DOKUMENTATION | Ausstellungen: 1648 - Krieg und Frieden in Europa | |
Textbände > Bd. II: Kunst und Kultur |
WOLFGANG LIPPMANN Architektur zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges: Kirchen und Schlösser im deutschsprachigen Raum* |
Die Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges waren in den einzelnen Regionen sehr
unterschiedlich: Während einige Gebiete unter dem Krieg sehr zu leiden
hatten [1], waren andere Gegenden weniger betroffen. Auch entflammten
die Kämpfe nicht gleichmäßig in allen Teilen des Heiligen
Römischen Reiches Deutscher Nation. Deshalb kann man auch von keiner
einheitlichen Entwicklung der Architektur im deutschen Raum
sprechen.
In den habsburgischen Gebieten wurden im
ausgehenden 16. Jahrhundert kaum bedeutende Bauwerke errichtet, da
sämtliche Gelder für die Türkenkriege benötigt wurden. Wenn
etwas in dieser Zeit gebaut wurde, waren es prinzipiell Festungen in den
ungarischen Grenzgebieten. Um 1600 kann man von einem zaghaften Neuanfang in der
Baukunst in Wien sprechen - 1603 wurde mit dem Bau der Franziskanerkirche
begonnen und um 1607 die Jesuitenkirche am Hof barockisiert. Zum eigentlichen
Aufschwung im Bauwesen kam es in Wien jedoch erst um 1618, nachdem Kaiser
Matthias seine Residenz in die Stadt verlegt hatte. In kurzen Abständen
wurden gleich mehrere Ordenskirchen gegründet bzw. erneuert. [2]
Gleichzeitig wurden in den anderen habsburgischen Gebieten um 1620/30, also zu
einer Zeit, in der im deutschen Raum die Bautätigkeit zum Stillstand kam,
zahlreiche größere Bauprojekte in Angriff genommen: Die Klöster
Kremsmünster und Göttweig begannen um 1620 mit der Modernisierung
ihrer Kirchen, in den Klöstern Seckau (seit 1619/25) und St. Lambrecht
(1639/40-ca. 1660) galt die Erneuerung vorrangig den Klostergebäuden. In
Innsbruck wurde die ehemalige Jesuitenkirche 1619-1622 begonnen, allerdings erst
1646 fertiggestellt, und zwischen 1628 und 1630 entstand ein großes
Komödienhaus. Bei Graz wurde seit 1625 ein prächtiges Schloß
errichtet: Schloß Eggenberg. [3] 1628 konnte nach
mehrjähriger Bauzeit der Salzburger Dom in Anwesenheit fast sämtlicher
Mitglieder der katholischen Liga feierlich eingeweiht werden. [4] Wie in
vielen anderen Städten konzentrierten sich die Aktivitäten in den
Jahren nach 1620 auch in Salzburg auf den Ausbau der
Stadtmauer.
Von den Kriegsereignissen weitgehend
verschont blieben auch Böhmen und Mähren, wo nach der Schlacht am
Weißen Berg 1620 trotz der in den benachbarten Regionen andauernden
Kämpfe eine gewisse Ruhe eintrat. In diesen Gebieten wurden im Gegensatz zu
Bayern nicht nur Sakralbauten, sondern auch zahlreiche Adelssitze und
Schlösser errichtet.
Zu einer ähnlichen
Entwicklung kam es auch im Herzogtum Bayern, das von Anfang an durch seine
Beiträge an die Liga zwar finanziell geschwächt war, von den
Kriegsereignissen jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt betroffen wurde.
Es verwundert daher nicht, daß noch während des
Dreißigjährigen Krieges bis zu Beginn der dreißiger Jahre
zahlreiche Gebäude errichtet wurden: Größtenteils handelt es
sich dabei um Kirchen. Zahlreiche Ordens- und Wallfahrtskirchen entstanden durch
die Unterstützung der Wittelsbacher, die sich als Schutzmacht des
Katholizismus in Deutschland fühlten und intensiv für die
Stärkung der katholischen Kirche in ihren Territorien
eintraten. [5] Eine zentrale Rolle spielten in Bayern die Jesuiten, die
in dem Zeitraum von 1556 bis ca. 1630 fast zwanzig Niederlassungen
gründeten und auch noch nach dem Ausbruch des Krieges einige Ordenskirchen
neu errichteten. [6]
Aber auch
verschiedene Klosterkirchen [7] und vor allem Wallfahrtskirchen wurden
in den Jahren zwischen 1618 und 1630 errichtet: St. Michael in Violau
(1617-1620) und die Kapelle zu den fünf Heiligen in Aislingen (1629/30),
beide in der Nähe von Dillingen, die Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariae
Himmelfahrt in Tuntenhausen (1628-1629, Weihe 1630) sowie die in mehreren
Bauetappen zwischen 1635 und 1642/43 ausgeführte Kapelle Maria Eck bei
Traunstein. Ob diese Stiftungen in Bayern aus der historischen Situation heraus
zu erklären sind - als Ausdruck einer stärkeren Hinwendung zur
Religion angesichts der drohenden Kriegsgefahr?
In
der Freien Reichsstadt Augsburg, die erst 1632 in die Kriegsereignisse
verwickelt wurde, von da an jedoch Belagerungen und Besatzungen
unterschiedlicher Heere ertragen mußte, hatte man bis 1618 am Bau des
Rathauses gearbeitet, dessen Innenausstattung 1624 vollendet wurde. Auch in der
Freien Reichsstadt Nürnberg war man von 1616 bis 1622 damit
beschäftigt, das Rathaus durch einen imposanten Neubau zu erweitern. Beide
Bauwerke konkurrieren in ihrer aufwendigen Ausstattung mit Schloßbauten
der Zeit, was ihrer Rolle als Repräsentationsbauten der reichen
Handelsstädte entspricht.
Nach Kriegsbeginn
bemühten sich mehrere Städte, ihre Stadtmauern den neuen
Bedürfnissen der Wehrtechnik anzugleichen: In München legte man
mächtige Bastionen vor den Stadttoren an. Gleicherweise begann Bremen 1623
große Wallanlagen zu errichten, und Lübeck beschleunigte 1621 seinen
seit 1595 beschlossenen Ausbau des Bastionssystems (zur Vollendung kam es jedoch
erst um 1660/70). Auch in Ulm setzte man die zu Beginn des Jahrhunderts
begonnene Verstärkung der Bastionen und Außenwerke fort und baute
somit die Stadt 1616-1623 zu einer wichtigen Befestigung der Union aus. Relativ
spät (1627) entschied Frankfurt, eine entsprechende Wehranlage zu
errichten, die erst Ende des Jahrhunderts fertiggestellt wurde. Das Bistum Mainz
spielte wegen seiner zentralen Lage an Rhein und Main stets eine wichtige Rolle:
Nachdem der Ausbau der Stadtbefestigung zu Beginn des 17. Jahrhunderts nur
schleppend vorangegangen war, begann man 1620 mit den Arbeiten an der
Jakobsfeste, damals Schweickhardtsburg genannt; an ihr wurde noch gebaut, als
die Stadt unter schwedischer Besatzung war. Gustav Adolf, der Mainz zu seinem
Stammquartier machte, ließ zudem auf der gegenüberliegenden
Rheinseite 1631 eine Militärstadt anlegen, die sogenannte Gustavsburg, die
schon vier Jahre später nach dem Abzug der schwedischen Truppen
zerstört wurde. [8]
I.
Sakralbau
Die Konflikte zwischen protestantischer
und katholischer Konfession hatten großen Einfluß auf die
Traktatliteratur des 16. Jahrhunderts. Vor allem auf protestantischer Seite gab
es immer wieder Bestrebungen, die Kirchen auch in ihrer architektonischen Form
von den katholischen Sakralbauten abzugrenzen. [9] Schon Johannes Calvin
hat sich in seiner Schrift "Institutiones Christianae religionis" von 1536 gegen
die "Dei habitacula" [10], die prachtvollen Gotteshäuser,
geäußert. Johannes Aeschardt wendet sich 1617 in seinem Werk
über den Kirchenbau ("Examen disputationis R. Bellarmini de Templis")
ebenfalls gegen die unnötige Verschwendung beim Bau von Kirchen und
fordert, daß man das Geld eher für christliche
Wohltätigkeitszwecke verwenden solle. [11] Doch darüber hinaus
sucht man in den Texten vergebens nach konkreten Angaben über die Form und
das Aussehen protestantischer Kirchenbauten. Lediglich auf die Vorbildlichkeit
des Salomonischen Tempels wird öfters verwiesen, der damals meistens als
dreigliedriger Längsbau, z. T. auch in basilikaler Form, rekonstruiert
wurde. Joseph Furttenbach stellt in seinem Traktat "Architectura civilis" von
1628 hauptsächlich den Florentiner Dom vor und entscheidet sich somit
für einen dreischiffigen Längsbau mit freistehenden Stützen und
einer mit Zentralbauten vergleichbaren Dreikonchenanlage. [12] In dem
posthum von seinem Sohn veröffentlichten Werk über das
"KirchenGebäw" von 1649 sind seine Vorstellungen über die
Kirchenarchitektur sehr viel differenzierter dargelegt. Furttenbach stellt sich
nun seine Idealkirche als einen Nutzbau ohne großen ästhetischen
Aufwand vor: einen einfachen Rechtecksaal ohne Gewölbe (wegen der besseren
Akustik) und ohne Stützen (wegen der besseren Sicht) sowie
freihängende Emporen, die er "Bühnen" nennt. Oberhalb der kleinen
Chornische sollte sich eine Bibliothek befinden, von der aus man direkt zur
Predigtkanzel gelangt. [13]
Wenn schon in
der Architekturtheorie keine eindeutige Aussage über die Form der
protestantischen Kirchen festzustellen ist, so darf es nicht überraschen,
wenn in der Baupraxis gelegentlich sehr widersprüchliche Lösungen
gefunden wurden. Eine eigene Raumschöpfung der protestantischen
Sakralarchitektur stellen die evangelischen Schloßkapellen dar, die im 16.
und 17. Jahrhundert hauptsächlich im sächsischen Raum und in den
östlichen Gebieten des Reiches errichtet wurden. [14] Die erste
ihrer Art wurde 1543/44 im Schloß Hartenfels bei Torgau errichtet und von
Luther geweiht, weshalb man vermutet, daß er auch ihr Aussehen mitbestimmt
hat. [15] Es handelt sich um eine 23 m lange Saalkirche mit einem
spätgotischen Gewölbe und seitlichen Doppelemporen. Der Altar steht
vor der Abschlußwand, die von einer großen Musikerempore eingenommen
wird; ein Chorraum ist nicht vorhanden. Diese Kirche diente immer wieder als
Vorbild für die protestantische Kirchenbaukunst der darauffolgenden
Jahrzehnte.
Die gotischen Architekturformen
dürften um 1600 als bewußter Gegensatz zu den Renaissance- bzw.
nunmehr frühbarocken Formen Italiens, des Zentrums des Katholizismus,
gewählt worden sein. Daß dieses Prinzip jedoch nicht immer
eingehalten wurde und nach 1600, als überall im deutschen Raum
verstärkt Renaissanceformen auftraten, auch protestantische Kirchen
"moderne" italienische Architekturformen aufwiesen, zeigen die beiden
bedeutendsten Kirchenneubauten im Weserraum, die Stadtkirche in Bückeburg
(1610-1615) und die wenig zuvor begonnene Hauptkirche Beatae Mariae Virginis in
Wolfenbüttel (ca. 1608-1620): Sie folgen zwar dem traditionellen gotischen
Prinzip der Hallenkirche, einige Details aber - wie die Kapitelle der
Säulen - sind in den für die damalige Zeit modernen Renaissanceformen
ausgeführt.
Besondere Bedeutung gewinnt in
diesem Kontext der Bau zweier Kirchen: der Hofkirche Unsere Liebe Frau in
Neuburg und der ehem. Dreifaltigkeitskirche in Prag. Der evangelische Herzog
Philipp Ludwig wünschte für den 1603 beschlossenen Kirchenneubau in
Neuburg a. D. eine repräsentative Kirche im italienischen Stil mit zwei
flankierenden Türmen, die durch eine Kuppel bekrönt sein sollte. Er
wollte damit einen "Trutz-Michael" schaffen, durch einen protestantischen Bau
die wenige Jahre zuvor vollendete Jesuitenkirche St. Michael in München
übertrumpfen. Joseph Heintz schuf die Pläne in offensichtlicher
Anlehnung an böhmische Projekte. Doch die Pläne entsprachen nicht den
Vorstellungen des Kirchenrates, vor allem stießen die unfunktionalen
Nischen zwischen den Wandpfeilern auf Kritik: Sie wären beim Zuhören
der Predigt hinderlich, würden nur die Unkosten vermehren, und
außerdem erinnerten die "anguli" (d.h. die Nischen) zu sehr an die "alten
päbstischen Kirchen". [16] Man einigte sich schließlich
darauf, eine dreischiffige Halle zu bauen; zwischen den Stützen wurden
Emporen eingezogen. Die Kirche wurde 1607-1624 errichtet. De facto besteht der
Unterschied zu St. Michael nur in der Gestaltung der Emporen sowie im Verzicht
auf Seitenkapellen und Querschiff, was einer Redimensionierung der Architektur
zugunsten der Funktionalität
gleichkommt.
Doch so sehr man auf den ersten Blick
bei der ausgeführten Kirche - hauptsächlich durch die italienischen
Kapitelle und den Stuck - einen Zusammenhang mit den katholischen Kirchenbauten
in Bayern feststellen mag, so bestehen doch eindeutige Bezüge zu den
protestantischen Kirchen der Zeit: Der rechteckige Grundriß entspricht mit
dem von sechs Stützen in drei Schiffe unterteilten Kirchenraum der
Hauptkirche in Wolfenbüttel, der Aufriß erinnert an die
Schloßkapellen in Hillerød und Heidelberg. Sowohl die Kapelle im
Heidelberger Friedrichsbau (von 1601-1607) als auch die Kirche im Schloß
Frederiksborg in Hillerød (von 1602-1616) sind Längsbauten, die
anstelle eines Seitenschiffes flache Nebenräume aufweisen, über denen
sich eine durchlaufende Empore
befindet. [17]
Eine sehr viel
stärkere Rolle spielten katholische Vorbilder bei der Planung der ehem.
Dreifaltigkeitskirche in Prag: Nach dem Erlaß des "Majestätsbriefes"
von 1609 begann die lutherische Gemeinde auf der Kleinseite 1611 mit dem Bau
einer Kirche, die von sämtlichen protestantischen Fürsten
mitfinanziert wurde, da ihr die Rolle einer evangelischen Domkirche in der
vorrangig katholischen kaiserlichen Residenzstadt zukam. [18] Als
Vorbild für die Doppelturmfassade der protestantischen Kirche diente die
Kirche Trinità dei Monti in Rom - ein katholisches Gotteshaus.
Ausschlaggebend für die Form war hier demnach das Patrozinium. Das Fehlen
jeglicher Emporen im Innenraum steht der protestantischen Kirchenbauweise ebenso
entgegen wie die drei Kapellennischen des Mittelschiffes. Denkbar ist,
daß, da in Prag durch die katholischen Kirchenbauten der letzten
Jahrzehnte eindeutige Akzente gesetzt worden waren, die Protestanten - wie
anfänglich auch in Neuburg - einen möglichst repräsentativen
Kirchenbau errichten wollten, der den katholischen Kirchen der Stadt
ebenbürtig sein sollte.
Aber nicht nur im
mehrkonfessionellen Prag war ein Austausch der Grundrißtypen und
architektonischen Vorbilder möglich. Auch im einheitlich katholischen
Oberbayern wurden Kirchentypen der anderen Konfession übernommen - und hier
sind es die Katholiken, die beim protestantischen Sakralbau Anleihen machen.
Verwunderung ruft der Bau der Hofkapelle in der Münchner Residenz von
1600-1603 hervor. [19] Herzog Maximilian I. von Bayern, der sich als
Schirmherr der katholischen Kirche in Deutschland verstand, ließ seine
Hofkapelle ausgerechnet im Typ der sächsisch-protestantischen
Schloßkirchen erbauen. Selbst auf einen Chorraum hatte er anfangs
verzichtet; er wurde um 1630 nachträglich angefügt. Bemerkenswert ist
auch, daß die Jesuiten beim Bau von St. Michael in München, obwohl
sie sich sehr stark an der römischen Ordenskirche Il Gesù
orientierten, gerade auf die hinter Gitterwänden versteckten Oratorien
verzichteten und statt dessen offene Emporen verwendeten, die damals vor allem
aus protestantischen Kirchen bekannt waren.
Auf
katholischer Seite scheint man demnach kein besonderes Interesse gehabt zu
haben, die eigenen Kirchen architektonisch von denen der Protestanten zu
unterscheiden. Man gewinnt den Eindruck, daß allein die
Funktionalität und der jeweilige Regionalstil, weniger spezifisch
konfessionsgebundene Erwägungen, die entscheidenden Kriterien bei der Wahl
einer Kirchenform waren. Im Falle der Wallfahrtskirche in Tuntenhausen
bevorzugte man die Hallenkirche anscheinend wegen ihrer Funktionalität, da
sie für Prozessionen geeignet war. [20] Maximilian I. von Bayern
scheint die platzsparende protestantische Schloßkapelle übernommen zu
haben, da sie sich bereits als Schloßkirche bewährt
hatte.
Und ebenso wie die Protestanten sich in
Prag und Neuburg dem geläufigeren frühbarocken Stil anglichen und
sogar bei der Kirchenform Kompromisse anstrebten, haben auch die Jesuiten bei
ihren zwischen 1590 und 1620 im Rheinland errichteten Ordenskirchen Emporen
verwendet und sie größtenteils mit (nach-)gotischen Motiven
ausgestattet. [21] Dies ist insofern auffallend, als der Orden eine
einheitliche Form der Kirchen anstrebte und die bayerischen Ordenskirchen
prinzipiell dem Typ der Wandpfeilerkirche entsprechen, wie er in St. Michael in
München vorgeprägt war, sowie frühbarocke Formen aufweisen. Zudem
entsprachen die rheinischen Jesuitenkirchen den Gotteshäusern der
Böhmischen Brüder, einer reformierten, im 15. Jahrhundert aus den
Hussiten hervorgegangenen Kirchenrichtung. [22] Aber wieder einmal stand
nicht die Glaubensrichtung, sondern die Funktionalität im Vordergrund:
Sowohl die Jesuiten als auch die Böhmischen Brüder benötigten
einen auf ihre Predigten zugeschnittenen Kirchenraum, in dem viele Gläubige
Platz finden konnten, weshalb sie sich unabhängig von ihrer Konfession
beide der Emporenkirche bedienten.
Konfessionelle
Gründe wurden zwar immer wieder und vor allem von den Protestanten bei der
Wahl der Kirchenform angebracht, doch spielten sie letztlich nur bedingt eine
Rolle. Die Raumstrukturen der Kirchen des frühen 17. Jahrhunderts lassen
sich daher nicht absolut nach Konfessionen trennen, auch wenn tendenziell der
Kirchentyp mit Kapellen und Tonnengewölbe bei katholischen Sakralbauten
anzutreffen ist, Emporenkirchen und gotisierende Hallenkirchen dagegen von den
Protestanten bevorzugt wurden.
Im Verlauf des
Dreißigjährigen Krieges sind viele Kirchen erst geplündert und
beschädigt, dann oftmals neu geweiht worden: Eroberten kaiserliche Truppen
eine Stadt, wurden protestantische Kirchen zu katholischen umgeweiht; besetzten
die Schweden und ihre Verbündeten einen Ort, wurde mit katholischen Kirchen
ebenso verfahren. Durch den Friedensvertrag kam es zu einer neuen Festlegung der
Konfessionen in den einzelnen Regionen des Reiches. In den Vertragsklauseln
wurde u.a. auch festgeschrieben, daß die schlesischen
Fürstentümer in habsburgischem Besitz rekatholisiert werden sollten,
d.h. sämtliche protestantische Kirchen geschlossen werden mußten; nur
drei Kirchen, die sogenannten Friedenskirchen, durften vor den Stadttoren von
Schweidnitz (Šwidnica), Jauer (Jawor) und Glogau zwischen 1654 und 1658
errichtet werden.
II. Profanbau - Die
Fürstenschlösser und adligen
Residenzen
Einzelne Gebiete waren anfangs vom
Kriegsgeschehen noch nicht direkt betroffen, weshalb begonnene
Baumaßnahmen zu Ende geführt werden konnten. Dies gilt u.a. für
zwei geographisch nah beieinanderliegende Residenzen, die daher auch viele, wohl
nicht zufällige Gemeinsamkeiten aufweisen: die der Salzburger
Erzbischöfe und die der Wittelsbacher Herzöge in
München.
Entsprechend der ständig
wachsenden politischen Bedeutung Bayerns kam der Hauptstadt München eine
neue Rolle zu, was auch äußerlich beim Ausbau der Residenz zum
Ausdruck gebracht werden sollte. Waren es unter Herzog Albrecht V.
(1550-1579) noch sporadische Eingriffe gewesen, um seine Kunstsammlungen
unterbringen zu können, begann unter seinem Enkel
Maximilian I.(1597-1651) ein systematischer
Ausbau. [23]
Die Erweiterungen der
Residenz fallen vor allem in die Jahre 1612-1617. Vorrangig wurde am sogenannten
Kaiserhof mit der Kaisertreppe und dem Kaisersaal gearbeitet. 1612-1616 wurde
eine 33 Fensterachsen lange Front vor die verschieden hohen Gebäude
vorgeblendet, noch heute eine der monumentalsten Fassaden der
Residenz. [24] In den Jahren nach 1618 scheint vor allem die
Innenausstattung der Residenz sowie die Fertigstellung der Gärten im
Vordergrund gestanden zu haben. Insgesamt kann man jedoch von einem Erlahmen der
Bautätigkeit sprechen: In den Jahren 1619-1638 mußten mächtige
Bastionen angelegt werden, um die Stadt vor Angriffen zu schützen. Als die
Truppen Gustav Adolfs im Frühjahr 1632 weite Gebiete Bayerns eroberten und
sich München nur durch ein hohes Lösegeld freikaufen konnte, kam es
zum Stillstand der Bautätigkeit.
Die
architektonische Gliederung sämtlicher Fassaden der Residenz, die nur als
Wandmalerei aufgetragen waren, sollte durch die Auswahl der Vorbilder dem
damaligen Betrachter sicherlich politische Ansprüche und Vorstellungen
vermitteln: Während die Rustizierung als ein allgemeines Merkmal von
fürstlichen Residenzen anzusehen ist, kann man die mehrere Stockwerke
überspannende Kolossalgliederung mit dem 1536 angefangenen Kaiserpalast in
Granada bzw. der 1575 begonnenen Amalienburg, der Wiener Residenz der
Habsburger, in Verbindung bringen. Einzelne Fensterformen - vor allem das
über den Rechteckfenstern aufliegende Rundfenster - lassen sich auf das
Schloß Ambras bei Innsbruck
zurückführen.
In den ersten Kriegsjahren
wurden aber auch bedeutende Schloßbauten und Residenzen begonnen: 1618
brannte das Schloß in Weimar ab, und sofort wurde der Neubau in Angriff
genommen. Noch 1627 begann Markgraf Christian von Bayreuth eine neue Residenz zu
errichten, Schloß Scharffeneck bei Baiersdorf in Franken. Allerdings
mußten die Arbeiten wegen des Krieges 1630 an beiden Gebäuden
eingestellt werden. Während das Weimarer Schloß nach Beendigung des
Krieges vollendet werden konnte, wenn auch nach anderen Plänen, wurde
Schloß Scharffeneck 1632 zerstört und nach Kriegsende auch nicht mehr
fertiggestellt. [25] Beide Gebäude waren als eine symmetrische
Vierflügelanlage konzipiert - ein damals im deutschsprachigen Raum sehr
verbreitetes Grundrißschema für Schlösser und Residenzen, das
prinzipiell auf italienische Vorbilder zurückgeht, ebenso wie zahlreiche
Architekturdetails.
Allerdings wurden die
italienischen Formen auf sehr unterschiedliche Weise rezipiert: Der Architekt
von Schloß Scharffeneck, der ansbachische Hofbaumeister Valentin Juncker,
war Deutscher; folglich spielten bei der Rezeption italienischer Formen
Stichwerke und Architekturtraktate eine große Bedeutung. Als Vorbild
diente anscheinend das von Sebastiano Serlio 1538-1546 errichtete Schloß
in Ancy-le-Franc (Burgund), das er in seinem Architekturtraktat "Tutte l'opere
d'architettura" veröffentlicht hatte. [26] Doch noch mehr als an
seinen Stichen, in denen er ein erstes (oder ein überarbeitetes?) Projekt
darstellt, scheint sich Hofbaumeister Juncker an den Ansichten von J. Androuet
Ducerceau [27], die den realisierten Zustand wiedergeben, orientiert zu
haben.
In Weimar holte man sich für den
Schloßneubau 1618 einen Architekten, der die italienische Baukunst aus
eigener Anschauung kannte: den aus Graubünden stammenden Architekten
Giovanni Bonalino, der auch sogleich einen "welschen" Bautrupp mitbrachte. Nach
Bonalinos Projekt sollte das Schloß durchgehend dreigeschossig sein, an
den Ecken leicht hervortretende Eckrisalite aufweisen, die in der Höhe die
anderen Gebäudeteile nicht überragen sollten. Der Eindruck eines
Stadtpalastes sollte jedoch durch Rundbastionen an den Ecken und den
Eingängen vermindert werden, wodurch der Residenz wehrhafte Züge
gegeben worden wären.
Ebenso wie bei den die
Außenfassade gliedernden Wandfeldern [28] macht sich auch bei der
von Pilastern rhythmisierten Hoffassade der Einfluß italienischer
Palastbaukunst bemerkbar: Seit dem Bau der "Cancelleria" in Rom (1489-1511), wo
ebenfalls ein Wechsel der Ordnungen im Hof vorkommt, sind von Pilastern
gegliederte Fassaden in Italien sehr verbreitet. Nur die Form der Treppen ist
nicht italienisch: Sie sollten in vier runden Ecktürmen im Hof
untergebracht werden - eine Lösung, wie sie in den Schlössern Chambord
(ca. 1519-1550) und Dresden (um 1549) zu finden
ist.
Da Bonalino 1526 Weimar verließ wurden
die Arbeiten zwar fortgesetzt, gingen aber - kriegsbedingt - nur noch schleppend
voran; 1630 kam es zum absoluten Stillstand der Bautätigkeit. Als man nach
einer mehrjährigen Unterbrechung den Bau 1662 vollendete, wurden die
Pläne überarbeitet - nur drei der ursprünglich vier geplanten
Flügel wurden errichtet [29], da man sich nun an neuen Vorbildern
orientierte: französische Schloßbauten und Palais anstelle von
italienischen Bautypen. Französisch ist die Dreiflügelanlage, die
einen Ehrenhof bzw. einen Cour d'honneur umschließt [30], und der
sogenannte Pavillon, der seit 1650-1662 als Blickfang der den Hof
abschließenden Hoffassade diente. Der pavillonartige Aufbau mit
geschweifter Haube wurde bei den Umbauten im Anschluß an den Brand von
1774 entfernt.
Möglicherweise kann man diese
stilistische Neuorientierung als eine Reaktion auf die Kriegsereignisse bzw. auf
die damit verbundene politische und konfessionelle Situation
zurückführen: Weimar wurde von den Wettinern, einem protestantischen
Herrscherhaus, regiert. Während die katholischen Herrscher des Reiches,
voran der Kaiser in Wien, aber auch die Wittelsbacher in München und die
Salzburger Erzbischöfe ihre Residenzen in offenkundiger Anlehnung an
Vorbilder im katholischen Italien errichtet hatten, verwarf man im
protestantischen Weimar das ursprüngliche Projekt und suchte nach neuen
Vorbildern, die man in Frankreich, dem großen Gegner des Kaisers,
fand.
Die französische Dreiflügelanlage
war schon während des Krieges in den nördlichen und östlichen
Gebieten des Reiches verwendet worden. Als frühestes Beispiel kann das
Jagdschloß in Neustadt-Glewe südlich von Schwerin gelten, das
für Herzog Adolf Friedrich I. von Mecklenburg erbaut wurde. Die Pläne
für diesen frühen Typus einer Dreiflügelanlage mit einem nahezu
quadratischen Ehrenhof schuf der aus Emden stammende Architekt Ghert Evert
Piloot (gest. 1629), der bereits einige Jahre in der Gegend, u.a. am
Schloß in Schwerin, tätig war. Das weitgehend vollendete Bauwerk
wurde 1637 von kaiserlichen Truppen
beschädigt. [31]
Das 1633-1636
erbaute Schloß in Plön, die Residenz der protestantischen
Herzöge von Schleswig-Holstein-Plön, ist ebenfalls eine
Dreiflügelanlage, die sich zum See hin öffnet. Plön zählt zu
den wenigen Residenzen, die während des Krieges vollendet werden konnten.
Die Randlage, hauptsächlich aber der Frieden von Lübeck (1629),
dürften die ungestörte Fortführung der Arbeiten ermöglicht
haben.
Auch bei den Planungen zu Schloß
Friedenstein in Gotha hatte man sich anfangs noch an italienischen Vorbildern
orientiert, um dann umzuschwenken und eine "unitalienische" Anlage zu errichten.
Durch Erbteilung war Gotha 1640/41 Residenzstadt geworden. Herzog Ernst von
Sachsen-Gotha ließ 1643-1654 ein neues Schloß errichten, das er -
Ausdruck der Friedenssehnsucht - Schloß Friedenstein nannte. [32]
1646 konnten der Herzog und die ersten Behörden in den Neubau einziehen.
Mit dem Ausschachten der Wälle und dem Bau der Bastionen begann man erst
1655 - nach Beendigung des Schloßgebäudes; sie wurden 1662/65
fertiggestellt.
Eine komplexe Planungsphase war
dem Baubeginn vorausgegangen, von der sich glücklicherweise zahlreiche
Dokumente und vor allem verschiedene Modelle erhalten haben. [33] Ein
erstes Modell, das dem Hofbaumeister und Festungsingenieur Andreas Rudolph
(1601-1679) zugeschrieben und 1643 datiert wird, zeigt eine symmetrische,
dreigeschossige Vierflügelanlage mit einem zentralen rechteckigen Hof, der
auf allen Seiten und Geschossen durchlaufende Arkaden aufweisen sollte (nur im
Nordflügel mußte wegen eines großen Saales auf ein
Arkadengeschoß verzichtet werden). Ein zweites Modell, bislang mit dem
Festungsbaumeister Matthias Staudt in Verbindung gebracht, ist nun von Georg
Skalecki dem Baumeister Nikol Teiner zugeschrieben worden. [34]
Vorgesehen war eine Vierflügelanlage mit einer trotz abwechslungsreicher
Fensterformen einheitlichen Fassadengestaltung. Bei der Realisierung
schließlich ging man von einem dritten Modell aus, das dem
Festungsbaumeister Caspar Vogel aus Erfurt zugeschrieben wird und ein ganz
anderes Konzept verfolgt: An die Stelle der geschlossenen Vierflügelanlage
tritt jetzt eine Dreiflügelanlage, die sich mit monumentalen Arkaden im
Erdgeschoß zur Gartenseite hin öffnet. Auch wenn die
Dreiflügelanlage und die zwei turmartigen Pavillons auf der Gartenseite von
einem Einfluß französischer Schloßbaukunst zeugen, weist das
Schloß weder einen als Eingang dienenden Ehrenhof auf, noch ist die lange,
allein durch Fensteröffnungen gegliederte Fassadenfront architektonisch
strukturiert. Auffallend schlicht ist die Form der aneinandergereihten Fenster,
die noch gotisierende Fenstergewände aufweisen. Auch sonst legte man kaum
Wert auf schmückende Einzelformen, so daß die Bauvolumina zu ihrer
vollen Wirkung kommen.
Gleichberechtigter
ausführender Architekt beim Bau war der Hofbaumeister Andreas Rudolph.
Wahrscheinlich setzte er durch, daß beim Bau des Schlosses auch Elemente
von den vorangegangenen Projekten übernommen wurden. In vielen Details
lassen sich auch Bezüge zu Gebäuden feststellen, die mehrere
Jahrzehnte zuvor errichtet wurden. Herzog Ernst wollte wohl bewußt keinen
innovativen Schloßbau realisieren; sondern durch Anleihen bei
früheren sächsischen Residenzen, u.a. Schloß Augustusburg,
dynastische Kontinuität demonstrieren. Als Vorbild für den
darauffolgenden Schloßbau in Sachsen - vor allem für die
Schlösser in Zeitz und Weißenfels - wurde aber das gefälligere
und in den architektonischen Details modernere Weimarer Schloß der
wuchtigen Anlage von Gotha vorgezogen.
III.
Profanbau - Schlösser der Feldherren und
Heereslieferanten
Während die
Fürstenhäuser erhebliche Schwierigkeiten hatten - von den
Schlössern in Plön und Gotha abgesehen -, ihre Bauvorhaben
während des Krieges zu verwirklichen, waren die Schlösser der
Feldherren und geschäftstüchtigen Heereslieferanten zumeist noch vor
Kriegsende fertiggestellt worden. Auch für diese Schlösser gilt,
daß die Bauherren entsprechend ihrer Konfession bzw. entsprechend ihrer
Zugehörigkeit zu dem einen oder anderen politischen Lager ihren Baustil
auswählten. Die Schlösser im katholischen Böhmen und Mähren
sind einheitlich italienischen Vorbildern nachempfunden, während das
einzige, das von einer entsprechenden Persönlichkeit zu dieser Zeit in
einer protestantischen Gegend erbaut wurde, von einem französischen
Architekten stammt: Es ist das für den Generalmajor Joachim Heinrich
Vieregge 1657 im mecklenburgischen Rossewitz errichtete Schloß von Charles
Philippe Diessart. [35]
Die Schlösser
in Böhmen und Mähren wurden jedoch von katholischen Feldherren und
Kriegsgewinnlern errichtet. Dort war wieder Land zu vergeben, nachdem viele
Protestanten in den Jahren nach der Schlacht am Weißen Berg (1620)
vertrieben worden waren. Daß gerade die neuen Herren, die oftmals durch
den Krieg zu Rang und Reichtum gekommen waren, sich ihre Residenzen besonders
aufwendig gestalteten, ist verständlich: Sie wollten ihre neue
gesellschaftliche Stellung nun auch äußerlich zur Schau
stellen.
Ein besonders charakteristisches Beispiel
ist das Schloß Holleschau (tschechisch Holešov) in Mähren, das
der aus der Steiermark stammende, 1610 zum Hauptmann und 1641 zum Grafen
ernannte Johann Freiherr von Rottal 1652 beginnen ließ. [36]
Architekt war Filiberto Luchese (1606-1666), ein seit 1640 in Österreich
nachweisbarer Stukkateur und Architekt, der bereits zahlreiche adlige
Schlösser umgebaut und erneuert hatte. Es handelt sich um ein Schloß
auf rechteckigem Grundriß mit kleinen sechseckigen Ecktürmen; der
Innenhof ist von Arkaden umgeben. Während bei der Außenfassade die
beiden Hauptgeschosse durch flache Lisenen zusammengefaßt sind, weist der
Innenhof eine zwei Stockwerke überspannende Kolossalpilasterordnung mit
toskanischen Kapitellen auf, die in eine Verkröpfung übergehen. Die
ursprünglich nur in der Sakralarchitektur gebrauchten Kolossalpilaster
waren im deutschsprachigen Raum in der Wiener Hofburg und im sogenannten
Kaiserhof der Münchner Residenz (von 1612-1618) verwendet worden: Für
einen ehem. Hauptmann, der erst wenige Jahre zuvor in den Adelsstand erhoben
worden war, ist eine solche Hofgestaltung daher als fast anmaßend zu
bewerten.
Ein weiteres Beispiel stellt das
Lustschloß der Grafen Michna in Prag dar: Paul von Michna (um 1572-1632),
Sohn eines Metzgers, hatte als Heereslieferant im Dreißigjährigen
Krieg erhebliche Gewinne gemacht. Er war wegen seiner Verdienste um die
Stärkung des katholischen Glaubens geadelt worden und hatte es zum
Sekretär der böhmischen Hofkammer gebracht. 1625 erwarb er ein kleines
Lustschloß auf der Prager Kleinseite. Sein Neffe, Graf Wenzel Michna,
ließ das Gebäude 1644/45 umbauen und erweitern. Aus finanziellen
Gründen gelang es damals allerdings nur, den nördlichen, der
Gartenseite zugewandten Risalit auszuführen. Auch wenn man kein
spezifisches Vorbild nennen kann, sind alle Motive italienisch: Die große
Nische mit der Fenstertür, die das Mittelgeschoß bestimmt, erinnert
an die von Vignola 1551-1555 erbaute Villa Giulia in Rom. Die Büsten in den
Rundnischen oberhalb der Fenster werden immer wieder mit den gleichen Vorbildern
in Rom verglichen: der 1564 umgestalteten Villa Medici und dem 1613-1615 von
Hans von Xanten, gen. Giovanni Vasanzio, erbauten Casino Borghese. Für das
Motiv der Stuckgirlanden könnte man auf die Stuckausstattung im Hof des
Palazzo Spada, ebenfalls in Rom, verweisen. Auch das Attikageschoß kann
man auf italienische Beispiele
zurückführen.
In diese Reihe gehört
auch das Schloß Eggenberg. Der Bauherr, Hans Ulrich von Eggenberg
(1568-1634), war zwar weder Feldherr noch Heereslieferant, doch verdankt auch er
seinen Aufstieg dem Krieg: Aus einer protestantischen Familie stammend,
konvertierte er zum Katholizismus und machte darauf schnell und erfolgreich
Karriere. 1623 wurde er Reichsfürst und fünf Jahre später erhielt
er den Herzogstitel. Parallel dazu wurden ihm verschiedene Güter
übereignet. Seinem neuen gesellschaftlichen Rang entsprechend, bedurfte er
nun einer repräsentativen Residenz. Um 1625 begann der Neubau des alten
Herrensitzes am Stadtrand von Graz unter der Leitung von Giovanni Pietro de
Pomis (1569-1633). Die Fertigstellung erlebte Eggenberg nicht mehr: Der
Schloßhof wurde erst 1644/46 vollendet, die Innenausstattung sogar erst im
18. Jahrhundert. [37]
Das von einem
Wassergraben umgebene Schloß ist eine vierflügelige Anlage mit
turmartigen Eckrisaliten. Den großen quergelagerten Innenhof, der nicht
genau die Mitte des Schlosses einnimmt, umgeben - wie in der Steiermark und auch
im übrigen Österreich nicht unüblich - auf drei Seiten
dreigeschossige Loggien mit Rundbogenarkaden, denen toskanische Halbsäulen
vorgeblendet sind (an den Eingängen sind die Halbsäulen verdoppelt
worden). Ein Mezzaningeschoß schließt die Wandgliederung des Hofes
ab. Wegen der den Pfeilern vorgelagerten Halbsäulen möchte man einen
Einfluß des Escorials annehmen, zumal Architekt und Auftraggeber 1626 eine
gemeinsame Spanienreise unternommen hatten und Hans Ulrich von Eggenberg die
Stellung eines Verbindungsmannes zum spanischen Hof
innehatte.
Ganz anderer Art sind hingegen
Wallensteins Paläste in Prag und Gitschin (Jičin).
Obwohl er ebenfalls schnell Karriere machte, fällt sein in den Jahren
1624-1630 errichteter Stadtpalast in Prag nicht durch übertriebene Formen
auf. Zwar ließ er, um ihn erbauen zu können, 25
Bürgerhäuser abreißen, und die Fassade weist 19 Fensterachsen
auf. Doch im Vergleich zu italienischen Stadtpalästen wirken die einzelnen
Stockwerke auffallend flach: Die Fenster des Erdgeschosses liegen so tief,
daß man von der Straße aus hineinschauen kann. Auch die gedrungenen
Seitenportale scheinen eher zu einem bürgerlichen Haus als zu einem
Stadtpalais zu gehören.
Prachtvoll ist
hingegen die Ausstattung der nicht öffentlichen Bauteile seines Anwesens -
des Gartens mit den Bronzefiguren, des palastartigen Reitstalles, der in seiner
Größe durchaus der kaiserlichen Stallburg in Wien gleicht, und der
monumentalen "Sala terrena", einer dreiachsigen, mit gepaarten Säulen
ausgestatteten Gartenloggia, die in ihrer Höhe fast die Dächer des
Palastes übertrifft. Doch so sehr Wallensteins Gartenloggia prachtvoll und
überdimensional groß erscheint, im Vergleich zur kaiserlichen Anlage
bei Wien, dem unter Kaiser Maximilian II. 1569-ca. 1587 errichteten
Neugebäude [38], wirkt sie ebenso bescheiden wie die Hauptfassade
seines Palastes.
Auch bei der Gestaltung der
Fassade seines Schlosses in Gitschin, der Hauptstadt des Herzogtums Friedland,
scheint sich Wallenstein in Zurückhaltung geübt zu haben. [39]
1625-1633 baute er die Residenz aus; das ursprüngliche Gebäude wurde
in einem Nebentrakt verbaut, zwei weitere Innenhöfe angelegt. Durch diese
Anbauten wurde die Breite der Marktplatzfront mehr als verdoppelt. Wie sein
Stadtpalais in Prag zeigt auch die Residenz in Gitschin eine langgestreckte,
wenig gegliederte Fassade. Die einzelnen Geschosse wirken auffallend flach.
Ungewöhnlich ist auch der sich über die ganze Fassade erstreckende
Portikus. Denkbar ist, daß hier einer einheitlichen Platzgestaltung
Vorrang vor dem Repräsentationsbedürfnis des Fürsten
eingeräumt wurde.
Zusammenfassend kann man in
der Zeit des Dreißigjährigen Krieges ein Nachlassen der
Bautätigkeit bei den herrschaftlichen Residenzen feststellen. Regelrechte
Zerstörungen dagegen - wie im Fall von Schloß Scharffeneck - sind
relativ selten zu verzeichnen. [40] Die verantwortlichen Generäle
sollen daran nicht interessiert gewesen sein: Es wird berichtet, daß der
Schwedenkönig Gustav Adolf, als ihm Friedrich von der Pfalz und einige
andere protestantische Fürsten vorschlugen, die Münchner Residenz zu
zerstören, diesen Vorschlag voller Abscheu abgelehnt habe. [41]
Auch Wallenstein soll Bewunderung für das Jagdschloß in
Neustadt-Glewe geäußert und angeordnet haben, den Bau instand zu
setzen, was allerdings die kaiserlichen Truppen nicht daran hinderte, das
Gebäude später dennoch zu
beschädigen.
Architektonische
Meisterleistungen wie in den beiden ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts
sind - abgesehen von Wallensteins Palais in Prag - rar. Auffallend ist die
politisch-konfessionell bedingte Wahl der Vorbilder im Schloßbau.
Verwunderung kann hervorrufen, daß man während des
Dreißigjährigen Krieges die Schlösser nicht durch mächtige
Bastionen gesichert oder die Residenzen in Festungen verlegt
hat.