Erinnerungskultur in OWL > Stadtarchiv Gütersloh


 

1. Einleitung

 
 
 
1929 gründete sich in Gütersloh die erste Ortsgruppe der NSDAP im damaligen Kreis Wiedenbrück. Weitaus mehr Mitglieder verzeichneten die Parteigliederungen und angeschlossenen Verbände wie SA, SS, Hitlerjugend (HJ), NS-Volkswohlfahrt (NSV) und Deutsche Arbeitsfront (DAF). 1930 hatte sich die Partei als dritte Kraft (8 %) hinter der SPD und dem Zentrum etablieren können, nach den Landtags- und Reichstagswahlen 1932 stieg sie zur stärksten Partei (31 % bzw. 35 %) in der Stadt auf.

In der Nacht zum Wahltag am 24.04.1932 stießen nationalsozialistische und sozialdemokratische Plakatklebekolonnen in der Stadt zusammen und gingen mit Messern, Hämmern und Knüppeln aufeinander los. Es gab drei Schwerverletzte und mehrere Leichtverletzte. Der 20-jährige Malergehilfe Heinrich Rüßkamp erlag im Juli 1932 seinen schweren Kopfverletzungen. Eine Gedenktafel am Haus der SPD-Geschäftsstelle in der Hohenzollernstraße erinnert heute an ihn. Die Täter, Mitglieder der Gütersloher SA, saßen jeweils kurze Gefängnisstrafen ab und wurden noch im gleichen Jahr amnestiert.

Im Kreis Wiedenbrück bildete Gütersloh bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges die Hochburg der Nationalsozialisten. 1935 wurde der seit 1908 amtierende Bürgermeister Gustav Thummes durch das Parteimitglied Josef Bauer ersetzt. Mehrere Wechsel in der Leitung der Ortsgruppe schwächten die Position der Partei gegenüber der unter nationalsozialistischer Kontrolle stehenden Stadtverwaltung. Bis 1936 war das letzte Lebenszeichen von SPD und KPD erloschen.

Eine gewisse Form des Widerstandes gegenüber dem Regime bestand in einer mehrheitlich reservierten Haltung der katholischen Bevölkerung und in der Bekenntnisbewegung innerhalb der protestantischen Kirche. Als Opposition zur Gruppe der Deutschen Christen gehörten alle vier Pfarrer und die Mehrheit der Gütersloher Gemeinde zur so genannten Bekennenden Kirche. Der Pfarrer des Evangelisch Stiftischen Gymnasiums, Wilhelm Florin, veröffentlichte 1934 eine Schrift gegen den vom Nationalsozialismus propagierten "Rasse- und Blutgedanken" Alfred Rosenbergs mit dem Titel: "Rosenberg Mythus und evangelischer Glaube".

Einen Höhepunkt des nationalsozialistischen Terrors in Gütersloh stellt die Verfolgung und Vernichtung der jüdischen Mitbürger dar. Seit 1565 lebten Juden in Gütersloh, von 1721 an gab es im Dorf eine jüdische Gemeinde. Spätestens 1765 verfügte sie über ein eigenes Haus mit Synagoge, Dienstwohnung und Schule an der späteren Goebenstraße. Im Jahr 1896 erreichte die Gemeinde mit 96 Personen ihre höchste Mitgliederzahl, 1933 wohnten noch 58 Juden in der Stadt. Mit dem Novemberpogrom von 1938 erreichten die judenfeindlichen Aktionen ein bisher nicht gekanntes Ausmass. In den Morgenstunden des 10.11.1938 wurde die Einrichtung von drei Wohnungen demoliert, drei weitere Wohn- und Geschäftshäuser und die Synagoge wurden niedergebrannt. Das Archivmaterial der Synagogengemeinde wurde dem Sicherheitsdienst (SD) in Bielefeld übergeben und gilt seither als verschollen. Einige Informationen zu ihrer Geschichte ist in den städtischen Akten erhalten. 1940 lebten noch 16 Juden in der Stadt, die in zwei "Judenhäusern" zusammengepfercht wurden. Von 1941 an wurden die meisten von ihnen in die Vernichtungslager transportiert

Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges wurden alle belastenden Unterlagen der Stadtverwaltung, einschließlich des Kriegstagebuches des Bürgermeisters und der Parteidienstellen vernichtet. Deshalb liegen bis auf wenige Einzeldokumente keine Originalakten vor. Neben den Lokalzeitungen (bis Ende 1944) stellen die Stadtverordnetenprotokolle, die Berichte des Bürgermeisters an den Landrat, die Akten des Kreisarchivs Gütersloh und des Staatsarchivs Detmold sowie private Dokumentationen und Berichte die wichtigsten Quellen dar.
 
 
 
 

2. Zwangsarbeit

 
 
 
Gütersloh war bis 1973 keine Kreisstadt, jedoch mit fast 33.000 Einwohnern im Jahr 1939 die größte Stadt im Kreis Wiedenbrück. Seit dem 19. Jahrhundert entwickelte sie sich zu dem bedeutendesten Wirtschaftsstandort in der Region. Webereien (Wilhelm Bartels, Güth & Wolf, Niemöller & Abel, Greve & Güth, Niemöller & Lütgert, Vossen), Holz- und Möbelindustrie (Wirus, Gebr. Nordmann, Hankel & Jostmann, Schlautmann), Fleischwarenfabriken (Vogt & Wolf, Marten), metallverarbeitende Betriebe (Miele, Fissenewert, Gustav Wolf, Fritz Husemann) und das Druck- und Verlagshaus Bertelsmann waren bekannte Produktionsstätten und bedeutende Arbeitgeber für die Region.

In 40 Firmen, ohne die landwirtschaftlichen und Handwerksbetriebe, waren zwischen 1939 und 1945 3.800 AusländerInnen zur Zwangsarbeit verpflichtet, 158 von ihnen fanden während dieser Zeit den Tod. Das Stadtarchiv verwahrt die 1946 auf Anordnung der Militärregierung von den Firmen erstellten Namenslisten der ausländischen Zivilarbeiter und ein Verzeichnis der im damaligen Stadtgebiet vorhandenen 22 Zivilarbeiter- und Kriegsgefangenenlager.

Die umfangreichsten schriftlichen Quellen zur Zwangsarbeit in Gütersloh befinden sich im Kreisarchiv Gütersloh und im Staatsarchiv Detmold. Einen guten Überblick der Sekundärquellen ist dem Literaturverzeichnis weiter unten zu entnehmen. Hier ist besonders die 1996 von der Stadt Gütersloh herausgegebene Veröffentlichung von Till Kössler "‘Arbeitseinsatz‘ in der Mittelstadt - Ausländische Arbeiter in Gütersloh 1933-1945" hervorzuheben. Darin finden sich neben einer detaillierten Beschreibung der Ereignisse Fotos, Reproduktionen von Originaldokumenten und genaue Quellenangaben. Das Buch hat einen Umfang von 110 Seiten und ist im Buchhandel oder direkt über das Stadtarchiv zu beziehen.
 
 
 
 

3. Pogrom

 
 
 
Die Verfolgung jüdischer Mitbürger erlebte am 10. November 1938 einen traurigen Höhepunkt, drei Wohnhäuser und die Synagoge wurden abgebrannt, zwei Häuser verwüstet. Der 1941 einsetzenden Verschleppung in die Konzentrationslager fielen 27 Personen zum Opfer. 1933 gab es noch 62 Personen jüdischen Glaubens in Gütersloh, 1943 lebte keine mehr in der Stadt.
 
 
 
 

4. Wehrmacht

 
 
 
Die Wehrmacht besaß in Gütersloh von 1935 bzw. 1937 bis 1945 zwei Einrichtungen, den Flughafen und eine Luftnachrichtenkaserne, die heute von britischem Militär belegt sind. Insgesamt 14 Dienstellen der NSDAP und ihre Gliederungen hatten in der Stadt ihre Dienststellen.
 
 
 
 

5. Hitlerjugend

 
 
 
 

6. Literatur

 
 
 
Die in Auswahl aufgeführten Bücher, Druckschriften und Zeitschriftenartikel können im Stadtarchiv eingesehen werden. Sofern die Bücher im Katalog der Stadtbibliothek nachgewiesen und in mindestens zwei Exemplaren vorhanden sind, besteht die Möglichkeit der Ausleihe.

Zu den Themen Jungdeutscher Orden, Bekennende Kirche, Sozialdemokratie, Machtergreifung 1933, NSDAP, Hitlerjugend, "Reichskristallnacht", Kinderlandverschickung und Kunst im Dritten Reich liegen weitere Veröffentlichungen, Zeitschriften- und Presseartikel vor.


Barlev, Jehuda
Juden und jüdische Gemeinde in Gütersloh 1671-1943. Hg. Stadt Gütersloh, 2. Aufl. 1988.

Beine, Günter
Die Gütersloher Juden unter dem Nationalsozialismus - Eine Dokumentation: Aktenstücke, Fotos, Zeitzeugenberichte und Dokumente zur Stadtgeschichte. Hg. Stadt Gütersloh, 1988.

Beine, Günter
Gütersloher erzählen Geschichte. Hg. Stadt Gütersloh, 1985.

Gatzen, Helmut
Befehl zum Abtransport - Juden und "Mischlinge 1. Grades" 1933-1945 in und um Gütersloh. Gütersloh 2001.

Gatzen, Helmut
Novemberpogrom 1938 in Gütersloh. Hg. Heimatverein Gütersloh e.V., 1993.

Glowienka, Mark u.a.
Gütersloh 1945 - Berichte und Dokumente. Gütersloh 1985.

Herrmann, Rudolf
Bombenkrieg auf Gütersloh. Gütersloh 1996.
Signatur: DS 4739

Hilbk, Hans
Gütersloh, das Hitler-Reich und die Teilung Deutschlands 1934-1955. Gütersloh, 1990.

Interview mit Ellen Tarlow, in: Joachim Meynert und Gudrun Mitschke: Die letzten Augenzeugen zu hören - Interviews mit antisemitisch Verfolgten aus Ostwestfalen (mit Audio-CD). Bielefeld 1998.

Kindergräber von Gütersloh - Schüler auf den Spuren jüdischer Zwangsarbeiterinnen. Eine Arbeit von Schülerinnen und Schülern der Anne-Frank-Gesamtschule Gütersloh, Klasse 10g, im Rahmen des Schülerwettbewerbs "Deutsche Geschichte". Hg. Stadt Gütersloh 1993.

Meyner, Joachim
"Es waren ja keine Gütersloher dabei" oder Eine Lüge kann weder Trauer noch Scham begründen - Gütersloh im Zeichen des Antisemitismus, in: Joachim Meynert / Arno Klönne (Hg.): Verdrängte Geschichte, Verfolgung und Vernichtung in Ostwestfalen 1933-1945. Bielefeld 1986.

Kössler, Till
"Arbeitseinsatz" in der Mittelstadt - Ausländische Arbeiter in Gütersloh 1933-1945. Hg. Stadt Gütersloh, 1996.

Kramer, Malte
Hitler-Jugend in Gütersloh. Gütersloh 2001.
Signatur DS 5662

Kulla, Joachim
Gütersloher Geschichte 1918-1955 - Alltag in bewegter Zeit, Kapitel C "Drittes Reich".

Lewis, G. J.
Flugplatz Gütersloh 1937-1987 - A Short History. Gütersloh 1987.

Minner, Monika
Eine Bekennende "Kirche" - Zur Verfolgung von Zeugen Jehovas in Ostwestfalen und Lippe 1933-1945. Bielefeld 2001.

Neumann, Martina
Wiedergutmachungsverfahren ehemals deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens in Gütersloh nach 1945. Schriftliche Hausarbeit, Bielefeld 1994.
Signatur DS 4117

Oesterhellweg, Olaf
Hitlerjugend - Eine Dokumentation. Beitrag zum Schülerwettbewerb 1982/83
.Signatur DS 75

Schmuhl, Hans-Walter
Die Stadt unter dem Hakenkreuz - Zustimmung, Resistenz und Ausgrenzung, in: Geschichte der Stadt Gütersloh, hg. von Werner Freitag. Bielefeld 2001.