Orte > Warburg - Desenberg


 
Hans-Werner Peine / Cornelia Kneppe

Der Desenberg bei Warburg,
Kreis Höxter

 
 
 

Zufahrt

 
 
 
Über die L 838 Warburg-Daseburg kommend, wenige Meter östlich des Gutes Rothehaus südlich in den Zufahrtsweg zum Desenberg einbiegend, erreicht man nach ca. 250 m den Rastparkplatz am nördlichen Hang des Desenbergs. Eine Informationstafel weist auf die Geschichte der weithin sichtbaren Burgruine hin, die man von hier aus über einen steilen Fußpfad in ca. 15-20 Minuten erreicht.


Geologie

Das Landschaftsbild der Warburger Börde wurde vor allem durch geologische Ereignisse des Trias und der folgenden Erdzeitalter geprägt, als deren Resultat die Borgentreicher Mulde mit Schichten des mittleren Keupers im Inneren und Schichten des äußeren in der Randzone entstand. Im Tertiär nahm der Vulkanismus der Hessischen Senke in seinen nördlichsten Ausläufern entscheidenden Einfluss auf diese Landschaft. Zurückzuführen auf die vulkanischen Aktivitäten sind u. a. die Basaltkegel des Hohen Bergs, des Deiselbergs und des Desenbergs, der wohl eindrucksvollsten Landmarke (345 m über NN) dieser Muldenlandschaft. Die fruchtbaren Böden im Umfeld des Desenbergs und der gesamten Warburger Börde gehen auf bis zu 6 m mächtige Lössschichten zurück, die sich während des Quartärs im Vorfeld der Gletschermassen ablagerten.
 
Bau- und Ausgrabungsbefunde

 
Luftbildaufnahme des Desenberg bei Warburg


 
Desenberg, Warburg: Moderner Zugang von Norden
Ein Kooperationsprojekt mit:


Logo des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe

Altertumskommission für Westfalen

Westfälisches Museum für Archäologie / Amt für Bodendenkmalpflege, Fachreferat Mittelalter und Neuzeitarchäologie
 
 
 

Archäologisches Umfeld

 
 
 
Oberflächenfunde und archäologische Untersuchungen belegen, dass im Umfeld des Desenbergs schon früh Menschen gelebt haben. Insbesondere auf den Flussterrassen der südlich des Desenberges fließenden Diemel fanden sich Fundplätze der Jäger und Sammler des Mittelpaläolithikums. Die frühen Bauern des Neolithikums wurden von den fruchtbaren Böden der Börde angezogen, wie zahlreiche Lesefunde der letzten Jahre zeigen. Durch Ausgrabungen wurde eine vermutlich kultischen Zwecken dienende Grabenanlage der Rössener Kultur nachgewiesen, eine Abschnittsbefestigung der Michelsberger Kultur auf dem Schlachberg im Mündungswinkel der Eggel in die Diemel konnte dagegen über die Luftbildarchäologie festgestellt werden. Von der kontinuierlich weiterschreitenden Besiedlung des Raumes zeugen des Weiteren archäologisch untersuchte Gräberfelder vom Spätneolithikum bis zum frühen Mittelalter, mit denen in vielen Fällen Siedlungsfunde aus den jeweiligen Zeitstufen korrespondieren. Hervorzuheben sind insbesondere die ergrabenen Überreste einer Siedlung aus der frühen römischen Kaiserzeit, in der ein Feinschmied u. a. Fibeln aus Bronze gefertigt hat (Abb. 2). Dass auch der Desenberg selbst in vor- und frühgeschichtlicher Zeit von Menschen aufgesucht wurde, vermitteln einige wenige Streufunde.
 Computeranimation mit Rekonstruktion der Burg auf dem Desenberg


 
Desenberg, Warburg: Blick von Süden mit Ausgrabungsfläche der kaiserzeitlichen Siedlung im Vordergrund
 
 
 

Mittelalterliche und frühneuzeitliche Zuwegung

 
 
 
Auch im mittelalterlichen Verkehrsnetz erfolgte die Zuwegung zur Burg über die Straße zwischen der Stadt Warburg und dem Kirchdorf Daseburg. Noch die historischen Karten der 1. Hälfte des 19. Jhs. zeigen, dass in Höhe des Gutes Rothehaus der ca. 880 m lange Weg zur Burg von der Landstraße abzweigte, um dann in einer langsam ansteigenden Trasse, die den Berg im Norden, Osten und Süden umrundete, an der Westseite das Vorburgplateau auf einer Höhe von ca. 325 m über NN zu erreichen. So waren die Angreifer den Pfeilen und Bolzeneisen der Verteidiger auf ihrem langen, gut einsichtigen Weg rund um die Burg relativ schutzlos ausgesetzt.

Der Weg um die Burg wird begleitet von einem höher liegenden Abschnittswall, der im Nordwesten bei den ergrabenen Vorburggebäuden ansetzt und im Südwesten nach ca. 240 m an der in Resten erhaltenen Sperrmauer endet. Der heutige Besucher läuft auf seinem Weg zur Burg einige Schritte auf diesem Wall, den hoch- und spätmittelalterliche Keramik als zur mittelalterlichen Burg gehörige Anlage ausweisen, und nimmt ihn nur als Bodenwelle im Gelände wahr. Ursprünglich trug der Wall sicherlich eine Palisade, so wurde die Zuwegung auf einem langen Abschnitt wirkungsvoll gesichert. Auffällig im Gelände ist im Südosten ein dreieckiges Plateau im Vorfeld des Abschnittswalles, von dem aus die Verteidiger der Burg den zur Burg einschwenkenden Weg einmal mehr kontrollieren konnten. Reste eines enger um die Burg gezogenen Wallsystems finden sich auf ihrer Südseite. Zwischen Ringmauer und äußerem Wall lässt sich hier auf 39 m Länge ein älterer Wall im Gelände verfolgen, der Keramikfunden auf der Wallkrone zufolge in das frühe oder hohe Mittelalter datiert.

Den Eingang zur Vorburg passierte der mittelalterliche Burgweg durch eine Torsituation, die 1962/63 von Herbert Engemann ergraben werden konnte. Zwar erfasste er nicht die Fundamente des Tores, doch ließen sich die hier ansetzende westliche, 1,45 m starke Umfassungsmauer der Vorburg ebenso nachweisen wie die Überreste eines spätmittelalterlichen Gebäudes von 4,60 m x 2,80 m, in dem mit einiger Sicherheit das Wachpersonal untergebracht war. Zwischen Pförtnerhaus und Ringmauer der Hauptburg konnte ein Ost-West verlaufendes Fundament ergraben werden, das als Fortsetzung zur südlichen Umfassungsmauer der Vorburg angesehen werden darf und gleichzeitig den Freiraum zwischen dieser und der Hauptburg abriegelte. Ein im ausgehenden 19. Jh. an diese Sperrmauer angelehntes Gebäude ist nach dem bisherigen Stand der Erkenntnisse als neuzeitliches Gebäude anzusprechen, das nicht ursprünglich zur Burg gehörte.
 
Desenberg, Warburg: Alter Zugang zur Vorburg. Rechts durch Büsche verdeckt die Sperrmauer


 
Desenberg, Warburg: Abschnittswall im Süden der Burg
 
 
 

Vorburg

 
 
 
Am Wachhaus vorbei gelangte man auf den zwingerartig angelegten Hof der Vorburg, begrenzt von Umfassungsmauern im Westen und Osten, die in Teilen ergraben wurden. Zwar haben die Ausgrabungen gezeigt, dass der Hof auch im Norden durch eine Mauer geschützt war, doch muss es weiteren Untersuchungen vorbehalten bleiben, sicher zu klären, wie der 80 m lange Verbindungsweg zwischen Vor- und Hauptburg und die vorauszusetzenden fortifikatorischen Anlagen bis zum Eingang in die Hauptburg ausgesehen haben. Ein angeschnittener Mauerkomplex im Nordosten der Vorburg mit ca. 2 m breiter Toröffnung wird vom Ausgräber als Tor zur Oberburg angesprochen. Hieran anschließend erreicht der Besucher ein kleines Plateau, an dessen nördlichem Rand sich wenige Fundamentreste eines Gebäudes erhalten haben. Der Besucher erkennt den Standort des mutmaßlichen Turmes vor allem an dessen Abbruchschutt, den er in Form einer kleinen Erhebung auf seinem Weg zur Hauptburg übersteigen muss.

In der Nordwestecke der Vorburg stand ein größeres Wirtschaftsgebäude von 18 m x 10 m mit einem viereckigen Turm, das nach einer größeren Brandkatastrophe auf einem dann angeschütteten Plateau errichtet worden war. Die Brandschutt- und weiteren Füllschichten, auf denen es gegründet war, wiesen Fundmaterial des 12./13. Jhs. auf, eine auf dem ältesten Fußboden des Gebäudes, eines Sandsteinplattenbodens, geborgene Münze gibt einen gewichtigen Hinweis darauf, dass das Gebäude spätestens um 1300 vorhanden war. Funde wie Sporen, Schnallen, Hufeisen usw. weisen darauf hin, dass das Gebäude u. a. zur Unterbringung von Pferden diente. Es wurde ebenso wie der an seiner Nordostecke angebaute 4 m x 5 m große Turm durch Feuer zerstört. Auf gewaltsame Zerstörung durch Feinde im 14./15. Jh. verweisen zahlreiche hier gefundene Armbrustbolzen, ein Brandpfeil sowie eine Steinkugel von zwei Pfund Gewicht.

Abgelöst wurde das zerstörte Steingebäude durch drei nahe beieinander stehende Fachwerkhäuser, die bis zur Aufgabe der Burg im 16. Jh. bestanden und nach Ausweis des Fundgutes ebenfalls wirtschaftlichen Zwecken gedient haben: So fanden sich neben Bauteilen auch Schlösser und Schlüssel, die dem Mobiliar zugerechnet werden können, weiterhin eine Forke, eine Sichel, zwei Beile, Teile vom Pferdegeschirr, Hufeisen und ein Pferdestriegel, Funde, die auf landwirtschaftlichen Betrieb und Pferdehaltung hinweisen. Fragmente von Ofenkeramik lassen keinen Zweifel daran, dass sowohl das spätmittelalterliche Gebäude wie auch die frühneuzeitlichen Nachfolger mit Kachelöfen ausgestattet waren; hier war offensichtlich das Gesinde der Burg untergebracht.

Das keramische Haushaltsgeschirr des hohen und späten Mittelalters bezogen die Burgbewohner überwiegend aus dem Reinhardswald, daneben fanden sich Steinzeugprodukte aus dem Rheinland. In der frühen Neuzeit beherrschten schlichte glasierte Irdenwaren das Bild, doch sind die im letzten Drittel des 16. Jhs. aufkommenden polychromen Irdenwaren nur mit wenigen Exemplaren vertreten. Diese Beobachtung und das Fehlen der seit dem 17. Jh. weit verbreiteten tönernen Tabakspfeifen lässt den Rückschluss zu, dass die Vorburg spätestens im letzten Drittel des 16. Jhs. nicht mehr genutzt wurde.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Vorburg im 13. Jh. ausgebaut wurde und bis zu ihrer Aufgabe im späten 16. Jh. als Wirtschaftshof der Burg Desenberg diente. Daneben erfüllte die Vorburg mit ihrem abgeschlossenen Verteidigungsring die Funktion einer der Hauptburg vorgelagerten Wehranlage, die den überaus wichtigen Zugang in die Hauptburg einmal mehr konkrollierbar machte und ein für sich zu verteidigendes Hindernis auf dem Weg zur Kernburg darstellte.
 
Desenberg, Warburg: Luftbild von Nordwesten mit den Grabungsbefunden der Jahre 1962/63


 
Desenberg, Warburg: Herbert Engemann hinter von ihm freigelegten Grundmauern der Vorburg


 
Desenberg, Warburg: Blick vom Plateau der Vorburg auf die Hauptburg
 
 
 

Hauptburg

 
 
 
Der Weg zur Hauptburg verlief, strategisch für die Verteidiger gut gewählt, unterhalb der Ringmauer im Norden und Osten um die Burg. Er erreichte das Tor der ca. 1050 m5 großen Hauptburg im Osten der Anlage. Die Eingangssituation ist heute nicht mehr nachvollziehbar, da an dieser Stelle die umlaufende 1,45 m starke Ringmauer der Hauptburg nicht im Aufgehenden erhalten ist. Anhaltspunkte dafür, an welcher Stelle das Tor zu suchen ist, geben mehrere Ansichten seit der 1. Hälfte des 19. Jhs., aber auch ein Flankierungsturm.

Ältester Teil der Burg ist der auf dem höchsten Punkt des Berges (345 m NN) gelegene, leicht nach Westen verschobene freistehende Bergfried, der als Mittelpunkt jeder klassischen Adelsburg des 12./13. Jhs. zu gelten hat. Aus zweischaligem Bruchsteinmauerwerk von 2,30 - 1,65 m Stärke errichtet, weist der Turm einen Durchmesser von 6,70 m auf, seine heutige Höhe beträgt ca. 12 m. Eine vorhandene, für einen Bergfried eher untypische ebenerdige Türöffnung belegt, dass es sich hierbei um einen neuzeitlichen Zugang von Süden handelt. Ursprünglich befand sich der Eingang in den Bergfried ebenfalls an dieser Seite, war aber, wie eine Federzeichnung von F. J. Brandt aus dem Jahre 1825 zeigt, als Hocheingang angelegt und ist heute nicht mehr erhalten, weil der Turm viel von seiner ursprünglichen Höhe verloren hat. Im Mittelalter konnten von ihm aus die Burgwächter das nähere und weitere Umland wirkungsvoll überwachen. Das sich innen durch Abstufungen verjüngende Mauerwerk trug wahrscheinlich die Balkendecken der drei noch nachweisbaren Geschosse, die allerdings nicht Wohnzwecken dienten. Vielmehr ist dieser die Ringmauer um einiges überragende Turm als Aussichtsplattform und letzte Rückzugsmöglichkeit der Burgbewohner im Verteidigungsfall anzusprechen.

Strukturell ein ebenso hohes Alter muss die umlaufende polygonale Ringmauer von 1,45 m Stärke besessen haben, die in etwa die Höhenlinie 340 m über NN einhält und durch Stützpfeiler und an zwei Ecken durch halbrunde, außen vorgesetzte Türmchen, die ein seitliches Bestreichen der äußeren Burgmauer ermöglichten, verstärkt wird.

An diese Stützmauer lehnen sich im Nordosten, Nordwesten und Südwesten mehrgeschossige Gebäude an. Hiervon zeugen abgesehen von Fundamentresten tonnengewölbter Keller, von denen einer im Westen den Raum zwischen Ringmauer und anstehendem Basalt der Bergkuppe ausfüllt und zu dem eine Treppe hinunter führt. Weiterhin verweisen auf diese Gebäude Tür- und Fensteröffnungen sowie Auflager für Balkendecken und ein Ausgussstein in der südlichen Ringmauer. Nicht nur der Baubefund, auch eine Grundrissskizze von F. J. Brandt aus dem frühen 19. Jh. zeigt zwei der drei Gebäude, der Standort des südwestlichen erschließt sich dem Besucher durch die heute noch sichtbaren Baubefunde in situ. Bei genauer Betrachtung von Brandts Ansichten lassen sich die beiden im Grundriss festgehaltenen Gebäude als ruinöse Bauteile nachweisen.

Als 1987/88 die Ruinen auf der Hauptburg saniert und gesichert wurden, fand eine kleine archäologische Sondierung des Untergrundes am Bergfried statt. Sie ergab, dass er direkt auf dem anstehenden Basalt gründete, der zu allen Seiten hin abfiel. Angeschnitten wurde ein Hofpflaster aus Diemelgeröllen und Bruchsteinen, das zur letzten Nutzungsphase der Burg zu rechnen ist. Auf dem Hofpflaster fanden sich Füllschichten, durchsetzt mit Abbruchschutt, u. a. Dachschiefer, Sollingsandsteinplatten, verziegeltem Flechtwerklehm und Keramik des 16. Jhs. Diese Funde erlauben uns Rückschlüsse auf die Bauweise der letzten Burghäuser: Mit Sollingsandsteinplatten und Dachschiefer eingedeckt als Schutz gegen Brandpfeile hat Fachwerkbauweise auch im ausgehenden Mittelalter eine Rolle gespielt.

Archäologisch bisher nicht nachgewiesen, aber aus den Schriftquellen belegbar ist die Existenz eines Brunnens als unverzichtbares Versorgungselement jeder mittelalterlichen Burganlage. Als im Jahr 1168 Herzog Heinrich der Löwe den Grafen Widukind von Schwalenberg auf dem Desenberg belagerte, berichtete hierzu ein zeitgenössischer Chronist:
"Doch da der hohe Berg jeder Belagerung und Maschinenkraft spottete, schickte der Herzog hin und ließ sachverständige Männer vom Rammelsberg holen; diese machten sich an die schwierige und unerhörte Arbeit, in den Fuß des Dasenberges einen Stollen zu treiben, untersuchten das Innere und fanden den Brunnen, aus dem die Burgleute Wasser schöpften. Er wurde verstopft, der Besatzung ging das Wasser aus, und Wedekind übergab sich und die Burg der Gewalt des Herzogs“.

Diese Nachricht leitet bereits über zur Besitzgeschichte der Burg, die mit der politischen Geschichte des hessisch-westfälischen Grenzraumes an der Diemel auf das engste verbunden ist.
 
Desenberg, Warburg: Ansicht von Osten, Südwesten, Norden und Westen. Federzeichnungen von F. J. Brandt aus dem 2. Viertel des 19. Jhs.


 
Desenberg, Warburg: Bergfried


 
Desenberg, Warburg: Hauptburg mit den Resten der Ringmauer und dem ruinösen Bergfried


 
Desenberg, Warburg: Hauptburg. Ringmauer im Osten mit vorgesetztem, halbrunden Erkerturm


 
Desenberg, Warburg: Hauptburg. Detail aus der östlichen Riongmauer


 
Desenberg, Warburg: Hauptburg. Nordostecke, Blick von innen


 
Desenberg, Warburg: Hauptburg. Gelände im Westen mit Treppe und Gewölberesten


 
Desenberg, Warburg: Skizzierter Grundriss der um 1820-1830 erhaltenen Fundamente und Mauerreste der Oberburg. Federzeichnung von F. J. Brandt


 
Desenberg, Warburg: Burg Desenberg 1672. Radierung von J. G. Rudolphi
 
 
 

Die Burg und ihre Besitzer

 
 
 
Wie viele der bedeutenderen Orte Westfalens wird auch die Burg auf dem Desenberg in der spätmittelalterlilchen Sagenwelt mit dem Wirken Karls des Großen in Verbindung gebracht. So berichtet eine dieser Sagen, es habe in heidnischer Zeit auf dem Desenberg ein Drache gelebt, der lange vergeblich von den tapfersten Kriegern Karls bekämpft wurde. Schließlich war ein junger Ritter erfolgreich, der das Untier erlegte, nachdem es durch sein eigenes Spiegelbild im Schild des Ritters verschreckt worden war. Ihn belohnte der Kaiser mit Reichtum und einem Wappenbild, das im Rückbezug auf die Heldentat drei Spiegel zeigte und später die Besitzer der Burg, die Mitglieder der Familie Spiegel zum Desenberg, auszeichnete.

Wenn auch die Anlage einer Burg auf dem Desenberg und die Anfänge der Familie Spiegel nicht bis in karolingische Zeit zurückverfolgt werden können, so reicht der Erstnachweis der Burg doch immerhin bis in das Jahr 1070 zurück. Die chronistische Überlieferung lässt erkennen, dass sie, einbezogen in die hochmittelalterlichen Auseinandersetzungen zwischen König Heinrich IV. und dem aufständischen Otto von Northeim, mehr als nur lokale Bedeutung besessen hat und im Besitz des sächsischen Hochadels war. Durch Erbschaft gelangte die Burg von den Northeimern, die sie möglicherweise im 11. Jh. auf Eigengut gegründet hatten, an den sächsischen Herzog Heinrich den Löwen, der sie an seinen Gefolgsmann Widukind von Schwalenberg weitergab. Als Widukind sich bei einem Fürstenaufstand gegen den Sachsenherzog stellte, belagerte dieser erfolgreich den Desenberg, indem er den Verteidigern das Wasser des Burgbrunnens entzog und sie so zur Übergabe zwang.

Auch in den Kämpfen gegen Heinrich dem Löwen nach dessen Entmachtung 1180 zeigte sich die große militärische Bedeutung des Desenbergs, der als alter Stützpunkt des Welfen von seinem Gegner, dem Kölner Erzbischof Philipp von Heinsberg, belagert wurde. Vorübergehend im Besitz der Stauferkönige Friedrich I. und Heinrich VI. kam die Burg nach kurzfristiger Übertragung an die Bischöfe von Paderborn um 1200 an die Nachkommen Heinrichs des Löwen zurück. Gegen diese Entwicklung stellten sich Abt Widukind von Corvey und Bischof Bernhard III., der nicht mehr die welfische Partei unterstützte wie noch sein Vorgänger. Sie vereinbarten, die Burg nicht nur gemeinsam zu erobern, sondern auch vollständig zu zerstören, ein Vorhaben, das nach Ausweis einer Urkunde von 1206 kurz vorher zumindest teilweise ausgeführt worden war.

Auf welche Rechtsgrundlage sich die Kölner Erzbischöfe bei der nachfolgend zu erschließenden Übernahme des Desenberges berufen haben, muss aus Mangel an Nachrichten offen bleiben. Jedenfalls wird ein 1217 in ihrem Gefolge auftretender Alexander von Desenberg als kölnischer Dienstmann angesehen, der sich nach der offenbar sehr bald wieder aufgebauten Burg benannte und diese schon als kölnisches Lehen innegehabt haben dürfte, wie später die Familie Spiegel. Demnach führte die Zerstörung der Burg zu Beginn des 13. Jhs. zu einem Besitzerwechsel, bewirkte aber nicht deren langfristige Aufgabe. Unter den direkten Einfluss der seit 1180 mit der Herzogsgewalt in Westfalen und Engern betrauten Erzbischöfe von Köln sollte sie bei der Durchsetzung der erzbischöflichen Ansprüche bis hin zur Weser als Stützpunkt dienen.

Nominell blieb die Burg zwar ein kölnischer Außenposten, wie kölnische Belehnungen 1377 und 1398 zeigen, doch bestimmte faktisch die seit 1256 auf dem Desenberg nachweisbare Familie Spiegel die Geschicke der Burg. In der 1. Hälfte des 13. Jhs. traten Mitglieder dieser Familie zuerst als corveyische Dienstleute in Erscheinung, doch besaßen die Spiegel besonders in Nordhessen auch eigene, nicht lehensabhängige Güter. Der Schutz dieser Besitzungen ist wohl vorrangig der Beweggrund gewesen, 1293/94 auf einer Diemelinsel die Stadt Liebenau zu gründen.

Mit dem Ausbau des militärisch wichtigen Desenberges, der Übernahme der Verwaltung von corveyischen und bischöflich-paderbornischen Besitzungen im näheren Umfeld sowie der Gründung der Stadt Liebenau wird in der 2. Hälfte des 13. Jhs. der Anspruch eines vielseitig gebundenen Dienstmannengeschlechtes fassbar, im Schnittpunkt paderbornischer, hessischer und mainzischer Interessen eine unabhängige Herrschaft zu errichten. In der letzten Phase ihres Bestehens erstreckte sie sich auf das Gebiet der Pfarreien Daseburg, Rösebeck, Körbecke und Bühne nördlich der Diemel.

Der Desenberg nordöstlich von Burg und Doppelstadt Warburg blieb wie schon in den Jahrhunderten zuvor Mittelpunkt kriegerischer Ereignisse, wie Armbrustbolzen, ein Brandpfeil und Steinkugeln in den archäologisch nachgewiesenen Zerstörungshorizonten, aber auch die fragmentarischen Nachrichten aus spätmittelalterlicher Zeit verdeutlichen.

Konflikte mit den Bürgern von Warburg, die ihre Feldmark im Zuge fortschreitender Landflucht immer weiter zogen, sind dabei ebenso vorauszusetzen und belegt wie bewaffnete Auseinandersetzungen mit den umliegenden Landesherren und Kleindynasten. Unklar bleibt, auf welcher Seite die Spiegel zum Desenberg gestanden haben, als am letzten Oktobertag des Jahres 1313 (?) die Bürger und Burgmänner von Warburg über die Feinde des Bistums bei der Burg Desenberg siegreich waren, doch ist der Einbezug der Burg kaum anzuzweifeln. Gegen bischöflich-paderbornische Interessen und speziell auch gegen die der Handel treibenden Städte gerichtet war jedenfalls die Teilnahme der Spiegel zum Desenberg an den Ritterbünden des ausgehenden 14. Jhs., bei denen sie zusammen mit den Herren von Padberg die Hauptanführer stellten. Ihren raubritterischen Beutezügen wurde 1394 durch Bischof Johann I. von Paderborn ein Ende bereitet. Im Zusammenhang mit diesen Übergriffen soll der Desenberg um 1380 von Landgraf Hermann von Hessen erobert und zerstört worden sein.

Wichtiger Stützpunkt der verschiedenen Familienzweige der Spiegel zum Desenberg war die Burg schließlich auch in der Fehde, die in den Jahren 1438 bis 1454 vom Desenberg und Liebenau aus mit aller Härte gegen das paderbornische Rittergeschlecht von Westfalen geführt wurde.

Das 15. Jh. brachte die endgültige Entscheidung über die Grenzen zwischen dem Bistum Paderborn und der Landgrafschaft Hessen und damit auch die über das weitere Schicksal der Familie Spiegel, die im 15. Jh. die Besitzungen des Erzbistums Mainz in Hofgeismar, Schöneberg und Gieselwerder verwaltete. Mit dem endgültigen Verlust der mainzischen Güter bis 1463 an die Landgrafen von Hessen verloren auch die Mitglieder der Familie Spiegel wichtige Ämter und Einnahmequellen und waren nun eingeschlossen von den beiden Territorien Paderborn und Hessen. Als sie sich während der Fehde, die sich 1464 um die Nachfolge auf der Burg Calenberg zwischen Paderborn und Hessen entspann, auf die hessische Seite schlugen, kam es 1470 zur letzten großen Belagerung des Desenbergs durch Bischof Simon von Paderborn. Die Ergebnisse der Ausgrabung auf der Vorburg lassen erkennen, dass diese in der 2. Hälfte des 15. Jhs. großflächig zerstört wurde, und sie bestätigen damit die historische Überlieferung.
Nach der Eroberung waren die Spiegel zum Desenberg 1471 gezwungen, die Burg vom Paderborner Bischof zu Lehen zu nehmen und im Zuge dieser Belehnung die Oberherrschaft des Bischofs unwiderruflich anzuerkennen.

Die Festlegung der Landesgrenzen zwischen Paderborn und Hessen in der 2. Hälfte des 15. Jhs., endgültig erst 1597 fixiert, aber auch das generelle Fehdeverbot seit 1495 hatten zur Folge, dass der Desenberg seine politische und militärische Funktion verlor und ein weiterer Ausbau der Burg nicht mehr durchgeführt wurde. Die auf dem Desenberg im 16. Jh. lebenden vier Familienzweige, untereinander nicht immer einig und weniger an kriegerischen Unternehmungen als an der Verwaltung ihrer Besitzungen interessiert, verließen nacheinander um 1550 ihre Häuser auf der Burg und gründeten östlich des Desenbergs am Flüsschen Eggel die Adelssitze Rothenburg, Klingenburg und Übelgönne sowie die Adelssitze in Bühne. Die Burg auf dem Desenberg verfiel, auch wenn im letzten Burgfrieden von 1581 vom Bischof zur Auflage gemacht wurde, die Gebäude auf dem oberen Burgplatz nicht dem gänzlichen Ruin zu überlassen, den Turm wiederum mit einem Dach zu versehen und einen Pförtner auf der Anlage wohnen zu lassen. Noch um 1623 wurde die Burg unter den von Herzog Christian von Braunschweig eroberten Orten abgebildet, ohne dass die Ansicht der Wirklichkeit entsprochen haben dürfte. Seit dem frühen 19. Jh. war die pittoreske Ruine bevorzugter Gegenstand zahlreicher Zeichnungen. Vor diesem Hintergrund muss es geradezu grotesk erscheinen, dass damals die preußische Regierung im Rückgriff auf den Burgfrieden von 1581 - wenn auch erfolglos - auf die Wiederherstellung der Burggebäude drängte.
Noch heute ist der Desenberg im Besitz der Familie Spiegel, ein letzter Hinweis darauf, wie sehr die Geschicke dieser Familie mit dem Desenberg und seinem Umland bis heute verbunden waren.
 
Desenberg, Warburg: Hauptburg. Detail aus der Ringmauer im Süden. Schießkammer


 
Desenberg, Warburg: Armbrustbolzen. Maßstab 1:2
 
 
 

Literatur (Auswahl)

Bérenger, D. / Kühlborn, J.-S.
Zum Beginn der systematischen Luftbildprospektion in Westfalen in den Jahren 1983 - 1984. Ausgrabungen und Funde in Westfalen-Lippe 4, 1986, 167 - 178.

Chmella. B.
Die Sanierung der Desenbergruine. Jahrbuch des Kreises Höxter 1991, 23 - 28.

Decker, R.
Die Geschichte der Burgen im Raum Warburg/Zierenberg, Hofgeismar/-Zierenberg (1989).

Doms, A.
Jäger, Bauern, Bürger. Von der Vorgeschichte zum Hochmittelalter im Stadtgebiet Warburg. In: Die Stadt Warburg. Beiträge zur Geschichte einer Stadt. Hrsg. v. F. Mürmann, Warburg (1986), 35 - 87.

Engemann, H. / Stephan, H.-G.
Desenberg. Untersuchungen zur Klärung der Burgsituation. In: Denkmalpflege und Forschung in Westfalen 2, 1979, 131 - 142.

Günther, K.
Schmiedesiedlung der älteren Römischen Kaiserzeit bei Warburg-Daseburg. Bodenaltertümer Westfalens. Bd. 24. Münster (1990).

Honselmann, W.
Die Adelsfamilie von Spiegel zu Bühne, in: Piun-Bühne. Kulturgeschichte eines Dorfes in Ostwestfalen. Festschrift zur 1100-Jahrfeier des Ortes Bühne, hrsg. v. K. Hengst u. a., Paderborn (1990), S. 191 - 232;

Kneppe, C.
Bühne in alten Karten, in: Piun-Bühne. Kulturgeschichte eines Dorfes in Ostwestfalen. Festschrift zur 1100-Jahrfeier des Ortes Bühne, hrsg. v. K. Hengst u. a., Paderborn (1990), S. 80 - 98;

Kneppe, C. / Peine, H.-W.
Der Desenberg bei Warburg, Kreis Höxter. Ein Beitrag zur Geschichte und Archäologie des Stammsitzes der Familie Spiegel. Ausgrabungen und Funde in Westfalen-Lippe 6/B, 1991, 239 - 247.

Peine, H.-W. / Dodiko / Horst, Rütger von der / Lippe, Simon zur
Adelige Herren des Mittelalters und der frühen Neuzeit auf Burg, Schloss und Festung. Hinter Schloss und Riegel. Burgen und Befestigungen in Westfalen. Bönen (1997), 160 - 223.

Trier, B. (Hrsg.)
Mittelalterliches Leben an der Klockenstraße. Eine Dokumentation des Westfälischen Museums für Archäologie zu den Ausgrabungen 1991 in der Warburger Altstadt. Warburg (1995).