Soest > Aldegrever: Der Kampf um den rechten Glauben und die Druckgraphik


 
Klaus Kösters

Der Kampf um den rechten Glauben und die Druckgraphik

 
 
 

3. Heinrich Aldegrever und die protestantische Bildpropaganda

 
 
 
In Heinrich Aldegrevers Gesamtwerk sind antikatholische Propagandabilder nicht gerade häufig. Doch die wenigen Blätter reichen aus, ihn als einen scharfen Beobachter und Kritiker der römischen Kirche auszuweisen. Schon früh, 1526, gehörte er zu den lutherisch gesinnten Bürgern. Als 1530 die ersten evangelischen Prediger in Soest zu hören waren, stach er zwei kleine Blätter, die den Sittenverfall der Klöster drastisch brandmarken (Kat. Nr. 3, 4). [18] Beide Kupferstiche zeigen jeweils einen Mönch und eine Nonne, die beim verbotenen Liebesgenuss von einem von links kommenden Mann in Landsknechtstracht überrascht werden. Dieser hält ein Schwert in der Hand, möglicherweise ein Zeichen des Richtens. Beide Szenen spielen sich im Freien unter einem Baum ab. Im Hintergrund ist jeweils ein Kloster zu erkennen. Der zweite Kupferstich zeigt darüber hinaus ein Teufelsuntier, das oberhalb am Baum versteckt ist und den Mönch mit Kot befleckt. So lässt Aldegrever keinen Zweifel an der moralischen Bewertung der Szene.

1535 erhielt er den Auftrag die Führer der Täufer zu porträtieren. Ein Jahr später entstanden seine berühmtesten beiden Kupferstiche mit den Bildnissen von Johann von Leiden, dem sog. König der Wiedertäufer (Kat. Nr. 5), und seinem Gefolgsmann, dem Münsteraner Bürgermeister Bernd Knipperdolling (Kat. Nr. 7). [19] Beide Blätter wurden in den folgenden Jahrzehnten mehrfach kopiert. Auch die beiden Soester Kupferstiche, die von F. de Wit stammen, sind Nachstiche (Kat. Nr. 6 und 8).
 
 
Johann van Leiden, ein Schneider, kam 1534 nach Münster, wo die religiöse Gemeinschaft der Täufer die Macht übernommen hatte und ein straff organisiertes, theokratisches Täuferreich, das neue Jerusalem, errichtete. Ihr Gegner war der Bischof von Münster, der seine Stadt nach langer Belagerung zurückeroberte. Die Führer der Täufer gerieten in Gefangenschaft und wurden grausam bestraft.

Um seinen Sieg mit Hilfe von Text und Bild aller Welt bekannt zu machen, beauftragte der Bischof den Porträtisten Heinrich Aldegrever, Bildnisse der beiden geschlagenen Gegner anzufertigen. So entstanden unmittelbar nach dem Fall der Stadt Münster 1535 zwei Holzschnitte, die eine schnelle Herstellung und Vervielfältigung erlaubten. Die langsamere und mühsamere Ausführung als Kupferstich folgte ein Jahr später. Zu diesem Zeitpunkt waren die Führer der Täuferbewegung schon längst hingerichtet und ihre Leichen in eisernen Käfigen am Lambertikirchturm aufgehängt - als warnendes Beispiel für kommende Geschlechter, wie es in den Quellen heißt.

Das Porträt Johanns van Leiden von Aldegrever zeigt einen jungen Mann in reicher Kleidung, der mit den Zeichen seiner Würde umgeben ist. Ernst und stolz blickt er ein wenig seitwärts gewendet. Als Zeichen seiner königlichen Würde hält er ein Zepter, das unverkennbar die Formensprache Aldegrevers trägt. Den herrschaftlichen Rang des Abgebildeten betont darüber hinaus auch die große Kette mit der Weltkugel und gekreuzten Schwertern, welche oben links im Bild noch einmal als Wappen auftaucht. In der Hand hält er eine Schriftrolle mit den Buchstaben des Alphabets. Ihre Bedeutung wird durch einen zeitgenössischen Bericht erhellt, wonach Jan van Leiden den neugeborenen Kindern seines Täuferreiches Namen nach einem selbst erfundenen ABC gab. Die Inschrift auf der Brüstung spielt auf die kurze Regierungszeit des ehemaligen Schneiders und Königs an:
"Dies war mein Aussehen, dies ist mein Schmuck, als ich das Zepter führte, ich der König der Wiedertäufer - doch nur für kurze Zeit." Darunter steht sein Wahlspruch: "Gottes Macht ist meine Kraft."

Der Kupferstich zeigt den Abgebildeten nicht als besiegten und seiner Würde beraubten Gefangenen, sondern als fürstlichen Würdenträger, der mit den Zeichen seiner Macht umgeben ist. [20] Ein Vergleich mit dem 1540 entstandenen Bildnis des mächtigen Herzogs von Cleve, das im Bildtypus dem Täuferporträt ähnelt, macht dies deutlich (Kat. Nr. 9).

Auch das Porträt des Statthalters der Täufer, Bernhard Knipperdolling, entspricht in seiner prächtigen Ausführung dem Johanns van Leiden. [21]

Eine solche unparteiische Darstellungsweise der Täufer-Führer war eher die Ausnahme, bemühten sich doch die Parteigänger des Bischofs und nachfolgende Generationen, die Täufer als barbarische Ketzer und Unholde darzustellen. So glaubte man denn auch, in Aldegrever einen heimlichen Parteigänger der Täufer gefunden zu haben, der durch die Bildnisse seiner Sympathie für die Täufer-Bewegung Ausdruck gab, was aber durch nichts zu belegen ist. [22]
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Die Kombination von Bildnis und Text hatte Aldegrever von Dürers Porträtstichen übernommen. Und auch die steinerne Inschriftenplatte findet sich schon bei dem Nürnberger Maler. Das Auftreten von erläuternden Texten entspricht der protestantischen Aufwertung des Wortes gegenüber dem sinnlichen Eindruck [23] und findet sich bei vielen Blättern Aldegrevers, nicht nur bei den Bildnissen, wieder.

Auch die beiden Porträts von Luther und Melanchthon von 1540 (Kat. Nr. 10 und 11). [24] stimmen mit diesem protestantischen Bildtypus überein. Luther wird in bürgerlicher Kleidung mit Schaube und Barett dargestellt, um sein Aussehen von der katholischen Geistlichkeit abzugrenzen. Es gehört mit dem Melanchthon-Porträt in die Reihe der Reformatorenbildnisse, die weit verbreitet waren und von der Cranach-Werkstatt entwickelt wurden. So entstand ein Bildschema, dass in den Porträts evangelischer Geistlicher zahlreiche Nachfolger fand.

Die Inschrift betont die Übereinstimmung des Bildes mit dem Porträtierten. Aber Aldegrever hat Luther wahrscheinlich nicht selbst gesehen. Die Vielzahl der bereits vorhandenen Lutherporträts - wie auch der anderen Reformatoren - bot Vorlagen genug. [25] Der lateinische Text unten hebt die Verdienste Luthers hervor. [26]

Als Gegenstück zum Lutherporträt ist das Melanchthon-Bildnis konzipiert, bei dem sich Aldegrever ebenfalls um eine genaue Wiedergabe der individuellen Gesichtszüge bemühte. Und auch bei diesem Bildnis erscheint der Abgebildete in zurückhaltender Idealisierung: Aldegrever stellt ihn als energischen, furchtlosen Streiter für die Sache der Reformation dar. [27]
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1541 arbeitete Aldegrever an einer Totentanz-Folge (Kat. Nr. 13-20), [28] mit der er seine Kritik an der katholischen Geistlichkeit fortsetzte. Totentanz- Darstellungen gibt es in der Kunst seit dem 14. Jahrhundert. Sie entstanden vermutlich mit den Pestzügen und fanden weite Verbreitung vor allem in der Buchillustration, wo neben der Darstellung der Unausweichlichkeit des Todes auch gesellschaftskritische Aspekte zum Tragen kamen: Herrscher und Geistliche, Bürger und Bauern - angesichts des Todes gibt es keine Rangunterschiede mehr.
 
 
 
Der Totentanz - Allegorie von Erbsünde und Tod, 1541
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Aldegrevers Stichfolge verbindet die Sündenfallgeschichte mit dem eigentlichen Totentanz. Sein Vorbild war die 1538 erschienenen Folge von Hans Holbein. [29] Dieser hatte ebenfalls die Paradiesgeschichte seinem Totentanz vorangestellt, um auf den Ursprung des Todes hinzuweisen. Denn mit dem Sündenfall kam der Tod in die Welt. [30] So erscheint neben dem Engel, der Adam und Eva aus dem Paradies verbannt, ein Totengerippe, das die beiden von nun an begleitet. Diesen Bildgedanke hatte Aldegrever in seiner ein Jahr zuvor gestochenen ersten Folge zum Sündenfall noch nicht verwendet (Kat. Nr. 21-26). [31] Holbeins Totentanz umfasst 51 Blätter und alle Stände, die vom Tod überrascht werden. Aber im Gegensatz zu der mittelalterlichen Grundidee, dass die Menschen vor dem Tod alle gleich sind, verbindet Holbein seinen Totentanz mit der Kritik an der Papstkirche und der weltlichen Obrigkeit. [32]
 
 
 
Die Geschichte Adams und Evas, 1540
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Im Gegensatz zu Holbein zeigt Aldegrever nicht alle Stände, sondern konzentriert sich in protestantischer Polemik ausschließlich auf die katholische Geistlichkeit. Die Kritik gewinnt so an Schärfe. Die lateinischen Inschriften sind Bibelzitate und von Aldegrever wörtlich aus der Holbein - Folge übernommen.
 
 
 
In dem Blatt "Der Tod und der Papst" (Kat. Nr. 17) nimmt der Tod dem Papst die Tiara, das Symbol seiner Macht, in dem Moment vom Haupt, als er einen anderen Mächtigen dieser Erde, den Kaiser, krönt, welcher an der auf dem Boden liegenden Reichskugel zu erkennen ist. Der Kaiser küsst dem Papst in dessen Eigenschaft als irdischer Stellvertreter Christi den Fuß. Dieser Kuss wurde von Luther als Zeichen der Selbstvergötzung und der lasterhaften Verweltlichung der Kirche aufgefasst, weshalb Aldegrever einen kleinen Teufel über den Papstthron, sozusagen als dessen Wappentier, abbildet. Die Gestalt des Teufels ist von Dürer übernommen. Im Gefolge des Papstes sind geistliche Würdenträger, hinter denen ein weiterer Teufel mit dem Stundenglas erscheint. [33] Die protestantische Kritik am Fußkuss des Papstes war populär. Lukas Cranach d. Ä. hatte sie schon im "Passional Christi und Antipassional" von 1521 eindringlich formuliert. Seinen Bildgedanken übernahm Holbein und nach ihm Heinrich Aldegrever.
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In dem folgenden Blatt "Der Tod und der Kardinal" (Kat. Nr. 18) steht jener mit dem Stundenglas hinter dem Thronsitz eines Kardinals, der einem vor ihm stehenden Mann einen Ablassbrief mit anhängenden Siegeln übergibt. Der Mann trägt zwei prall gefüllte Geldsäcke am Gürtel - eine deutliche Anspielung auf den Ablasshandel und häufige Zielscheibe der gegen die alte Kirche gerichteten protestantischen Polemik. Kaum zu erkennen ist das Paket unten auf dem Boden. Sind hier Urkunden oder Besitzverzeichnisse dargestellt, die auf die Habgier der Geistlichkeit hinweisen? [34]

Im nächsten Blatt (Kat. Nr. 19) führt der Tod mit dem obligatorischen Stundenglas einen Bischof tanzend an der Hand davon. Der geistliche Würdenträger trägt volles Ornat. Vor diesem prunkhaft zur Schau gestellten Reichtum hebt sich inmitten seiner Schafherde der wahre Hirte Gottes durch die einfache Kleidung ab. [35]

In dem letzten Blatt der Folge (Kat. Nr. 20) haben zwei Totengerippe einem Abt Mitra und Krummstab entrissen. Einer hält das Stundenglas triumphierend in die Höhe. Der andere zerrt den an seinen Pfründen fett gewordenen Mönch von seinem Thronsessel, dessen Gesichtszüge vor Schreck und Angst verzerrt sind. Innerhalb der Totentanzfolge erscheint dieses Blatt als das dramatischste. Die gegenläufigen Bewegungsrichtungen der beiden Gerippe und die diagonale Körperkontur des Abts entsprechen der manieristischen Vorliebe Aldegrevers. [36]

1541 bis 1549 folgte eine längere Pause in der künstlerischen Arbeit Aldegrevers. Die Gründe dafür sind unbekannt. 1548, als nach dem Sieg des Kaisers Soest wieder katholisch wurde, lehnte sich Aldegrever dagegen auf. Er wurde vom Rat verwarnt und musste für sein künftiges Wohlverhalten Bürgen stellen. [37] Die kleine Eintragung im Ratsprotokollbuch beweist zumindest, dass Aldegrever seinen protestantischen Überzeugungen treu geblieben war.
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1549/1550 entstand die Kupferstichfolge "Vom Missbrauch des Glücks" (Kat. Nr. 101-112). [38] Weibliche Figuren personifizieren menschliche Eigenschaften und moralische Begriffe. Am Anfang stehen "Eintracht", "Friede" und die geschäftige "Vorsorge", die hier mit tugendhaftem Fleiß und tatkräftiger Arbeit gleichzusetzen ist. In dieser glücklichen Welt des friedvollen Miteinanders erscheint das wechselhafte "Glück" und warnt vor der Unbeständigkeit des menschlichen Lebens. [39] Der überquellende materielle "Reichtum" [40] auf dem nächsten Blatt zeigt die Gefährdung auf, welche die reine Anhäufung irdischer Güter mit sich bringt. In der Reihe der Untugenden folgt der "Müßiggang", der als Konsequenz des Reichtums dargestellt wird. [41] Er ist "aller Laster Anfang", wie das Sprichwort sagt, und führt zur "Unmäßigkeit", die hier mit den Attributen der Trunksucht auftritt. [42] Es folgt die "Unkeuschheit" mit einem Bären als Zeichen der Wollust. [43] Die Personifikation des "Neides" weist mit Schlange und Totenschädel auf das Böse und die Todsünde, die sie verkörpert [44], während der "Zorn" die Schrecken des Krieges als Bestrafung für gottloses Handeln heraufbeschwört. Die "Armut" - die Folge des Krieges - taucht als elender Bettler auf. Erst mit der "Geduld", mit deren Hilfe der reuige Sünder aus seinem Elend aufsteigen kann, zeigt sich Hoffnung. Sie hält die Hände geöffnet zum Himmel, während das Lamm als Zeichen des Heils neben ihr steht. [45] Die "Geduld" führt zur "Freude" des Tugendhaften, der die himmlische Seligkeit erlangen kann. [46] Im letzten Blatt erscheint in Anlehnung an Dürers Werk der auferstandene Christus, der den Gottesfürchtigen den Frieden des Seelenheils bringt.
 
 
 
Vom Missbrauch des Glücks, 1549/50
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Aldegrevers Stichfolge, die auf ein holländisches Vorbild zurückgeht, [47] schildert ein christliches Lebensideal, das durch die Pole rechtschaffener Tätigkeit und mitmenschlicher Verantwortung gekennzeichnet ist. Die calvinistische Auffassung, dass ein gottgefälliges Leben nicht im Gegensatz zu Arbeit und (maßvollem) Gewinn steht, wirkt hier bis in Aldegrevers Werk hinein: Ohne die Vorsorge (Fleiß) kann ein irdischer Wohlstand nicht erreicht werden, aber wenn der "Reichtum" zum Geiz auf Kosten der Nächstenliebe entartet, ist der schmale Pfad des gottesfürchtigen, tugendsamen Lebens verlassen. Diese Hochschätzung wirtschaftlicher Leistung in Aldegrevers Werk ist sicherlich durch das calvinistische Vorbild seiner Blätter zu erklären, andererseits greift er das Thema des verantwortungsvollen Umgangs mit Reichtum in der Lazarus-Geschichte wieder auf, über die noch zu reden sein wird.

Wenige Jahre später, 1552, schuf er mehrere Blätter, welche wiederum die Tugenden und die Laster darstellen (Kat. Nr. 113-126). Den sieben Hauptsünden der katholischen Kirchenlehre werden die christlichen Haupttugenden gegenübergestellt, so dass Gegensatzpaare entstehen: Hochmut und Demut, Neid und Nächstenliebe, Zorn und Geduld, Unkeuschheit und Keuschheit, Unmäßigkeit und Mäßigkeit, Habgier und Barmherzigkeit sowie Trägheit und Fleiß. [48] Die weiblichen Personifikationen tragen lange Kleider, die Tugenden werden stehend dargestellt, die Laster reiten auf Tieren. Jede Figur hält eine Fahnenstange mit einem Symbol, hinzu kommt eine Helmzier mit Wappen. Die Figuren stehen vor einer Landschaft mit einem tiefgelegenen Horizont.
 
 
 
Die Tugenden und die Laster, 1552
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Die Festlegung der sieben Laster geht auf den Kirchenvater Gregor I. (um 540-604) zurück, die paarweise Gegenüberstellung mit den Tugenden auf Prudentius (348 - nach 405), der sie im Kampf um die Seele sieht. Diese paarweise Zuordnung begründete eine künstlerischen Tradition, in der auch Aldegrever steht. Seine Darstellung der reitenden Figuren sowie die Helmzier findet sich schon in einer Handschrift des 14. Jahrhunderts. [49] Aldegrever nimmt hier also bewusst eine vorreformatorische Bildtradition auf. Nur die Personifikation des Hochmutes wird mit aktuellen Bezügen angereichert (Kat. Nr. 120).

Diese weibliche Verkörperung der Hochmut sitzt in einer stoffreichen Draperie seitlich auf einem steigenden Pferd, das in den Motivkreis der Herrscherbilder gehört. Sie hält ein Schwert in der Hand und eine Wappenfahne mit einem Adler. Ihr zugeordnet ist ein Löwe, der in heraldischer Stilisierung auf dem Wappenschild und neben dem Pferd auftaucht. [50] In der Wappenzier erkennt man einen Pfau. Der Löwe ist hier verbunden mit dem Teufel und als Gegenstück zum Lamm der "Demut" zu sehen. Der Adler und der eitle Pfau sind Symbole des Hochmuts. Aber vor allem die dreistufige Tiara, die Papstkrone, welche die weibliche Gestalt trägt, ist ein von Aldegrever neu eingefügtes Symbol. Als Zeichen der päpstlichen Macht und Herrschaft ist sie für Aldegrever ein Zeichen des Hochmutes, also der Anmaßung des Papsttums, sich selbst an die Stelle Christi zu setzen. Diese protestantische Anklage der päpstlichen Selbstvergötzung war uns schon in Aldegrevers Totentanz begegnet. Hier greift er das Motiv wieder auf. Das Motiv einer weiblichen Gestalt mit Papstkrone hatte Lucas Cranach d. Ä. schon vorher verwandt, um das Papsttum als "babylonische Hure" anzuklagen. [51] Aldegrever schließt sich dieser Kritik an: Die goldenen Ketten, welche die weibliche Figur um den Hals trägt, erweitern die Anklage. Zu der Anmaßung des Papstes kommt noch dessen unersättliche Gier nach irdischen Reichtümern.
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Seit dem Mittelalter war die Auffassung verbreitet, dass die Hochmut die Reihe der Laster anführt, wie es auch die Inschrift verdeutlicht: "Erste der ruchlosen Eigenschaften ist der lasterhafte Hochmut, Mutter und sprudelnder Quell von allerlei Übeln."

1554 entstanden die vier Blätter zur Geschichte des "Barmherzigen Samariters" (Kat. Nr. 52-55). [52] Das Thema war besonders geeignet, einen durch Nächstenliebe erfüllten Lebenswandel in der Nachfolge Christi zu zeigen. Aber auch hier ergab sich wieder die Möglichkeit, Kritik an der Haltung geistlicher Würdenträger zu üben.
 
 
 
Die barmherzigen Samariter, 1554
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Aldegrever hält sich eng an die biblische Erzählung, die in Ausschnitten nach dem Lukasevangelium am unteren Rand der Blätter zitiert wird. Jedes Bild zeigt eine Haupt- und eine Nebenszene, die durch eine Diagonale getrennt sind. Die linke, im hellem Bild gezeigte Hauptszene ist jeweils in eine Dreieckskomposition eingeschrieben. Die Figurenkomposition der einzelnen Blätter weist auffällige Ähnlichkeiten mit Darstellungen der Passion Christi auf. [53]

Auf dem ersten Blatt liegt der Überfallene mit schmerzverzerrtem Gesicht am Boden. Einer der Räuber zieht ihm das letzte Hemd vom Leib. Mit seinem Aussehen, seiner Kleidung und den verschiedenen Waffen macht er einen eher phantastischen Eindruck. Meisterhaft hat Aldegrever die beiden Figuren in eine Dreieckskomposition eingeschrieben. Im Hintergrund teilen sich die anderen Räuber die reiche Beute. Die Anspielung auf Christi Opfertod und die Kriegsknechte, die um seinen Rock spielen, ist unübersehbar. Hinter ihnen hält ein Mann ein Tuch zwischen den ausgebreiteten Armen. Die Einbindung in die Komposition erscheint unklar, gehört er zu den Räubern oder wollte Aldegrever hier den herankommenden barmherzigen Samariter darstellen? Die Inschrift fasst die Szene zusammen: "Ein Mensch geht von Jerusalem hinab und fällt unter die Räuber (Luk. 10)."

Auf dem zweiten Blatt hat der Samariter den Verwundeten in ein Tuch gehüllt und aufgerichtet. Er gießt Öl und Wein in seine Wunden. Durch seine Kleidung ist der Samariter als wohlhabender Mann gekennzeichnet. Die Figurengruppe hat Ähnlichkeit mit denen der Beweinung Christi und ist auch hier diagonal angeordnet. Am linken Rand erkennt man den Esel des Samariters. Im Hintergrund geht ein Geistlicher mit Wanderstab achtlos vorbei. Er liest in einem frommen Buch. Durch seine Kleidung mit Barett und Talar ist er möglicherweise als evangelischer Geistlicher charakterisiert. [54] Ein (katholischer) Bettelmönch mit Wanderstab und Bettelsack kümmert sich ebenfalls nicht um den Verwundeten. Dafür betet er so inbrünstig vor einem Bildstock, dass sich dieser ihm sogar entgegenneigt. Die Ironie, mit der hier Aldegrever diese Nebenszene schildert, entspringt der protestantischen Ablehnung der Bilderverehrung. Mit der mittelalterlichen Stadt im Hintergrund ist Jericho gemeint. [55]

Diese doppelte Kritik an der Geistlichkeit beider Konfessionen ist in Aldegrevers Werk einzigartig. Man hätte eher erwartet, dass er hier ausschließlich gegen die katholische Priesterschaft polemisiert. Auf welchen Hintergründen oder persönlichen Erfahrungen Aldegrevers Kritik beruht, ist nur schwer auszumachen. Nach der zwangsweisen Rekatholisierung Soests 1548 kehrte die Stadt gegen den Widerstand des Stadtherrn, des Herzogs von Kleve, allmählich wieder zum evangelischen Glauben zurück. War Aldegrever damals auf kritische Distanz jetzt auch zur lutherischen Geistlichkeit gegangen? Leider fehlen irgendwelche biographische Nachrichten, um eine Antwort geben zu können.

Im dritten Blatt wird der Überfallene, nun mit verbundenen Wunden, aber immer noch kraftlos, von dem Samariter auf den Esel gehoben und zur Herberge gebracht. Auch diese Figurengruppe ist wieder diagonal in eine Dreieckskomposition eingeschrieben. Vor der Herberge hebt der Samariter den Verletzten vom Esel. Auf einer Bank vor dem Haus sitzen der Gastwirt und ein Gast. Die Architektur des Hauses mit gekehlter Türrahmung und kugelbesetztem Segmentgiebel erinnert an westfälische Vorbilder. [56]

Die Bildfolge endet mit dem "Abschied". Der Samariter zählt dem Wirt das Herbergsgeld vor. Der Esel hat sich schon halb zum Rückweg umgewendet. Seine Körperdrehung wirkt übertrieben künstlich. In der Nebenszene sieht man die Krankenstube, wo der Überfallene von einer Frau versorgt wird. Die Szene spielt im Hof der Herberge. Ein mittelalterlicher Rundturm mit einem an das romanische Haus in Soest erinnernden Fenster (Zweiteilung durch Säule) sowie die anderen Häuser mögen von westfälischer/Soester Architektur inspiriert sein, eine genaue Lokalisierung ist ausgeschlossen. [57]
 
 
 
Von Karel van Mander stammt die Nachricht, dass Aldegrever "unbeachtet oder ärmlich begraben worden war". [58] Von daher schlossen Körling und Zschelletzschky auf ein entbehrungsreiches Alter und wirtschaftliche Not, die ihn zu Bibelthemen inspirierten, welche mit der Gefährdung des menschlichen Schicksals zu tun haben. [59] Zu diesem Themenkreis gehört auch die im gleichen Jahr entstandene Bildfolge "Die Geschichte vom reichen Mann und dem armen Lazarus", die Aldegrever frei nach Lukas 16,19 erzählt (Kat. Nr. 56-60). [60] Dabei verbindet er eine Sittenschilderung über das Leben der Reichen mit dem moralischen Appell, in jedem leidenden Menschen auch den leidenden Christus zu sehen.

Auf dem ersten Blatt sitzt der reiche Schlemmer mit seiner Frau an einer üppig gedeckten Tafel im Freien. Ein Musiker mit einer Querflöte und ein Narr mit der Narrenkappe tragen zur Belustigung der Gäste bei. Ein Diener bringt neue Speisen heran. Eine Frau wird von einem Arzt zur Ader gelassen, um den Körper von Krankheiten zu reinigen. Ein Mann hat Schröpfköpfe aufgesetzt, die dem gleichen Zweck dienen. Eine weitere Frau sitzt in einem Badezuber und nimmt ein langes Bad, wie es in den Gesundheitsbüchern der Zeit empfohlen wurde. Ein Arzt prüft ein Uringlas.
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Die Vielzahl der Personen scheint eher zu verwirren, als den Beginn der Geschichte stringent zu erzählen. Nur die Inschrift verweist auf das Gleichnis. [61] Aldegrevers Stich ist an H. S. Behams Titelholzschnitt des Buches "Spiegel und Regiment der Gesundheit ", 1544, und an dem Buch "Bankett der Hofe der Edelleute" von 1551 angelehnt. Das Blatt dient vor Beginn der eigentlichen Lazarusgeschichte der Ermahnung zu einem mäßigen und gesunden Leben. Darüber hinaus kann es auch als Fünf - Sinne - Blatt gedeutet werden, eine im 16. Jahrhundert beliebte Allegorie: Schmecken (der essende Reiche), Sehen (Arzt mit Uringlas), Hören (Flötenspieler), Riechen (Duft der Blumen im Badezuber), Fühlen (Schmerz des Aderlasses). [62]

Mit dem zweiten Blatt [63] beginnt die eigentliche biblische Erzählung: Der reiche Schlemmer tafelt mit seinen Freunden. Die Szene gibt wiederum Anlass, das Leben der Reichen zu schildern. So fehlen auch die Diener nicht, die neue Speisen herbeibringen, ein damals moderner Kachelofen und reiches Tafelgeschirr. Der arme Lazarus liegt nur spärlich bekleidet vor der Schwelle des Reichen und bittet um eine Gabe. Hunde lecken seine Geschwüre. Auf der Säule vor der Tafel hat unser Künstler sehr auffällig die Inschrift platziert: "Aldegrever in Soest hat es geschaffen."

Das dritte Blatt zeigt den Tod des Reichen. [64] Er liegt in seinem Bett im Sterben. Zwei Geistliche spenden ihm den letzten Trost. Aber anstatt auf deren Worte zu achten, schaut der Reiche wehmütig auf einen Teufel, der seine Schätze fortträgt. Die Frau des Reichen und eine Dienerin (?) stehen trauernd am Bett. Eine weitere Dienerin mit zwei kleinen Kindern beklagt schmerzerfüllt das Los des Sterbenden. Im Hintergrund auf dem Platz formiert sich bereits der Leichenzug mit dem Sarg des Verstorbenen.

Die Komposition geht in großen Teilen auf die Darstellung des Marientodes von Albrecht Dürer, Holzschnitt von 1510, [65] zurück. Dieser zeigte noch die Sterbeszene nach dem Ritus der alten Kirche mit Sterbekerze, Weihrauchbesprengung und einem Kreuz mit Vorbeter. Aldegrevers Darstellung ist dagegen der neuen protestantischen Lehre verpflichtet: Nur noch ein die Bibel lesender Geistlicher ist übrig geblieben.
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Auf dem vierten Blatt bringen zwei Teufel den Reichen zur Hölle, wo drei andere Teufel von scheußlicher Gestalt dem Verstorbenen ein Grab schaufeln. [66] Den Schluss bildet die Szene "Hölle und Himmel": Der Reiche schmort in der Hölle, Flammen umlodern ihn. Er steckt seinen Finger in den Mund, um gemäß dem Gleichnis, Abraham im Himmel anzurufen. Er solle ihm Lazarus senden, dass dieser seinen Finger in kaltes Wasser tauche, um seine Zunge zu kühlen. Der Teufel gießt einige Tropfen Wasser aus einem Krug aus, um den Wunsch des Reichen zu verdeutlichen. Dagegen sitzt Lazarus im Himmel bei Abraham, von kleinen Engeln (Putten) umgeben. Abraham zeigt mit dem Finger auf den Reichen, der nun bestraft wird, nachdem er sein Leben in Prasserei vollbracht hat, während Lazarus, der im Leben litt, seinen himmlischen Lohn erfährt. [67]

Die protestantische Leugnung des Nutzens guter Werke für das Seelenheil führte Luther zu einer Neubewertung der Nächstenliebe als eines Liebesdienstes um seiner selbst willen. Aldegrever zeigt hier eindringlich, wie Hartherzigkeit und Unmäßigkeit ins Verderben führen, während andere protestantische Künstler die Mildtätigkeit als gottgefällige Tugend preisen. [68]
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Anmerkungen

[18] B 178 und B 179. Zschelletzschky 1933, S. 89-95, Ausst. Kat. Münster 1985, Kat. Nr. 3 und 4.
[19] 1536, B 182, 183.
[20] Die Brüstungsinschrift auf der Kopie von de Wit gibt dem Porträt eine andere moralische Bedeutung: "Seht o Leiden, sei eingedenk diesen einen deiner Bürger, seht das Ungeheuer, wie er den Namen trägt von der eroberten Stadt. So wie die Tragödie solche Könige vorzutäuschen pflegt, war er König, jedoch war er tatsächlich König." (Übersetzung: Ausst. Kat. Münster 1985, S. 72).
[21] Die lateinische Inschrift auf der Steinplatte ist ähnlich "wertfrei" wie die des anderen Täuferporträts: "Unbekannt keinem sah ich, Knipperdolling, so aus, als mein Leben noch unversehrt war. Heinrich Aldegrever aus Soest schuf (es) 1536." Der Nachstich von de Wit akzentuiert auch hier die moralische Verurteilung: "Dieser Mensch war Konsul, ein vom Volk in Ehre gehaltener Bürgermeister. Der Grausame hat es vorgezogen, vom Wahnsinn besessen zu sein als vom Amt des Scharfrichters. Es erfreute ihn nicht das Recht, sondern das Maß des Tötens. So tötete die Kunst des Tötens den Scharfrichter." (Übersetzung: Ausst. Kat. Münster 1985, S. 74).
[22] Geisberg 1907, S. 13f.
[23] Schuster 1984, S. 116f.
[24] B 184 und 185. Zschelletzschky 1933, S. 100-103.
[25] Vorbild war wahrscheinlich ein Holzschnitt von Hans Brosamer.
[26] B 184, Inschrift oben: Wirf deine Sorgen auf den Herrn, und er selbst wird dich ernähren.
Inschrift unten: "Luther nahm mit dem göttlichen Wort Christus in Schutz und stellte den durch Kultgebräuche bedrängten Glauben wieder her. Dieses Bildnis schreibt sein Antlitz, während er fern ist; wäre er hier, könnte keiner ihn besser sehen. Martin Luther 1540." (Übersetzung: Ausst. Kat. Münster 1985, S. 56).
[27] B 185, Inschrift oben: Wenn Gott für uns ist, wer ist dann gegen uns. (Römer 8,31)
Inschrift unten: Du, der du die zahlreichen Werke des gelehrten Philippus liest, siehst hier auch wie er aussieht. 42 Jahre war er alt, als er so anzuschauen war. Philipp Melanchthon 1540. (Übersetzung: Ausst. Kat. Münster 1985, S. 58).
[28] B 135-142.
[29] Erstveröffentlichung: Hans Holbein der Jüngere: Les simulachres et historiees faces de la mort. Lyon 1538. Die Zeichnungen Holbeins datieren allerdings schon aus den Jahren 1523-26 (Boecke 1985, S. 43-67).
[30] Genesis, 2, 15 und 3,19.
[31] 1540, B 1-6. Nur der Knochen in Adams Gürtel auf dem letzten Blatt ist ein Hinweis auf den Tod.
[32] Holbeins Tod agiert je nach Opfer sehr verschieden: Dem Grafen erscheint dieser mit deutlicher Anspielung auf den Bauernkrieg in der Gestalt eines Bauern, während der Kardinal noch versucht, einen Ablass zu verkaufen. Der reiche Mann wird beim Geldzählen geholt, der Mönch versucht mit der Kollektenbüchse zu entkommen (Ausst. Katalog Hamburg 1984, Nr. 51).
[33] Die lateinische Inschrift verschärft die Kirchenkritik: "Der Hohepriester soll sterben. Josua 20. Und sein Bischofsamt soll ein anderer empfangen. Psalm 109." (Übersetzungen: Fink 1971, S. 59).
[34] Inschrift: "Wehe (euch), die ihr rechtfertigt den Gottlosen für Geschenke und das Recht des Gerechten ihm wegnehmt. Jesaja 5.".
[35] Inschrift: "Ich werde den Hirten schlagen und zerstreuen werden sich die Schafe. Markus 14,27".
[36] Inschrift: "Er wird sterben, weil er keine Zucht besessen hat, und in seiner großen Torheit wird er betrogen werden. Sprüche [Salomos] 5".
[37] Schwartz 1932, S. 225.
[38] B 103-116. Beschriftungen auf den einzelnen Blättern: Concordia, Pax (ohne Abbildung), Diligentia, Fortuna, Divitiae, Socordia, Luxuria, Lascivia, Invidia, Ira, Pauperitas, Pacientia, Gaudium, Pax nostra Christus. Der Titel ist dem Beitrag von D. Stichel entnommen (Stichel 1993, S. 562-570). Plassmann (1994, S. 65-77) nennt die Folge: Das menschliche Handeln. Die Interpretation der Symbole folgt den Ausführungen von D. Stichel (dort auch weiterführende Literaturangaben).
[39] In ihrem Segel erscheint das Glücksrad mit Narren, die von dem Glücksrad auf und ab bewegt werden.
[40] Halsketten, Prunkbecher, Krone sind auch Attribute der Superbia, der Todsünde der Hoffahrt.
[41] Attribute: Trick-Track- und Kartenspiel. Diese hängen mit den Vergnügungen im Wirtshaus zusammen, womit indirekt auch die Trunkenheit angesprochen wird.
[42] Kanne und Noppenbecher sowie ein Schwein, das eine Rübe frisst, Symbol der Fresssucht.
[43] S. Abschnitt "Das erlaubte Nackte", Teil 2 dieses Aufsatzes.
[44] Mit der dargestellten Angelrute versucht sie die Gerechten zu ködern.
[45] Das Herz, das im Hintergrund von mehreren Hämmern geschmiedet wird, ist als Symbol der Läuterung zu verstehen, die der reuige Mensch durchläuft.
[46] Symbole: die Harfe Davids und die Taube des Heiligen Geistes.
[47] Cornelis Anthonisz Theunissen (nähere Angaben bei Stichel 1993, S. 563).
[48] B 117-130. Fink 1972, S. 80-105. Über die Herkunft der Motive bei Aldegrever: Plassmann 1994, S. 100ff.; Stichel 1993, S. 570-575.
[49] Godefrey von Vorau: Lumen animae. Etymachia. 1332. (Plassmann 1994, S. 99ff., Stichel 1993, S. 570f.).
[50] Plassmann identifiziert das Wappentier mit einer Chimäre, ein Mischwesen aus Löwe, Ziege und Drache, das in einem zeitgenössischen Buch als Sinnbild des Hochmutes bezeichnet wurde (Andreas Alciatus: Emblematum Libellus. Paris 1542. Plassmann 1994, S. 103.) Die Interpretation folgt hier den Ausführungen von D. Stichel, da das Wappentier nicht die Merkmale einer Chimäre ausweist (Stichel 1993, S. 572).
[51] Die Frau reitet auf einem Drachen, der ebenfalls mit der Papstkrone dargestellt wurde (Holzschnitte zur Apokalypse: Ausst. Kat. Hamburg 1983, S 172; Ausst. Kat. Nürnberg 1983, S. 360).
[52] B 40-43. Zschelletzschky 1933, S. 137-139.
[53] Stichel 1993, S. 580-585.
[54] Diese Deutung ist umstritten. Plassmann sieht in dem Buch ein Brevier, was auf einen katholischen Priester deuten könnte. Körling und Stichel identifizieren ihn wegen seiner Kleidung mit einem protestantischen Prädikanten. Wegen dieser auffälligen bürgerlichen Kleidung (Barett und Talar, vgl. Aldegrevers Lutherbildnis) schließen wir uns dieser Meinung an (Plassmann 1994, S. 130f.; Körling 1971, S. 77; Stichel 1993, S. 583).
[55] B. 41. Inschrift: Ein Priester und ein Levit gehen vorbei und lassen den Unglücklichen liegen, ein Samariter verbindet seine Wunden (Luk. 10). (Übersetzungen nach Fink 1972, S. 104)
[56] B. 42. Inschrift: Der Samariter legt ihn auf sein Lasttier, bringt ihn in eine Herberge und sorgt für ihn (Luk. 10).
[57] B. 43. Inschrift: Der Samariter gab bei seinem Aufbruch dem Wirt zwei Denare, damit er für den Menschen sorge. (Luk. 10).
[58] Van Mander 2000, S. 130.
[59] Körling 1971, S. 72, Zschelletzschky 1933, S. 133. Beide führen in diesem Zusammenhang auch eine weitere Bildfolge an, die "Geschichte vom reichen Mann und dem armen Lazarus" aus dem gleichen Jahr.
[60] 1554, B 44 - 48. Zschelletzschky 1933, S. 139-140.
[61] Inschrift: Ein reicher Schlemmer lebt jeden Tag in Saus und Braus und ergeht sich in jeder Art von Genüssen. Luk. 16 (Übersetzungen nach Fink 1972, S. 104).
[62] Luther 1982, S. 15f.
[63] B. 45. Inschrift: Voller Mühsal liegt hier Lazarus vor der Tür des Reichen und bittet um Brocken, die auch den Hunden vorgeworfen werden, vom Tisch des Schlemmers (nach Luk. 16, 20).
[64] B. 46 Inschrift: Hier stirbt der reiche Schlemmer (frei nach Luk. 16, 22).
[65] Knappe 1964, S. 243.
[66] B. 47. Inschrift: Den reichen Schlemmer, in der Hölle begraben, zeigt dieses Bild (nach Luk. 16,22).
[67] B. 48. Inschrift: Der reiche Schlemmer brennt in den höllischen Flammen und bittet hier Lazarus, dass er seine Zunge mit einem Tröpflein kalten Wassers kühle (nach Luk. 16; 23, 24).