Stadtmarketing in Nordrhein-Westfalen

01.01.2007 Helmut Köchert

Kategorie: Siedlung

Schlagworte: Nordrhein-Westfalen · Stadtmarketing

Zu den Merkmalen der nordrhein-westfälischen Städtepolitik gehörte immer eine starke und ambitionierte fachpolitische Ausrichtung. Das war und ist auch beim Stadtmarketing so, bei dem ästhetisch überzeugende und funktionsgerechte Innenstädte und Nebenzentren im Mittelpunkt stehen: Zum einen zur Steigerung der Lebensqualität, aber auch, um den Zerfall der Innenstädte zu verhindern und sie langfristig aufzuwerten. Dass dabei öffentliche und private Interessen koordiniert werden, ist inzwischen sicher bekannt. Stadtmarketing war und ist der Prototyp des so genannten Public Private Partnership und wird es, besonders vor dem Hintergrund der demografischen Veränderungen und eines damit verbundenen Rückgangs öffentlicher Ressourcen, wohl auch bleiben.

Im Rahmen des "Stadtmarketing der 1. Generation" fördert Nordrhein-Westfalen bereits seit 1996 Stadtmarketingkonzepte. Aus anfangs 13 Modellstädten wurden später mehr als 180 Städte und Gemeinden, die mit Hilfe von Städtebaufördermitteln Stadtmarketingkonzepte entwickeln konnten. Zirka 120 Städte haben auf dieser Basis eigene Organisationsformen, wie GmbHs, Vereine oder Regiebetriebe, geschaffen.

Um den Städten, die sich mit dem strategischen Instrument Stadtmarketing einlassen wollen, orientierend zur Seite zu stehen, haben im Jahr 2000 das Städtebauministerium und kommunale Spitzenverbände gemeinsam das Landesbüro Stadtmarketing NRW ins Leben gerufen. Mit seiner Hilfe wurden mehr als 140 Städte und Gemeinden über das Förderangebot des Landes informiert und zur Vorbereitung entsprechender Konzepte und Förderanträge beraten. Das Ergebnis waren 180 bewilligte Förderanträge für Stadtmarketingkonzepte.

Inzwischen hat Stadtmarketing in Nordrhein-Westfalen eine weitere Entwicklungsstufe erreicht. So gehört das "traditionelle Verfahren" des Stadtmarketings mit Stärken- und Schwächenanalysen in vielen Städten und Gemeinden bereits zum Standard. Mit dem "Stadtmarketing der 2. Generation" konzentrieren sich die Bemühungen in den Städten jetzt auf eine "Verbreiterung" und damit Stabilisierung der Anwendungspraxis von Stadtmarketing. Ziel ist es vor allem, Stadtmarketing um neue Themen anzureichern und für die erfolgreichen Strategien neue Partner zu finden.
Abb. 1: Vorher - Leerstand (Foto: Stadtmarketing Bocholt)

Seit Mitte des Jahres 2003 fördert das Land die Bildung von Immobilien- und Standortgemeinschaften (ISG), Leerstandsmanagementaktivitäten, Stadtkultur und Marketing sowie regionale und auf den Tourismus bezogene Marketingkonzepte. Gefördert werden dabei jeweils Bestandsaufnahmen, die Entwicklung von Konzepten sowie Moderation/Mediation mit einem Fördersatz von 60% (Ausnahme: Beim kulturbezogenen Stadtmarketing 30%), und höchstens 200.000 €. Mit diesem Instrument des Stadtmarketings werden öffentliche und private Investitionen koordiniert und damit wirkungsvoller gemacht. Städtebauliche und strukturverbessernde Maßnahmen und Projekte sollen beschleunigt werden. Bürgerinnen und Bürger, Wirtschaftsverbände, Parteien, Vereine und öffentliche Hand entwickeln gemeinsame Konzepte für eine positive Zukunft des städtischen Raums. Schließlich soll das neue Stadtmarketing die öffentliche Aufmerksamkeit auch auf solche Themen und Bereiche lenken, die der Stadtplanung bisher nicht zugänglich waren.

Seit Einführung des Stadtmarketings der 2. Generation hat sich gezeigt, dass die Beseitigung von Leerständen und die Entwicklung innerstädtischer Quartiere eine herausragende Bedeutung im nordrhein-westfälischen Stadtmarketing eingenommen haben. Zumeist sind Leerstände gerade im Bereich der ISGs die Ursachen für deren Gründung. Aber viele ISGs engagieren sich daneben auch noch für Probleme im Bereich Sauberkeit und Sicherheit, für Umfeldverbesserungsmaßnahmen und mehr im Quartier. Hier sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt, zumal die Kommunen immer mit im Boot sitzen.

Abb. 2: Nachher - Frontumbau und Einzug eines Juweliers (Foto: Stadtmarketing Bocholt)

Leerstandsmanagement hat das Ziel, gewerbliche Leerstände und Mindernutzungen schon im Vorfeld zu verhindern bzw. bestehende Leerstände möglichst schnell einer neuen oder veränderten Nutzung zuzuführen. Eines der zentralen Probleme bei der Stadtplanung ist besonders hier die mangelhafte Einbeziehung von Grundstücks- und Immobilieneigentümern. Gerade diese Gruppen sind aber von entscheidender Bedeutung für die langfristige Standortentwicklung. Mit einem neuen und vor allem zukunftsträchtigen Weg reagieren die Immobilien- und Standortgemeinschaften (ISGs) darauf. Unter einer ISG versteht man öffentlich-private Partnerschaften lokaler Händler, Grundeigentümer und der Stadt, die miteinander versuchen, einen abgegrenzten, meist innerstädtischen Standort aufzuwerten. Organisatorisch lehnt sich das Modell der Immobilien- und Standortgemeinschaften an die nordamerikanischen Business Improvement Districts (BIDs) an. ISGs appellieren derzeit in Nordrhein-Westfalen noch an die Kraft der Freiwilligkeit und der Organisationskraft vor Ort. Gefördert werden Initiativen zu Entwicklungsmaßnahmen im öffentlichen Raum und in der Infrastruktur bei gleichzeitiger Investition von Mitgliederseite im privaten und öffentlichen Raum im Sinne einer strategischen Allianz.

Ziel der Förderung von ISGs war es zunächst, 20 Modellprojekte zu initiieren. Dabei handelt es sich um den Abschluss eines zeitlich befristeten "Entwicklungsvertrages" zwischen der Kommune sowie den Grund- und Immobilieneigentümern und den Standortbetreibern, der die Einbringung von Leistungen der öffentlichen und der privaten Seite regelt. Hierin liegt der außergewöhnliche Charakter der Immobilien- und Standortgemeinschaften. Die Kommune verpflichtet sich, Entwicklungsmaßnahmen in ihrem Zuständigkeitsbereich, also in öffentlichen bzw. infrastrukturellen Bereichen, einzubringen, während die Eigentümerseite Strategien für den privaten und öffentlichen Raum entwickelt.

Die Modellphase ist inzwischen abgeschlossen. Die insgesamt 20 Modell-ISGs wurden in den vergangenen zwei Jahren mit mehr als 1,6 Mio. € aus Städtebaufördermitteln gefördert. ISGs in Westfalen wurden in Bocholt, Hamm, Münster und Rheine (s. Beitrag Benecke) gegründet und haben sich als sehr erfogreich erwiesen.

Schon in der Anfangsphase des Modellversuchs war erkennbar, dass sich Einzelhändler, Immobilienbesitzer und die Kommunen mit viel Engagement, Durchhaltewillen und finanziellem Aufwand zusammen gefunden haben. Vielfach werden dabei die "belastbaren Strukturen" bereits bestehender Public Private Partnership-Ansätze genutzt. Daher hat sich Nordrhein-Westfalen dazu entschlossen, ISGs auch nach Ablauf der Modellphase weiter zu fördern.

Mit Regionalen Marketingkonzepten sollen Einzelstandorte sich und ihr jeweiliges regionales Umfeld profilieren. Gefördert werden Konzepte zur Ermittlung regionaler Stärken und Schwächen sowie regionaler Entwicklungsziele mit dem Ziel, Lösungen für Kooperationen bzw. arbeitsteilige Strukturen für die Region zu finden, die Synergien und Profilbildung generieren.

Ziel der Förderung von Stadtkultur und Marketing ist es, den Städten und Gemeinden im Rahmen von moderierten Prozessen die Möglichkeit zu bieten, insbesondere ihr kulturelles Potenzial für die Stadtentwicklung zu überprüfen und im Rahmen von umfassenden strategischen Allianzen zu stärken, auszubauen bzw. neu zu entwickeln. Diese Förderung erfordert eine finanzielle Beteiligung Privater in Höhe von mindestens 50% der förderfähigen Kosten. Der Finanzierungsbetrag der Kommunen beträgt mindestens 20% und der Landesanteil höchstens 30%.

Schließlich werden im Rahmen des Stadtmarketings der 2. Generation solche Konzepte für den Städtetourismus gefördert, die bisherige Stadtmarketingaktivitäten enger mit touristischen Zielen verzahnen. Bei der Profilierung von Standorten spielt zunehmend die touristische Vermarktbarkeit eine Rolle. Dieses Feld bietet vielfältige Ansätze für öffentlich-private Kooperationen unter Einbindung des Tourismusgewerbes sowie der Gastronomie und Hotellerie in Marketingkonzepte. Gefördert werden Maßnahmen und Projekte, die Stadtidentitäten - auch im regionalen Kontext - touristisch vermarktbar machen.

Seit kurzem ist in Nordrhein-Westfalen der Ruf nach einem BID-Gesetz laut geworden - vor allem unter Hinweis auf das Phänomen "Trittbrettfahrer". Zur Erörterung dieser Frage hat die Landesregierung inzwischen erste Gespräche mit dem Einzelhandelsverband NRW, der Vereinigung der Industrie- und Handelskammern in NRW, dem Städtetag NRW, dem Städte- und Gemeindebund NRW sowie dem Verein Haus & Grund Deutschland geführt. Dabei wurde im Hinblick auf das Problem der Trittbrettfahrer überwiegend zumindest perspektivisch die Notwendigkeit eines BID- bzw. ISG-Gesetzes herausgestellt.

Zurzeit werden die Erfahrungen aus der ISG-Modellphase, aber auch von BIDs in anderen Bundesländern ausgewertet. Die IHKs haben parallel dazu eine entsprechende Befragung ihrer Mitglieder zu ISGs und der Einführung eines Gesetzes vorgenommen. Noch in diesem Jahr sollen die gesammelten Ergebnisse ausgewertet und über die Einführung eines BID-Gesetzes entschieden werden.

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2007