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1. "Verschiedenes Arbeiten"

 
 
 
In den großen Lexika - so im Staatslexikon oder im Brockhaus - wurde bis weit in die 1960er Jahre hinein unter dem Begriff "Arbeit" lediglich die produktive, bezahlte Erwerbsarbeit verstanden. Dagegen wurden diejenigen "Betätigungsgebiete, die die menschliche Sorge und Hilfsbereitschaft ansprechen" unter dem eigens verzeichneten Begriff "Frauenarbeit" aufgeführt. Die den "Frauen in besonderer Weise entsprechenden Arbeiten" wurden hierbei wie folgt definiert:
"Dazu gehören vor allem die häuslichen Dienste und die mit dem Haus noch verbundenen Wirtschaftszweige, zumal die Landwirtschaft. Die erzieherischen und pflegerischen Betätigungen gehören seit jeher zu den häuslichen Verrichtungen der Frau, sie verlagern sich aber immer mehr in die Schule, das Heim, die Anstalt. Erziehung, soziale Fürsorge und allgemeine Wohlfahrtspflege eröffnen neue, echt frauliche Berufsmöglichkeiten." (Staatslexikon, 1957)

Der Begriff "Hausarbeit" erscheint dagegen in diesen beiden Lexika nicht als eigenes Stichwort, dafür aber der Begriff "Hausfrau". "Hausmänner" waren demgegenüber bis weit in die 1970er Jahre noch völlig undenkbar. Erst in der Ausgabe des Brockhaus aus dem Jahre 1996 findet sich neben dem Begriff "Hausfrau" zum ersten Mal der Eintrag "Hausmann" als Bezeichnung für einen Mann, "der seine berufliche Tätigkeit einschränkt oder aufgegeben hat, um einen größeren Teil der Hausarbeit oder anderer familiärer Aufgaben zu übernehmen."

Im Folgenden werden mit dem Begriff "Arbeit" sowohl bezahlte wie auch unbezahlte Formen von Arbeit vorgestellt. Das sind zum einen die nicht entlohnten, privat verrichteten Haushalts-, Fürsorge- und Erziehungsarbeiten, zum anderen die entlohnten Erwerbsarbeiten, insbesondere in den für Westfalen-Lippe typischen Gewerbe- und Dienstleistungsbereichen sowie in der Landwirtschaft.
In Ihren Beiträgen für das Internet-Portal "Westfälische Geschichte" verweisen die Autorinnen Barbara Stambolis -
 Gender und Religion - und Heide-Marie Lauterer -  Politische Partizipation - u. a. auf die Arbeit von Diakonissen und Ordensschwestern sowie die ehrenamtliche Arbeit von Frauen in sozial-caritativen Vereinen und politischen Parteien.
 
 
 

2. Geschlechtsspezifische Arbeitsteilung
im 19. Jahrhundert

 
 
 
Die geschlechtsspezifische Aufteilung von Arbeiten in Frauenarbeiten und Männerarbeiten und die Konzentration von Frauen und Männern in bestimmten Berufen besitzt eine lange Geschichte. Bereits im 16. Jahrhundert waren Frauen aller Stände für die Pflege und die Erziehung der Kinder zuständig. Allerdings war das "gemeinsame Haus" der Familie eine Wirtschaftseinheit, in welcher beide Eheleute gleichermaßen für das ökonomische Fortbestehen verantwortlich waren.

Erst die politischen und technischen Umwälzungen des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts veränderten sowohl das Zusammenleben der Menschen untereinander, als auch die Bedeutung von Arbeit wie auch deren unterschiedliche Bewertung grundlegend. Als Folge der Industrialisierung wurden große Teile der ursprünglich häuslichen Produktion in den außerhäuslichen Bereich der Manufakturen und Fabriken verlagert. Gleichzeitig bauten Staat und Wirtschaft den Bereich der Verwaltung immer weiter aus. Aus den Hausvätern wurden Arbeiter, Angestellte und Beamte, die gegen Bezahlung außerhäuslich arbeiteten - aus den Hausmüttern wurden Hausfrauen, die nun nur noch unbezahlte Arbeiten im Haushalt für die Familie verrichten sollten.

Parallel zu den wirtschaftlichen Veränderungen erfolgte im 19. Jahrhundert die Ablösung der alten Ständegesellschaft durch die Teilhabe des Bürgertums am Staatsgeschehen. Beeinflusst von den Prinzipien der Aufklärung sollte nicht mehr der jeweilige Stand über die gesellschaftliche Position eines Menschen entscheiden, sondern seine Leistung. Fortan qualifizierten sich Männer in Schulen, Ausbildungsstätten und Universitäten für ein Berufsleben im öffentlichen Raum; Frauen dagegen wies man vorrangig den Innenbereich des Hauses zu. Ihre Aufgabe wurde darin gesehen, ihrem Ehemann ergänzend zu Seite zu stehen und ausschließlich für den nun als privat definierten Bereich der Haus- und Familienarbeit tätig sein.
 
 
 
 

3. Arbeitsplatz Haushalt

 
 
 
Die Durchsetzung der modernen Hausarbeit als ein vom bezahlten Erwerbsleben abgetrennter Bereich erfolgte im wesentlichen im 19. Jahrhundert. Anders als die Hausarbeit der Ständegesellschaft, deren wirtschaftliche Notwendigkeit außer Frage stand, galt die moderne Hausfrauenarbeit des Bürgertums in erster Linie als ein Liebesdienst an der Familie, der selbstverständlicher Teil der Frauenrolle war. Zahlreiche Pädagogen und Philosophen hatten durch ihre Schriften die Vorstellung von zwei sich ergänzenden, jedoch strikt voneinander unterschiedenen Geschlechtscharaktären verbreitet. Ihrer Auffassung nach war es die "Natur" des Mannes, in der Familie das Oberhaupt zu sein und im öffentlichen Bereich zu wirken. Die "natürliche Berufung" der Frau hingegen sei es, als Ehefrau, Mutter und Hausfrau im Privaten zu wirken.

Eine außerhäusliche Berufstätigkeit war in dieser Konzeption für verheiratete, bürgerliche Frauen nicht vorgesehen. Dagegen ließ sich diese Norm im Leben der Arbeiterfamilien nicht ohne weiteres durchsetzen, da viele Familien auf die außerhäusliche Erwerbsarbeit ihrer Ehefrauen und Töchter angewiesen waren. Dennoch hielt das bürgerliche Familienideal auch Einzug in Arbeiterkreise, so dass noch in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts in der Montanindustrie des Ruhrgebiets die Meinung weit verbreitet war: "Die Frau eines Bergmanns braucht nicht arbeiten zu gehen."
Über die inzwischen zahlreichen Publikationen zum Thema "Geschichte der Hausarbeit" informiert Bärbel Kuhn in ihrem Artikel "Vom Schalten und Walten der Hausfrauen. Hausarbeit in Rat, Tat und Forschung im 19. und 20. Jahrhundert"


Heinrich Campe: "Väterlicher Rath für meine Tochter. Ein Gegenstück zum Theophron. Der erwachsenen weiblichen Jugend gewidmet", Tübingen 1789. Bei Campe wurde Familie nun nicht mehr in erster Linie als Wirtschaftseinheit verschiedener Generationen und Hausangestellter aufgefasst, sondern als Kernfamilie, bestehend aus Vater und Mutter sowie den Kindern, in der Gefühl und Geborgenheit im Vordergrund stehen sollte.
 
 

3.1 Gesetze und Normen

 
 
 
Der als privat definierte Bereich der Hausarbeit wurde auch zum Bestandteil der Gesetzgebung. So verpflichtete das am 01.01.1900 im Deutschen Reich in Kraft getretene Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) die verheirate Frau dazu, "das gemeinsame Hauswesen zu leiten" (§ 1356), dem Mann dagegen stand die alleinige "Entscheidung in allen das gemeinschaftliche Eheleben betreffenden Angelegenheiten zu" (§ 1354).

Auch die Erweiterung des BGB durch das Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau vom 18.06.1957 hielt an der traditionellen Vorstellung fest, nach der allein Frauen für die Hausarbeit zuständig zu sein hatten. Zudem konnten sie nur dann außerhäuslich erwerbstätig sein, "soweit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar" war (§ 1356, Abs.1).

Erst seit 1976 kann, zumindest theoretisch, die Führung des Haushalts von beiden Eheleuten "in gegenseitigem Einvernehmen" geregelt werden (§ 1355).

Neben Gesetzen regelte als \'heimlicher Sittenwächter\' auch eine Flut an Ratgeberliteratur für bürgerliche und Arbeiterfrauen das "Innenleben der Familie".

Daneben sorgte auch die Werbung in Zeitungen und Zeitschriften, auf Plakaten, Verpackungen und im Fernsehen dafür, dass die Vorstellung der immer fröhlichen und gepflegt aussehenden Hausfrau als Konsumentin verbreitet wurde, der man weder Erschöpfung noch Unlust ansah.
Das Henriette-Davidis-Museum in Wetter-Wengern präsentiert eine Vielzahl von Haushaltsratgebern und Kochbüchern


Gisbert Strotdrees über  Henriette Davidis


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 Werberfigur Renate, 1959". "Die Figur wurde in Anzeigen, auf Rezeptheften, auf Backgeräteverpackungen und als Beilagen in Zeitschriften in leicht veränderter Form eingesetzt
 
 

3.2 Die Praxis der Hausarbeit

 
 
 
Das von Ratgebern und Werbung produzierte Idealbild stand jedoch im scharfen Gegensatz zu dem tatsächlichen Arbeitsalltag einer Hausfrau. Noch bis in die 1960er Jahre hinein war Hausarbeit aufgrund der Abwesenheit technischer Hilfsmittel eine körperliche Schwerstarbeit.

So machten z. B. begrenzte Kühlmöglichkeiten eine aufwendige Vorratshaltung wie das Einkochen von Obst und Gemüse oder das Herstellen von Fleisch- oder Wurstkonserven aus eigener Kleintierhaltung notwendig.

Kleidung wurde größtenteils selbst genäht, gestrickt und gehäkelt und aus Kostengründen immer wieder ausgebessert. Zur täglichen Reinigung des Hauses kam der aufwendige Frühjahrsputz hinzu.

Besonders aufwendig gestaltete sich das wöchentliche Wäschewaschen. Die Wäsche musste im Waschkessel eingeweicht und gekocht, anschließend auf einem Waschbrett gerubbelt und schließlich mit der Hand ausgewrungen werden. Weiße Wäsche wurde auf Wiesen ausgelegt, damit sie in der Sonne bleichen konnte.

Zudem hing der Arbeitsalltag einer Hausfrau davon ab, in welchem sozialen Milieu sie arbeitete und lebte: So delegierten bürgerliche Hausfrauen im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts einen großen Teil ihrer Arbeit an Dienstmädchen. Dabei handelte es sich meistens um körperlich schwere Arbeiten wie Kochen und Waschen. In Arbeiterfamilien wurde der allergrößte Teil dieser Haushaltsarbeiten dagegen von der Hausfrau sowie von den Töchtern ausgeführt. In Bergbauregionen versorgten die Hausfrauen neben den Kindern und dem Ehemann zusätzlich noch "Kostgänger", unverheiratete Bergleute, die gegen Bezahlung in der Familie logierten.

Zwar war die Idee einer modernen Küche schon in den 20er Jahren entwickelt worden, doch ließen notwendige technische Erleichterungen noch Jahrzehnte auf sich warten. Erst seit den 1950er Jahren zog die moderne Haushaltstechnik allmählich in die Haushalte ein. Den Anfang machten hierbei die Kühlschränke und Kleingeräte. Später ersetzte in vielen modernen Neubauwohnungen der Elektroherd den Kohlenherd.
Das Deutsche Kochbuchmuseum in Dortmund informiert über das Frauenbild und Küchentechniken im 19. und 20. Jahrhundert


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Einkochen bei  Familie Lücke, Telgte, 1920/1940


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 Wäschewaschen, Dingden, um 1935


Das kleine, private Museum der historischen Waschtechnik besitzt historische Waschmaschinen, Mangeln und Beispiele von Waschmittelreklamen


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 Einbauküche mit Elektroherd, zwischen 1950 und 1970
 
 

3.3 Haushalten in Notzeiten

 
 
 
In Friedenszeiten sicherte die Hausarbeit die Existenz der Familie - in Kriegs- und Krisenzeiten deren Überleben. Bereits kurze Zeit nach Beginn des Ersten Weltkrieges 1914 zeigten sich Engpässe in der Lebensmittelversorgung der Bevölkerung. In den folgenden Kriegsjahren gehörte es zum Alltag aller Hausfrauen, vor Verkaufsständen viele Stunden Schlange stehen zu müssen, oft jedoch mit dem Ergebnis, dennoch nichts kaufen zu können.

Besonders schwierig war die Situation im "Kohlrübenwinter" von 1916/1917, als es kaum noch Lebensmittel gab. Die ungenügende Versorgung mit Lebensmitteln, die besonders die Stadtbevölkerung traf, führte zu Unruhen. Hausfrauen protestierten gegen Händler, ländliche Produzenten und sogar gegen die Regierung.

Derartige Hungerunruhen wollte die nationalsozialistische Regierung 20 Jahre später im Kontext ihrer Kriegsvorbereitung vermeiden. Bereits vor dem Angriff auf Polen schufen sie ein gut organisiertes Verteilungssystem basierend auf Lebensmittelkarten und Bezugsscheinen. Die auf Ausbeutung der besetzten Länder ausgerichtete Kriegswirtschaft garantierte weitgehend die Versorgung der deutschen Bevölkerung. Der Alltag der an der Heimatfront Verbliebenen hing zumeist davon ab, inwieweit sie ausschließlich auf Lebensmittelkarten angewiesen waren oder ob sie zu den Selbstversorgern gehörten, die neben einem Stückchen Ackerland auch Tiere besaßen. Obgleich die Bevölkerung - im Gegensatz zum Ersten Weltkrieg - nicht an extremen Mangel litt, gestaltete sich die Versorgungslage und damit auch die Arbeit der Hausfrauen mit jedem Kriegsjahr schwieriger. Zusätzlich machte die ständige Bombengefahr einen regulären Arbeitsalltag im Haus unmöglich.
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 "Einkaufspolonaisen in Münster": Menschenmenge vor einer Pferdemetzgerei in Münster, Februar 1918


Dezember 1916:  "Steckrübenwinter"
 
 
In der unmittelbaren Nachkriegszeit, in den Jahren 1945 bis 1948, war die Haus- und Familienarbeit eingebunden in die Folgen, die der vom nationalsozialistischen Deutschland begonnene und verlorene Krieg mit sich brachte: Durch die Zerstörung von Städten und Verkehrswegen, das Fehlen von Versorgungsgütern durch die auf die Ausbeutung der besetzten Ländern ausgerichtete Kriegswirtschaft, durch den Verlust der Heimat infolge von Flucht und Vertreibung und den gewaltsamen Tod von Menschen sowie durch die Zerstörung von Familien und sozialen Zusammenhängen war die Arbeit von Frauen vor allen Dingen zur Überlebensarbeit geworden.

Der Wiederaufbau von Häusern und Wohnungen, die mühsame Beschaffung von Lebensmitteln durch Schlangestehen, Hamstern und Sammeln, Kochen ohne ausreichendes Brennmaterial und Kochgeschirr, und das Improvisieren beim Reinigen und Herstellen von Kleidung prägten den Arbeitsalltag vieler Hausfrauen bis zur Währungsreform am 20.06.1948. Danach konnten die Güter des täglichen Bedarfs zwar wieder regulär in Geschäften gekauft werden, doch zwangen niedrige Familieneinkommen noch lange Jahre zu einer sparsamen Haushaltsführung.

Der als "Frauenüberschuss" bezeichnete Umstand, dass in den ersten Jahre nach dem Krieg ein Großteil der Männer durch Tod, Flucht oder Gefangenschaft nicht anwesend waren, ließ Frauen in neue Arbeitszusammenhänge des Wirtschaftslebens treten, in dem sie durch ihren Einsatz große Teile des Wiederaufbaus übernahmen. Aufgrund des Männermangels hatten sie die gesamte Verantwortung für die Familien. Deren Zusammensetzung war durch die Umstände zwangsläufig heterogener geworden. Es gab große Haushalte verwandter oder nicht verwandter Personen, viele alleinerziehende Mütter mit Kindern, die verwitwet oder geschieden waren.

Bereits in den 1950er Jahren dominierte jedoch wieder die Kernfamilie aus Eltern mit mehreren Kindern das Familienleitbild, in der zunächst eine außerhäusliche Erwerbstätigkeit der Ehefrau nicht vorgesehen war. Wie bereits im 19. Jahrhundert wurden die meisten Mädchen weiterhin auf ihre Rolle als Hausfrau und Mutter, Jungen dagegen auf die Rolle des Ernährers der Familie vorbereitet. Mit dem Argument: "Mädchen heiraten ja doch", wurden ihnen der Besuch weiterführender Lehranstalten wie Realschule und Gymnasium, besonders in den katholisch geprägten, ländlichen Gegenden Westfalens, häufig verweigert.
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  "Trümmerfrauen" in Münster nach dem Zweiten Weltkrieg


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 Flüchtlingsunterkunft in Lünen, 1946


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 Notunterkünfte in Münster nach dem Zweiten Weltkrieg
 
 
 

4. Frauenerwerbsarbeit

 
 
 
Bereits die Industriegesellschaft des 19. Jahrhunderts basierte auf der Trennung von Erwerbsarbeit und Familienarbeit, wobei die Männer für die bezahlte Erwerbsarbeit und die Frauen für die unbezahlte Haus- und Familienarbeit zuständig zu sein hatten. Dennoch gingen schon früh sowohl Frauen aus dem Bürgertum als auch Frauen aus den Arbeiterschichten einer außerhäuslichen Erwerbstätigkeit nach. Dabei bestimmte die jeweilige Zugehörigkeit zu einer sozialen Schicht, welche Berufs- und Bildungsmöglichkeiten Mädchen und Frauen offen standen.
 
 
 

4.1 Berufe für bürgerliche Frauen

 
 
 
Für bürgerliche Frauen gab es im 19. Jahrhundert nur wenige Berufe, die sie ergreifen konnten. Mädchen wurden in der Regel ausschließlich auf ihr späteres Wirken in der Familie als Ehefrau, Mutter und Hausfrau erzogen. An Schulen standen ihnen nur private Schulanstalten, höhere Töchter- oder Mädchenschulen zur Verfügung, die zwar eine breite Schulbildung vermittelten, vor allem aber auch auf die spätere Frauenrolle vorbereiteten.

Blieben Frauen ledig, so hatten sie häufig nur die Möglichkeit, in verwandten Gebieten des häuslichen Bereichs als Lehrerin, Erzieherin, Betreuerin oder Pflegerin zu arbeiten.

Doch die mangelnde Vorbereitung auf ein Berufsleben ging an der Lebensrealität vieler bürgerlicher Familien vorbei. Geldprobleme führten dazu, dass immer mehr bürgerliche Familien ein Interesse zeigten, ihren Töchtern vor der Ehe und im Falle des Unverheiratet-Seins eine standesgemäße Erwerbsarbeit zu ermöglichen. Erste Handelschulen und kaufmännische Mädchenschulen bereiteten Mädchen auf Berufe als Sekretärin oder Stenotypistin vor.

Die preußische Mädchenschulreform von 1908, ein Ergebnis des Kampfes der bürgerlichen Frauenbewegung und des Einsatzes liberaler Pädagogen und Politiker, reformierte das Höhere Mädchenschulwesen und schaffte erstmals qualifizierte Schulabschlüsse. Damit nahmen auch die Berufsmöglichkeiten zu, so dass Mädchen nach der Lyzeumsreife z.B. bei der Post-, Telegraphen- und Eisenbahnverwaltung arbeiten konnten.

Zudem war es nun auch für Mädchen in Preußen möglich geworden, das Abitur abzulegen und ein Studium aufzunehmen. Zuvor hatten Frauen, die in Westfalen einen akademischen Beruf wie Juristin oder Ärztin ausüben wollten, im Ausland studieren müssen.

Während jedoch der Ärzteberuf noch lange Jahre hauptsächlich von Männern ausgeübt wurde und in der Krankenpflege in Westfalen vor allem religiöse Frauengemeinschaften dominierten, arbeiteten im Bereich der Geburtshilfe zahlreiche weltliche Frauen.

So waren bereits im Verlauf des 19. Jahrhunderts die Ausbildungsanforderungen an die Hebammen gestiegen; der Besuch einer Hebammenschule war nun die Regel.

Anfang des 20. Jahrhunderts schlossen sich Hebammen vielerorts zusammen. So entstand 1903 in Münster der "Verein der Hebammen des Stadt- und Landkreises Münster" dem alle in der Stadt tätigen Hebammen sowie die Landhebammen angehörten.
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 Lehrerin in Telgte, 1892


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 Lyceums-Klasse in Dortmund-Hörde, um 1900


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Schülerinnen und Lehrerin an der
 Kochschule in Münster , um 1913


Rita Börste:  Aufbruch in die Wissenschaft: Die Anfänge der Frauenbildung am Beispiel des Hochschulstudiums


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 Hebammenanstalt des Provinzialverbandes Westfalen in Bochum, ca. 1930


Gisbert Strotdrees über die Hebamme
 Martha Dreisbach
 
 

4.2 Dienstbotinnen

 
 
 
Die Vermittlung eines Mädchens als Dienstbotin in einen Haushalt erfolgte, wie für das Münsterland dokumentiert ist, meist über Bekannte, kirchliche Organisationen oder Vermittlungsagenturen, wobei letztere eine Vermittlungsgebühr nahmen.

Mädchen, die in einem privaten Haushalt arbeiteten, wechselten von der väterlichen Gewalt in die Befehlsgewalt des Hausherrn. Bis 1918 regelte die preußische Gesindeordnung die rechtliche Beziehung zwischen der Dienstherrschaft und den Dienstboten. Danach unterstanden alle männlichen und weiblichen Dienstboten der rechtlichen Gewalt des Hausherrn. Das in der Gesindeordnung aufgenommene Züchtigungsrecht des Hausherrn führte nicht selten zu Misshandlungen. Die Kündigungsfrist für Dienstboten und Dienstbotinnen betrug in der Regel auf dem Lande drei Monate, in der Stadt dagegen nur sechs Wochen. Die Herrschaften konnten dagegen fristlos kündigen.

Dienstmädchen über 16 Jahren waren in Preußen seit 1846 verpflichtet, ein Dienstbuch zu führen, dass von der jeweiligen örtlichen Dienststelle ausgeführt wurde. Darin aufgenommen wurden, neben persönlichen Daten, u.a. auch die Daten von Dienstbeginn und Dienstaustritt, Gründe der Kündigung, Tätigkeitsbeschreibungen und Beurteilungen. Der Arbeitsalltag eines Dienstmädchen war dadurch geprägt, dass es keine geregelten Arbeitszeiten gab. Ebenso wenig gab es eine eigene Privatsphäre, denn gewohnt wurde bei den Herrschaften.
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 Dienstboten der Familie Herbers beim Essen in der Küche, Iserlohn, 1904
 
 

4.3 Fabrikarbeiterinnen

 
 
 
Während der Industrialisierung hatten sich in den neu entstandenen Betrieben spezifische Männer- und Frauenarbeitsplätze herausgebildet. In der Montanindustrie, wie zum Beispiel im Ruhrgebiet, arbeiteten fast ausschließlich Männer, da seit 1849 die Frauenarbeit im Bergbau gesetzlich verboten war.

Die Textilindustrie, die in Ost-Westfalen und im West-Münsterland stark vertreten war, bot dagegen vielen Frauen einen Arbeitsplatz. In den Spinnereien und Webereien arbeiteten Männer und Frauen in unterschiedlichen Arbeits- und Produktionsbereichen.

Diese geschlechtsspezifische Arbeitsteilung hatte neben der Zuweisung zu unterschiedlichen Arbeitsplätzen und Gewerben auch finanzielle Konsequenzen. Entsprechend der Vorstellung von dem männlichen Familienernährer und der weiblichen Zuverdienerin erhielten Frauen weniger Geld für vergleichbar schwere Arbeiten oder bekamen keinen Zugang zu besser bezahlten Ausbildungsberufen. Lange Zeit bot lediglich die Wäsche- und Konfektionsindustrie Frauen die Möglichkeit einer Berufsausbildung. Frauen konnten hier den Beruf der Näherin erlernen und eventuell zur Direktrice aufsteigen. Die meisten Textilarbeiterinnen waren junge, ledige Frauen.
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 Weberinnen an mechanischen Webstühlen, um 1910


Über die Arbeits- und Lebensbedingungen in der Bielefelder Textilindustrie informiert eine
Zusammenstellung des Historischen Museums Bielefeld (PDF, 4 MByte)
 
 
 

5. Frauenarbeit im 20. Jahrhundert

 
 
 
Was in Friedenszeiten undenkbar schien, wurde während des ersten Weltkrieges zum Normalfall. Ab 1916 übernahmen Frauen in den Stahlwerken, in den metallverarbeitenden Fabriken und den Zechen Männerarbeitsplätze.

So arbeiteten in Dortmund 1916 insgesamt 2.000 Frauen in den Bergbaubetrieben. Auf der Zeche Hardenberg in Lindenhorst und der Zeche Minister Stein waren Frauen im Übertagebetrieb als Koksarbeiterin, Lampenreinigerin und Schreibgehilfin tätig. Die Arbeit unter Tage blieb für sie dagegen weiterhin gesetzlich verboten.

Nach dem Ersten Weltkrieg mussten Frauen im Rahmen der Demobilisierung ihre Arbeitsplätze wieder räumen. Dennoch übten in der Weimarer Republik, die erstmals die staatsbürgerliche Gleichberechtigung von Männern und Frauen in die Verfassung aufgenommen hatte, bald immer mehr Frauen eine Erwerbsarbeit aus.

So nahm insbesondere die Zahl der weiblichen Erwerbstätigen in den neuen Angestelltenberufen - wie Sekretärinnen, Stenotypistinnen und Verkäuferinnen - immer weiter zu.
Bezeichnend war jedoch, dass Frauen weiterhin vornehmlich in denjenigen betrieblichen Bereichen arbeiteten, die kürzere Ausbildungszeiten erforderten und damit schlechter bezahlt wurden sowie keine Aufstiegsmöglichkeiten boten. Somit blieben auch in der neuen Demokratie traditionelle Geschlechtervorstellungen weiter erhalten. So sah das seit 1919 reformierte Schulsystem höhere Mädchenbildung und höhere Knabenbildung zwar als gleichwertig, jedoch nicht gleichartig an. Es gab nicht nur unterschiedliche Lehrpläne, sondern auch unterschiedliche Schultypen.

Erst 1920 wurden die Kommunen in Preussen erstmals verpflichtet, "soweit erforderlich und möglich", die allgemeine Berufsschulpflicht für Mädchen durchzusetzen. Allerdings dauerte es noch mehrere Jahre, bis die Berufsschulen sogenannte Fachklassen zur Ausbildung von Friseusen, Floristinnen, Weißnäherinnen, Putzmacherinnen und Schneiderinnen anboten.
Ute Daniel über die Lebens- und Alltagsbedingungen von Frauen während des Ersten Weltkrieges: Der Krieg der Frauen: Zur Innenansicht des Ersten Weltkrieges in Deutschland


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Gisbert Strotdrees über die Schneiderin
 Anna Schmitz


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 Putzmacherin Frau Hülsken mit Gehilfinnen Margarete van der Linde und Katharina Hufe, Dingden, um 1931
 
 

5.1 Nationalsozialismus und
Zweiter Weltkrieg

 
 
 
In der Ideologie des NS-Staates sollten die als arisch deklarierten Frauen auf ihre traditionellen Arbeitsbereiche in Familie, Haushalt und Landwirtschaft beschränkt und zurückgedrängt werden. In den ersten Jahren des Machtantritts versuchte die nationalsozialistische Regierung, Frauen aus qualifizierten Arbeitsbereichen zu verdrängen, um auf diese Weise Arbeitsstellen für Männer zu schaffen. In der Praxis blieben aber viele Frauen berufstätig, da viele Männer keinen schlechter bezahlten Frauenarbeitsplatz übernehmen wollten.

Viele Unternehmer weigerten sich zudem, die billigeren weiblichen Arbeitskräfte durch Männer zu ersetzen. Nach dem Abbau der Arbeitslosigkeit und dem konjunkturellen Aufschwung der Wirtschaft durch Aufrüstung in den Jahren 1935 bis 1939 machte sich sogar ein Arbeitskräftemangel bemerkbar, so dass Frauen zunehmend bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhielten. Im Rahmen von Kriegsvorbereitung und Angriffskrieg erfolgte die Durchsetzung einer allgemeinen Dienstpflicht. Zwar verzichteten die Nationalsozialisten auf eine umfassende Mobilisierung von Frauen, doch mussten immer mehr Frauen die Arbeitsplätze von Männern in Industrie, Verwaltung und öffentlichem Verkehr übernehmen.
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 Vor dem Postamt : Postangestellte und Briefträger mit dem Postauto, Raesfeld, um 1937


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Schalker Verein:  Arbeiterin an der Drehbank, 1943
 
 

5.2 Frauenarbeit in den 1950er
und 1960er Jahren

 
 
 
Eine Anzahl lokalgeschichtlicher Studien hat sich mit dem Arbeitsalltag von Frauen nach dem Zweiten Weltkrieg und in den fünfziger Jahren beschäftigt. Ob im Münsterland, in Ost-Westfalen oder im Ruhrgebiet - überall führten Demobilisierungsverordnungen sowie Unternehmensentscheidungen dazu, dass Frauen ihre Arbeitsplätze zu Gunsten der Männer räumen mussten.

Obwohl die Frauenerwerbstätigkeit nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges zurückgedrängt wurde, gingen auch in den 1950er Jahren zahlreiche Frauen einer außerhäuslichen Erwerbsarbeit nach. Allerdings arbeiteten sie auch weiterhin hauptsächlich in den unteren Gehaltsgruppen und in Berufen mit weniger Aufstiegschancen.

In öffentlichen und parteipolitischen Diskussionen wurde immer wieder betont, dass der eigentliche Arbeitsplatz der verheirateten Frau und Mutter die Familie sei. Erst Anfang der 1960er Jahre stieg deren Erwerbstätigkeit an, insbesondere durch die Einführung von Teilzeitarbeitsstellen in einigen Branchen.
Die Überlebensarbeit nach dem Zweiten Weltkrieg und den Kampf um gleichen Lohn in Nordrhein-Westfalen thematisiert die Wanderausstellung
Zeitgenossinnen


Richard Seidel über
Frauenerwerbsarbeit nach zwei Weltkriegen, Gewerkschaftliche Monatshefte 4/1950


Im Reader Frauenbilder beschäftigt sich Christiane Eifert mit der 'idealen' Frau und ihrer Arbeit in der Nachkriegszeit am Beispiel von Nordrhein-Westfalen
 
 
 

6. Frauenarbeit in der Landwirtschaft

 
 
 
Im Vergleich zu den anderen Erwerbszweigen zeichnete sich die Landwirtschaft bis weit in das 20. Jahrhundert durch ihre enge räumliche Verbindung von Produktions- und Reproduktionsarbeiten aus. Erst im Verlauf des Agrarstrukturwandels - vor allem in den 1950er Jahren - bildete sich auch hier eine stärkere Trennung dieser beiden Bereiche heraus.

Zudem beinhalteten die landwirtschaftlichen Tätigkeiten - insbesondere in den Regionen von Westfalen-Lippe - in erster Linie eine Gemeinschaftsarbeit von Frauen und Männern im Familienbetrieb. Idealtypisch hatten die Männer für die Arbeit im Außenbereich und die Frauen für Tätigkeiten im Innenbereich zuständig zu sein, was in der Praxis jedoch nur selten gelang.

Bis ins 20. Jahrhundert hinein spielte die Landwirtschaft in Westfalen als Arbeitgeberin für Frauen eine zentrale Rolle. So waren in der Weimarer Republik fast die Hälfte aller erwerbstätigen Frauen in der Landwirtschaft beschäftigt, 1950 noch mehr als ein Drittel. Erst die Berufszählung des Jahres 1961 wies zum ersten Mal einen starken Rückgang der in der Landwirtschaft beschäftigten Frauen aus.

Den größten Anteil machten jedoch die sogenannten "mithelfenden Familienangehörigen" aus. Das waren vor allem in der Landwirtschaft tätige Frauen, die als Töchter oder Schwestern, meist jedoch als Ehefrauen die immer knapper werdenden "familienfremden" Arbeitskräfte ersetzen mussten.

Doch obgleich es gerade die Bäuerinnen waren, die das Überleben des Hofes garantierten, zeichnete sich auch die bäuerliche Familienwirtschaft durch eine strikte geschlechtsspezifische Arbeitsteilung aus. Männer übernahmen Aufgaben, die mehr Prestige besaßen, wie die Pferdepflege, während Frauen die Schweine und das Kleinvieh fütterten, die Milchwirtschaft besorgten und die landwirtschaftliche Hausarbeit leisteten.

So gehörte zu den Aufgaben der Bäuerin die Familien- und Hausarbeit, die Arbeit im Gemüsegarten, die Geflügelhaltung, die Verarbeitung der auf dem eigenen Hof hergestellten Lebensmittel für den Eigenverbrauch, sowie die Aufzucht des Jungviehs. Auf kleineren Höfen arbeiteten Bäuerinnen auch auf dem Feld und im Stall, da in der Zeit fehlender Mechanisierung jede Arbeitskraft zählte. Für ihre Arbeit erhielt die Bäuerin kein Geld. Ihre Arbeit war Teil der Familienwirtschaft.

Im Gegensatz zu den städtischen Haushalten, in denen vorwiegend nur zwei Generationen zusammen wohnten, umfasste die Bauernfamilie mindesten drei Generationen. Zu ihr gehörten die Bäuerin und der Bauer mit den Kindern sowie die auf dem Hof mitwohnenden und mitarbeitenden Großeltern. Daneben lebten und arbeiteten auf vielen Höfen die unverheirateten Geschwister des Bauern.

Die meisten Bauernhöfe hatten darüber hinaus auch männliche und weibliche Angestellte, Mägde bzw. Mädchen für den Innenbereich und Knechte für die Arbeit im Außenbereich. Kleinere und mittlere Höfe verfügten in der Regel über einen Knecht und eine Magd, größere Höfe hatten drei Mägde und mehrere Knechte angestellt. Unabhängig von der Größe des Hofes wohnten die Angestellten immer auf dem Bauernhof.

Außer in den Notzeiten der Weltwirtschaftskrise und den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg war im 20. Jahrhundert die Zahl der familienfremden Arbeitskräfte (Gesinde) rückläufig. 1925 gab es in Westfalen noch rund 35.000 Knechte und 40.000 Mägde, 1961 nur noch 14.800 Knechte und 8.500 Mägde.

Mägde verdienten in den zwanziger und dreißiger Jahren nur zwei Drittel des Knechtlohnes, waren aber flexibler im Arbeitsbereich. Sie halfen nicht nur bei der Hauswirtschaft, sondern bei den Stall- und Melkarbeiten sowie auf dem Feld. In Zeiten, in denen besonders viel Arbeit anstand, vor allem während der Ernte, wurdenzusätzlich männliche und weibliche Hilfskräfte angeworben.

Auf großen Bauernhöfen, besonders im Münsterland und in Minden Ravensburg, arbeiteten neben den Knechten, Mägden und den Saisonarbeitskräften Heuerlinge als Hilfskräfte. Heuerlinge lebten in einem kleinen Kotten mit einem paar Morgen Land. Wohnung und Land gehörten zum Hof und waren gepachtet. Die Erlaubnis, auf dem Gelände des großen Hofes etwas Landwirtschaft betreiben zu können, erfolgte im Tausch gegen eine vertraglich festgelegte Arbeitsleistung. Da viele Heuerlinge aus existentiellen Gründen einem Nebenerwerb nachgingen, mussten Ehefrau und Kinder die Arbeiten auf dem Bauernhof erledigen.

In der Landwirtschaft und im landwirtschaftlichen Haushalt gab es tägliche Arbeiten, wie zum Beispiel das Melken oder Kochen, wöchentliche Arbeiten wie das Reinigen der Wäsche und saisonbedingte Arbeiten wie die Erntearbeit im Sommer oder das Flicken der Wäsche im Winter.

Die Arbeit in der Landwirtschaft war lange Zeit durch schwere körperliche Arbeit geprägt. Während des Zweiten Weltkriegs hatte sich die Landwirtschaft auf technischem Gebiet kaum weiterentwickelt und auch in den ersten Jahren nach Kriegsende wurden selten Landmaschinen und Ackerschlepper eingesetzt. Erst in den 1950er Jahren vollzog sich die Umstellung von Zugtieren auf Ackerschlepper, und je nach Größe des Hofs wurden nun Landmaschinen, aber auch moderne Haushaltsgeräte angeschafft.

Parallel zur weiteren Technisierung der Landwirtschaft wurde die selbständige Arbeit der Bäuerinnen immer weiter zurückgedrängt. So verloren sie z.B. mit Einführung des Genossenschaftswesens im Molkereibereich die einträgliche Arbeit in der Milchwirtschaft, die ihnen bis dahin ein festes und unabhängiges Einkommen verschafft hatte. Auch von der beruflichen Professionalisierung im Bereich der landwirtschaftlichen Ausbildungsgänge profitierten bis in die 1930er Jahre zunächst nur die männlichen Jugendlichen.

Während der nationalsozialistischen Diktatur erhöhte sich die Arbeitsbelastung der Landwirtinnen im Rahmen einer auf den Krieg ausgerichteten Ernährungspolitik. Als Arbeitsentlastung waren keine modernen Maschinen und Arbeitsgeräte vorgesehen, sondern fachfremde dienstverpflichtete Hilfskräfte. Während des Zweiten Weltkrieges wurden mit jedem Kriegsjahr mehr Landwirte zur Wehrmacht eingezogen. Im Mai 1943 war jeder dritte in der Landwirtschaft tätige Mann zur Wehrmacht eingezogen, so dass die Bäuerinnen die gesamte Verantwortung für den Hof übernehmen mussten. Die anfallende Arbeit übernahmen sie zusammen mit den übrigen Familienangehörigen, wobei einen großen Teil der Arbeit in der Landwirtschaft Kriegsgefangene und deportierte Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter verrichten mußten.

In den Nachkriegsjahren, in der eine große Knappheit an Lebensmitteln herrschte, war die Vorratswirtschaft der Bäuerin besonders wichtig. In den letzten Kriegsmonaten waren zahlreiche Menschen vor den Bombardierungen der Städte auf das Land geflohen. Zudem wurden ab 1946 diejenigen Menschen, die aus ihren Heimatländern vertrieben worden waren, vor allen Dingen in den ländlichen Gebieten einquartiert, da dort weniger Kriegszerstörungen zu verzeichnen waren.

Nach der Währungsreform zeigte sich ein Mangel an landwirtschaftlichen Arbeitskräften, da Frauen und Männer besser entlohnte Arbeiten in der Industrie suchten. Ebenso verließen die in der Landwirtschaft einquartierten Heimatvertriebenen allmählich die Höfe. Der Rückgang von Arbeitskräften bedeutete für die Landwirtinnen auf kleineren und mittleren Höfen eine höhere Arbeitsbelastung, zumal nur selten arbeitserleichternde Maschinen vorhanden waren. Immer häufiger gingen die Klein- und Mittelbetriebe dazu über, nur noch im Nebenerwerb zu produzieren. Dies hatte zur Folge, dass viele Höfe hauptsächlich von den "mithelfenden Familienangehörigen" und damit besonders von den Frauen bewirtschaftet wurden.
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 Bauernhof Vornholt, Borken-Weseke, um 1905: Bauer (rechts, auf dem Heurechen sitzend) und Bäuerin (Bildmitte) inmitten einer großen Zahl von Knechten, Mägden und Heuerlingen, die allesamt zum Hof gehörten


Porträts dreier Bäuerinnen von Gisbert Strotdrees:  Anna Jacobfeuerborn,
 Marie Kerlen und  Sophie Wiechering


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 Roggenernte in Vosswinkel, Arnsberg: Aufstellen der Kornhocken, 1930


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 Heuernte in Burbach, 1950/1965



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 Magd mit Kind und Rind, Münster-Roxel, um 1930


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 Bäuerin mit Kuh, vermutlich in Bückeburg, um 1966



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 Frau Seiler beim Füttern der Hühner, Hoetmar, um 1966
 
 
 

7. Forschungslage

 
 
 
Über die Geschichte der Frauenarbeit im 19. und 20. Jahrhundert in Westfalen-Lippe, sei es die unbezahlte Hausarbeit oder die bezahlte Erwerbsarbeit, liegen bislang keine umfassenden, überregionalen Studien vor. Eine Ausnahme stellt hier die Dissertation von Helene Albers, Zwischen Hof, Haushalt und Familie. Bäuerinnen in Westfalen-Lippe (1920-1960), Paderborn 2001, dar. Allerdings gibt es eine große Anzahl lokalgeschichtlicher Publikationen, Ausstellungen und Stadtrundgänge, die sich mit der von Frauen geleisteten Haus- und Erwerbsarbeit, der Konzentration auf Frauen in bestimmten Arbeitsplätzen, Frauen in bestimmten Berufsgruppen sowie dem konkreten Arbeitsalltag von Frauen in bestimmten Zeitabschnitten beschäftigen.
 
 
 

7.1 Auswahlbibliografie

 
 
 
Im Folgenden findet sich eine systematisierte Auswahl lokalgeschichtlicher Publikationen und Projekte
 
 
Frauenarbeit in der Textil-
und Bekleidungsindustrie
Beese, Birgt / Schneider, Brigitte
Arbeit an der Mode. Zur Geschichte der Bekleidungsindustrie im Ruhrgebiet, Essen 2001

Lutum, Paula
Schneidermeisterinnen in Münster. Untersuchung zur historischen Entwicklung und aktuellen Berufskultur der selbständigen Frauenarbeit im Schneiderhandwerk, Münster 1987

Neumann, Cornelia
Arbeits- und Lebensbedingungen der Bielefelder Textilarbeiterinnen von 1850-1941 am Beispiel der Ravensberger Spinnerei, in: Ilse Brehmer/Juliane Jacobi Dittrich (Hg.), Frauenalltag in Bielefeld, Bielfeld 1986, S. 109-144

Pointke, Johanna
"So ist das Leben unserer Bielefelder Frauen erfüllt vom Dienst an dem Material Textil." Frauen im Textilgewerbe, in: "Wir haben uns so durchgeschlagen..." Frauen im Bielefelder Nachkriegsalltag 1945-1950, hg v.d. Volkshochschule Stadt Bielefeld, Bielefeld 1992, S. 79-87

Schäfer, Ingrid
"und so trampelten wir alle Tage". Zur Sozialgeschichte der Nähmaschine in Lippe, hg. v. Frauengeschichtsladen Lippe, Detmold 1989

Strieder, Hermann-Josef
Textilindustrie und Frauenarbeit: "Man kannte es eben nicht anders...", in: Lebensbilder Schmallenberger Frauen, hg. von der Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Schmallenberg und dem Heimat- und Geschichtsverein Schmallenberger Sauerland e.V. Balve 1998, S. 15-28
 
 
Bergarbeiterfrauen
Einfeldt, Anne Katrin
Auskommen, durchkommen, weiterkommen. Weibliche Arbeitserfahrungen in der Bergarbeiterkolonie, in: Die Jahre weiß man nicht, wo man die hinsehen soll. Faschismuserfahrungen im Ruhrgebiet. Lebensgeschichte und Sozialkultur im Ruhrgebiet 1930-1960. Bd.1, hg. v. Lutz Niethammer, Berlin/Bonn 1983, S. 267-296

Einfeldt, Anne Katrin
Zwischen alten Werten und neuen Chancen. Häusliche Arbeit von Bergarbeiterfrauen in den fünfziger Jahren, in: "Hinterher merkt man, dass es richtig war, dass es schiefgegangen ist." Lebensgeschichte und Sozialkultur im Ruhrgebiet 1930-1960. Bd. 2, hg. v. Lutz Niethammer, Berlin/Bonn 1983, S. 149-190

Jong, Jutta de
"Wir müssen ja auch hungern, wenn ihr arbeitet!" Zur Rolle der Bergarbeiterfrauen in den großen Streiks zwischen 1889 und 1912, in: Bergarbeiterstreik und Wilhelminische Gesellschaft, hg. v. Karl Ditt u. Dagmar Kift, Hagen 1989, S. 69-86

Jong, Jutta de
"und die Wäsche, die war schwarz., ja, wie die Kohle!". Zur Wechselwirkung zwischen männlicher Arbeitswelt und weiblicher Arbeitserfahrung in Bergarbeiterfamilien am Beispiel des Waschens, in: Beiträge, Informationen, Kommentare 6 (1987), S. 110-124

Schiller-Mertens, Anke
Frauen vor Ort. Lebenserfahrungen von Bergarbeiterfrauen, Essen 1993
 
 
Erwerbs- und Hausarbeit
in der Nachkriegszeit
Bartling, Gerhard
Frauenberufe in den Gemeinden des Amtes Rehme und in der Stadt Bad Oeynhausen nach dem Einwohnerbuch von 1928, in: "Oft im Schatten selten im Licht". Lebensbilder Bad Oeynhauser Frauen, Löhne-Gohlfeld 1999, S. 146-153

"Beruf der Jungfrau". Henriette Davidis und Bürgerliches Frauenverständnis im 19. Jahrhundert, hg. v. Museum für Kunst und Kulturgeschichte der Stadt Dortmund. Oberhausen 1988

Denecke, Birgit
"...wir hatten eine Kraft, das glaubt man nicht". Frauenalltag und Frauenpolitik der Nachkriegsjahre in Dortmund und Hamm, Dortmund 1997

Liebold, Christel
Der Kampf gegen das "Doppelverdienertum". Frauen in der Stadtverwaltung, in: "Wir haben uns so durchgeschlagen...". Frauen im Bielefelder Nachkriegsalltag 1945-1950, hg v.d. Volkshochschule Stadt Bielefeld, Bielefeld 1992, S. 134-146

Paulus, Julia / Maria Perrefort
"Im Reich der Frau". Frauenbild und Wirklichkeit in Hamm, in: CARE KÄFER COLA. Ein Lesebuch über Nachkriegszeit und Wirtschaftswunder in Hamm, hg. vom Gustav-Lübcke-Museum in Hamm, Essen 1995, S.43-65

Vossen, Johannes
Frauenarbeit als Austauschprodukt. Die allgemeine Entwicklung der Frauenerwerbsarbeit in der Nachkriegszeit, in: "Wir haben uns so durchgeschlagen...". Frauen im Bielefelder Nachkriegsalltag 1945-1950, hg v.d. Volkshochschule Stadt Bielefeld, Bielefeld 1992, S. 98-109

Wilken-Holthaus, Hilde
Von der "Trümmerfrau" zur Bauarbeiterin? Frauenarbeit im Baugewerbe, in: "Wir haben uns so durchgeschlagen..". Frauen im Bielefelder Nachkriegsalltag 1945-1950, hg v.d. Volkshochschule Stadt Bielefeld, Bielefeld 1992, S- 124-133
 
 
Ärztinnen und
Hebammen
Böker, Marion
Frauen aus der Hefe des Volkes - Der Hebammenberuf im 18. und 19. Jahrhundert, in: Arbeitskreis Frauengeschichte (Hg.), Frauenleben in Münster. Ein historisches Lesebuch, Münster 1991, S.226-236

Butke, Silke / Kleine, Astrid
Der Kampf für den gesunden Nachwuchs. Geburtenhilfe und Säuglingsfürsorge im deutschen Kaiserreich, Münster 2004

Paul-Menn, Susanne
Doktorinnen der Medizin. Die ersten Ärztinnen in Münster, in: Arbeitskreis Frauengeschichte (Hg.), Frauenleben in Münster. Ein historisches Lesebuch, Münster 1991, S. 237-251
Schmitz, Britta
Hebammen in Münster. Historische Entwicklung - Lebens- und Arbeitsumfeld - Berufliches Selbstverständnis, Münster/New York 1994

Schubert, Sonja
Von der nachbarschaftlichen Geburtshelferin zur Berufshebamme, in: Flüchter-Sheryari, Antje u. Perrefort, Maria (Hg.), Die vergessene Geschichte - 775 Jahre Frauenleben in Hamm, Hamm 2001, S. 170-178
 
 
Und darüber hinaus...
Heise, Sabine
" ... beschäftigt war ich immer". Frauenarbeit in Dülmen 1945-1961, Münster 2001

Kurzweg, Martina
 Frauenerwerbsarbeit im Wandel. Vom Kaiserreich bis zur Gegenwart, hg. Von Wolfgang Linke (= Westfalen im Bild, Reihe: Westfälische Wirtschafts- und Sozialgeschichte), Münster 1997

Pramann, Regina (Hg.)
Frauengeschichte(n) aus Ost-Westfalen-Lippe. Ein Handbuch zur Geschlechtergeschichte in der Region, Bielefeld 1998

Reuter, Renate
In Haus und Hof - Dienstmädchen in Münster und Umgebung, in: Arbeitskreis Frauengeschichte: Frauenleben in Münster. Ein historisches Lesebuch, Münster 1991, S. 266-276

Ruhl, Klaus-Jörg
Verordnete Unterordnung. Berufstätige Frauen zwischen Wirtschaftswachstum und konservativer Ideologie in der Nachkriegszeit. (1945-1963), München 1994

Schäfer, Ingrid / Anna Siekmann
"Weiberwirtschaft haben sie immer gesagt." Frauen im Lemgoer Gastgewerbe, Lemgo 1990

"... unbeschreiblich weiblich." Eine Dokumentation zur Geschichte der Frauen in Arnsberg von 1848 bis 1945. Hg. von der Stadt Arnsberg, Stadtdirektor und Frauenarchiv, Arnsberg 1990