Forschungsstelle "Westfälischer Friede": Dokumentation

DOKUMENTATION | Ausstellungen: 1648 - Krieg und Frieden in Europa

Textbände > Bd. II: Kunst und Kultur

ECKHARD KLUTH
Kriegsgewalt zwischen historischer und allegorischer Darstellung - Plünderungen in der flämischen Malerei zur Zeit des Achtzigjährigen Krieges

Der heutige Mitteleuropäer assoziiert Krieg unmittelbar mit Bildern des Schreckens. Die Erinnerung an den Vietnamkrieg oder den Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien, um nur zwei kriegerische Ereignisse der jüngeren Zeit zu nennen, ist eng mit Bildern von Fliehenden und Verwundeten verknüpft. Das Leiden der unschuldigen Zivilbevölkerung gehört zu den Topoi jeder modernen Anti-Kriegs-Kampagne.

Solchermaßen sensibilisiert steht der heutige Betrachter fassungslos vor den Darstellungen von Plünderung, Mord und Verwüstung, die in Deutschland und Italien, vor allem aber in den Niederlanden in der Zeit des Dreißig- bzw. Achtzigjährigen Krieges geschaffen wurden. Vergleichbares entsteht, sieht man einmal von Goyas 1863 posthum veröffentlichter Radierungsfolge "Desastres de la Guerra" einmal ab, erst wieder im 20. Jahrhundert unter dem Eindruck der beiden Weltkriege. [1]

Aber zielten die Darstellungen von gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Soldaten und Dorfbewohnern in der frühen Neuzeit auf das Mitleid des Betrachters mit den Opfern? Wurde in einer Zeit, in der Armut den Ruch selbstverschuldeten Elends hatte, Mißgeburten und Krüppel gesellschaftliche Außenseiter waren und Hinrichtungen volksfestartigen Charakter annehmen konnten, Anteil genommen am Leid anderer? Verstellt nicht ein nachaufklärerisches Ethos dem heutigen Betrachter den Blick auf diese Bilder?

Die Grundlosigkeit von Leid ist es, die uns immer wieder von der "unschuldigen Zivilbevölkerung" sprechen läßt und Ursache ist für das namenlose Entsetzen mitfühlender Menschen. Bis ins 17. Jahrhundert hinein war im christlichen Abendland eine solche Sinnlosigkeit von Schicksalsschlägen nicht denkbar: In einer Welt, in der alles in Gottes Hand liegt, muß schließlich auch jedes menschliche Leiden seinen Sinn haben. Dieser Widerspruch, die Frage "Wie kann Gott dies zulassen?", die immer wieder an der Existenz Gottes zweifeln machte [2], wurde von den Kirchen des 17. Jahrhundert eindeutig beantwortet: Leid war Prüfung oder Buße für begangene Sünden, Folter wurde als Hilfe für die verirrte Seele auf dem Weg zur ewigen Erlösung gerechtfertigt, und Tod galt als Erlösung aus dem "irdischen Jammertal" - ob in Martyriumsvorstellungen, apokalyptischen Visionen oder in der Prädestinationslehre. [3]

Die Überfallenen sind Zivilisten aus dem Milieu der Bauern und kleinen Handwerker. Die Maler der Bilder aber entstammen, ebenso wie die Käufer, dem Bürgertum. Kriegserfahrung, direkte Berührung mit kriegerischer Gewalt oder ihren Auswirkungen, kann man angesichts der Dauer und des besonderen Charakters des niederländischen Aufstands bzw. Achtzigjährigen Krieges auch bei ihnen voraussetzen, dennoch findet Kriegsleid seinen Ausdruck fast ausschließlich in Darstellungen der unteren gesellschaftlichen Schichten. [4] Insofern gleichen Bilder von Kriegsleid denen des anderen Extrems, der überschwenglichen Freude in den ungleich populäreren Szenen mit feiernden Bauern.

Darstellungen von Bauernfesten wurden in den letzten Jahren mehrfach in Hinblick auf ihre didaktische Funktion und ihre soziale Bedeutung innerhalb einer bürgerlich-städtischen Elite befragt. Unter didaktischem Gesichtspunkt betrachtet, erscheinen sie als negative Tugendexempla, als Warnungen vor sinnlichen Ausschweifungen, sündigem Treiben und schöpfen hieraus ihre Daseinsberechtigung in einer streng moralischen Gesellschaft. [5] Als Darstellungen von "Anderen" [6] dagegen, Mitgliedern einer gesellschaftlich inferioren Gruppe, und ihrem unkultivierten bzw. untugendhaften Verhalten haben sie - soziologisch betrachtet - eine identitätsstiftende Wirkung: Künstler und Publikum projizieren in die Figuren der feiernden Bauern unerwünschte Verhaltensweisen - hierin modernen Vorurteilsstrategien nicht unähnlich -, um sich selbst ihrer eigenen sozialen Stellung zu versichern. [7] Das Spektrum reicht von derb-skatologischen Motiven bis zum differenzierten Spiel mit bedeutungshaft besetzten physiognomischen Details. [8] Während sich das Bürgertum selbst in kontrollierten Posen ins Bild setzen läßt, sammelt es Bilder von rauschhaft feiernden und sich der Sinnenlust hingebenden Dörflern. [9]

Woher aber kommt das Interesse an Plünderungsszenen? Wovon berichten die grausigen Darstellungen von hingemordeten Frauen und Männern in mal idyllischen, mal verwüsteten Dorflandschaften? Was macht dieses Thema bildwürdig?

Die Forschung interessiert sich derzeit vor allem für Darstellungen, die sich historisch anbinden lassen - was nur für wenige zutrifft. Diese seien zunächst kurz vorgestellt. Damit ist aber der Hintergrund, vor dem die übrigen stehen, nicht geklärt. Diesem gelten die daran anschließenden Überlegungen.

Thema, dies sei vorab noch bemerkt, sind hier Darstellungen direkter Gewalt zwischen Menschen, zwischen Soldaten und Zivilisten. Andere Darstellungen, in denen es vor allem um die Folgen der Plünderung, also Gefangennahme oder das geplünderte Gut, geht [10], gehören in andere Kontexte. Man sollte sich auch daran erinnern, daß nur ein Bruchteil der damals produzierten Bilder erhalten ist. Bereits in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ist diese Form von Gewaltdarstellung kein Thema mehr, und die folgenden Jahrhunderte werden sich kaum besonders um die Erhaltung der hier besprochenen Gemälde bemüht haben. [11] So stellt sich das heute vorhandene Bildmaterial als Ergebnis eines zufälligen "Auswahl"-Prozesses dar, und jeder forschende Umgang kann nur vorsichtige Annäherungen an die oben gestellten Fragen erbringen.

Wie bereits angedeutet, konzentriert sich die Forschung derzeit auf Plünderungs- und Überfallsdarstellungen, deren historischer Hintergrund entschlüsselbar ist. Um diese Verbindung aufzuzeigen, sei im folgenden auch jeweils an den Verlauf des Achtzigjährigen Krieges erinnert. [12]

Im Jahre 1566 überreichten die niederländischen Adeligen des Eedverbonds der spanischen Statthalterin Margarete von Parma eine Petition, in der sie gegen die Zentralisierungsbestrebungen Philipps II. protestierten. Diese Bestrebungen wurden als deutliche Mißachtung der überkommenen und verbrieften Rechte der niederländischen Stände durch die spanische Krone empfunden. In ihrer Ablehnung einer spanischen Zentralregierung stimmten die "Geusen" (Bettler), wie sie sich selbst nach einem bei der Überreichung der Petition in Brüssel gefallenen Spottwort nannten, mit den Calvinisten im Lande überein, denen die aggressive Gegenreformation in Form der Inquisition drohte. Allerdings waren die Interessenlagen verschieden: hier Bewahrung der traditionellen Autonomie ohne Ablehnung des Königtums als solchem, dort die Forderung nach Glaubensfreiheit, die in unüberbrückbarem Gegensatz zu den gegenreformatorischen Absichten Philipps II. stand. Diese unterschiedlichen Zielsetzungen und die daraus folgenden wechselnden Bündnisse sollten dem Verlauf des Ende der 1560er Jahre ausbrechenden Aufstandes immer wieder überraschende Wendungen geben.

Das Zentrum der Unruhen lag zunächst im Süden. Dort wurden sie von den selbstbewußten reichen Handelsstädten und dem Adel vorangetrieben. Radikale Gegenmaßnahmen der spanischen Krone, vor allem das Schreckensregiment Herzog Albas, das seinen Höhepunkt in der Verhaftung und Enthauptung der Grafen Egmont und Horne im Juni 1568 fand, führten zur weiteren Verschärfung des Konfliktes - die Enthauptung der beiden Grafen gilt als der eigentliche Beginn des Achtzigjährigen Krieges - und schufen, wenn man so will, zugleich die Grundlagen für die spätere Befriedung des Landes: Aus Furcht vor Repressionen flüchteten seit 1567 Tausende in die umliegenden Länder. Die großen Städte des Rheinlandes und der Nordseeküste, England sowie die nördlichen Provinzen der Niederlande waren bevorzugte Ziele der Flüchtlinge. Zurück blieben auf lange Sicht diejenigen, die bereit waren, sich mit den neuen Verhältnissen zu arrangieren und/oder sich eine Flucht nicht leisten konnten.

In diesem Klima gewinnen Darstellungen gewaltsamer Begegnungen zwischen Soldaten und Dorfbewohnern besondere Brisanz. Als Urbild gilt gemeinhin Pieter Bruegels d.Ä. Gemälde "Kindermord zu Bethlehem". [13] In der Anfangsphase des Achtzigjährigen Krieges entstanden, wird das Bild gerne als kritischer Reflex auf die Schreckensherrschaft des Herzog Alba gedeutet. Für eine solche Betrachtungsweise spricht, daß die beteiligten Reiter durch rote Kleidung bzw. die Dragonerrüstung als Spanier gekennzeichnet sind - der Anführer des Reitertrupps in schwarzer Rüstung wird gerne als Herzog Alba selbst identifiziert - und die Anwesenheit eines Herolds, der durch den Doppeladler auf seinem Rock als Bediensteter des Hauses Habsburg kenntlich gemacht ist. [14] Daß letzterer von flehenden Dorfbewohnern bedrängt wird, findet eine vielsagende Entsprechung im politischen Geschehen: Auf Betreiben der Stände sah sich Philipp II. 1573 genötigt, Alba abzuziehen und durch den gemäßigteren Don Louis Requesens y Zuñiga zu ersetzen. Bruegels Bilderfindung war ungemein erfolgreich, allein von Pieter Brueghel d.J. lassen sich noch heute 14 Varianten des "Kindermords zu Bethlehem" nachweisen. [15] Daher ist es schwer vorstellbar, daß es sich hier um direkte Kritik am König in Madrid handelt. Der eigentliche Sinn scheint vielmehr darin zu liegen, den Machtmißbrauch Albas anzuprangern, vergleichbar etwa dem Sentbrief Wilhelms von Oranien an Philipp II. aus dem Jahre 1573, in dem der Oranier - im Bild der Anmaßung des Tyrannen Herodes - Philipp II. vor Augen zu führen sucht, wie sehr der Hochmut Albas das Ansehen der spanischen Krone beschädige. [16] So gesehen, steht der "Kindermord zu Bethlehem" im Kontext des Themas "Gutes und schlechtes Regiment" und dient als negatives Exempel. Der Appell der Dorfbewohner an den habsburgischen Herold richtet sich an den spanischen König, sich als gerechter Herrscher zu erweisen und der Tyrannei seines Untergebenen ein Ende zu machen. Den späteren Reprisen Pieter Brueghels d.J. kommt in diesem Sinne nicht nur eine Memorialfunktion zu, sie aktualisieren die Mahnung, an die Schreckensherrschaft erinnernd, in veränderter Situation.

Der Krieg entwickelte sich bis zur Wende zum 17. Jahrhundert von einem allgemeinen Aufstand zu einem Krieg der nördlichen Provinzen gegen die vom Boden der südlichen Provinzen aus kämpfenden spanischen Truppen. Während der Norden, nicht zuletzt wegen der Innovationskraft der Flüchtlinge aus dem Süden, einen ungeahnten wirtschaftlichen Aufschwung erlebte und sich innerhalb weniger Jahrzehnte zu einer weltweit agierenden Wirtschaftsmacht entwickelte, vollzog sich im Süden lediglich eine Konsolidierung der Verhältnisse. Die Einsetzung von Erzherzog Albrecht von Österreich und der Infantin Clara Isabella Eugenia zu Statthaltern bescherte dem Süden eine beschränkte Autonomie. Das Paar hielt seine Untertanen an, die Spuren der vergangenen Kriegsjahre zu beseitigen, was einen leichten wirtschaftlichen Aufschwung mit sich brachte. Durch die Scheldeblockade blieb das ehemalige Weltwirtschaftszentrum Antwerpen zwar beeinträchtigt, aber die Nachfrage nach Kunst, Luxusgütern und Druckwerken regte die Stadt zu neuer kultureller Blüte an. [17] Die großen Flüsse bildeten eine natürliche Grenze zwischen den Landesteilen, die beide Parteien zu überwinden suchten, jedoch ohne dauerhaften Erfolg.

Das Erzherzogspaar auf spanischer Seite und die großen Handelsstädte im Norden konnten 1609 einen zwölfjährigen Waffenstillstand durchsetzen, was einer faktischen Anerkennung der Teilung des Landes gleichkam. Diesen "Treves" kommentierte der dem flämischen Künstlerkreis in Amsterdam entstammende David Vinckboons in einer Folge von vier Stichen. Die Feindschaft zwischen Bauern und Soldaten war schon im ausgehenden 16. Jahrhundert zum Stoff der niederen Literatur, Anekdoten, Lieder und Schwänke geworden. Stereotyp berichten sie davon, wie Soldaten versuchen, es sich auf Kosten der Bauern gut gehen zu lassen. Auf beiden Seiten werden List und Betrug eingesetzt, um den anderen zu überrumpeln oder sich gegen Übergriffe zu verteidigen, und nicht immer ist der Bauer am Ende der Dumme. [18] Der dialogischen Erzählstruktur dieser Geschichten entspricht in den Bildern die Reduzierung des Personals und die nahsichtige, auf eine Szene zugespitzte Darstellungsweise. Aus beidem folgt eine Tendenz zur Individualisierung der Figuren. In dem Bildpaar "Boerenverdriet"/"Boerenvreughd" [19] hatte Vinckboons bereits 1608 seine Sicht des Themas vorgestellt: Ebenso maßlos wie die Soldaten und ihre Entourage die Bauern auspressen, ist deren Rache. Während der Künstler in "Boerenverdriet" den Hang der Soldaten zu unangemessenem Luxus in Kleidung, Speis und Trank anprangert, mutieren die Bauern und besonders ihre Frauen in "Boerenvreughd" zu lächerlichen Furien, und die Soldaten suchen als echte Feiglinge das Weite. Ein Ende der Feindschaft ist nicht in Sicht, und so erscheinen die beiden Bilder als Ausdruck einer zyklischen Vorstellung dieses Antagonismus. [20]

Politisch aufgeladen wird das Thema erst, als der Verleger Boethius a Bolswerth die beiden Szenen, um zwei weitere Entwürfe Vinckboons' ergänzt, 1610 als Stichfolge herausgibt. Die ersten Blätter bieten lediglich Varianten bereits bekannter Konstellationen: Soldaten versuchen in ein Bauernhaus einzudringen, lassen es sich auf Kosten der Bauern gut gehen und werden von den Bauern wieder vertrieben. Erst im vierten Blatt wird der Kontext und die Deutungsabsicht deutlich: Während im Vordergrund Bauern und Soldaten gemeinsam zechen, tanzen und Karten spielen, sieht man im Hintergrund eine Schmiede, in der Waffen und Rüstungsteile umgeschmiedet werden - eine Anspielung auf das biblische "Schwerter zu Pflugscharen" (Jes. 2,4). Erst die Bildunterschrift stellt den Bezug zum zwölfjährigen Waffenstillstand, her. Unklar ist bis heute, welche Lesart Vinckboons bzw. Bolswerth für diese Kupferstichfolge vorgeschwebt hat. Viel hängt davon ab, wie stark der Betrachter den implizit negativ moralisierenden Aspekt der Festszenerie des letzten Blattes wertet. Nur wenn man bereit ist, das der Bauernfeststereotype [21] entsprechende Konfliktpotential von Tanz und Kartenspiel anzuerkennen, kann man Vorder- und Hintergrundszene als antithetische Gegenüberstellung lesen und die Stichfolge als eine Warnung vor falscher Sorglosigkeit angesichts des noch nicht erreichten wahren Friedens verstehen. [22]

Mit seiner kritischen Einstellung sollte Vinckboons recht behalten, denn es gelang den Friedensparteien auf beiden Seiten nicht, einen endgültigen Friedensschluß herbeizuführen. 1621 starb der Statthalter der südlichen Niederlande, Erzherzog Albrecht, einer der wichtigsten Fürsprecher des Friedens, ohne einen Erben zu hinterlassen. Die Regierungsgewalt über die südlichen Niederlande fiel daher wieder zurück an die spanische Krone. Auch dort vollzog sich ein Machtwechsel. Der junge König Philipp IV. bestimmte Gaspar de Guzman de Olivarez zu seinem leitenden Minister. Dieser strebte danach, die einstige Großmachtsstellung Spaniens in Europa wiederherzustellen, und glaubte fest daran, einen Krieg gegen die nördlichen Provinzen gewinnen zu können. Moritz von Oranien, dem Heerführer der Truppen der Generalstaaten, seinerseits war es gelungen, erste Ansätze zu neuen Friedensgesprächen zu unterminieren, und als spanische Truppen im Rheingraben den niederländischen Festungsgürtel zu sprengen drohten, war der Krieg bereits wieder in vollem Gange. Trotz aller Anstrengungen der beiden Seiten und bedeutender Schlachten kam es jedoch nicht zu entscheidenden und dauerhaften Erfolgen. Einzige Konsequenz war, daß die südniederländischen Provinzen wieder und wieder verheert wurden. In den 1630er Jahren gewann die Armee der Generalstaaten unter Friedrich Heinrich, dem Städtebezwinger, die Oberhand und konnte bedeutende Gebietsgewinne verzeichnen, was auch der Sieger von Nördlingen, Kardinalinfant Ferdinand, der nach dem Tode der Infantin Isabella Clara Eugenia zum Statthalter ernannt wurde, nicht verhindern konnte.

Anfang der 1620er Jahre schuf Sebastiaen Vrancx mehrere Gemälde-Varianten, die man heute als Darstellungen der Plünderung des Dorfes Wommelgem nahe Antwerpen durch die Truppen der Generalstaaten am 26. Mai 1589 identifiziert. [23] Der Trompeter im Hintergrund deutet an, daß es sich hier jedoch nicht um eine ziellose Plünderung handelt, Soldaten der Generalstaaten, so scheint es, führen hier eine - von der militärischen Führung gebilligte - Strafexpedition durch. Folgt man der von Joost Vander Auwera vorgeschlagenen Datierung, kommt man zu dem Schluß, daß Vrancx, das Ende des Waffenstillstandes vor Augen, in diesen Bildern seinen Zeitgenossen ein schreckliches Ereignis des vergangenen Krieges warnend vor Augen stellt. Überraschend ist, daß er eine solche Warnung, die sonst eher Gegenstand von Flugblättern ist, im Gemälde ausdrückt. Aufgrund des Materialwertes und der aufwendigen Herstellung kann man wohl ausschließen, daß Vrancx die Bilder aus eigenem Antrieb schuf. Da die Auftraggeber bzw. Abnehmer jedoch nicht bekannt sind, wird sich der Grund für Wahl des Themas und des Mediums kaum ermitteln lassen.

Wenn Vrancx und seine Schüler in anderen Gemälden Soldaten beim Überfall auf ein Dorf darstellen, herrscht heilloses Chaos. Militärische Obrigkeit bzw. Ordnungskräfte, wie in Bruegels "Kindermord zu Bethlehem" oder Vrancx' "Plünderung von Wommelgem", fehlen ganz. Daher kann man wohl annehmen daß hier Marodeure auf eigene Rechnung plündern. Die Bauern sind den Exzessen hilflos ausgeliefert. Die Grausamkeiten der Soldaten sind drastisch in Szene gesetzt, das Leiden der Opfer und ihre Gegenwehr aber gänzlich unheroisch. Es stellt sich die Frage, ob man hier nicht von einem ähnlichen Konzept ausgehen kann, wie es der 1633 entstandenen Radierungsfolge "Misères de la Guerre" des Jacques Callot zugrunde liegt [24]: die Darstellungen von Übergriffen marodierender Soldaten als Exempla schlechter militärischer Führung und als Aufforderung, durch Strafe und Belohnung ein gerechtes Regiment herzustellen.

Auch Peter Paul Rubens nimmt im Pompa Introitus Ferdinandi aus Anlaß des Regierungsantritts des Kardinalinfanten Ferdinand direkt Bezug auf die aktuelle Situation und greift hierzu auf das Überfallmotiv zurück. Im Janus-Bogen reduziert er die gewaltsame Begegnung zwischen Soldat und Zivilisten auf eine zentrale Szene [25]: im linken Bildfeld reißt ein Soldat eine Frau an den Haaren mit sich. Das Kind in ihren Armen droht zu Boden zu fallen und von dem Soldaten zertreten zu werden. Die Szene erscheint hier als Inbegriff entfesselter Kriegsgewalt - die Unterschrift lautet Saevities belli (Die Grausamkeiten des Krieges) -, als einzig mögliches Gegenbild zur auf der gegenüberliegenden Seite des Bogens personifizierten Tranquilitas Securitas. [26] Durch die antikisierende Rüstung des Soldaten rückt Rubens die Szene vom aktuellen Kriegsgeschehen ab, aber das Motiv als solches ist bereits aus früheren Plünderungsdarstellungen im zeitgenössischen Gewand bekannt. [27] Die Botschaft ist ebenso klar wie eindeutig: Rubens stellt den neuen Statthalter vor eine Entscheidung und zeigt deren mögliche Konsequenzen. Zugleich gibt er ihm, indem er ihm seine Amtsvorgängerin auf der Seite der Kräfte zeigt, den Janustempel zu schließen versuchen, seine Entscheidung bereits vor. Der Appell zeigte keine Wirkung und so hatte Rubens Anlaß, seine Vision der Schrecken des Krieges weiterzuentwickeln, bis zu der großartigen Allegorie im Palazzo Pitti, Florenz. [28]

Mit der Kriegserklärung Frankreichs an Spanien im Jahre 1635 sah sich die flandrische Armee an einer zweiten Front herausgefordert. Die südlichen Niederlande waren nun von zwei mächtigen Heeren umklammert. Ein 1635 geschlossenes Bündnis zwischen den Generalstaaten und Frankreich gegen Spanien beinhaltete bereits Pläne zur Aufteilung der südlichen Provinzen, mit denen auch viele Adelige aus dem Süden sympathisierten. Nach dem überraschenden Tod des Kardinalinfanten 1641 kam erst 1647 mit Erzherzog Leopold Wilhelm wieder ein Habsburger nach Brüssel, der eine Hofhaltung aufbaute und von dem kulturelle Impulse ausgingen. Militärisch waren die 1640er Jahre bestimmt durch französische Siege auf südniederländischem Terrain: Die südliche Frontlinie verschob sich nach Norden. Die Landgewinne Friedrich Heinrichs im Norden dagegen waren marginal. Durch ständige Übergriffe seiner Soldaten auf flämisches Territorium aber wurde der Handel der großen Städte empfindlich gestört. Hinzu kam, daß Spanien nicht in der Lage war, ausreichend Gelder für den Unterhalt der flandrischen Armee bereit zu stellen. Trotz der ständigen Übergriffe zeichnete sich aber deutlich ab, daß die nördliche Grenze entlang der großen Flüsse nicht gefährdet war. Die eigentliche Bedrohung lauerte im Süden, wo das mächtige Frankreich eine Stadt nach der anderen einnahm.

1648 wurde mit dem Friedensvertrag von Münster der Achtzigjährige Krieg beendet. Die Unterzeichnung des Vertrags gilt als Geburtstunde der unabhängigen niederländischen Republik und wurde als solche in den niederländischen Städten gefeiert. Auch in den südlichen Provinzen errichtete man Schaugerüste für die Friedensverkündigung und veranstaltete mehrtägige Feste.

Die nördlichen Provinzen wurden mit dem Vertrag in die Unabhängigkeit entlassen, was zwar faktisch nur die Festschreibung eines längst erreichten Status quo war, aber erstmals den Generalstaaten einen festen Platz innerhalb des diplomatischen Gefüges Europas und damit eine Stimme im internationalen Mächtekonzert zuwies. [29] Zugleich bedeutete es für den Norden Sicherheit und Frieden - dringend benötigt zur Konsolidierung des in der ersten Jahrhunderthälfte erlebten unerhörten wirtschaftlichen Aufschwungs und des weltpolitischen Gewichts. Die südlichen Provinzen aber waren bei den Friedensverhandlungen nicht vertreten. Als spanische Enklave in Nordwesteuropa waren ihre Interessen den militärstrategisch-machtpolitischen Erwägungen des Königs und seiner Räte in Madrid unterworfen. Und da Frankreich und Spanien noch nicht zum Frieden bereit waren, ging der Krieg auf südniederländischem Boden weiter.

David Teniers d.J. schuf 1648 ein Bildpaar "Bauernhochzeit" und "Soldaten überfallen ein Dorf" [30], das in diesem Zusammenhang besondere Aufmerksamkeit verdient. Die Zusammenstellung der beiden extrem gegensätzlichen Bildthemen - anders als Vinckboons kombiniert Teniers den Überfall mit einem reinem Bauernfest ohne Soldatenfiguren - wurde von Margret Klinge aufgrund der Datierung mit dem Friedensschluß in Verbindung gebracht: Teniers stelle hier dem Bild des Todes mit dem Bauernfest ein Bild des Lebens gegenüber. Entsprechend sei das Bildpaar als Ausdruck der Freude über den in Münster erreichten Frieden zu deuten. [31]

Formal sind die beiden Gemälde zu den kompositionellen Experimenten des Künstlers zu rechnen. Mit ihren nah an den Betrachter gerückten, monumentalen Kniefiguren stehen sie in Teniers' Werk allein da. Während er in seinen übrigen Bildern eher eine Distanz zum Betrachter aufbaut, haben diese beiden Stücke betont appellativen Charakter.

Im Vordergrund des "Überfalls" bedroht ein Soldat mit gespannter Pistole ein altes Paar, hinter dem ein klagender Jüngling kauert. Im Mittelgrund liegen erschossene Männer am Boden, hinten dringen Soldaten mit einem Rammbock in ein Haus ein. Die Gruppen eng beieinander stehender und das Geschehen beobachtender Soldaten weisen darauf hin, daß hier nicht einfach eine Plünderung gezeigt ist. Es fällt auch auf, daß nur junge Männer getötet wurden. Frauen und alte Männer, bevorzugte Opfer in den anderen bis hierhin besprochenen Plünderungsszenen, beklagen den Tod der wehrfähigen Männer des Dorfes. Dies läßt an ein Strafgericht denken, vergleichbar dem Bethlehemitischen Kindermord Bruegels. Die beiden Alten flehen also nicht um ihr eigenes Leben, sondern um das des jungen Mannes, der sich hinter ihnen versteckt hat. Noch haben sie Hoffnung: Der Alte hat die gefalteten Hände bittend erhoben und den Kopf demütig gesenkt, seine Frau hält dem Soldaten einen Geldbeutel entgegen. Es bleibt offen, ob ihr Flehen Erfolg hat oder ob der Jüngling das Schicksal seiner erschossenen Altersgenossen teilen wird.

Teniers begibt sich mit dieser emotional aufgeladenen Szene auf ungewohntes Terrain. Die Extreme sind seine Sache nicht, und wohl deshalb wirkt der Ausdruck des Soldaten und auch des flehenden Jünglings nicht ganz überzeugend. Die Mimik des Soldaten, konventionelle Züge eines Cholerikers [32], bleibt formelhaft, und auf die Emotion des jungen Mannes kann man nur aus dem narrativen Kontext schließen. Auch die beiden Alten bleiben seltsam neutral, dieselben Typen erscheinen in dem ebenfalls 1648 gemalten Bild "Die Geizigen" [33] mit ebendemselben Gesichtsausdruck. Teniers lehnt sich deutlich an die Meister der Rubens-Schule an, erreicht aber nicht deren erzählerische bzw. emotionale Dichte. Dies mag erklären, warum der "Überfall" das einzige Gemälde dieser Art im Oeuvre des Malers ist.

Im "Bauernfest" greift Teniers auf ein Bildthema zurück, daß seine Blütezeit in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts hatte: das Geleit des Hochzeitspaares ins Brautgemach. Die Anordnung der Vordergrundfiguren geht direkt auf einen Stich Pieter Baltens' zurück, dessen Unterschrift auf den satirischen Kontext des Themas verweist [34]: Der angesichts des Unbekannten, das sie in der Hochzeitsnacht erwartet, vor Angst in Tränen aufgelösten Braut wird versichert, daß sie hinterher wieder lachen werde. Teniers weicht allerdings in einem wichtigen Detail von der Vorlage ab: Traditionell tragen flämische Bräute als Zeichen ihrer Jungfräulichkeit ihr Haar am Hochzeitstag offen, ein Brauch, dem Teniers sonst ausnahmslos folgt. Ihr betrübter Gesichtsausdruck und ihre sittsame Haltung können nicht darüber hinwegtäuschen: Hier heiratet ein gefallenes Mädchen. Ihrem Bräutigam verleiht der Maler Haltung und Physiognomie eines angetrunkenen Tunichtguts. Auch hier geht er über das für ihn übliche Maß der negativen Charakterisierung einer Bildfigur hinaus. Fast vom Schatten des Hauses links verborgen ist die dritte Figur der Vordergrundgruppe, der alte Dudelsackspieler. Einfach zu erlernen, war der Dudelsack schon von jeher ein Bauerninstrument. Seine Form hat die Künstler schon früh angeregt, ihn als sexuelle Anspielung einzusetzen. Wie um dies zu betonen, wählte Teniers einen Satyrkopf als Dekor für die Schalmei, der leicht auch als Teufelsfratze gesehen werden kann. Gemeinsam kann man in den drei Vordergrundfiguren Verkörperungen der niederen Triebe, bzw. der Triebhaftigkeit sehen.

Dieser Befund widerspricht offensichtlich der Deutung Klinges, denn als Bild des Friedens mag diese negativ aufgeladene Komposition nicht so recht taugen. Nun wird Teniers das Thema der Plünderung 1648 nicht zufällig gewählt haben, und man darf wohl einen Bezug zum Frieden von Münster vermuten - wenn auch nicht in dem bisher angenommenen Sinne.

Außer im historischen Kontext werden seit den 1560er Jahren Plünderungen auch in einem anderen Bezugsrahmen dargestellt. Anders als bei den bisher besprochenen Darstellungen beginnt dieser bislang wenig beachtete Strang jedoch in der Druckgraphik.

In einer um 1570/72 entandenen Stichserie [35] wird das Thema nach dem Schema der "Folgen des Reichtums"-Serien entwickelt: Blatt 1 zeigt die weibliche Personifikation der Niederlande - im folgenden der Einfachheit halber "Belgica" genannt - im Wohlstand inmitten ihrer werktätigen Kinder, durch Mauerkronen als Personifikationen der Städte gekennzeichnet, in Blatt 2 ist sie mit allen Attributen des Hochmuts versehen, ihre Kinder streiten über Bücher - die Religion, so die Unterschrift. Der Terror Herzog Albas erscheint in Blatt 3 als Folge von Hochmut und Streit: Die nackte Belgica wird mit Füßen getreten, ihre Kinder werden auf grausame Weise zu Tode gebracht. Blatt 4 zeigt die demütige Belgica im Gebet. Vom Himmel herab wird sie gekrönt, während der Tyrann ins Fegefeuer stürzt. Das Schreckensregiment Albas wird hier als göttliches Strafgericht dargestellt, das Leid als gerechte Strafe für früheren Hochmut gedeutet. Es besteht offensichtlich ein historischer Bezug, aber der Zusammenhang von Hochmut und Strafe, Demut und Erlösung deutet über das Tagesgeschehen hinaus. Dem Betrachter wird ein Erkärungsmuster für die Greuel der letzten Jahre angeboten.

Dieses Motiv wird in den folgenden Jahren weiterentwickelt und dabei auf den Gegensatz von Strafe und Demut zugespitzt. Es entsteht eine Vielzahl von Darstellungen, in denen Belgica ausgestattet mit den Attributen der Patientia mitten in eine Plünderungsszenerie plaziert oder den direkten Angriffen marodierender Soldaten ausgesetzt ist. [36] Sowohl in dem "Patientia"-Stich Gillis van Mostaerts (1585) als auch in Gerard de Jodes Stich "TYPVS BELGICAE CALAMITATIS EXACTISSIMVS" (1587) findet sie angesichts des brutalen Hintergrundgeschehens einzig Trost im christlichen Glauben. [37] Es ist nicht sicher, wann dieses Verständnis des Themas Eingang in die Malerei fand, dieser Schritt muß sich aber spätestens im ersten Viertel des 17. Jahrhunderts vollzogen haben.

So sieht man in der "Plünderung von Wommelgem" des Sebastiaen Vrancx im linken Mittelgrund eine einzelne am Boden sitzende Frau, die, die Hände ringend, gen Himmel schaut. Vom übrigen Bildgeschehen isoliert, erinnert sie an die Patientia-Figuren der frühen Druckgraphik. Vrancx fügt so der bereits angedeuteten Botschaft subtil einen weiteren Aspekt hinzu: die Warnung vor dem Hochmut dessen, der glaubt, siegen zu können.

Einen weiteren Hinweis findet man in der in Zusammenarbeit Jan Brueghels d.Ä. mit Hendrik van Balen 1617/18 entstandenen Allegorie des Gesichts und des Geruchs. [38] Dort sitzt die Personifikation des Gesichtssinnes an einem mit Preziosen bedeckten Tisch und schaut versonnen auf ihr Antlitz in einem Spiegel, ein traditionelles Superbia-Motiv. [39] In ihrem Rücken zeigen die beiden Maler nebeneinander eine Darstellung der Geburt Christi, eine Plünderungsszenerie, die deutlich an Sebastiaen Vrancx' Plünderungen angelehnt ist, und eine Landschaft mit Eremiten als Teil einer beziehungsreich arrangierten Bilderwand. Daraus, daß auch hier Hochmut, Strafe, Buße und der Verweis auf die Erlösung durch Christus (dieser im Bildzentrum) nah beieinander stehen, kann man schließen, daß in Plünderungsdarstellungen potentiell immer noch der Gedanke an ein göttliches Strafgericht mitschwingt.

Undatiert, wohl nach den Darstellungen Vrancx' und Brueghels, aber noch in der ersten Jahrhunderthälfte entstanden, ist ein Gemälde des Daniel van Heil. [40] Er lehnt sich wieder enger an die Patientia-Darstellungen des 16. Jahrhunderts an, indem er die Personfikation in den Bildvordergrund plaziert und im Bild durch eine Inschrift benennt. Ihr zu Füßen liegt links ein erstochenes Lamm, ihr Attribut, rechts sieht man die nackten Leiber ermordeter Kinder - das Motiv des Kindermords klingt wieder an. Während die Dorfbewohner ihre Peiniger mit erhobenen Händen um Gnade bitten, hat Patientia den Blick auf das Kruzifix in ihren Händen gerichtet. Das Leiden der Dorfbewohner wird als Prüfung begriffen, vergleichbar dem Leiden Christi am Kreuz. Durch den herabschwebenden Engel, der Patientia bekränzt, wird direkt auf die himmlische Erlösung aus irdischem Leid verwiesen.

Vor dem Hintergrund dieser Motivtradition gewinnen die Teniers-Pendants einen neuen Sinn: Der offensichtlichen Sündhaftigkeit der Figuren im Bauernfest folgt mit der Plünderung die Strafe. Kirchtürme, die sich in beiden Bildern in den Himmel recken, verweisen auf das Heil im Glauben. Die beiden Alten bemühen sich noch, den schrecklichen Soldaten mit Geld und guten Worten zu besänftigen, aber erst die christliche Demut kann wirkliche Erlösung bringen. Im Jahr des Friedens von Münster zeigt Teniers ein Dorf, dessen junge Männer hingemordet wurden. Ein letzter bangt noch um sein Leben. Bei aller künstlerischen Schwäche: Die Friedensmahnung könnte angesichts des andauernden Kriegszustandes mit Frankreich nicht deutlicher sein.

Es zeigt sich, daß Darstellungen von Plünderungen während des Achtzigjährigen Krieges mehr sein können als nur Hinweise auf, bzw. Reflexe von historischen Ereignissen. Sie können zugleich ein allegorisches Deutungsmuster transportieren, das sich von unserer heutigen Wahrnehmung solcher Darstellungen grundlegend unterscheidet: Die Schrecken des Krieges, das durch marodierende Soldaten verursachte Leid wird als göttliche Strafe für Hochmut gedeutet, nur Umkehr und Buße können dem Leiden ein Ende bereiten. [41]

Es ist anzunehmen, daß das Deutungsspektrum von Plünderungsdarstellungen hierdurch nicht ausgeschöpft ist, andere Kontexte sind denkbar - auf die satirische Verarbeitung des Themas wurde bereits hingewiesen, daneben wäre aber etwa auch die humanistisch-literarische Tradition der Friedensmahnung zu nennen. In welchem Kontext die einzelne Komposition steht, läßt sich pauschal nicht beantworten, sondern ist für jede Darstellung individuell zu untersuchen.



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ANMERKUNGEN


1.Vgl. besonders Ausst.kat. Ludwigshafen 1983; Ausst.kat. Hamburg 1987/88

2. Die Existenz des Bösen in der Welt bewegt die Theologie seit ihren Anfängen, erst seit Leibnitz jedoch wird die Frage nach der Theodizee in einem modernen Sinn beantwortet. In der frühen Neuzeit war die vor allem mit der Hiob-Geschichte verknüpfte Kritik eine unbedeutende Unterströmung, Lehrmeinung der Kirche war immer noch, daß das Leid in Gottes Plan seinen Sinn als Prüfung findet, mithin ein didaktisches Mittel Gottes ist. Die Literatur zum Thema ist überreich, zur allgemeinen Einführung sei verwiesen auf Schrey 1957/65.

3. Vgl. hierzu Ariès 1985; Puppi 1991 und besonders die Einleitung zu Meumann 1997 mit weiterer Literatur.

4. Ausnahmen sind hier Darstellungen von Jakob Duck, dem das Plünderungsthema, ähnlich wie Willem Duyster, als Vorwand diente, allerlei Preziosen und wertvolle Stoffe darzustellen und so seine künstlerischen Fertigkeiten vorzuführen. In solchen Darstellungen finden sich häufig auch vornehm gekleidete Figuren als Opfer der Plünderungen (z.B. Jacob Duck, Eine flehende Frau vor zwei Offizieren; Aschaffenburg, Staatsgalerie; Ausst.kat. Naarden 1996, S. 17, dort weitere Beispiele)

5. So die vorherrschende ikonographische Deutung seit Jongh 1967; vgl. hierzu auch Brown 1984 und Haak 1984, S. 70-98, die die gängige Interpretationsmuster zum Genre zusammenfassen.

6. Der Begriff wird hier im Anschluß an Todorov 1985, S. 221 verstanden und drückt die Ambivalenz der Art und Weise, wie sich die bürgerlich-höfische Gesellschaft des 17. Jahrhunderts in ihrer Beschreibung Außenstehender - also Anderer - selbst spiegelt (kritisch, affirmativ oder indifferent), aus.

7. Vandenbroeck in: Ausst.kat. Antwerpen 1987, S. 141-151.

8. Sullivan 1994, S. 77-90.

9. Daß neben diesen negativen Konnotation auch immer wieder arkadische Sehnsüchte mitschwingen, kann hier nur festgestellt werden, vgl. hierzu Kluth 1996, S. 326f.

10. Z.B. Joost Cornelisz. Droochsloot, Plünderung, 1626; Leinwand, 64,9 x 147,4 cm; Utrecht, Centraal Museum, wo eine geordnete Reiterkavalkade Wagen und Gefangene davonführen, oder Pieter Molyn, Plünderung, 1630; Holz, 32,5 x 55 cm; Haarlem, Frans Halsmuseum, wo das Plünderungsgut in malerischen Haufen den Bildvordergrund dominiert.

11. Augenfälligstes Beispiel sind hier die Übermalungen auf Pieter Bruegel's "Kindermord zu Bethlehem" in Hampton Court. Wohl noch im 17. Jahrhundert wurden hier die Körper der ermordeten Kinder durch Geflügel und Kleinvieh ersetzt (vgl. Marijnissen 1988, S. 283ff., Abb. S. 284).

12. Die folgenden Passagen zur Geschichte des Achtzigjährigen Krieges beruhen im wesentlichen auf Lademacher 1983, S. 34-78, 137-142; Roosbroeck 1972; Block 1977ff., V-IX; Parker 1975; Israel 1995; Groenveld 1991; Groenveld/Leeuwenberg 1985.

13. Pieter Bruegel d.Ä., Kindermord zu Bethlehem, um 1566; Holz, 109,2 x 154,9 cm; Hampton-Court, Königliche Sammlungen - da das Gemälde durch Übermalungen des 17. Jahrhunderts bis zur Unkenntlichkeit entstellt ist (vgl. Anm. 11), wird hier die Version des Kunsthistorischen Museums zu Wien abgebildet. Diese wörtliche Kopie, die heute Rückschlüsse auf das ursprüngliche Aussehen des Hampton Court Bildes gibt, gilt heute als Werk Pieter Breughels d.J. und wurde als solche jüngst in Wien ausgestellt, vgl. Ausst.kat. Essen/Wien/Antwerpen 1997/98, S. 322-326, dort weitere Literatur.

14. Vgl. hierzu: Ferber 1966; Fishman 1982, S. 22-25; Maarseveen 1998, S. 150f.

15. Allein von Pieter Brueghel d.J. lassen sich heute noch 14 Versionen dieses Bildes nachweisen. Ein interessanter Aspekt ist in diesem Zusammenhang auch, daß das Hampton Court Bild mit großer Wahrscheinlichkeit aus der Sammlung Rudolfs II. stammt, vgl. Ausst.kat. Essen/Wien/Antwerpen 1997/98, S. 322ff.

16. Vgl. Tanis/Horst 1993, S. 30..

17. Ausst.kat. Antwerpen 1993.

18. Hierzu Fishman 1982, S. 4ff., 33ff.

19. David Vinckboons, Boerenverdriet/Boerenvreughd, 1608/09; Amsterdam, Rijksmuseum.

20. Fishman 1982, S. 44.

21. Vgl. hierzu Raupp 1986, S. 134ff.; Kluth 1996, S. 52-57.

22. Zur Deutung der Vinckboons-Folge Goossens 1954, S. 41, 83f.; Czobor 1963; Fishman 1982, S. 31-44; Kat. Amsterdam 1987, S. 160.

23. Vgl. hierzu den Aufsatz von Joost Vander Auwera in diesem Band, dort weitere Literatur.

24. Vgl. hierzu den Aufsatz von Marie Richard in diesem Band. Zu der Stichfolge des Monogrammisten CR (Christian Richter), wo ein ähnliches Nebeneinander von Gewalt und Strafe zu finden ist, vgl. den Aufsatz von Martin Knauer, ebenfalls in diesem Band.

25. Peter Paul Rubens, Janus-Bogen, Ölskizze, 1633; St. Petersburg, Eremitage.

26. Vgl. Varshavkaya/Jegorowa 1989, S. 176-180 mit Lit.

27. Vgl. Sebastiaen Vrancx, Plünderung von Wommelgem, 1615/20; Düsseldorf, Kunstmuseum (Abb. Van der Auwera Nr. 4), im Vordergrund rechts zieht ein Soldat eine am Boden liegende Bäuerin an den Haaren hinter sich her. Ihr Kind liegt schutzlos am Boden. Auch im Merkurbogen des Pompa Introitus Ferdinandi stellt Rubens den Personifikationen von Pax und Abundantia eine aus der Genremalerei entlehnte Szene gegenüber: eine hungernde Bauernfamilie - allerdings ohne historisierende oder allegorisierende Verbrämung. Auch hier steht die Genreszene für die Schrecken des Krieges (Martin 1972, S. 182-184).

28. Peter Paul Rubens, Die Schrecken des Krieges, 1637/38, Florenz, Palazzo Pitti.

29. Vgl. hierzu den Aufsatz von Simon Groenveld in diesem Katalog.

30. David Teniers II.; Bauernhochzeit, 1648; Wien Kunsthistorisches Museum und David Teniers II., Soldaten überfallen ein Dorf, 1648; Wien, Kunsthistorisches Museum; Ausst.kat. Antwerpen 1991, Nr. 60a und b.

31. Ausst.kat. Antwerpen 1991, S. 180.

32. Das cholerische Temperament wird gleichermaßen Bauern und Soldaten zugesprochen. Vgl. Hieroymus Boschs "Tafel mit den 7 Todsünden", Madrid, Museo del Prado, Haak 1984, S. 87f.; Pieter Brueghel II. "Söldnerkopf" Montepellier, Musée Fabre (vgl. hierzu Sullivan 1994, S. 77ff., bes. S. 84; zur Zuschreibung vgl. Ausst.kat. Essen 1996, Nr.119); Joachim von Sanrart, Allegorie des Zorns, um 1630; St. Petersburg, Eremitage (Kat. St. Petersburg 1987, S 139).

33. David Teniers II., Die Geizigen, 1647; London, National Gallery; Ausst.kat. Antwerpen 1991, Nr. 61.

34. Pieter Baltens, Die traurige Braut, Radierung, 17,8 x 22,8 cm; Hollstein-B-1, S. 81, Nr. 4 (Bildunterschrift: "Maintenant plorer icy voyez l'Epuosee, / Qui de rire au lict se tient bien aßuree. // Nu schreyt de bruyt, nochtans ick wedde, / Sy sal weder lachen, asl sy is te bedde"), zum Bildthema vgl. Renger 1977.

35. Anonym, Die Weltkugel mit Allegorien auf die Niederlande (Serie in 4 Blättern), ca. 1570/72; Radierungen, ca. 17,2 x 21,5 cm; vgl. Mcgrath 1975, S. 186, Anm. 21; Tanis/Horst 1992, Nr. 23.

36. Vgl. hierzu McGrath 1975; Boon 1982..

37. Vgl. hierzu McGrath 1975, S. 195ff., Taf. 34a und 34d.

38. Jan Brueghel d.Ä., Hendrik van Balen, Allegorie des Gesichts und des Geruchs; Leinwand, 176 x 264 cm; Madrid, Museo del Prado, Inv.Nr. 1403. Zur Deutung vgl. Ertz 1979, S. 356-362, Nr. 332.

39. Vgl. Jongh 1973.

40. Daniel van Heil (zugeschr.), Plünderung eines Dorfes, Stockholm, Nationalmuseum Inv.Nr. 3990; McGrath 1975, S. 196, Taf. 34b; die Zuschreibung an van Heil erfolgte in Kat. Stockholm 1990, dort S. 166.

41. Diese Vorstellung deckt sich mit Tendenzen der zeitgenössischen Dichtung, vgl. den Aufsatz von Martin Brecht im ersten Band dieses Kataloges.



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