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Katholische Reformen in den westfälischen Bistümern


 
 
Einleitung
Der Herausforderung durch die Reformation begegnete die Katholische Kirche mit einer umfassenden Erneuerung, die in Westfalen jedoch erst ab dem letzten Drittel des 16. Jahrhunderts zum Tragen kam. Zu diesem Zeitpunkt war in den Fürstbistümern Münster, Minden und Paderborn ein großer Teil des Adels lutherisch oder calvinistisch gesinnt, und auch in den größeren Städten gab es zahlreiche Anhänger der Reformation. In den kleineren Städten und auf dem Land herrschten in der Religionspraxis vielfach erstaunliche Mischformen vor, die nicht zuletzt auf die Unwissenheit und schlechte Ausbildung der Pfarrer zurückzuführen waren. Auch die formal katholischen Bischöfe sympathisierten noch Mitte des 16. Jahrhunderts vielfach mit der Reformation. So versuchte 1541 Bischof Franz von Waldeck, das Bistum Münster zu säkularisieren, was aber an dem Widerstand der Stände scheiterte. Nur vorübergehend gelang ihm 1543 die Einführung der Reformation in Osnabrück, im Niederstift Münster (Oldenburger Land) sowie in Minden. Auch wenn das Bistum Münster schließlich zur "nördlichsten Bastion des Katholizismus im Reich" werden sollte, so war die Entscheidung über die konfessionelle Ausrichtung der westfälischen Fürstbistümer in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts noch keineswegs gefallen.

Für die Reform der katholischen Kirche entscheidend war das Konzil von Trient (1545-1563), das dem Katholizismus die Form gab, die er bis ins 20. Jahrhundert beibehalten sollte. Die katholische Kirche grenzte sich mit den Konzilsbeschlüssen von Trient gegenüber der Reformation dogmatisch ab: Die Siebenzahl der Sakramente und deren Wirkungsweise wurde ebenso festgelegt wie die Heiligen- und Reliquienverehrung sowie die Kirchenhierarchie und -organisation. Neben der Bibel behielten die Schriften der Kirchenväter und die Konzilien ihre Autorität. Kernanliegen der Reformen war die Priesterausbildung und die Beseitigung der spätmittelalterlichen Missbräuche in der Lebensführung der Geistlichen. Der Priester sollte die Reformen in den Gemeinden umsetzen. Von den Bischöfen waren die Reformbeschlüsse in den Bistümern einzuführen und zu kontrollieren.

Getragen wurden die Reformen auch von den neu gegründeten Orden der Jesuiten und Kapuziner, die als Prediger, Seelsorger, Armen- und Krankenpfleger sowie als Erzieher und Fürstenberater tätig wurden. Vor allem im Bildungswesen, durch zahlreiche Schulgründungen, gelangten die Jesuiten auch in Westfalen zu Einfluss.
 
 
Die von Trient ausgehenden Reformen wurden von den westfälischen Fürstbischöfen anfangs nicht oder nur zögerlich umgesetzt, da die religionspolitischen Interessen von Bischöfen, Domkapiteln und den angrenzenden Mächten meist nicht miteinander vereinbar waren. Dennoch gab es erste Ansätze zur Reform des katholischen Kirchenwesens, die jedoch noch keine langfristigen Wirkungen zeigen konnten: 1571 wurden die Pfarreien des Bistums Münster erstmals visitiert, d.h. Lebensführung, theologische Bildung und seelsorgerische Tätigkeit der Pfarrer wurden von einer bischöflichen Kommission geprüft. Dabei zeigte sich, dass viele Priester kein theologisches Studium absolviert hatten und offen mit einer Frau zusammen lebten, häufig wurde das Abendmahl unter beiderlei Gestalt (mit Wein und Brot) gefeiert. In vielen Pfarreien herrschte bei der Glaubensausübung eine bunte Mischung aller erdenklichen Kombinationen altkirchlicher und reformatorischer Anschauungen, die nicht als offenes Eintreten für das Luthertum verstanden werden können.

Ein weiterer entscheidender Schritt zur Etablierung eines erneuerten Katholizismus in Westfalen waren zwei Bischofswahlen des Jahres 1585. Der Wittelsbacher Ernst von Bayern, Erzbischof von Köln, wurde zum Bischof von Münster, Dietrich von Fürstenberg zum Bischof von Paderborn gewählt. Beide Landesherren begannen mit langfristigen Reformen, die vor allem der Verbesserung der Seelsorge durch den Pfarrklerus dienen sollten. In Münster folgte 1612 Ferdinand von Bayern auf dem Bischofsstuhl. Die Wittelsbacher hatten damit entscheidenden Anteil an der Rekatholisierung der westfälischen Bistümer.

Die katholischen Reformen konnten nur durch eine verbesserte Ausbildung der Priester greifen und waren nur über einen längeren Zeitraum hinweg zu erreichen. In Paderborn wurde 1580 die erste Niederlassung der Jesuiten in Westfalen gegründet. 1585 übernahm der Orden die Leitung des Salentinischen Gymnasiums. 1588 wurde auch in Münster eine Jesuitenschule eingerichtet. Durch die straff organisierte Bildungsarbeit der Jesuiten gelang es innerhalb weniger Jahre, Söhne des Adels - die zukünftige Führungsschicht - und des Bürgertums zu überzeugten Katholiken zu prägen. Diese Generation wurde so auf das Priesteramt oder auf eine Laufbahn in der Verwaltung des Stiftes vorbereitet. 1615/1616 wurde in Paderborn eine Universität gegründet, bis dahin war Köln die einzige Ausbildungsstätte des Klerus gewesen.

Die katholischen Reformen mussten dabei teilweise gegen den Widerstand der Bevölkerung durchgesetzt werden. Die Konflikte verliefen ähnlich wie in den 1520er und 1530er Jahren. Als 1602 im Bistum Paderborn eine neue Agende als verbindliches Handbuch für den Pfarrdienst eingeführt werden sollte, regte sich dagegen bald Protest. In der Stadt Paderborn kam es zudem zu Auseinandersetzungen zwischen den traditionellen Ratsfamilien und den Anhängern der Reformation. Der Fürstbischof Friedrich von Fürstenberg ging schließlich gegen den städtischen Aufstand militärisch vor. Paderborn wurde 1604 erobert, der evangelische Bürgermeister Wichard hingerichtet und die städtische Verfassung aufgehoben.

Auch im Bistum Münster setzte die fürstbischöfliche Rekatholisierungspolitik bei der städtischen Bevölkerung an. Wie weit Anspruch und Wirklichkeit des erneuerten Katholizismus noch 1621 auseinander lagen, zeigt folgende Aussage eines Jesuiten: Ein Großteil der Bürger der Stadt Coesfeld seien "häretische Katholiken" (multi adhuc sunt haeretici catholici).

Dabei hatte Fürstbischof Ernst schon 1601 verboten, Nicht-Katholiken in die städtischen Räte zu wählen und auf den Friedhöfen zu beerdigen. 1607 wurde eine Anordnung zur Ausweisung Andersgläubiger getroffen. Die Städte sahen sich in ihrem religiösen und politischen Selbstbestimmungsrecht angegriffen und widersetzten sich noch 1622/23 der Umsetzung dieser Maßnahmen. In den kleineren Stiftsstädten, wie Warendorf, Bocholt und Borken, waren Teile der städtischen Bevölkerung calvinistisch. 1623, im Dreißigjährigen Krieg, leisteten diese Städte Widerstand gegen die ligistischen (katholischen) Truppen. Nach einer viermonatigen Belagerung wurden sie jedoch erobert, der Stadtrat entlassen, durch einen katholischen ersetzt und teils gefangen gesetzt. Nicht-katholische Bürger wurden des Bistums verwiesen. 1624 wurde nochmals unmissverständlich der Katholizismus als einzige geduldete Religion im Stift festgelegt und damit auf die konfessionelle Geschlossenheit des Stiftes gedrungen.

Erst für die Zeit nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges kann man davon sprechen, dass die Bevölkerung der Fürstbistümer Paderborn und Münster geschlossen katholisch war. Das Bistum Minden dagegen fiel 1648 an den Kurfürsten von Brandenburg, der selber zum reformierten Bekenntnis gehörte.