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(85 KB)   Wagner, Josef (1899-1945): Josef Wagner, Gauleiter des Gaus Westfalen-Süd, beim Kreistag der NSDAP in Bochum, 04.06.-06.06.1937 / Bochum, Stadtarchiv   Informationen zur Abbildung

Wagner, Josef (1899-1945): Josef Wagner, Gauleiter des Gaus Westfalen-Süd, beim Kreistag der NSDAP in Bochum, 04.06.-06.06.1937 / Bochum, Stadtarchiv
FAMILIEWagner
VORNAMEJosef
BERUF / FUNKTIONNS-Politiker, Gauleiter des NS-Gaus Westfalen-Süd


GESCHLECHTmännlich
GEBURT DATUM1899-01-12   Suche
GEBURT ORTAlgringen/Lothringen
KONFESSIONkath.
TOD DATUM1945-04-21 [um]   Suche
TOD ORTBerlin [?]
TODESURSACHEExekution


ÄMTER / FUNKTIONEN | Westfalen, Gau | Gauleiter | 1 | 1928 - 1931

| Westfalen-Süd, Gau | Gauleiter | 1 | 1931-01-01 - 1941-11-09


BIOGRAFIEJosef Wagner wurde am 12.01.1899 im lothringischen Algringen als Sohn eines Bergmanns geboren. Nach dem Besuch der Oberrealschule besuchte er seit Sommer 1913 das Lehrerseminar in Wittlich und wurde im Juni 1917 zum Kriegseinsatz an der "Westfront" einberufen. Aus der französischen Kriegsgefangenschaft, in die er im Mai 1918 geraten war, gelang ihm nach fünf erfolglosen Versuchen im folgenden Jahr über die Schweiz die Flucht. Nach seiner Rückkehr in das Deutsche Reich im August 1919 beendete Wagner bis Oktober des Folgejahres die durch den Krieg unterbrochene Ausbildung zum Volksschullehrer. Diesen Beruf konnte er zunächst jedoch nicht ausüben, so daß Wagner bis Sommer 1921 anfänglich als Finanzbeamter in Fulda und anschließend bis April 1927 als Angestellter beim Bochumer Verein sowie in der Abteilung Bergbau der Vereinigten Stahlwerke AG beschäftigt gewesen war.

Im Mai 1927 erhielt Wagner in Gelsenkirchen-Horst eine Anstellung als Volksschullehrer, aus der er allerdings schon im November desselben Jahres aufgrund seiner besonders aktiven politischen Betätigungen entlassen wurde. In die NSDAP war Wagner bereits 1922 (Mitgliedsnr. 16951) eingetreten und hatte im folgenden Jahr die Ortsgruppe Bochum gegründet. Nach dem Verbot der NSDAP und ihrer damaligen Gliederungen am 23.11.1923 setzte Josef Wagner bis zur offiziellen Neugründung der Partei am 24.02.1925 als führendes Mitglied und Bezirksleiter des Völkisch-Sozialen-Blocks in Westfalen und dem Ruhrgebiet seine politischen Aktivitäten fort. Bereits am 20.05.1928 war Wagner ein Reichstagsmandat der NSDAP für den Wahlkreis 18 (Westfalen-Süd) zugefallen. Die Gründung des Gaues Ruhr im März 1926 unter der gemeinsamen Leitung von Dr. Josef Goebbels, Karl Kaufmann und Franz Pfeffer von Salomon hatte sich aufgrund der Differenzen unter den drei Gauleitern als Fehlschlag erwiesen. Mit der Gründung des Gaues Westfalen unter der Leitung von Josef Wagner wurde 1928 eine Neuorganisation der territorialen Gebietsstruktur der NSDAP versucht, die schließlich in die 1930/1931 realisierte Bildung der Gaue Westfalen-Süd und -Nord mündete.

Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme wurde Josef Wagner im April 1933 vom Preußischen Ministerpräsidenten, Hermann Göring, zum Ersten Vizepräsidenten im Preußischen Staatsrat sowie im September des Jahres zum Preußischen Staatsrat ernannt. Im Januar 1935 war Wagner von Hitler zusätzlich zum Gauleiter von Schlesien berufen worden, so daß er sich in der ungewöhnlichen Position eines Gauleiters von zwei räumlich weit auseinanderliegenden Territorien befand. Die im Juni des Jahres ausgesprochene Ernennung zum Oberpräsidenten der Provinzen Nieder- und Oberschlesien sowie die mit Wirkung vom 29.10.1936 erfolgte Berufung zum Reichskommissar für die Preisbildung in Görings Vierjahresplan-Apparat stärkten vorübergehend Wagners Stellung innerhalb der staatlichen Verwaltung und Reichspolitik. Mit der am 01.09.1939 vollzogenen Ernennung zum Reichsverteidigungskommissar für den Wehrkreis VIII (Schlesien) sowie der im folgenden Jahr erfolgten formalen Berufung zum Staatssekretär erreichte Josef Wagner dann den Zenit seiner politischen Laufbahn.

Die bereits im Vorjahr vorbereitete Aufteilung des Gaugebiets von Schlesien in die zwei Einzelgaue Nieder- und Oberschlesien im Januar 1941 bedeutete für Wagner den Wegfall des dortigen Gauleiterpostens und seines Amts als Oberpräsident, aber gleichzeitig auch einen hohen Prestige- und Machtverlust. Aufgrund von innerparteilichen Intrigen geriet der bei Bormann, Himmler und Goebbels gleicherweise unbeliebte Gauleiter von Westfalen-Süd und Schlesien zunehmend in die Kritik. Hinzu kam, daß sein Stellvertreter in Schlesien, Fritz Bracht, sowie der dortige Höhere SS- und Polizeiführer, Udo von Woyrsch, ebenfalls gegen ihn intrigierten und seit 1940 an maßgeblicher Stelle den Sturz Wagners vorbereitet hatten. In diesem Zusammenhang wurde nicht nur Wagners Amtsführung als Reichskommissar für die Preisbildung kritisiert, sondern vielmehr auch Wagners konfessionelle Bindung zum Katholizismus sowie allgemein auch die Führung der Amtsgeschäfte als Oberpräsident der Provinz Schlesien und als Gauleiter. Desgleichen hatte sich Wagner anscheinend kritisch über das Verhalten der SS geäußert und betrieb aus Sicht seiner Gegner offenbar eine Schutzpolitik gegenüber den polnischen Bevölkerungsteilen in Schlesien, die zumeist dem katholischen Glauben angehörte.

Das gegen Josef Wagner gerichtete Komplott gipfelte im November 1941 in einem Hitler von Himmler und Bormann zugespielten Schreiben der Ehefrau von Wagner an ihre Tochter, in dem sie sich u.a. gegen die geplante Hochzeit mit einem SS-Führer und Konfessionslosen aussprach. Anläßlich der Tagung der Reichs- und Gauleiter am 09.11.1941 in München erklärte Hitler daraufhin die sofortige Absetzung von Josef Wagner als Gauleiter in Westfalen-Süd sowie die Einleitung eines Parteiausschlußverfahrens vor dem Obersten Parteigericht. Der von dieser Entwicklung anscheinend völlig überraschte und auf das Recht einer Verteidigung pochende Wagner wurde in Gegenwart der übrigen Teilnehmer von Hitler gemaßregelt und des Raumes verwiesen. Mit dem Datum seiner Absetzung hatte Wagner gleichzeitig auch sämtliche Staats- und Parteiämter verloren und zog sich aus dem öffentlichen Leben zurück. Das von ihm seit 1928 wahrgenommene Reichstagsmandat für den Wahlkreis Westfalen-Süd erlosch auf Veranlassung Hitlers bzw. Görings mit Wirkung vom 10.12.1941. Allerdings verlief das Ausschlußverfahren unter Vorsitz des Obersten Parteirichters Walter Buch am 06.02.1942 noch zugunsten von Wagner. Sehr zum Mißfallen von Bormann, dem Schwiegersohn von Buch, und Hitler konnte das Oberste Parteigericht keine formalrechtlichen Gründe für einen Auschluß aus der NSDAP finden. Hitler ignorierte daraufhin dieses Urteil und ordnete mit Wirkung vom 12.10.1942 ohne weiteres den Ausschluß Wagners aus der NSDAP an. Gleichzeitig schränkte er die bisher weitgehend unangetastete Autonomie des Obersten Parteigerichts zugunsten der Partei-Kanzlei bzw. Bormanns erheblich ein.

Josef Wagner lebte nach seiner Absetzung zurückgezogen überwiegend in Bochum. Ähnlich wie z.B. bei den früheren von Hitler ausgestoßenen NS-Größen Ernst Röhm und Rudolf Hess wurde der Name von Josef Wagners seit November 1941 systematisch aus der offiziellen Parteigeschichte und dem öffentlichen Leben getilgt. In seinem früheren Gau Westfalen-Süd erhielten die nach ihm benannte Straßen, Plätze und Schulen neue Bezeichnungen, allerdings oftmals erst über ein Jahr nach seiner Absetzung. So wurde z.B. in Castrop-Rauxel noch im April 1943 eine Josef-Wagner-Schule in Richard-Wagner-Schule (!) umbenannt, was jedoch keinesfalls in Pressemeldungen bekanntgegeben werden durfte. Interessanterweise war Wagner noch bis November 1943 zumindest nominell für die von Hitler zwei Jahre zuvor gesetzlich geregelten Baumaßnahmen zur Neugestaltung der Gauhauptstädte Bochum und Breslau zuständig, bis sein Nachfolger im Gau Westfalen-Süd, Albert Hoffmann, aufgrund der angelaufenen Planungen für den Wiederaufbau der zerstörten Städte im Dezember 1943 einen allgemeinen, jedoch nicht mehr auf die Person des Gauleiter bezogenen neuen Hitler-Erlaß erreichte. Aufgrund einer Initiative von Hoffmann, der Bormann in Form einer Korrespondenz und Recherchen neues Material zugespielt hatte, wurde Wagner nach Weiterleitung dieser Informationen auf Himmlers persönlicher Veranlassung seit Ende Oktober 1943 durch die Gestapo überwacht. Im Zusammenhang mit der "Aktion Gewitter" nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler am 20.07.1944 wurde Josef Wagner von der Gestapo verhaftet. Am 22.04.1945 soll Wagner im Gestapo-Gefängnis in Berlin ermordet worden sein. Das Ende von Josef Wagner und die Umstände seines Todes können jedoch nicht genau rekonstruiert werden.

Josef Wagners politischer Werdegang ist zumindest seit November 1941 ungewöhnlich für einen Spitzenfunktionär im "Dritten Reich" und kann mit gewissen Vorbehalten durchaus mit dem Schicksal von Ernst Röhm und Gregor Strasser verglichen werden. Trotzdem darf Wagners Schicksal als Opfer des NS-Regimes nicht darüber hinwegtäuschen, daß auch er tief in NS-Verbrechen, so z.B. die Judenverfolgung und den Terror gegen politische Gegner in Westfalen und Schlesien, verstrickt gewesen war. Er vereinigte als abgesetzter, verfolgter und schließlich ermordeter hoher NS-Politiker gewissermaßen Täter und Opfer in einer Person.

Ralf Blank
 
AUFNAHMEDATUM2003-10-10
 
Weitere Biografie/n:
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  Lilla, Joachim | Leitende Verwaltungsbeamte und Funktionsträger in Westfalen und Lippe (1918-1945/46) | S. 302 f.


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QUELLE    Möller, Horst | Die preußischen Oberpräsidenten 1918/19-1933 | S. 338
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SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Zeit3.8   1850-1899
3.9   1900-1949
Ort2.66   Westfalen-Süd, Gau
Sachgebiet3.18   Parteien
5.2   Militärorganisation, Wehrverfassung
5.9   Kriege, militärische Konflikte
DATUM AUFNAHME2003-10-10
DATUM ÄNDERUNG2022-09-06
AUFRUFE GESAMT13657
AUFRUFE IM MONAT1401