PERSON

FAMILIELimburg-Bronkhorst-Styrum, von
VORNAMEAgnes
BERUF / FUNKTIONÄbtissin der Stifte Vreden, Borghorst und seit 1614 von Freckenhorst


GESCHLECHTweiblich
GEBURT DATUM1563-09-18   Suche
GEBURT ORTWildenborg (Niederlande)
KONFESSIONkath.
TOD DATUM1645-01-02   Suche
BEGRÄBNIS ORTVreden, Stiftskirche


VATERLimburg und Bronkhorst, Hermann-Georg von (1540-1574), Herr zu Styrum, Wisch und Borculo
MUTTERMaria Gräfin von Hoya (gest. 1612)


ÄMTER / FUNKTIONEN | Gemen, Herrschaft < - 1806> | Landesherr | 17 | 1635 - 1640
1635: Agnes stellt als Schwester der Mutter von Jobst-Hermann nach dessen Tod die Erbansprüche auf die Herrschaft Gemen. 1640: Agnes schenkt ihrem Neffen Hermann Otto die Herrschaft Gemen


BIOGRAFIEPlündernd und mordend zogen Landsknechte im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) umher. Dem grausamem Treiben waren vor allem die Menschen auf dem Land wehrlos ausgesetzt. Sie konnten sich nicht hinter schützende Stadtmauern zurückziehen. Auf ihren ungeschützten Höfen wurden sie immer wieder Opfer der Soldaten.

In einigen Gegenden des Münsterlands hatten die geplagten Menschen eine Fürsprecherin, der es mehrmals gelang, Raubzüge der Landsknechte abzuwehren: die Äbtissin Agnes von Limburg-Stirum. Ganz verhindern konnte die Äbtissin das Treiben der Soldaten zwar nicht, dazu reichte ihre Macht nicht aus. Aber sie ließ nichts unversucht, um größeren Schaden abzuwenden - zum Wohle der Frauenstifte, denen sie vorstand, zum Wohle der dörflichen Ackerbürger und Handwerker sowie der Bauernfamilien ringsumher auf dem Land.

Agnes von Limburg-Stirum stammte aus einer einflußreichen westfälisch-niederländischen Adelsfamilie. Geboren wurde sie am 18.09.1563 auf der Wildenborg, dem Stammsitz ihrer Familie zwischen Zutphen und Borculo in den heutigen Niederlanden. Als junges Mädchen war sie in das klösterliche Frauenstift Elten eingetreten; hier war sie 1603 Äbtissin geworden. Später wurde sie Äbtissin in drei weiteren Frauenklöstern: in Vreden, Borghorst und Freckenhorst. Fast die gesamten Jahre des Dreißigjährigen Krieges über stand sie diesen vier Frauenklöstern gleichzeitig vor.

Als das Land im jahrzehntelangen blutigen Glaubenskrieg versank, war die Äbtissin 51 Jahre alt. Der konfessionelle Riß ging quer durch ihre Familie; ihre einflußreichen Verwandten fochten sowohl auf der katholischen wie auch auf der evangelischen Seite. So besaß die Äbtissin gute Kontakte zu allen kriegführenden Parteien. Diese Beziehungen wußte die Äbtissin oftmals zu nutzen, um zu erreichen, daß ihre Abteien und deren Umland von Raubzügen verschont blieben.

Manche Plünderungen wußte sie auch zu verhindern, indem sie den anrückenden Landsknechten Kundschafter entgegenschickte; diese Boten hatten Schinken, Würste und andere begehrte Waren im Gepäck, um damit die Soldaten zu besänftigen. Dem Anführer eines Landsknechtshaufens, der in der Nähe Borghorsts sein Lager aufgeschlagen hatte, ließ sie teures feines Leinentuch überbringen. Einem anderen schenkte sie sogar einen goldenen Pokal, damit er "under den Kriegeß Leuthen mochte gutte Ordnungh und Disciplin halten", wie sie in ihrer Botschaft schrieb.

In ihrem Handeln dachte sie zunächst an ihre Stifte, aber darüber verlor die Äbtissin nicht das Schicksal der Bauern aus dem Blick. In Freckenhorst beispielsweise sorgte sie im März 1623 dafür, daß die Bauern im Kirchspiel keine Abgaben zu leisten brauchten. Denn gerade im Umland Freckenhorsts hatten die Bauern bis dahin viel erleiden müssen unter den durchmarschierenden Landsknechtheeren.

Die fürstbischöflichen Räte zu Münster tobten, weil ihnen dadurch ein Teil ihrer Einkünfte verloren ging. Sie waren über das unkonventionelle, eigenmächtige Vorgehen der Äbtissin erbost. Die Beamten des Bischofs beschwerten sich, und erhielten doch nur zur Antwort, daß gerade dieses Kirchspiel bis dahin stets mit Landsknechtheeren belegt gewesen sei.

Mit den fürstbischöflichen Räten zu Münster geriet die eigenwillige Äbtissin öfter aneinander. Besonders spektakulär war der Streit um Tönnis Bröker, den Müller des Frauenstifts in Vreden.

Tönnis Bröker war den fürstbischöflichen Beamten ein Dorn im Auge. Denn der Müller hielt überhaupt nichts vom katholischen Glauben; nicht einmal zu den Protestanten bekannte er sich, wie andere Vredener Bürger und Bauern, sondern schlimmer noch: Er war täuferisch gesinnt. Und für des Fürstbischofs Beamten geradezu unglaublich: Die Äbtissin des Vredener Frauenstifts machte keine Anstalten, ihren abtrünnigen Müller zu verjagen. Dabei hatte doch der Münsteraner Fürstbischof Anweisung gegeben, daß alle des Landes verwiesen werden sollten, die "der wiedertäüferischen Ketzerei zugethan" waren.

Die fürstbischöflichen Beamten verlegten sich auf einen Trick: Im Sommer 1622 lockten sie Tönnis Bröker "mit guten Worten und Winken", wie es in einem Bericht heißt, aus der Wassermühle an der Berkel. Außerhalb des Abteigeländes nahmen sie ihn gefangen und warfen ihn in Ahaus in ein Verlies.

Gegen die unerhörte Gefangennahme legte die Äbtissin Agnes von Limburg-Stirum schärfsten Protest ein. Mit dem täuferischen Glauben ihres Müllers hatte die Äbtissin zwar nichts im Sinn. Sie bekannte sich zum katholischen Glauben, was damals, im 30jährigen Krieg, nicht einmal für eine Äbtissin selbstverständlich war. Doch von kämpferischem Glauben, auch wenn er von den katholisch-fürstbischöflichen Behörden verfochten wurde, hielt sie nichts. Das Vorgehen der Beamten hatte ihre Herrschaftsrechte, die sie als Oberhaupt des Stifts Vreden besaß, arg verletzt.

In ihrem Streit mit dem Fürstbischof erreichte sie das scheinbar Unmögliche: Der Müller wurde freigelassen. Wenige Tage später konnte er wieder seiner friedlichen Arbeit in der Abteimühle nachgehen.

Diese Episode wirft ein bezeichnendes Licht auf die Äbtissin Agnes von Limburg-Stirum. Sie führte, wie es heißt, einen "betont frommen, katholischen Lebenswandel" und war doch eine streitbare Frau; sie war eigenwillig und stets darauf bedacht, ihre Aufgaben zu erfüllen, "nach dem Gebot der Nächstenliebe und Fürsorge für die ihr Anvertrauten", wie es in der Lebensbeschreibung Hans-Jürgen Warneckes heißt.

Ihre vier Klöster waren bei ihrem Amtsantritt allesamt heruntergekommen, zerstört oder geplündert durch Soldaten, die im vorangegangenen spanisch-niederländischen Krieg durch Westfalen gezogen waren. In Freckenhorst beispielsweise, einst eine stattliche und blühende Abtei, lagen umgestürzte Heiligenbilder verstreut in der Kirche. Die einstmals stille Gebetskrypta diente längst als Bierkeller; ein dutzend stattliche Zinnleuchter, einst ein Stolz des Klosters, hatte der Küster verwandt, um damit das Dach auszubessern.

Frommes, geistliches Leben suchte man zu jener Zeit fast vergebens in den Klöstern. Daß in Freckenhorst der Stiftsdechant mit einer Frau zusammenlebte, war keine Besonderheit. Bei den Meßfeiern, wenn sie denn stattfanden, ging es in der Liturgie drunter und drüber, und neun der zwölf Freckenhorster Stiftsfrauen, allesamt Töchter adliger Familien, wußten gegenüber den Visitatoren nicht einmal anzugeben, ob sie den geforderten Glaubenseid abgelegt hatten.

Äbtissin Agnes schaffte es im Laufe ihrer Regierungszeit, daß alle vier Stifte wieder existenzfähig wurden und neues religiöses Leben sich entfalten konnte - und das entgegen allen widrigen Umständen in den Kriegsjahren. Sie legte eine energische Amtsführung an den Tag. In Elten hatte sie kaum ihren Eid als Äbtissin geleistet, da ließ sie die Klostertrümmer wegräumen, um Platz zu schaffen für den Wiederaufbau. Dennoch gingen viele Jahre ins Land, ehe die Stiftsdamen 1634 einen Teil der neuen Gebäude beziehen konnten. Immer wieder hatten die Handwerker im Krieg ihre Bauarbeiten einstellen müssen.

Auch in Borghorst ließ die Äbtissin ein neues Abteigebäude errichten. Hier wie in Elten verschaffte sie damit zahlreichen Handwerkern aus der Umgegend Arbeit und Brot. Lukrative Aufträge vergab sie sogar an evangelische Handwerker, und das war in der aufgeheizten Atmosphäre des Glaubenskrieges äußerst ungewöhnlich für eine katholische Äbtissin. Doch es scheint sie nicht gestört zu haben, daß sie damit, wie schon so oft, das Mißtrauen des Klerus und des Fürstbischofs erntete.

Das Ende des Krieges erlebte die hochbetagte Äbtissin nicht mehr. Sie starb, über 81 Jahre alt, am 02.01.1645. In der Vredener Stiftskirche wurde sie bestattet - drei Jahre, bevor die Abgesandten der kriegführenden Parteien in Münster und Osnabrück den "Westfälischen Frieden" schlossen und damit den Dreißigjährigen Krieg beendeten.

QUELLE  Strotdrees, Gisbert | Es gab nicht nur die Droste | 28-30
PROJEKT  Lebensbilder westfälischer Frauen
AUFNAHMEDATUM2004-09-07


PERSON IM INTERNETBiografien, Literatur und weitere Ressourcen zur Person mit der GND: 124770762
  Personen im Verbundkatalog des HBZ NRW


QUELLE    Leenen, Hans | Die Herrschaft Gemen | S. 73
  Strotdrees, Gisbert | Es gab nicht nur die Droste | S. 28-30
  Warnecke, Hans Jürgen | Agnes von Limburg-Stirum (1563-1645) |

SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Zeit3.2   1550-1599
3.3   1600-1649
Ort2.12   Gemen, Herrschaft < - 1806>
3.1.17   Vreden, Stadt
3.8.13   Warendorf, Stadt
Sachgebiet3.7.2   Landesherren/-frauen, Präsidenten, Regierungschefs
16.6.3   Geistliche, Rabbiner, Ordensleute
DATUM AUFNAHME2003-08-07
DATUM ÄNDERUNG2014-11-28
AUFRUFE GESAMT3251
AUFRUFE IM MONAT369