden aber hielten sich lange: Ein Studium der Tochter gilt als verlorene Investition. Besonders schwierig war die Situation des "katholischen Mädchens vom Lande". Viele junge Frauen mussten sich ihren Weg gegen ihre Familie freikämpfen.
 
 
 

Lebenswege

 
 








Ermentrude Bäcker-von Ranke (1892-1931)
geb. von Ranke

 
 
 
Ihre außergewöhnliche Karriere ist ein Beispiel für Lebensentwürfe adeliger Kreise. Ermentrude von Ranke, Jahrgang 1892, entstammt einer Adelselite. Großvater Leopold von Ranke, prominenter Berliner Historiker, setzt Maßstäbe für ihr Leben. Ihr Vater, ein hoher General, widmet sich selbst ganz der Bildung seiner vier Töchter. Ermentrude ist die Begabteste; er weckt ihren enormen Ehrgeiz.

Mit Sondergenehmigung besucht sie in Rudolstadt die Prima einer Knabenschule und macht 1911 als einziges Mädchen Abitur. Sie studiert Geschichte, Deutsch und Theologie in Jena, Erlangen und Halle, promoviert 1915, 1916 folgt das Staatsexamen. Der Vater legt Wert auf einen Beruf für seine Töchter.

Ermentrude von Ranke strebt früh einen Lehrstuhl für Geschichte an, sie soll nach dem Willen der Familie das Vermächtnis des Großvaters antreten. Sie habilitiert sich 1922. Die Inflation vernichtet das bedeutende Familienvermögen. Nun muss sie in Köln ungeliebte "Brotberufe" in Archiv und Universität ausüben. Dort begegnen ihr Neid und Häme zugleich.

Mit Hilfe der Verbindungen ihres Schwagers, eines Staatsministers, wird sie 1928 ordentliche Professorin in Kiel. Zeitgleich brüskiert sie die Familie und heiratet den nicht standesgemäßen Kollegen Dr. Hermann Bäcker. Erneut verhilft der Schwager beiden zu einer Lehrtätigkeit an der Pädagogischen Hochschule Dortmund; der Unmut der Kollegen trifft die "Doppelverdiener" voll. 1929 wird ein Sohn geboren. Doch Ermentrude Bäcker-von Ranke will weiter. Gesundheitlich aufgerieben stirbt sie 1931 unerwartet in Dortmund.

Ausnahmefrau und Trendsetterin von Anfang an: Ermentrude Bäcker-von Ranke war die einzige Schülerin an einem Knabengymnasium im thüringischen Rudolstadt im Jahre 1911. Sie trägt eine Schülerinnenmütze - ein Statussymbol für eine junge Frau. Weitreichende Verbindungen ihres Elternhauses ermöglichen ihr immer wieder den Zugang zu Positionen, die für andere unerreichbar sind. Ihr Werdegang setzt Maßstäbe für andere Frauen.
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Ermentrude Bäcker-von Ranke (um 1920)

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Knabengymnasium (1911)
 










Anneliese Eickenbusch (1898-1978)
geb. Hartenstein

 
 
 
Familie und Beruf zu vereinen, ist eines der größten Probleme der frühen Akademikerinnen. Freiberuflerinnen konnten dabei flexibler sein, wie das Beispiel von Anneliese Eickenbusch, Jahrgang 1898, zeigt. Ihr Vater ist ein wohlhabender, promovierter Chemiker. Sie wächst mit drei Geschwistern in einer liberalen Familie in Dömitz (Mecklenburg) auf.

1918 macht die junge Frau Abitur in Halle und studiert Medizin in Bonn, Halle und Freiburg. Hier legt sie 1923 ihr Staatsexamen ab und promoviert gleichzeitig. Eine Facharztausbildung für Gynäkologie schließt sich an, dann kommen die Assistenzjahre. Dabei lernt sie ihren Mann, Dr. Fritz Eickenbusch kennen. Sie heiratet ihn 1929 zögernd, weil Familiengründung und Beruf unvereinbar scheinen. Als "Doppelverdienerin" würde sie keine Zulassung bekommen. Sie entscheidet sich für Ehe und Familie. Ihr Mann wird Chefarzt in Liegnitz, schnell kommen sechs Kinder.

Der Krieg wendet das Blatt. Nach schwierigsten Zwischenstationen, in denen sie wieder praktiziert, flieht sie mit ihren sechs Kindern allein nach Westen. In Hamm, Wohnort der Schwiegereltern, beantragt sie 1945 eine Zulassung als Gynäkologin. Sie darf als praktische Ärztin arbeiten. Was als Existenzgründung für ihren internierten Mann gedacht ist, wird eine Basis für beide Ehepartner. Sie fängt bei "Null" an, praktiziert unter primitivsten Umständen. Der Unfalltod ihres jüngsten Sohnes direkt vor der Praxis stürzt sie in tiefe Zweifel. Dennoch arbeitet sie bis ins hohe Alter und wird 50 Jahre nach der Promotion für hervorragende Leistungen geehrt. 1978 stirbt sie in Hamm.
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Anneliese Eickenbusch (um 1915)

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Hebammenrohr

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Spekulum

 Kurzer Lebenslauf
 









Helma Schwebe (1909-1984)
geb. Sander

 
 
 
Die Nachkriegszeit bietet Frauen auch Chancen. Das Beispiel von Helma Schwebe zeigt, dass sich Mut und Tatkraft in einer Umbruchsphase langfristig auszahlen können. Helma Sander wird 1909 als Tochter eines Lehrers in Dortmund geboren. Ihre Familie schafft in den Generationen zuvor den sozialen Aufstieg. Unterstützt vom Vater studiert sie seit 1929 Zahnmedizin in Tübingen, macht dort 1933 das Examen, promoviert und erhält ihre Approbation. Es folgen Berufsjahre in Bremen und Berlin.

1939 heiratet sie Georg Schwebe und folgt ihrem Mann, der Berufssoldat ist, ins Sudetenland. Mit der Geburt des ersten Kindes gibt sie ihre Berufstätigkeit auf. 1945 wird sie aus dem Sudetenland ausgewiesen und kehrt mit drei kleinen Kindern nach Dortmund zurück.

Ihr Mann ist in Gefangenschaft, sodass sie für die Familie sorgen muss. Ende 1945 beantragt sie eine Zulassung bei der zahnärztlichen Arbeitsgemeinschaft. Doch die erhält Helma Schwebe nur vorläufig, und sie muss sich verpflichten, diese bei der Rückkehr ihres Mannes zurückzugeben. Doppelverdienertum ist in dieser Zeit nicht gewollt.

Vorübergehend arbeitet Helma Schwebe in einer Krefelder Praxis, macht sich aber 1947 mit einer Praxis in Dortmund selbstständig. Die Anfangszeit ist arbeitsintensiv und beschwerlich. Aus der Familie erfährt sie Unterstützung bei der Versorgung der Kinder. Erst 1954 erhält sie eine unwiderrufliche Zulassung als Zahnärztin. Bis 1974 übt Helma Schwebe ihren Beruf aus.

Als ihr Mann 1948 aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehrt, haben sich die Ehepartner entfremdet. Georg Schwebe trifft auf eine beruflich engagierte und selbstbewusste Frau. Das Paar trennt sich. 1974 übergibt Helma Schwebe die Praxis an ihren Sohn. Sie stirbt 1984.
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Helma Schwebe

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Krallenheber

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Küretten und Spiegel

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Tretbohrmaschiene
 









Annette Schücking-Homeyer (1920)
geb. Schücking

 
 
 
Ihr Leben zeugt von den Akzeptanzproblemen in einer "Männerdomäne". Annette Schücking ist 1920 als Tochter eines gutsituierten Dortmunder Notars hier geboren. Mit zwei Geschwistern wächst sie überwiegend auf dem Hof ihres Vaters in Sassenberg (Kreis Warendorf) auf. 1938 macht sie in Warendorf Abitur.

Prägend sind die Erfahrungen des Nationalsozialismus. Der Vater bekommt 1933 als Pazifist und Sozialdemokrat Berufsverbot, die Familie lebt von der Arbeit auf dem Hof. Kenntnisse über das Unrecht im Dritten Reich motivieren sie, Jura in Münster, München und Göttingen zu studieren. 1941 legt sie das erste Staatsexamen ab. Der Krieg verzögert die Ausbildung; sie wird Rotkreuzhelferin in der Ukraine und im Kaukasus. 1947 ist sie examinierte Volljuristin in achter Generation, aber die erste Frau. Wenig später heiratet sie ihre große Liebe, Helmut Homeyer.

Sie finanziert ihm ein Studium, da er als kriegsversehrter Musiker nicht mehr arbeiten kann. Als "Familienernährerin" gibt sie eine wenig profitable Anwaltskanzlei bald auf. Sie arbeitet als Richterin an verschiedenen Gerichten, auch im Justizministerium. Trotz guter Noten trifft sie in einer rein männlichen Arbeitswelt auf offene Ablehnung: Männer werden bei Anstellungen und Beförderungen vorgezogen, sie wird sozial ausgegrenzt. Ihre zwei Schwangerschaften sind für Beamte "nicht vorgesehen", man gewährt ihr die Mutterschaftsrechte einer Arbeiterin. Karriere kann sie mit zwei Kindern aus Zeitnot nicht machen. Seit 1965 arbeitet sie bis zur Pensionierung 1983 am Sozialgericht Detmold als Richterin und wird geehrt für außergewöhnliche Leistungen ihres Faches.
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Annette Schücking-Homeyer (um 1950)

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Richerinnenrobe
 










Helga Voigt (geb. 1922)
geb. Rohling

 
 
 
Helga Voigt gehört zu den Frauen, die den festen Willen haben, Beruf und Familie zu verbinden. Freiberuflerinnen können diese Ziele leichter erreichen, weil sie in der Familienphase ihre beruflichen Aktivitäten ohne "Karriereknick" zurückfahren können.

1922 kommt Helga Rohling als Tochter einer Kindergärtnerin und eines promovierten Wirtschaftsprüfers in Hamburg zur Welt. Sie hat zwei jüngere Brüder, die im Krieg fallen. Die Familie ist gut situiert, und es steht außer Frage, dass die Tochter eine universitäre Ausbildung erhält. Vorbild ist ihre Tante, die 1919 das Abitur machte und Medizin in Bonn studierte. Sie war später die erste Stadtärztin in Köln.

Für Helga Rohling steht nach dem Abitur 1942 schnell fest, dass sie Medizin studieren wird. 1943 beginnt sie mit dem Studium in Hamburg, unterbricht es aber 1944, weil Frauen ihren Studienplatz an Sanitätsoffiziere abgeben müssen. Sie arbeitet daraufhin im medizinischen Dienst als Schwesternhelferin. Erst 1946 geht das Studium in Kiel weiter. Helga Rohling legt 1950 das Staatsexamen ab, erhält ihre Approbation und ist später Ärztin für Neurologie und Psychiatrie.

1952 heiratet die Ärztin einen Internisten und zieht mit ihm nach Dortmund. Ihr Mann, Dr. Hansjürgen Voigt, ist in späteren Jahren Chefarzt an den Städtischen Kliniken in Dortmund. Helga Voigt bekommt vier Kinder, gibt aber ihre Berufstätigkeit nie auf. 1969 eröffnet sie eine eigene Praxis in einem Dortmunder Vorort. Bis zu ihrem 80. Lebensjahr erstellt sie gerichtliche Gutachten.
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Helga Voigt

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Im Praktischen Jahr (1951)

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Praxisschild

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Blutdruckmessgerät
 









Helga Bongarts (geb. 1935)
geb. Höpfner

 
 
 
Helga Bongarts hat es auf ihrem Weg zu Amt und Würden doppelt schwer. Sie erkämpft ihre Universitätsausbildung ohne finanzielle Unterstützung und gegen den Willen der Eltern. Helga Höpfner wird 1935 in Bochum geboren und stammt aus einem einfachen Elternhaus; der Vater ist Maler, die Mutter Hausfrau. 1942 wird Helga Höpfner eingeschult. Am Ende der 8. Klasse, nimmt der Vater die Tochter gegen ihren Willen von der Mittelschule. Sie soll eine Ausbildung beginnen. Helga Höpfner beugt sich zunächst dem Willen des Vaters und arbeitet in den nächsten Jahren bei einer Versicherung. Während ihrer Berufstätigkeit besucht sie das Abendgymnasium in Gelsenkirchen. Die Belastung ist zu groß, sie wird krank und muss abbrechen.

1958 besteht die junge Frau eine Begabtensonderprüfung und kann daraufhin ab 1959 an der Pädagogischen Hochschule in Dortmund studieren. Sie verwirklicht aus eigener Kraft ihren Berufswunsch: Lehrerin. Finanzielle Rücklagen und Erfahrungen aus der Zeit ihrer früheren Berufstätigkeit helfen ihr dabei. Ihr Elternhaus reagiert mit Ablehnung und Unverständnis. 1962 legt sie das Erste, 1963 das Zweite Staatsexamen ab. In dieser Zeit heiratet sie.

Mit der Geburt ihrer Kinder scheidet Helga Bongarts als Beamtin aus ihrem erkämpften Beruf aus; sie erhält sogar eine Abfindung. Für Frauen ist es damals noch nicht möglich, eine Erziehungszeit in Anspruch zu nehmen. Helga Bongarts entscheidet sich für die Familie, bleibt aber in der Familienphase als Aushilfslehrerin an ihrer alten Schule tätig.

1970 kehrt sie wieder in ihren Beruf zurück. Dafür muss sie wiederum eine Prüfung ablegen: eine Revision. Erst danach kann Helga Bongarts erneut verbeamtet werden. 1977 wird sie Konrektorin an einer Grundschule in Dortmund und übt ihren Beruf bis 1997 aus.
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Helga Bongarts
 
 

Ehrungen von erfolgreichen Frauen

 
 
 
Von Anfang an erobern sich Frauen Ämter in Verwaltungen, Verbänden, Rechts- und Bildungswesen oder genießen aufgrund fachlicher Leistungen hohe Anerkennung als freiberufliche Ärztinnen oder Rechtsanwältinnen. Orden und Ehrungen belegen dies ebenso wie Würdigungen ihrer Universitäten, Geschenke oder künstlerische Zeugnisse. Die seltenen Selbstzeugnisse dieser Pionierinnen sprechen eine andere Sprache. Sie zweifeln oft an der Richtigkeit ihrer Entscheidungen, stellen ihre beruflichen Leistungen fast immer in einen Familienkontext und zollen sich selbst vor allem Anerkennung für die Bewältigung schwieriger Lebenssituationen. Dennoch bildet das Studium, manchmal verbunden mit einem Ausbruch aus erlebter geistiger Enge, den Anfang eines weitgehend selbstbestimmten Lebens.
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Verleihung des Verdienstordens des Landes Nordrhein-Westfalen (2003)

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Auszeichnung des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes (1983)