Die ''Immobilien- und Standortgemeinschaft Emsquartier'' in Rheine

01.01.2007 Heike Hork

Um aktuellen Problemen in innerstädtischen Zentren zu begegnen, die hier nur kurz durch Stichworte wie Umsatzrückgang, Ladenleerstände und eine verminderte Aufenthaltsqualität umrissen werden sollen, nehmen derzeit 20 Modellkommunen in NRW an einer Studie des Ministeriums für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport des Landes teil. In dieser Studie, die im Rahmen des Stadtmarketings der zweiten Generation stattfindet, wird ein modifiziertes Modell der so genannten Business Improvement Districts (BID) getestet. Die Idee der BIDs stammt aus dem nordamerikanischen Raum, wo sich schon seit den 1970er Jahren Grundstückseigentümer und Gewerbetreibende in einer eigenfinanzierten Organisation zusammengeschlossen haben, um einen klar abgegrenzten Raum durch gezielte Maßnahmen zu stärken. Durch die Mitgliedsbeiträge der BID-Akteure werden Dienstleistungen und Sachinvestitionen finanziert, die über die üblichen Leistungen einer Gemeinde hinausgehen.

Anders als das nordamerikanische Vorbildmodell der BID besteht in NRW, wo das Modell unter dem Begriff "Immobilien- und Standortgemeinschaft" (ISG) Nachahmung findet, keine gesetzliche Grundlage für eine verpflichtende Beitragsabgabe der Beteiligten, so dass hier auf das Prinzip der Freiwilligkeit gesetzt wird. Eine finanzielle Förderung von 60% erfahren die Modellstädte von Landesseite durch das Ministerium; die städtische Seite fördert mit einem zusätzlichen Anteil zwischen 10% bis 20%, der übrige Betrag wird von den Privaten durch Mitgliedsbeiträge finanziert. Für Westfalen nehmen 11 Kommunen an der Modellstudie teil, darunter Bocholt, Dortmund, Herford, Minden, Münster und Siegen (s. Beitrag Köchert).

Eine weitere Modellkommune ist das nordmünsterländische Mittelzentrum Rheine, wo man sich - um den spezifischen Anforderungen beiderseits des Flusses Ems gerecht zu werden - direkt für zwei ISGs entschieden hat.

Die Innenstadt von Rheine wird durch eine ringförmig verlaufende Hauptverkehrsstraße markiert. Einzelne Schwerpunktbereiche zur Gliederung Rheines lassen sich am deutlichsten durch die Trennwirkung der Ems darstellen, die die Innenstadt von Südosten nach Nordwesten quert.
Abb. 1: Nordseite des Ems-Einkaufscenters (eec) (Foto: H. Benecke)
Dabei stellt der linksemsische Bereich den traditionellen, historischen Teil dar. Hier befindet sich auch der größte Teil des Rheinenser Hauptgeschäftsbereiches, in dem sich die Funktionen Einzelhandel, Dienstleistung und Gastronomie bündeln. Neben den städtebaulich attraktiven und historischen Elementen ist dieser Raum durch eine weitläufige Fußgängerzone und eine hohe Aufenthaltsqualität gekennzeichnet.

Der rechtsemsische Innenstadtbereich fungierte in der Vergangenheit v. a. als Industriequartier und Wohnort der Textilarbeiter. Während der südliche Bereich des rechten Emsufers durch die Emsstraße noch relativ gut an das Hauptgeschäftszentrum angebunden ist, ebbt der Passantenstrom in Richtung der Stadthalle ab. Nördlich dieser befindet sich die ehemalige Textilfabrik, die heute denkmalgeschützt ist und ein Einkaufszentrum beherbergt (Abb. 1). Die in unmittelbarer Nähe gelegenen ehemaligen Fabrikarbeiterwohnungen sind in einem schlechten baulichen Zustand. Insgesamt ist dieser Teil der Innenstadt städtebaulich eher einfach gehalten und lädt wenig zum Verweilen ein.

Zur nachhaltigen Stärkung, Attraktivierung und Stabilisierung wurden für die Rheiner Innenstadt sowohl die linksemsische "ISG Münstertor" als auch die rechts der Ems gelegene "ISG Emsquartier" gebildet (Abb. 2). Letztere wird im Folgenden näher betrachtet.
Abb. 2: Nutzungsstrukturen (Erdgeschoss) im Emsquartier Rheine (Entwurf u. Kartographie: H. Benecke, Quellen: Eigene Erhebung 6/2006, EWG Rheine 2006)

Im Mittelpunkt der ISG Emsquartier stehen eine Aktivierung und ein nachhaltiger Aufbau einer tragfähigen Kooperationsstruktur zwischen privater und öffentlicher Seite sowie ein langfristiges Immobilien- und Standortmanagement. Wesentliche Unterstützung bietet v. a. die Entwicklungs- und Wirtschaftsförderungsgesellschaft für Rheine mbH, unter deren Federführung neben der Projektmoderation auch die Interessensvermittlung zwischen privaten Akteuren und der Stadt Rheine stattfindet. Als Organisationsform wurde, ähnlich wie in den meisten anderen Modellkommunen auch, der eingetragene Verein gewählt. Der Vereinsbeitrag wird für jedes Mitglied, ob Gewerbetreibende oder Immobilieneigentümer, nach einem Beitragsschlüssel individuell ermittelt. In Vorstandssitzungen und an Stammtischen erarbeiten die Vereinsmitglieder Lösungsansätze zu vielfältigen, das Emsquartier betreffenden Themen, u. a. Marketing, Verbesserung der Aufenthalts- und Verweilqualität, Belebung des öffentlichen Raums, Pflege des Geschäftsbestandes, städtebauliche Weiterentwicklung etc. Im folgenden Text werden, um die Arbeitsfelder der ISG aufzuzeigen, nur exemplarische Punkte angesprochen.

Bereits 2005 konnte die ISG erste Ideen in Projekte umsetzen. So fand auf den Grünflächen um die Stadthalle ein Sommer-Ferien-Spiel-Programm für Kinder statt. Durch Angebote wie Trampolinspringen, Go-Kart-Fahren, Jonglieren, Basteln u. v. m. sollte ein Beitrag zur Verbesserung der Aufenthalts- und Verweilqualität geleistet werden. Den ISG-Mitgliedern war es zusätzlich wichtig, mit diesem Angebot ein Zeichen gegen den auf den Grünflächen vielfach üblichen Alkoholkonsum zu setzen.

Gemeinsame Marketingaktivitäten wurden im Sommer 2005 u. a. durch einen Senioreneinkaufstag und zur Weihnachtszeit durch ein Adventsrätsel angeboten. Diese Tätigkeiten wurden 2006 fortgesetzt und weiter ausgebaut.

Ein längerfristiges Anliegen der ISG sind die Pflege des Geschäftsbestandes und damit einhergehend die Anwerbung neuer Geschäfte. Im nördlichen Bereich des Emsquartieres befindet sich in der ehemaligen Textilfabrik das Ems-Einkaufscenter (eec). Dessen nördlicher Ladenbereich, wo v. a. Versorgungseinkäufer ein reichhaltiges Parkplatzangebot vorfinden, erfreut sich einer sehr guten Auslastung. Die ISG wünscht sich, durch eine Belebung des zentralen Raumes zwischen eec und Emsstraße sowie durch eine Aufwertung der Bültstiege aus den zahlreichen Versorgungseinkäufern und "Kofferraumkunden" auch Kunden für die Innenstadt zu gewinnen. Gleichzeitig soll der Kundenlauf von der Emsstraße in das Quartier hinein verbessert werden. Hiermit eng verknüpft ist die Ansiedlung attraktiver Geschäftsnutzungen im südlichen Bereich des eec sowie im Bülthof.

Städtebauliche Veränderungen sind für die ehemaligen Fabrikarbeiterwohnungen an der Schotthockstraße geplant. So befinden sich diese in einem äußerst schlechten baulichen Zustand. Sie bieten gegenwärtig Asylsuchenden eine Unterkunft. Nach dem Abriss der Häuser soll nach südeuropäischem Vorbild ein so genannter „Paseo“ entstehen, eine begrünte Flaniermeile zur Erhöhung der Aufenthaltsqualität. Gleichzeitig soll durch einen Textillehrpfad und ein (Textil-)Industriemuseum an das historische Erbe dieses ehemaligen Industrieviertels erinnert werden. Räumlichkeiten dafür stellt der Eigentümer des eec zur Verfügung. Passend zu diesem Konzept steht zusätzlich die Idee eines regelmäßig stattfindenden Dampffestes. Die ISG hat die Planungen für die erste Veranstaltung im Jahr 2007 gerade aufgenommen.

Neben den Projekten, die das Emsquartier äußerlich beleben sollen, zeigt sich durch die Arbeit der ISG noch ein weiterer Effekt: Die Akteure haben durch die ISG eine Stimme bekommen, die von der Öffentlichkeit sowie der Politik und der Stadt gehört wird. Es erwächst ein neues Zusammengehörigkeitsgefühl, das Kraft gibt für eine weitere Revitalisierung des Viertels.

Weiterhin ist der Erfolg nicht nur dieser ISG maßgeblich abhängig vom Engagement der beteiligten Akteure, einer ständigen Vergrößerung der Mitgliederzahl und damit auch von den zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln.

Die zweite Rheinenser ISG, die ISG Münstertor, hatte im Juni 2006 ihre Auftaktveranstaltung, zu der der Vorsitzende der ISG Emsquartier als Referent eingeladen wurde, um von seinen Erfahrungen zu berichten. Beide ISGs wünschen sich eine Zusammenarbeit und gegenseitige Unterstützung, damit die Ems zukünftig nicht mehr als Hindernis, sondern als Mittel zur Verbindung beider Innenstadt-Bereiche genutzt wird. Als Basis für diese Zusammenarbeit arbeiten die Stadt Rheine und die ISGs zusammen mit anderen Innenstadtakteuren an einer vertraglichen Zielvereinbarung, die die Zusammenarbeit noch verbindlicher und effektiver machen soll.

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2007