Forschungsstelle "Westfälischer Friede": Dokumentation

DOKUMENTATION | Ausstellungen: 1648 - Krieg und Frieden in Europa

Textbände > Bd. II: Kunst und Kultur

WOLFGANG LIPPMANN
Architektur zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges: Kirchen und Schlösser im deutschsprachigen Raum*

Die Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges waren in den einzelnen Regionen sehr unterschiedlich: Während einige Gebiete unter dem Krieg sehr zu leiden hatten [1], waren andere Gegenden weniger betroffen. Auch entflammten die Kämpfe nicht gleichmäßig in allen Teilen des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Deshalb kann man auch von keiner einheitlichen Entwicklung der Architektur im deutschen Raum sprechen.

In den habsburgischen Gebieten wurden im ausgehenden 16. Jahrhundert kaum bedeutende Bauwerke errichtet, da sämtliche Gelder für die Türkenkriege benötigt wurden. Wenn etwas in dieser Zeit gebaut wurde, waren es prinzipiell Festungen in den ungarischen Grenzgebieten. Um 1600 kann man von einem zaghaften Neuanfang in der Baukunst in Wien sprechen - 1603 wurde mit dem Bau der Franziskanerkirche begonnen und um 1607 die Jesuitenkirche am Hof barockisiert. Zum eigentlichen Aufschwung im Bauwesen kam es in Wien jedoch erst um 1618, nachdem Kaiser Matthias seine Residenz in die Stadt verlegt hatte. In kurzen Abständen wurden gleich mehrere Ordenskirchen gegründet bzw. erneuert. [2] Gleichzeitig wurden in den anderen habsburgischen Gebieten um 1620/30, also zu einer Zeit, in der im deutschen Raum die Bautätigkeit zum Stillstand kam, zahlreiche größere Bauprojekte in Angriff genommen: Die Klöster Kremsmünster und Göttweig begannen um 1620 mit der Modernisierung ihrer Kirchen, in den Klöstern Seckau (seit 1619/25) und St. Lambrecht (1639/40-ca. 1660) galt die Erneuerung vorrangig den Klostergebäuden. In Innsbruck wurde die ehemalige Jesuitenkirche 1619-1622 begonnen, allerdings erst 1646 fertiggestellt, und zwischen 1628 und 1630 entstand ein großes Komödienhaus. Bei Graz wurde seit 1625 ein prächtiges Schloß errichtet: Schloß Eggenberg. [3] 1628 konnte nach mehrjähriger Bauzeit der Salzburger Dom in Anwesenheit fast sämtlicher Mitglieder der katholischen Liga feierlich eingeweiht werden. [4] Wie in vielen anderen Städten konzentrierten sich die Aktivitäten in den Jahren nach 1620 auch in Salzburg auf den Ausbau der Stadtmauer.

Von den Kriegsereignissen weitgehend verschont blieben auch Böhmen und Mähren, wo nach der Schlacht am Weißen Berg 1620 trotz der in den benachbarten Regionen andauernden Kämpfe eine gewisse Ruhe eintrat. In diesen Gebieten wurden im Gegensatz zu Bayern nicht nur Sakralbauten, sondern auch zahlreiche Adelssitze und Schlösser errichtet.

Zu einer ähnlichen Entwicklung kam es auch im Herzogtum Bayern, das von Anfang an durch seine Beiträge an die Liga zwar finanziell geschwächt war, von den Kriegsereignissen jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt betroffen wurde. Es verwundert daher nicht, daß noch während des Dreißigjährigen Krieges bis zu Beginn der dreißiger Jahre zahlreiche Gebäude errichtet wurden: Größtenteils handelt es sich dabei um Kirchen. Zahlreiche Ordens- und Wallfahrtskirchen entstanden durch die Unterstützung der Wittelsbacher, die sich als Schutzmacht des Katholizismus in Deutschland fühlten und intensiv für die Stärkung der katholischen Kirche in ihren Territorien eintraten. [5] Eine zentrale Rolle spielten in Bayern die Jesuiten, die in dem Zeitraum von 1556 bis ca. 1630 fast zwanzig Niederlassungen gründeten und auch noch nach dem Ausbruch des Krieges einige Ordenskirchen neu errichteten. [6]

Aber auch verschiedene Klosterkirchen [7] und vor allem Wallfahrtskirchen wurden in den Jahren zwischen 1618 und 1630 errichtet: St. Michael in Violau (1617-1620) und die Kapelle zu den fünf Heiligen in Aislingen (1629/30), beide in der Nähe von Dillingen, die Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariae Himmelfahrt in Tuntenhausen (1628-1629, Weihe 1630) sowie die in mehreren Bauetappen zwischen 1635 und 1642/43 ausgeführte Kapelle Maria Eck bei Traunstein. Ob diese Stiftungen in Bayern aus der historischen Situation heraus zu erklären sind - als Ausdruck einer stärkeren Hinwendung zur Religion angesichts der drohenden Kriegsgefahr?

In der Freien Reichsstadt Augsburg, die erst 1632 in die Kriegsereignisse verwickelt wurde, von da an jedoch Belagerungen und Besatzungen unterschiedlicher Heere ertragen mußte, hatte man bis 1618 am Bau des Rathauses gearbeitet, dessen Innenausstattung 1624 vollendet wurde. Auch in der Freien Reichsstadt Nürnberg war man von 1616 bis 1622 damit beschäftigt, das Rathaus durch einen imposanten Neubau zu erweitern. Beide Bauwerke konkurrieren in ihrer aufwendigen Ausstattung mit Schloßbauten der Zeit, was ihrer Rolle als Repräsentationsbauten der reichen Handelsstädte entspricht.

Nach Kriegsbeginn bemühten sich mehrere Städte, ihre Stadtmauern den neuen Bedürfnissen der Wehrtechnik anzugleichen: In München legte man mächtige Bastionen vor den Stadttoren an. Gleicherweise begann Bremen 1623 große Wallanlagen zu errichten, und Lübeck beschleunigte 1621 seinen seit 1595 beschlossenen Ausbau des Bastionssystems (zur Vollendung kam es jedoch erst um 1660/70). Auch in Ulm setzte man die zu Beginn des Jahrhunderts begonnene Verstärkung der Bastionen und Außenwerke fort und baute somit die Stadt 1616-1623 zu einer wichtigen Befestigung der Union aus. Relativ spät (1627) entschied Frankfurt, eine entsprechende Wehranlage zu errichten, die erst Ende des Jahrhunderts fertiggestellt wurde. Das Bistum Mainz spielte wegen seiner zentralen Lage an Rhein und Main stets eine wichtige Rolle: Nachdem der Ausbau der Stadtbefestigung zu Beginn des 17. Jahrhunderts nur schleppend vorangegangen war, begann man 1620 mit den Arbeiten an der Jakobsfeste, damals Schweickhardtsburg genannt; an ihr wurde noch gebaut, als die Stadt unter schwedischer Besatzung war. Gustav Adolf, der Mainz zu seinem Stammquartier machte, ließ zudem auf der gegenüberliegenden Rheinseite 1631 eine Militärstadt anlegen, die sogenannte Gustavsburg, die schon vier Jahre später nach dem Abzug der schwedischen Truppen zerstört wurde. [8]



I. Sakralbau

Die Konflikte zwischen protestantischer und katholischer Konfession hatten großen Einfluß auf die Traktatliteratur des 16. Jahrhunderts. Vor allem auf protestantischer Seite gab es immer wieder Bestrebungen, die Kirchen auch in ihrer architektonischen Form von den katholischen Sakralbauten abzugrenzen. [9] Schon Johannes Calvin hat sich in seiner Schrift "Institutiones Christianae religionis" von 1536 gegen die "Dei habitacula" [10], die prachtvollen Gotteshäuser, geäußert. Johannes Aeschardt wendet sich 1617 in seinem Werk über den Kirchenbau ("Examen disputationis R. Bellarmini de Templis") ebenfalls gegen die unnötige Verschwendung beim Bau von Kirchen und fordert, daß man das Geld eher für christliche Wohltätigkeitszwecke verwenden solle. [11] Doch darüber hinaus sucht man in den Texten vergebens nach konkreten Angaben über die Form und das Aussehen protestantischer Kirchenbauten. Lediglich auf die Vorbildlichkeit des Salomonischen Tempels wird öfters verwiesen, der damals meistens als dreigliedriger Längsbau, z. T. auch in basilikaler Form, rekonstruiert wurde. Joseph Furttenbach stellt in seinem Traktat "Architectura civilis" von 1628 hauptsächlich den Florentiner Dom vor und entscheidet sich somit für einen dreischiffigen Längsbau mit freistehenden Stützen und einer mit Zentralbauten vergleichbaren Dreikonchenanlage. [12] In dem posthum von seinem Sohn veröffentlichten Werk über das "KirchenGebäw" von 1649 sind seine Vorstellungen über die Kirchenarchitektur sehr viel differenzierter dargelegt. Furttenbach stellt sich nun seine Idealkirche als einen Nutzbau ohne großen ästhetischen Aufwand vor: einen einfachen Rechtecksaal ohne Gewölbe (wegen der besseren Akustik) und ohne Stützen (wegen der besseren Sicht) sowie freihängende Emporen, die er "Bühnen" nennt. Oberhalb der kleinen Chornische sollte sich eine Bibliothek befinden, von der aus man direkt zur Predigtkanzel gelangt. [13]

Wenn schon in der Architekturtheorie keine eindeutige Aussage über die Form der protestantischen Kirchen festzustellen ist, so darf es nicht überraschen, wenn in der Baupraxis gelegentlich sehr widersprüchliche Lösungen gefunden wurden. Eine eigene Raumschöpfung der protestantischen Sakralarchitektur stellen die evangelischen Schloßkapellen dar, die im 16. und 17. Jahrhundert hauptsächlich im sächsischen Raum und in den östlichen Gebieten des Reiches errichtet wurden. [14] Die erste ihrer Art wurde 1543/44 im Schloß Hartenfels bei Torgau errichtet und von Luther geweiht, weshalb man vermutet, daß er auch ihr Aussehen mitbestimmt hat. [15] Es handelt sich um eine 23 m lange Saalkirche mit einem spätgotischen Gewölbe und seitlichen Doppelemporen. Der Altar steht vor der Abschlußwand, die von einer großen Musikerempore eingenommen wird; ein Chorraum ist nicht vorhanden. Diese Kirche diente immer wieder als Vorbild für die protestantische Kirchenbaukunst der darauffolgenden Jahrzehnte.

Die gotischen Architekturformen dürften um 1600 als bewußter Gegensatz zu den Renaissance- bzw. nunmehr frühbarocken Formen Italiens, des Zentrums des Katholizismus, gewählt worden sein. Daß dieses Prinzip jedoch nicht immer eingehalten wurde und nach 1600, als überall im deutschen Raum verstärkt Renaissanceformen auftraten, auch protestantische Kirchen "moderne" italienische Architekturformen aufwiesen, zeigen die beiden bedeutendsten Kirchenneubauten im Weserraum, die Stadtkirche in Bückeburg (1610-1615) und die wenig zuvor begonnene Hauptkirche Beatae Mariae Virginis in Wolfenbüttel (ca. 1608-1620): Sie folgen zwar dem traditionellen gotischen Prinzip der Hallenkirche, einige Details aber - wie die Kapitelle der Säulen - sind in den für die damalige Zeit modernen Renaissanceformen ausgeführt.

Besondere Bedeutung gewinnt in diesem Kontext der Bau zweier Kirchen: der Hofkirche Unsere Liebe Frau in Neuburg und der ehem. Dreifaltigkeitskirche in Prag. Der evangelische Herzog Philipp Ludwig wünschte für den 1603 beschlossenen Kirchenneubau in Neuburg a. D. eine repräsentative Kirche im italienischen Stil mit zwei flankierenden Türmen, die durch eine Kuppel bekrönt sein sollte. Er wollte damit einen "Trutz-Michael" schaffen, durch einen protestantischen Bau die wenige Jahre zuvor vollendete Jesuitenkirche St. Michael in München übertrumpfen. Joseph Heintz schuf die Pläne in offensichtlicher Anlehnung an böhmische Projekte. Doch die Pläne entsprachen nicht den Vorstellungen des Kirchenrates, vor allem stießen die unfunktionalen Nischen zwischen den Wandpfeilern auf Kritik: Sie wären beim Zuhören der Predigt hinderlich, würden nur die Unkosten vermehren, und außerdem erinnerten die "anguli" (d.h. die Nischen) zu sehr an die "alten päbstischen Kirchen". [16] Man einigte sich schließlich darauf, eine dreischiffige Halle zu bauen; zwischen den Stützen wurden Emporen eingezogen. Die Kirche wurde 1607-1624 errichtet. De facto besteht der Unterschied zu St. Michael nur in der Gestaltung der Emporen sowie im Verzicht auf Seitenkapellen und Querschiff, was einer Redimensionierung der Architektur zugunsten der Funktionalität gleichkommt.

Doch so sehr man auf den ersten Blick bei der ausgeführten Kirche - hauptsächlich durch die italienischen Kapitelle und den Stuck - einen Zusammenhang mit den katholischen Kirchenbauten in Bayern feststellen mag, so bestehen doch eindeutige Bezüge zu den protestantischen Kirchen der Zeit: Der rechteckige Grundriß entspricht mit dem von sechs Stützen in drei Schiffe unterteilten Kirchenraum der Hauptkirche in Wolfenbüttel, der Aufriß erinnert an die Schloßkapellen in Hillerød und Heidelberg. Sowohl die Kapelle im Heidelberger Friedrichsbau (von 1601-1607) als auch die Kirche im Schloß Frederiksborg in Hillerød (von 1602-1616) sind Längsbauten, die anstelle eines Seitenschiffes flache Nebenräume aufweisen, über denen sich eine durchlaufende Empore befindet. [17]

Eine sehr viel stärkere Rolle spielten katholische Vorbilder bei der Planung der ehem. Dreifaltigkeitskirche in Prag: Nach dem Erlaß des "Majestätsbriefes" von 1609 begann die lutherische Gemeinde auf der Kleinseite 1611 mit dem Bau einer Kirche, die von sämtlichen protestantischen Fürsten mitfinanziert wurde, da ihr die Rolle einer evangelischen Domkirche in der vorrangig katholischen kaiserlichen Residenzstadt zukam. [18] Als Vorbild für die Doppelturmfassade der protestantischen Kirche diente die Kirche Trinità dei Monti in Rom - ein katholisches Gotteshaus. Ausschlaggebend für die Form war hier demnach das Patrozinium. Das Fehlen jeglicher Emporen im Innenraum steht der protestantischen Kirchenbauweise ebenso entgegen wie die drei Kapellennischen des Mittelschiffes. Denkbar ist, daß, da in Prag durch die katholischen Kirchenbauten der letzten Jahrzehnte eindeutige Akzente gesetzt worden waren, die Protestanten - wie anfänglich auch in Neuburg - einen möglichst repräsentativen Kirchenbau errichten wollten, der den katholischen Kirchen der Stadt ebenbürtig sein sollte.

Aber nicht nur im mehrkonfessionellen Prag war ein Austausch der Grundrißtypen und architektonischen Vorbilder möglich. Auch im einheitlich katholischen Oberbayern wurden Kirchentypen der anderen Konfession übernommen - und hier sind es die Katholiken, die beim protestantischen Sakralbau Anleihen machen. Verwunderung ruft der Bau der Hofkapelle in der Münchner Residenz von 1600-1603 hervor. [19] Herzog Maximilian I. von Bayern, der sich als Schirmherr der katholischen Kirche in Deutschland verstand, ließ seine Hofkapelle ausgerechnet im Typ der sächsisch-protestantischen Schloßkirchen erbauen. Selbst auf einen Chorraum hatte er anfangs verzichtet; er wurde um 1630 nachträglich angefügt. Bemerkenswert ist auch, daß die Jesuiten beim Bau von St. Michael in München, obwohl sie sich sehr stark an der römischen Ordenskirche Il Gesù orientierten, gerade auf die hinter Gitterwänden versteckten Oratorien verzichteten und statt dessen offene Emporen verwendeten, die damals vor allem aus protestantischen Kirchen bekannt waren.

Auf katholischer Seite scheint man demnach kein besonderes Interesse gehabt zu haben, die eigenen Kirchen architektonisch von denen der Protestanten zu unterscheiden. Man gewinnt den Eindruck, daß allein die Funktionalität und der jeweilige Regionalstil, weniger spezifisch konfessionsgebundene Erwägungen, die entscheidenden Kriterien bei der Wahl einer Kirchenform waren. Im Falle der Wallfahrtskirche in Tuntenhausen bevorzugte man die Hallenkirche anscheinend wegen ihrer Funktionalität, da sie für Prozessionen geeignet war. [20] Maximilian I. von Bayern scheint die platzsparende protestantische Schloßkapelle übernommen zu haben, da sie sich bereits als Schloßkirche bewährt hatte.

Und ebenso wie die Protestanten sich in Prag und Neuburg dem geläufigeren frühbarocken Stil anglichen und sogar bei der Kirchenform Kompromisse anstrebten, haben auch die Jesuiten bei ihren zwischen 1590 und 1620 im Rheinland errichteten Ordenskirchen Emporen verwendet und sie größtenteils mit (nach-)gotischen Motiven ausgestattet. [21] Dies ist insofern auffallend, als der Orden eine einheitliche Form der Kirchen anstrebte und die bayerischen Ordenskirchen prinzipiell dem Typ der Wandpfeilerkirche entsprechen, wie er in St. Michael in München vorgeprägt war, sowie frühbarocke Formen aufweisen. Zudem entsprachen die rheinischen Jesuitenkirchen den Gotteshäusern der Böhmischen Brüder, einer reformierten, im 15. Jahrhundert aus den Hussiten hervorgegangenen Kirchenrichtung. [22] Aber wieder einmal stand nicht die Glaubensrichtung, sondern die Funktionalität im Vordergrund: Sowohl die Jesuiten als auch die Böhmischen Brüder benötigten einen auf ihre Predigten zugeschnittenen Kirchenraum, in dem viele Gläubige Platz finden konnten, weshalb sie sich unabhängig von ihrer Konfession beide der Emporenkirche bedienten.

Konfessionelle Gründe wurden zwar immer wieder und vor allem von den Protestanten bei der Wahl der Kirchenform angebracht, doch spielten sie letztlich nur bedingt eine Rolle. Die Raumstrukturen der Kirchen des frühen 17. Jahrhunderts lassen sich daher nicht absolut nach Konfessionen trennen, auch wenn tendenziell der Kirchentyp mit Kapellen und Tonnengewölbe bei katholischen Sakralbauten anzutreffen ist, Emporenkirchen und gotisierende Hallenkirchen dagegen von den Protestanten bevorzugt wurden.

Im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges sind viele Kirchen erst geplündert und beschädigt, dann oftmals neu geweiht worden: Eroberten kaiserliche Truppen eine Stadt, wurden protestantische Kirchen zu katholischen umgeweiht; besetzten die Schweden und ihre Verbündeten einen Ort, wurde mit katholischen Kirchen ebenso verfahren. Durch den Friedensvertrag kam es zu einer neuen Festlegung der Konfessionen in den einzelnen Regionen des Reiches. In den Vertragsklauseln wurde u.a. auch festgeschrieben, daß die schlesischen Fürstentümer in habsburgischem Besitz rekatholisiert werden sollten, d.h. sämtliche protestantische Kirchen geschlossen werden mußten; nur drei Kirchen, die sogenannten Friedenskirchen, durften vor den Stadttoren von Schweidnitz (Šwidnica), Jauer (Jawor) und Glogau zwischen 1654 und 1658 errichtet werden.



II. Profanbau - Die Fürstenschlösser und adligen Residenzen

Einzelne Gebiete waren anfangs vom Kriegsgeschehen noch nicht direkt betroffen, weshalb begonnene Baumaßnahmen zu Ende geführt werden konnten. Dies gilt u.a. für zwei geographisch nah beieinanderliegende Residenzen, die daher auch viele, wohl nicht zufällige Gemeinsamkeiten aufweisen: die der Salzburger Erzbischöfe und die der Wittelsbacher Herzöge in München.

Entsprechend der ständig wachsenden politischen Bedeutung Bayerns kam der Hauptstadt München eine neue Rolle zu, was auch äußerlich beim Ausbau der Residenz zum Ausdruck gebracht werden sollte. Waren es unter Herzog Albrecht V. (1550-1579) noch sporadische Eingriffe gewesen, um seine Kunstsammlungen unterbringen zu können, begann unter seinem Enkel Maximilian I.(1597-1651) ein systematischer Ausbau. [23]

Die Erweiterungen der Residenz fallen vor allem in die Jahre 1612-1617. Vorrangig wurde am sogenannten Kaiserhof mit der Kaisertreppe und dem Kaisersaal gearbeitet. 1612-1616 wurde eine 33 Fensterachsen lange Front vor die verschieden hohen Gebäude vorgeblendet, noch heute eine der monumentalsten Fassaden der Residenz. [24] In den Jahren nach 1618 scheint vor allem die Innenausstattung der Residenz sowie die Fertigstellung der Gärten im Vordergrund gestanden zu haben. Insgesamt kann man jedoch von einem Erlahmen der Bautätigkeit sprechen: In den Jahren 1619-1638 mußten mächtige Bastionen angelegt werden, um die Stadt vor Angriffen zu schützen. Als die Truppen Gustav Adolfs im Frühjahr 1632 weite Gebiete Bayerns eroberten und sich München nur durch ein hohes Lösegeld freikaufen konnte, kam es zum Stillstand der Bautätigkeit.

Die architektonische Gliederung sämtlicher Fassaden der Residenz, die nur als Wandmalerei aufgetragen waren, sollte durch die Auswahl der Vorbilder dem damaligen Betrachter sicherlich politische Ansprüche und Vorstellungen vermitteln: Während die Rustizierung als ein allgemeines Merkmal von fürstlichen Residenzen anzusehen ist, kann man die mehrere Stockwerke überspannende Kolossalgliederung mit dem 1536 angefangenen Kaiserpalast in Granada bzw. der 1575 begonnenen Amalienburg, der Wiener Residenz der Habsburger, in Verbindung bringen. Einzelne Fensterformen - vor allem das über den Rechteckfenstern aufliegende Rundfenster - lassen sich auf das Schloß Ambras bei Innsbruck zurückführen.

In den ersten Kriegsjahren wurden aber auch bedeutende Schloßbauten und Residenzen begonnen: 1618 brannte das Schloß in Weimar ab, und sofort wurde der Neubau in Angriff genommen. Noch 1627 begann Markgraf Christian von Bayreuth eine neue Residenz zu errichten, Schloß Scharffeneck bei Baiersdorf in Franken. Allerdings mußten die Arbeiten wegen des Krieges 1630 an beiden Gebäuden eingestellt werden. Während das Weimarer Schloß nach Beendigung des Krieges vollendet werden konnte, wenn auch nach anderen Plänen, wurde Schloß Scharffeneck 1632 zerstört und nach Kriegsende auch nicht mehr fertiggestellt. [25] Beide Gebäude waren als eine symmetrische Vierflügelanlage konzipiert - ein damals im deutschsprachigen Raum sehr verbreitetes Grundrißschema für Schlösser und Residenzen, das prinzipiell auf italienische Vorbilder zurückgeht, ebenso wie zahlreiche Architekturdetails.

Allerdings wurden die italienischen Formen auf sehr unterschiedliche Weise rezipiert: Der Architekt von Schloß Scharffeneck, der ansbachische Hofbaumeister Valentin Juncker, war Deutscher; folglich spielten bei der Rezeption italienischer Formen Stichwerke und Architekturtraktate eine große Bedeutung. Als Vorbild diente anscheinend das von Sebastiano Serlio 1538-1546 errichtete Schloß in Ancy-le-Franc (Burgund), das er in seinem Architekturtraktat "Tutte l'opere d'architettura" veröffentlicht hatte. [26] Doch noch mehr als an seinen Stichen, in denen er ein erstes (oder ein überarbeitetes?) Projekt darstellt, scheint sich Hofbaumeister Juncker an den Ansichten von J. Androuet Ducerceau [27], die den realisierten Zustand wiedergeben, orientiert zu haben.

In Weimar holte man sich für den Schloßneubau 1618 einen Architekten, der die italienische Baukunst aus eigener Anschauung kannte: den aus Graubünden stammenden Architekten Giovanni Bonalino, der auch sogleich einen "welschen" Bautrupp mitbrachte. Nach Bonalinos Projekt sollte das Schloß durchgehend dreigeschossig sein, an den Ecken leicht hervortretende Eckrisalite aufweisen, die in der Höhe die anderen Gebäudeteile nicht überragen sollten. Der Eindruck eines Stadtpalastes sollte jedoch durch Rundbastionen an den Ecken und den Eingängen vermindert werden, wodurch der Residenz wehrhafte Züge gegeben worden wären.

Ebenso wie bei den die Außenfassade gliedernden Wandfeldern [28] macht sich auch bei der von Pilastern rhythmisierten Hoffassade der Einfluß italienischer Palastbaukunst bemerkbar: Seit dem Bau der "Cancelleria" in Rom (1489-1511), wo ebenfalls ein Wechsel der Ordnungen im Hof vorkommt, sind von Pilastern gegliederte Fassaden in Italien sehr verbreitet. Nur die Form der Treppen ist nicht italienisch: Sie sollten in vier runden Ecktürmen im Hof untergebracht werden - eine Lösung, wie sie in den Schlössern Chambord (ca. 1519-1550) und Dresden (um 1549) zu finden ist.

Da Bonalino 1526 Weimar verließ wurden die Arbeiten zwar fortgesetzt, gingen aber - kriegsbedingt - nur noch schleppend voran; 1630 kam es zum absoluten Stillstand der Bautätigkeit. Als man nach einer mehrjährigen Unterbrechung den Bau 1662 vollendete, wurden die Pläne überarbeitet - nur drei der ursprünglich vier geplanten Flügel wurden errichtet [29], da man sich nun an neuen Vorbildern orientierte: französische Schloßbauten und Palais anstelle von italienischen Bautypen. Französisch ist die Dreiflügelanlage, die einen Ehrenhof bzw. einen Cour d'honneur umschließt [30], und der sogenannte Pavillon, der seit 1650-1662 als Blickfang der den Hof abschließenden Hoffassade diente. Der pavillonartige Aufbau mit geschweifter Haube wurde bei den Umbauten im Anschluß an den Brand von 1774 entfernt.

Möglicherweise kann man diese stilistische Neuorientierung als eine Reaktion auf die Kriegsereignisse bzw. auf die damit verbundene politische und konfessionelle Situation zurückführen: Weimar wurde von den Wettinern, einem protestantischen Herrscherhaus, regiert. Während die katholischen Herrscher des Reiches, voran der Kaiser in Wien, aber auch die Wittelsbacher in München und die Salzburger Erzbischöfe ihre Residenzen in offenkundiger Anlehnung an Vorbilder im katholischen Italien errichtet hatten, verwarf man im protestantischen Weimar das ursprüngliche Projekt und suchte nach neuen Vorbildern, die man in Frankreich, dem großen Gegner des Kaisers, fand.

Die französische Dreiflügelanlage war schon während des Krieges in den nördlichen und östlichen Gebieten des Reiches verwendet worden. Als frühestes Beispiel kann das Jagdschloß in Neustadt-Glewe südlich von Schwerin gelten, das für Herzog Adolf Friedrich I. von Mecklenburg erbaut wurde. Die Pläne für diesen frühen Typus einer Dreiflügelanlage mit einem nahezu quadratischen Ehrenhof schuf der aus Emden stammende Architekt Ghert Evert Piloot (gest. 1629), der bereits einige Jahre in der Gegend, u.a. am Schloß in Schwerin, tätig war. Das weitgehend vollendete Bauwerk wurde 1637 von kaiserlichen Truppen beschädigt. [31]

Das 1633-1636 erbaute Schloß in Plön, die Residenz der protestantischen Herzöge von Schleswig-Holstein-Plön, ist ebenfalls eine Dreiflügelanlage, die sich zum See hin öffnet. Plön zählt zu den wenigen Residenzen, die während des Krieges vollendet werden konnten. Die Randlage, hauptsächlich aber der Frieden von Lübeck (1629), dürften die ungestörte Fortführung der Arbeiten ermöglicht haben.

Auch bei den Planungen zu Schloß Friedenstein in Gotha hatte man sich anfangs noch an italienischen Vorbildern orientiert, um dann umzuschwenken und eine "unitalienische" Anlage zu errichten. Durch Erbteilung war Gotha 1640/41 Residenzstadt geworden. Herzog Ernst von Sachsen-Gotha ließ 1643-1654 ein neues Schloß errichten, das er - Ausdruck der Friedenssehnsucht - Schloß Friedenstein nannte. [32] 1646 konnten der Herzog und die ersten Behörden in den Neubau einziehen. Mit dem Ausschachten der Wälle und dem Bau der Bastionen begann man erst 1655 - nach Beendigung des Schloßgebäudes; sie wurden 1662/65 fertiggestellt.

Eine komplexe Planungsphase war dem Baubeginn vorausgegangen, von der sich glücklicherweise zahlreiche Dokumente und vor allem verschiedene Modelle erhalten haben. [33] Ein erstes Modell, das dem Hofbaumeister und Festungsingenieur Andreas Rudolph (1601-1679) zugeschrieben und 1643 datiert wird, zeigt eine symmetrische, dreigeschossige Vierflügelanlage mit einem zentralen rechteckigen Hof, der auf allen Seiten und Geschossen durchlaufende Arkaden aufweisen sollte (nur im Nordflügel mußte wegen eines großen Saales auf ein Arkadengeschoß verzichtet werden). Ein zweites Modell, bislang mit dem Festungsbaumeister Matthias Staudt in Verbindung gebracht, ist nun von Georg Skalecki dem Baumeister Nikol Teiner zugeschrieben worden. [34] Vorgesehen war eine Vierflügelanlage mit einer trotz abwechslungsreicher Fensterformen einheitlichen Fassadengestaltung. Bei der Realisierung schließlich ging man von einem dritten Modell aus, das dem Festungsbaumeister Caspar Vogel aus Erfurt zugeschrieben wird und ein ganz anderes Konzept verfolgt: An die Stelle der geschlossenen Vierflügelanlage tritt jetzt eine Dreiflügelanlage, die sich mit monumentalen Arkaden im Erdgeschoß zur Gartenseite hin öffnet. Auch wenn die Dreiflügelanlage und die zwei turmartigen Pavillons auf der Gartenseite von einem Einfluß französischer Schloßbaukunst zeugen, weist das Schloß weder einen als Eingang dienenden Ehrenhof auf, noch ist die lange, allein durch Fensteröffnungen gegliederte Fassadenfront architektonisch strukturiert. Auffallend schlicht ist die Form der aneinandergereihten Fenster, die noch gotisierende Fenstergewände aufweisen. Auch sonst legte man kaum Wert auf schmückende Einzelformen, so daß die Bauvolumina zu ihrer vollen Wirkung kommen.

Gleichberechtigter ausführender Architekt beim Bau war der Hofbaumeister Andreas Rudolph. Wahrscheinlich setzte er durch, daß beim Bau des Schlosses auch Elemente von den vorangegangenen Projekten übernommen wurden. In vielen Details lassen sich auch Bezüge zu Gebäuden feststellen, die mehrere Jahrzehnte zuvor errichtet wurden. Herzog Ernst wollte wohl bewußt keinen innovativen Schloßbau realisieren; sondern durch Anleihen bei früheren sächsischen Residenzen, u.a. Schloß Augustusburg, dynastische Kontinuität demonstrieren. Als Vorbild für den darauffolgenden Schloßbau in Sachsen - vor allem für die Schlösser in Zeitz und Weißenfels - wurde aber das gefälligere und in den architektonischen Details modernere Weimarer Schloß der wuchtigen Anlage von Gotha vorgezogen.



III. Profanbau - Schlösser der Feldherren und Heereslieferanten

Während die Fürstenhäuser erhebliche Schwierigkeiten hatten - von den Schlössern in Plön und Gotha abgesehen -, ihre Bauvorhaben während des Krieges zu verwirklichen, waren die Schlösser der Feldherren und geschäftstüchtigen Heereslieferanten zumeist noch vor Kriegsende fertiggestellt worden. Auch für diese Schlösser gilt, daß die Bauherren entsprechend ihrer Konfession bzw. entsprechend ihrer Zugehörigkeit zu dem einen oder anderen politischen Lager ihren Baustil auswählten. Die Schlösser im katholischen Böhmen und Mähren sind einheitlich italienischen Vorbildern nachempfunden, während das einzige, das von einer entsprechenden Persönlichkeit zu dieser Zeit in einer protestantischen Gegend erbaut wurde, von einem französischen Architekten stammt: Es ist das für den Generalmajor Joachim Heinrich Vieregge 1657 im mecklenburgischen Rossewitz errichtete Schloß von Charles Philippe Diessart. [35]

Die Schlösser in Böhmen und Mähren wurden jedoch von katholischen Feldherren und Kriegsgewinnlern errichtet. Dort war wieder Land zu vergeben, nachdem viele Protestanten in den Jahren nach der Schlacht am Weißen Berg (1620) vertrieben worden waren. Daß gerade die neuen Herren, die oftmals durch den Krieg zu Rang und Reichtum gekommen waren, sich ihre Residenzen besonders aufwendig gestalteten, ist verständlich: Sie wollten ihre neue gesellschaftliche Stellung nun auch äußerlich zur Schau stellen.

Ein besonders charakteristisches Beispiel ist das Schloß Holleschau (tschechisch Holešov) in Mähren, das der aus der Steiermark stammende, 1610 zum Hauptmann und 1641 zum Grafen ernannte Johann Freiherr von Rottal 1652 beginnen ließ. [36] Architekt war Filiberto Luchese (1606-1666), ein seit 1640 in Österreich nachweisbarer Stukkateur und Architekt, der bereits zahlreiche adlige Schlösser umgebaut und erneuert hatte. Es handelt sich um ein Schloß auf rechteckigem Grundriß mit kleinen sechseckigen Ecktürmen; der Innenhof ist von Arkaden umgeben. Während bei der Außenfassade die beiden Hauptgeschosse durch flache Lisenen zusammengefaßt sind, weist der Innenhof eine zwei Stockwerke überspannende Kolossalpilasterordnung mit toskanischen Kapitellen auf, die in eine Verkröpfung übergehen. Die ursprünglich nur in der Sakralarchitektur gebrauchten Kolossalpilaster waren im deutschsprachigen Raum in der Wiener Hofburg und im sogenannten Kaiserhof der Münchner Residenz (von 1612-1618) verwendet worden: Für einen ehem. Hauptmann, der erst wenige Jahre zuvor in den Adelsstand erhoben worden war, ist eine solche Hofgestaltung daher als fast anmaßend zu bewerten.

Ein weiteres Beispiel stellt das Lustschloß der Grafen Michna in Prag dar: Paul von Michna (um 1572-1632), Sohn eines Metzgers, hatte als Heereslieferant im Dreißigjährigen Krieg erhebliche Gewinne gemacht. Er war wegen seiner Verdienste um die Stärkung des katholischen Glaubens geadelt worden und hatte es zum Sekretär der böhmischen Hofkammer gebracht. 1625 erwarb er ein kleines Lustschloß auf der Prager Kleinseite. Sein Neffe, Graf Wenzel Michna, ließ das Gebäude 1644/45 umbauen und erweitern. Aus finanziellen Gründen gelang es damals allerdings nur, den nördlichen, der Gartenseite zugewandten Risalit auszuführen. Auch wenn man kein spezifisches Vorbild nennen kann, sind alle Motive italienisch: Die große Nische mit der Fenstertür, die das Mittelgeschoß bestimmt, erinnert an die von Vignola 1551-1555 erbaute Villa Giulia in Rom. Die Büsten in den Rundnischen oberhalb der Fenster werden immer wieder mit den gleichen Vorbildern in Rom verglichen: der 1564 umgestalteten Villa Medici und dem 1613-1615 von Hans von Xanten, gen. Giovanni Vasanzio, erbauten Casino Borghese. Für das Motiv der Stuckgirlanden könnte man auf die Stuckausstattung im Hof des Palazzo Spada, ebenfalls in Rom, verweisen. Auch das Attikageschoß kann man auf italienische Beispiele zurückführen.

In diese Reihe gehört auch das Schloß Eggenberg. Der Bauherr, Hans Ulrich von Eggenberg (1568-1634), war zwar weder Feldherr noch Heereslieferant, doch verdankt auch er seinen Aufstieg dem Krieg: Aus einer protestantischen Familie stammend, konvertierte er zum Katholizismus und machte darauf schnell und erfolgreich Karriere. 1623 wurde er Reichsfürst und fünf Jahre später erhielt er den Herzogstitel. Parallel dazu wurden ihm verschiedene Güter übereignet. Seinem neuen gesellschaftlichen Rang entsprechend, bedurfte er nun einer repräsentativen Residenz. Um 1625 begann der Neubau des alten Herrensitzes am Stadtrand von Graz unter der Leitung von Giovanni Pietro de Pomis (1569-1633). Die Fertigstellung erlebte Eggenberg nicht mehr: Der Schloßhof wurde erst 1644/46 vollendet, die Innenausstattung sogar erst im 18. Jahrhundert. [37]

Das von einem Wassergraben umgebene Schloß ist eine vierflügelige Anlage mit turmartigen Eckrisaliten. Den großen quergelagerten Innenhof, der nicht genau die Mitte des Schlosses einnimmt, umgeben - wie in der Steiermark und auch im übrigen Österreich nicht unüblich - auf drei Seiten dreigeschossige Loggien mit Rundbogenarkaden, denen toskanische Halbsäulen vorgeblendet sind (an den Eingängen sind die Halbsäulen verdoppelt worden). Ein Mezzaningeschoß schließt die Wandgliederung des Hofes ab. Wegen der den Pfeilern vorgelagerten Halbsäulen möchte man einen Einfluß des Escorials annehmen, zumal Architekt und Auftraggeber 1626 eine gemeinsame Spanienreise unternommen hatten und Hans Ulrich von Eggenberg die Stellung eines Verbindungsmannes zum spanischen Hof innehatte.

Ganz anderer Art sind hingegen Wallensteins Paläste in Prag und Gitschin (Jičin). Obwohl er ebenfalls schnell Karriere machte, fällt sein in den Jahren 1624-1630 errichteter Stadtpalast in Prag nicht durch übertriebene Formen auf. Zwar ließ er, um ihn erbauen zu können, 25 Bürgerhäuser abreißen, und die Fassade weist 19 Fensterachsen auf. Doch im Vergleich zu italienischen Stadtpalästen wirken die einzelnen Stockwerke auffallend flach: Die Fenster des Erdgeschosses liegen so tief, daß man von der Straße aus hineinschauen kann. Auch die gedrungenen Seitenportale scheinen eher zu einem bürgerlichen Haus als zu einem Stadtpalais zu gehören.

Prachtvoll ist hingegen die Ausstattung der nicht öffentlichen Bauteile seines Anwesens - des Gartens mit den Bronzefiguren, des palastartigen Reitstalles, der in seiner Größe durchaus der kaiserlichen Stallburg in Wien gleicht, und der monumentalen "Sala terrena", einer dreiachsigen, mit gepaarten Säulen ausgestatteten Gartenloggia, die in ihrer Höhe fast die Dächer des Palastes übertrifft. Doch so sehr Wallensteins Gartenloggia prachtvoll und überdimensional groß erscheint, im Vergleich zur kaiserlichen Anlage bei Wien, dem unter Kaiser Maximilian II. 1569-ca. 1587 errichteten Neugebäude [38], wirkt sie ebenso bescheiden wie die Hauptfassade seines Palastes.

Auch bei der Gestaltung der Fassade seines Schlosses in Gitschin, der Hauptstadt des Herzogtums Friedland, scheint sich Wallenstein in Zurückhaltung geübt zu haben. [39] 1625-1633 baute er die Residenz aus; das ursprüngliche Gebäude wurde in einem Nebentrakt verbaut, zwei weitere Innenhöfe angelegt. Durch diese Anbauten wurde die Breite der Marktplatzfront mehr als verdoppelt. Wie sein Stadtpalais in Prag zeigt auch die Residenz in Gitschin eine langgestreckte, wenig gegliederte Fassade. Die einzelnen Geschosse wirken auffallend flach. Ungewöhnlich ist auch der sich über die ganze Fassade erstreckende Portikus. Denkbar ist, daß hier einer einheitlichen Platzgestaltung Vorrang vor dem Repräsentationsbedürfnis des Fürsten eingeräumt wurde.

Zusammenfassend kann man in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges ein Nachlassen der Bautätigkeit bei den herrschaftlichen Residenzen feststellen. Regelrechte Zerstörungen dagegen - wie im Fall von Schloß Scharffeneck - sind relativ selten zu verzeichnen. [40] Die verantwortlichen Generäle sollen daran nicht interessiert gewesen sein: Es wird berichtet, daß der Schwedenkönig Gustav Adolf, als ihm Friedrich von der Pfalz und einige andere protestantische Fürsten vorschlugen, die Münchner Residenz zu zerstören, diesen Vorschlag voller Abscheu abgelehnt habe. [41] Auch Wallenstein soll Bewunderung für das Jagdschloß in Neustadt-Glewe geäußert und angeordnet haben, den Bau instand zu setzen, was allerdings die kaiserlichen Truppen nicht daran hinderte, das Gebäude später dennoch zu beschädigen.

Architektonische Meisterleistungen wie in den beiden ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts sind - abgesehen von Wallensteins Palais in Prag - rar. Auffallend ist die politisch-konfessionell bedingte Wahl der Vorbilder im Schloßbau. Verwunderung kann hervorrufen, daß man während des Dreißigjährigen Krieges die Schlösser nicht durch mächtige Bastionen gesichert oder die Residenzen in Festungen verlegt hat.



Seitenanfang

ANMERKUNGEN


*Vorliegender Text ist die stark gekürzte Fassung eines ursprünglich sehr viel ausführlicheren Beitrages

1. Stark zerstört wurden u.a. die Städte Bautzen, Magdeburg, Rothenburg o.d.T. und Meissen; andere Städte wie München konnten sich teuer freikaufen.

2. Die Jesuiten- und Universitätskirche 1628-1631, die Karmelitenkirche St. Josef in der Leopoldstadt 1622-1624/39, die Paulanerkirche Zu den Hl. Schutzengeln 1627-1651, die Schottenkirche 1638-1648 und die Domenikanerkirche 1631-1634 (Fertigstellung erst 1674); vgl. Brucher 1983, S. 56ff.

3. Vgl. Feuchtmüller 1973, II, S. 17ff; Skalecki 1989, S. 116ff., 132ff. Zu Schloß Eggenberg bei Graz s.u.

4. Vgl. Heinisch 1968, S. 117ff. Einen Überblick über den letzten Forschungsstand vermitteln die Beiträge in: Österreichische Ingenieur- und Architekten-Zeitschrift 140 (1995), Heft 12.

5. Z. B. die Loreto-Kapelle in Reutberg (1608), Landshut (1624) und in Berg am Laim (1632), ferner die Kirchen von Maria Eck und Tuntenhausen (s.u.). Zur Rolle der Wittelsbacher beim Kirchenbau vgl. Albrecht 1980, S. 13ff.; Schnell 1936, S. 28ff.

6. U.a. 1617-1620 die Schutzengelkirche in Eichstätt, 1619-1621 die Kirche der Hl. Dreifaltigkeit in Aschaffenburg, 1629-1631 die Josefskirche in Burghausen und 1631-1641 die St. Ignatius-Kirche in Landshut. Vgl. Braun 1908-10, II. Zu den ersten Niederlassungen der Jesuiten in Bayern vgl. Ausst.kat. München 1997.

7. So die ehem. Benediktinerabteikirche St. Peter und Paul in Oberaltaich (1622-1630), die Augustiner-Chorherrenstiftskirche Beuerberg (1628/30-1635) und die ehem. Paulanerkirche St. Karl Borromäus in der Au vor den Toren Münchens (1621-1623), die 1903 abgerissen wurde. Vgl. Bauer/Bauer 1985, S. 61f., 122f., 200ff.

8. Vgl. Kahlenberg 1963, S. 95ff.; Eimer 1961, S. 214ff.

9. Vgl. Schütte 1984.

10. Vgl. Hipp 1979, S. 440, 1006 (Anm. 823).

11. Vgl. Hipp 1979, S. 444ff.

12. Furttenbach 1628 (hier Taf. 28) äußert sich recht allgemein über den Kirchenbau, bevorzugt aber offensichtlich eine moderne italienische Fassade (Taf. 27). Auch schon Johann Fichard hatte in seiner "Italia" (1536) die Vorbildlichkeit des Florentiner Domes betont, da er angeblich dem Templum Salomonis nachempfunden sei; vgl. Hipp 1979, S. 488, 664.

13. Furttenbach 1649; vgl. auch Hipp 1979, S. 487ff. Der von Furttenbach konzipierte Kirchenraum kann als eine Reaktion auf die in den Niederlanden und im dänischen Christianstad errichteten Kirchen von ca. 1620 sowie die in unmittelbarer Nachfolge erbauten Kirchen im deutschsprachigen Raum verstanden werden.

14. Erwähnt seien hier die Schloßkirchen in Dresden (von 1549-1555, 1945 zerstört), Schwerin (1560-1563), Stuttgart (1566), Stettin (1577), Augustusburg (1568-1572) und Schmalkalden (1586-1590), ferner die Schloßkapellen im ehemaligen Carolath (polnisch: Siedlisko) in Schlesien (vollendet 1618) und im Schloß Weikersheim bei Heilbronn (nach 1595). Zu den Schloßkapellen im sächsischen Raum vgl. Jöckle 1994.

15. Vgl. Kadatz 1983, S. 104, 117ff.; Hitchcock 1981, S. 101ff., Abb. 125.

16. Vgl. Zimmer 1971, S. 32ff., 114; Hipp 1979, S. 780ff.

17. Während die evang.-reformierte Heidelberger Schloßkapelle ein nachgotischer Bau ist (vgl. Hitchcock 1981, S. 332f., Abb. 425), weist die Schloßkirche der Frederiksborg Renaissanceformen auf (vgl. Beckett 1914, S. 142ff).

18. Als nach der Schlacht am Weißen Berg (1620) die Kirche den Katholiken zugesprochen und von den Karmeliten übernommen wurde, kam es im Verlauf der Fertigstellung 1626 zu eingreifenden Veränderungen; sie hieß fortan auch St. Maria de Victoria; vgl. Kráclová 1982; Skalecki 1989, S. 45ff, 173ff.

19. Vgl. Lieb/Sauermost 1973, S. 101ff.; Schalkhausser 1958, S. 265.

20. Vgl. Hauttmann 1923, S. 122f.

21. Es sind die Peterskirche in Münster (1591-1597), die Kirche des hl. Johannes des Täufers in Koblenz (1607-1617), die Dreifaltigkeitskirche in Molsheim (1614-1617), die Himmelfahrtskirche in Köln (1617-1624) und die Michaelskirche in Aachen (1618-1623); nur die 1621-1629/37 erbaute Kirche St. Andreas in Düsseldorf ist in italienisierenden frühbarocken Formen errichtet. Vgl. Braun 1908-10, I.

22. Z.B. die um 1550 erbaute Kirche in Jungbunzlau (tschech. Mladá Boleslav); vgl. Seibt 1985, S. 168, 193f., Abb. 139-141.

23. Vgl. Stierhof 1980; Klingensmith 1993, S. 20ff.

24. Zu den Stichen von G.P. Fischer von 1644 und M. Wening von 1701 vgl. Ausst.kat. München 1980, II/1, Taf. 36, Abb. 115-117. Zur Architektenfrage vgl. Diemer 1980, S. 279, 287ff. Vgl. auch Stierhof 1980, S. 277.

25. Grundriß und Aufriß des einstigen bei Erlangen liegenden Schlosses sind durch Kopien der Originalentwürfe bekannt; vgl. Skalecki 1989, S. 94.

26. Serlio 1584, Buch 7, Kapitel 2, S. 208ff.

27. Ducerceau 1576-1579, Teil 1: Das ursprüngliche Aussehen des Schlosses vor den späteren Veränderungen ist hier festgehalten. Zum Schloßbau vgl. Prinz/Kecks 1985, S. 625ff.

28. Das zuerst von Bramante benutzte Motiv (Belvedere-Hof, 1503ff.) fand schnell in Rom Verbreitung (z. B. Palazzo Vidoni-Caffarelli, Palazzo Maccarani, Palazzo Alberini); es ist später auch in Norditalien zu finden (u.a. am Palazzo della Pilotta in Parma, dem sog. "Corridore", und am Palazzo della Galleria in Sabbioneta; vgl. Benedetti 1984, Abb. 167, 169. Diese Wandfelder kommen auch in einigen Höfen des Escorials vor.

29. Die Leitung der Bauarbeiten hatte nach 1623 Nikol Teiner, der später an der Planung von Schloß Friedenstein in Gotha beteiligt war; vgl. Heubach 1927, S. 116ff.; Skalecki 1989, S. 224ff.

30. Als Paradebeispiel sei das für die Regentin Maria de Medici außerhalb der Stadt errichtete Palais du Luxembourg in Paris (1615-1631; Architekt Salomon de Brosse) genannt, vgl. Coope 1972, S. 110ff. Die Entwicklung zur Dreiflügelanlage fand in Frankreich bereits im 16. Jahrhundert statt, bedeutende Vorläufer sind das um 1520 errichtete Schloß Bury in Loir-et Cher und das 1545-1555 erbaute Schloß in Anet (vgl. Prinz/Kecks 1985, S. 545ff). Französische Dreiflügelanlagen waren von Ducerceau, aber auch von Serlio veröffentlicht worden (Serlio 1584, Buch 7, Kapitel 24, S. 56f.).

31. Vgl. Skalecki 1989, S. 236ff.

32. Am Schloßportal befindet sich seit ca. 1650 der sog. "Friedenskuß". Der Name dürfte aber auch als Reaktion auf den einstigen Namen der geschleiften Vorgängerburg "Grimmenstein" zu verstehen sein.

33. Eine Auswertung der Archivakten zuletzt bei Schütte 1994, S. 76 ff; zu den Modellen vgl. Skalecki 1989, S. 228ff.; Heubach 1927, S. 65ff, bes. S. 70ff.

34. N. Teiner hatte von 1623 bis ca. 1630 die Leitung der Bauarbeiten am Weimarer Schloß inne und ist durch einen Zahlungsbeleg in Gotha dokumentiert; vgl. Skalecki 1989, S. 230-231.

35. Vgl. Schlie 1898, S. 480ff.; Skalecki 1989, S. 238ff.

36. Vgl. Skalecki 1989, S. 214ff.; Umělecké památky Moravy a Slezska, 1 (1994), S. 500ff.

37. Vgl. Luchner 1983, S. 83ff., Abb. 58ff.; Kaiser 1994.

38. Kaiser Ferdinand II. (1619-1637), dem damals das Neugebäude gehörte, war Wallensteins direkter Dienstherr. Die Imitation geht bis ins Detail: Die Arkaden von Wallensteins Gartenloggia werden wie beim Neugebäude von auf flachem Sockel stehen Doppelsäulen toskanischer Ordnung getragen, über denen ein doppeltes Gebälk auflag. Ferner wiesen die Arkaden des Neugebäudes ebenso markante Schlußsteine auf, wie die Gartenloggia, und die Dächer waren wie dort mit Dachgaupen versehen; zur Rekonstruktion des Neugebäudes vgl. Lietzmann 1987, S. 49ff., Abb. S. 13, 39, 97.

39. In Sagan plante Wallenstein jedoch ein Schloß, das alle bisherigen Maße sprengen und sich in seinen Ausmaßen mit großen italienischen Fürstenresidenzen hätte messen können. Die Fassade der Residenz in Gitschin wurde im 18. Jahrhundert stark verändert; vgl. Skalecki 1989, S. 152ff.

40. Ein besonders tragisches Beispiel ist die fürsterzbischöfliche Residenz in Mainz, die 1627 begonnen, im Winter 1631/32 nach dem Einmarsch der schwedischen Truppen unterbrochen und erst 1675-1678 notdürftig vollendet wurde.

41. Vgl. Rystad 1980, S. 425.



Seitenanfang

© 2001 Forschungsstelle "Westfälischer Friede", Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Münster, Domplatz 10, 48143 Münster, Deutschland/Germany. - Stand dieser Seite: 2. Mai 2002