Der Bau der Talsperre Haltern und seine Bedeutung für Westfalen

01.01.2007 Ulrich Peterwitz

Inhalt

Die Talsperre Haltern ist untrennbar mit dem Wasserwerk Haltern in ihrer Funktion als Vorratsraum für eines der größten Wasserwerke Europas verbunden. Im Laufe der Jahre hat die Talsperre aber in vielerlei Hinsicht an Stellenwert gewonnen bis hin zu der Tatsache, dass die mit ihr verbundene Stadt Haltern am See die Talsperre nunmehr auch in ihrem Namen trägt.

Abb. 1: Wasserwerk Haltern (Foto: GELSENWASSER AG)

Wasserwerk Haltern

Das Wasserwerk Haltern wurde 1908 in Betrieb genommen. Mit der derzeitigen Jahresabgabe von fast 100 Mio. m3 werden rund 1 Mio. Bürger, Gewerbe und Industrie in 20 Städten des nördlichen Ruhrgebiets, des Münsterlandes und in der Stadt Duisburg mit Trinkwasser versorgt (s. Beitrag Wieneke).

Anfänglich basierte die Wasserförderung ausschließlich auf dem natürlich vorhandenen Grundwasser. Die Wasserabgabe wuchs innerhalb kürzester Zeit von anfänglich 4 Mio. m3 auf rund 18 Mio. m3 pro Jahr an. Als der steigende Wasserbedarf des nördlichen Ruhrgebietes nicht mehr gedeckt werden konnte, wurde 1914 die "künstliche" Grundwasseranreicherung über Langsamsandfilter in Haltern eingeführt. Dieses Verfahren hatte sich seit der Jahrhundertwende im Ruhrtal bewährt.

Im Rahmen dieses Verfahrens wird Oberflächenwasser, anfangs aus der Stever bzw. später aus der Talsperre, entnommen, vorgereinigt, anschließend zur Versickerung gebracht und gemeinsam mit dem auf natürlichem Wege zuströmenden Grundwasser gefördert. Darüber hinaus werden in den Waldgebieten Haard und Hohe Mark zwei reine Grundwassergewinnungen betrieben.

Zum Schutz des Wasservorkommens für das Kerngebiet des Wasserwerks rund um die Talsperre hat der Regierungspräsident Münster am 28.07.1988 eine Wasserschutzgebietsverordnung erlassen.

Bau der Talsperre Haltern

Um jahreszeitlich bedingte Abflussschwankungen des Oberflächenwassers auszugleichen, insbesondere um sommerliche Niedrigwasserperioden überbrücken zu können, entstanden ab 1927 die Talsperre Haltern und ab 1972 die Talsperre Hullern als Rohwasserspeicher. Sie sind durch Ausbaggern des sandigen Untergrundes bis auf 7 m Tiefe im Stevertal entstanden. Als Rohwasserspender dienen die Stever und der Mühlenbach.

Eine Sperre, d.h. eine Wasser-Füllung des ganzen Stevertales im Raum  Haltern, wurde zunächst als nicht realistisch betrachtet. Zu groß würden die Schwierigkeiten beim Grunderwerb der Flächen von der Stadt und dem Grafen Westerholt sein. Eine Aufspeicherung von genügendem Wasser an anderen Stellen als in Haltern sei zu prüfen.

Schließlich wurde dann 1926 doch das Recht zum Bau der Talsperre Haltern verliehen, um die Jahresförderung des Wasserwerks Haltern in mehreren Stufen von 18 Mio. m3 pro Jahr auf 80 Mio. m3 jährlich zu steigern. Das Vorhaben der Anlage dieser Talsperre wurde dann in den Jahren 1927 bis 1930 verwirklicht. Der Aufstau der Stever mit einem Walzenwehr um 4,5 Meter ergab 1930 bei Fertigstellung einen Stauraum von 4,0 Mio. m3. Bei der weiteren Ausbaggerung in den Jahren von 1930 bis 1955 wurde ab 1938 ein Eimerketten-Bagger eingesetzt. Volumen der Talsperre 1955: 8 Mio. m3 bei 220 Hektar Wasserfläche und rund 5 Meter Wassertiefe.

Die nur leicht gewellte Landschaft am Südrand der Münsterländischen Bucht erlaubt es nicht, Talsperren, so wie es der Name sagt, in üblicher Weise zu bauen. Deshalb wurde die Vergrößerung der Talsperre Haltern nicht durch Erhöhung eines Dammes erreicht, sondern, bei Erhaltung der ursprünglichen Stauhöhe, durch Erweiterung der Seefläche und Vertiefung des Sees. Ein solches Bauverfahren ist nur bei entsprechend günstigen geologischen Voraussetzungen möglich: das Vorhandensein von Lockergestein. Hier sind es die erst in tieferen Bereichen verfestigten, bis zu 250 m mächtigen und von quartären Decksanden überlagerten so genannten Halterner Sande.

Das Trockenjahr 1959 aktivierte die weiteren Ausbaupläne. Dazu wurde nun ein Schneidkopf-Saugbagger mit vollelektrischer Ausrüstung eingesetzt. Der gewonnene Sand wurde über eine mehrere Kilometer lange Rohrleitung auf große Spülfelder in der Westruper Heide transportiert. 1971 erhielt die Talsperre Haltern die heutige Größe: 20,5 Mio. m3 Staurauminhalt bei einer Wasserfläche von 307 Hektar und einer Wassertiefe von 7 Metern.
Abb. 2: Heutiger Schneidkopf-Saugbagger (Foto: GELSENWASER AG)
Seit dem Bau der Talsperre im Jahr 1927 wurden insgesamt 19,9 Mio. m3 Sand gewonnen, die auf der südöstlich der Talsperre angelegten Sandhalde gelagert und der Bauindustrie zur Verfügung gestellt werden, die seitdem ca. 15 Mio. m3 Sand abgenommen hat. Der Halterner Sand ist sowohl im Hoch- als auch im Tiefbau als Bau- und Zuschlagstoff begehrt. Es hat sich in der Emscher- und Lipperegion ein stabiler Abnehmerkreis für den Halterner Sand gebildet, an dessen Weiterverarbeitung viele Arbeitsplätze gebunden sind.

Als Anfang der 1990er Jahre die gewonnenen Sandmengen nicht mehr zur Befriedigung der Nachfrage ausreichten, beantragte man 1994 die Vertiefung der Talsperre Haltern um weitere 8 Meter auf 24,4 m ü. NN beim Landesoberbergamt. Seit der Zulassung im gleichen Jahr können im Zuge der Vertiefung der Talsperre bis zum Endausbau insgesamt ca. 15 Mio. m3 Sand gewonnen werden. Damit bleibt die Bedarfsdeckung auch in den nächsten 20 Jahren gesichert. Die bestehende Uferlinie und die Böschungsneigung von 1:4 werden beibehalten und die vorhandene Infrastruktur wird weiterhin genutzt, so dass weder zusätzliche Flächen benötigt werden noch Beeinträchtigungen der Umwelt und der Landschaft zu besorgen sind. Im Gegensatz zu anderen Sandgewinnungsbetrieben wird das Grundwasser über das bestehende Maß hinaus nicht freigelegt.
Abb. 3: Einzugsgebiet der Talsperre Haltern und Verbreitung der Halterner Sande (Entwurf: U. Peterwitz)

Einzugsgebiet

Das 878 km2 große Talsperreneinzugsgebiet setzt sich zu zwei Dritteln aus dem Gebiet der Stever und zu einem Drittel aus dem nordwestlich gelegenen Gebiet des Heu-/Mühlenbachs zusammen. Diese Teileinzugsgebiete unterscheiden sich aufgrund ihrer hydrogeologischen und geographischen Verhältnisse. Während im Heu-/Mühlenbachgebiet eher Sandböden überwiegen, ist der Untergrund im Stevergebiet kalkig/mergelig. Wegen der geringeren Speicherfähigkeit des Untergrundes und einer stärker ausgeprägten Morphologie im Einzugsgebiet ist die Stever stärkeren Abflussschwankungen unterworfen als der Heu-/Mühlenbach, der ein vorwiegend ebenes Gelände mit hohen Grundwasserständen entwässert.

Durch die Talsperre Haltern fließen pro Jahr durchschnittlich 240 Mio. m3 Wasser, von denen zwei Drittel ungenutzt über die Unterstever in die Lippe abfließen. Das verbleibende Drittel dient der Wasserversorgung und wird vom Nordbecken über Düker dem Südbecken der Talsperre zugeleitet. An dieser Stelle werden in das Rohwasser seit 1976 zur Verringerung der Phosphate bedarfsweise Aluminium- oder Eisensalze und zur Adsorption von Pflanzenbehandlungsmitteln seit 1989 bedarfsweise Aktivkohlepulver zudosiert.

Mehr als nur Wasserversorgung

Während das Südbecken der Talsperre Haltern dem Wasserwerk als Rohwasserspeicher und Reaktionsbecken dient, entwickelte sich das Nordbecken im Laufe der Jahre zu einem attraktiven  Naherholungsgebiet, was sich wiederum positiv auf die Stadt Haltern am See auswirkte

Im April 1930 wurde die Seegesellschaft gegründet. Die Gesellschafter waren das Wasserwerk für das nördliche westfälische Kohlenrevier, der Landkreis Recklinghausen, die Provinz Westfalen, der Ruhrsiedlungsverband und das Amt Haltern. Bereits ein Jahr später eröffnete am 14. Mai 1931 das auch noch heute beliebte Strandbad an der Talsperre Haltern den Betrieb.

Neben dem Baden sind das Angeln, Segeln und Surfen erlaubt. Um den vorrangigen Zweck der Talsperre Haltern, die Wasserversorgung, nicht zu gefährden, unterliegt der Wassersport einer Gemeingebrauchsverordnung, erlassen von der Bezirksregierung Münster in aktueller Fassung am 8. Dezember 2006, sowie einer Surfordnung. Danach sind u.a. nur eine beschränkte Anzahl an Wasserfahrzeugen (330 Segelboote, 1020 Ruder-, Paddel- und Schlauchboote sowie 20 Tretboote) zugelassen, spezielle Vorfahrtregeln für die Betriebsboote der GELSENWASSER AG und das auf der Talsperre betriebene Fahrgastschiff "Möwe" aufgestellt sowie Nutzungsbereiche ("Surfrevier") und Zonen mit Betretungsverbot festgelegt. Insbesondere die Overrathsche Insel darf aus Landschafts- und Vogelschutzgründen nicht betreten werden. Sie ist als Brutstätte für Graureiher und andere Wasservögel von Bedeutung.

Darüber hinaus runden angelegte Wanderwege, Aussichtspunkte und Anlegestellen sowie zahlreiche nach und nach angesiedelte Gaststätten und Hotelbetriebe und ein Motorradtreff das vielfältige Freizeitangebot rund um die Talsperre Haltern ab. Sowohl die Talsperre wie auch die Stadt Haltern am See entwickelten sich damit zu Ausflugszielen, die weit über die lokalen und regionalen Grenzen bekannt sind.

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2007