Forschungsstelle "Westfälischer Friede": Dokumentation

DOKUMENTATION | Ausstellungen: 1648 - Krieg und Frieden in Europa

Textbände > Bd. II: Kunst und Kultur

JIŘÍ KROUPA
Kunst, Mäzenatentum und Gesellschaft in Mähren 1620-1650

Die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts in Mähren kann man zweifellos als eine bedeutende Periode des tiefgreifenden Wandels von der Spätrenaissance zum Frühbarock bezeichnen. In der bisherigen tschechischen Historiographie wurde jedoch gerade diese Epoche mehr aus politischer, wirtschaftlicher und sozialer Perspektive bearbeitet. Die Kunstgeschichte dieser Zeit blieb ein wenig im Schatten der historischen Fragestellungen. Liegt es womöglich daran, daß das künstlerische Schaffen Mährens dieser Zeit von den Ereignissen der späten Kriegsjahre überschattet wurde, in denen wesentliche Teile dieses Landes verwüstet wurden? Diesen Aspekt müssen wir natürlich in Betracht ziehen, jedoch gleichzeitig auf einen anderen Sachverhalt im Zusammenhang mit diesem wissenschaftlichen Problem hinweisen. Die einheimische Historiographie konzentrierte sich hauptsächlich auf die große Epoche der rudolfinischen Kunst um 1600 und dann auf die Entstehung des böhmischen Hochbarocks um 1700. An diesen Kunstepochen hatte Mähren jedoch nur einen verhältnismäßig kleinen Anteil. Im 17. Jahrhundert war Mähren aber keinesfalls kunstloses Terrain. Vergleichen wir die Kunstwerke von der Jahrhundertwende bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts, fällt ein interessantes Zusammenspiel von Kontinuität und Diskontinuität in den damaligen künstlerischen Bestrebungen auf. Auf dem Gebiet der Architektur steht am Anfang der Bau des Schloßhofes mit einem Toraltan in Moravská Třebová (Mährisch Trübau) und am Ende der Bau des neuen Schlosses in Holešov (Holeschau). In der Malerei entsprechen dieser architektonischen Polarität etwa die Entstehung des Gemäldezyklus in der Brünner Jesuitenkirche des Venezianers niederländischer Herkunft Baldissera d'Anna und um die Mitte des Jahrhunderts das Gemälde des Hauptaltars der Brünner Kapuzinerkirche von Joachim von Sandrart. Alle diese Beispiele sind nicht ganz zufällig aufgegriffen: Sie veranschaulichen sowohl in Architektur als auch auf dem Gebiet der Malerei eine Kontinuität von protobarocken Elementen in der künstlerischen Struktur eines manieristischen Werkes über unterschiedlich ausgeprägten Widerhall im beginnenden Barock bis zum eindeutigen Auftreten des Frühbarocks in Mähren um 1650. [1]



I.

Mähren war ein Land im Bund der Länder der Böhmischen Krone. Vor der Schlacht am Weißen Berg, die einen schicksalhaften Umbruch in der Geschichte dieser Länder bedeutete, waren die Landesteile, auch Mähren, weitgehend autonom. Diese Situation schuf in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ein politisches und kulturelles "Wir-Gefühl", das die Grenzen des Landespatriotismus überschritt, führte aber keinesfalls zur Selbstbespiegelung oder einem Versuch, sich von der gesamteuropäischen kulturellen Entwicklung loszureißen. [2] Einerseits bewahrten die Verwandtschaft der böhmischen und mährischen Adeligen, ihre gemeinsame Sprache und ihre gemeinsamen politischen Interessen das Bewußtsein von Zugehörigkeit zur Böhmischen Krone, andererseits wurde der mährische Adel beider Konfessionen durch seine Bildungsreisen, während der er das Hofleben und die Hofkultur in Süd- und Westeuropa kennenlernte, kosmopolitisch und verfügte über reiche Kenntnisse und Erfahrungen mit Kunst von europäischer Bedeutung. Mit dem neuen Lebensstil der führenden Schichten entwickelte sich allmählich auch eine neue Auffassung von Architektur. Für Mähren war in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts besonders jener aristokratische Bautypus charakteristisch, der von Erich Hubala trefflich als "Mährisches Arkadenschloß der Renaissance" bezeichnet wurde (z.B. Telč, Moravský Krumlov, Náměšž, Rosice u.a.).

Das Verständnis dieser Epoche als Beginn eines moderneren Zugangs zu den künstlerischen Aufgaben in Mähren ist keine Frucht heutiger kunsthistorischer Interpretation, sondern wurde schon früher so empfunden. Am Ende des 18. Jahrhunderts schrieb der gebildete Brünner Bildhauer Andreas Schweigl seine "Geschichte der Kunst in Mähren", keine kritische historische Studie im modernen Sinne, enthält sie bereits eine aufklärerische Konzeption des Fortschritts der Kunst vom Mittelalter bis in seine Zeit: "Der Ruhm der Römischen Bauart, die dieselbe wieder von denen Griechen und ihren Altertümer hervorsuchte, breitete sich nun auch im ganz Teitschland und bis zu uns Mähren. Und von nun wurde in diesem 16 Secullo wenig mehr in gotischer Manier gebaut. [...] Die allgemeine innerliche Ruhe im Lande gabe nun mehrere Gelegenheit viele schöne Gemälde, Bau und Schnitzwerk einzubringen. Dies war nun ein Magnet, zoge zu sich die zur stetter Neugier angeborenen reiche Insassen, erwöckten Eifersucht mit unsern Nachbarn, erkauften aus Italien, meistens aus Niederland von denen damals trefflichen Meistern schöne Gemählde, errichteten dazu Galerien, ergötzen damit das Herz. [...]" [3] Nach dieser Feier der Kunst an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert "überspringt" Schweigl das ganze 17. Jahrhundert und setzt erst mit der Kunstgeschichte des 18. Jahrhunderts wieder ein. War die Kunst der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts aber tatsächlich nur eine Unterbrechung jener vielversprechenden Entwicklung? In Mähren gab es schon vor dem Dreißigjährigen Krieg soziale und kulturelle Zentren, deren Bedeutung mit dem Voranschreiten des Barocks und Spätbarocks erhalten blieb und sich nur allmählich änderte. Zu den wichtigsten Zentren zählten (a) die königlichen Städte, (b) restituierte Klöster und Wallfahrtsorte und vornehmlich (c) die fürstlichen Residenzen und adeligen Höfe.

Die eigentliche Bedeutung der Städte auf dem Gebiet der Böhmischen Krone sank zwar schon in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, neu gestaltete Marktplätze mit Renaissancefassaden an den Häusern zeugen aber von einem gleichbleibend hohen kulturellen Stand der Kaufleute und Handwerker. Namentlich die königlichen Städte, und unter diesen besonders Brünn und Olmütz, waren hervorragende Zentren bürgerlicher Repräsentation. [4] Die Oberschicht des Bürgertums waren die "Ringsleute". Schon seit dem 16. Jahrhundert wurden städtische Ämter innerhalb dieser Schicht vererbt, die auch die Grundherren stellten und fast ausschließlich untereinander heiratete. Die Einnahmen aus herrschaftlichen Unternehmen, aus der kaufmännischen Tätigkeit und auch aus Bankoperationen stärkten ihren Einfluß. Die "Ringsleute" hatten enge Beziehungen zu europäischen kulturellen Zentren, und es war keine Ausnahme, wenn die Söhne dieser Familien an ausländischen Universitäten in Deutschland und Italien studierten. Von der Bedeutung der Brünner "Ringsleute" zeugen Vermögensinventare mit Listen der Bücher und Gemälde, aber auch ein bemerkenswertes Ensemble gemalter Epitaphbilder aus der Stadtpfarrkirche St. Jakob und der Kollegiatenkirche St. Peter und Paul. Auftraggeber waren Ende des 16. und zu Beginn des 17. Jahrhunderts vornehme Brünner Bürger. Bei bürgerlichem Mäzenatentum, das sich hauptsächlich in privaten Sammlungen von Gemälden, Portraits, Büchern, Kunsthandwerk u.a. niederschlug, spielte (meiner Meinung nach) die konfessionelle Frage keine besondere Rolle. Es ist dennoch klar, daß eher die Katholiken dazu neigten, ihre Kunstschätze (auch Architektur) zur Schau zu stellen. [5] Eine charakteristische Gestalt unter den Brünner Ringsleuten war Christoph Schwarz von Retz, der seit 1589 in Brünn ein großzügiges Renaissancepalais mit reich verzierter Fassade, Stuckdekorationen in den Zimmern und einem Arkadenhof baute. Schwarz' Umgang mit wichtigen Vertretern des Katholizismus aus der Zeit vor der Schlacht am Weißen Berg machte ihn zu einer Schlüsselfigur in Brünn. So förderte er die neuen Orden, vornehmlich jedoch die Brünner Jesuiten. Auch nachdem der in den niederen Adelsstand erhobene Schwarz im Jahre 1601 frühzeitig gestorben war, besuchten seine Söhne Universitäten in Ingolstadt, Innsbruck, Basel und Freiburg im Breisgau.

Mit dem Beginn der Gegenreformation in den Ländern der Böhmischen Krone erlebten die Ordensklöster eine "Renaissance" und wurden allmählich zu "neuen" Kulturzentren. Zur Neubelebung der mittelalterlichen Klöster kam es schon Ende des 16. Jahrhunderts bei Prämonstratensern (Hradisko/Hradisch bei Olmütz, Louka/Klosterbruck), Zisterziensern (Velehrad, Žïár/Saar), Benediktinern (Rajhrad/Raigern) oder Augustinern (Brünn, Olmütz). Von diesen Klöstern ging die lokale Gegenreformation aus, und es wurden neue Gebäude, Wallfahrtsorte u.a. gebaut. Daher verwundert es nicht, daß die damaligen Äbte in der lokalen Geschichtsschreibung immer wieder als die "neuen Klostergründer" auftreten (z.B. Sebastian Freytag von Čepiroh in Klosterbruck bei Znaim). Neben diesen Orden gründeten auch die Jesuiten im 16. Jahrhundert neue Kollegien (Olmütz 1566, Brünn 1572). Ihr Einfluß auf die mährische Gesellschaft ist nicht zu übersehen: Rund um die Jesuitenkollegs entstand eine spezifische, norditalienisch beeinflußte Kultur.

Die wichtigsten Impulse gingen aber von den "fürstlichen Residenzen und Höfen" aus. Dieser Begriff bedarf näherer Präzisierung, denn einen zentralen, souveränen Hof gab es in Mähren nicht. Zwar nahm der Bischof von Olmütz eine außerordentliche gesellschaftliche und politische Stellung ein. Seit 1599 und bis über das Schicksalsjahr 1620 hinaus war Kardinal Franz von Dietrichstein Bischof von Olmütz. Zwar hatte er seinem Bischofssitz in Olmütz, residierte aber vorwiegend auf seinem Schloß in der südmährischen Stadt Mikulov (Nikolsburg). Da Kardinal von Dietrichstein auch einige Jahre mährischer Gubernator mit allen Vollmachten war, wies Nikolsburg viele Züge einer Residenzstadt auf. Nur wenige Adelsfamilien unterhielten wie die Dietrichsteins oder Liechtensteins (ihr Sitz Feldsberg-Valtice liegt zur Zeit zwar in Mähren, gehörte aber früher zu Niederösterreich) Residenzen. Vor der Schlacht am Weißen Berg waren unter ihnen auch Protestanten, die höchste Landesämter bekleideten, so z.B. die Herren von Lipa (Moravský Krumlov/Mährisch Krummau) und die Herren Brtnický von Waldstein (Brtnice/Pirnitz). Neben diesen wenigen wirklichen Residenzen existierte in Mähren ein dichtes Netz von kleineren Herrschaften mit ihren Schlössern.

Die Zeit nach der Schlacht am Weißen Berg brachte in allen gesellschaftlichen Gebieten in Mähren einen ganz neuen Ton. Alle Tendenzen der früheren Zeiten wurden auf schicksalhafte Weise verstärkt. Man kann sagen, daß sich vor allem die feudalen Tendenzen durchsetzten. Finden sich in dieser Entwicklung irgendwie Zeichen von historischer Diskontinuität? Die politischen und militärischen Ereignisse könnten es nahelegen. Der Ständeaufstand in Mähren brach ebenso schnell zusammen wie in Böhmen; auch die Folgen waren ähnlich. Im Jahre 1628 (ein Jahr später als in Böhmen) trat die "Verneuerte Landesordnung" in Mähren in Kraft. Sie erklärte die Habsburger zur Erbdynastie und den Katholizismus zur einzigen geduldeten Glaubensrichtung. Im Jahre 1636 wurde das mährische Königliche Tribunal in Brünn als oberstes Gerichts- und Landesverwaltungsorgan installiert, das über die Böhmische Hofkanzlei mit dem Habsburger Hof in Wien in Verbindung stand.

Die Städte und der Ritterstand wurden als Stand aufgelöst, der Verlust ihrer wirtschaftlichen Basis führte bei manchen zu lang andauernder Verschuldung. Auch der Herrenstand wurde mit Konfiskationen bestraft und zum Verlassen des Landes gezwungen: Von den ehemals 66 alten Familien blieben nach dem Aufstand nur noch 27. Anders als in Böhmen war die Elite weniger betroffen, von den fünfzehn reichsten mährischen Familien behielten bzw. vergrößerten noch neun Familien nach der Schlacht am Weißen Berg ihr Eigentum, allen voran die Liechtensteins und Dietrichsteins. Kardinal von Dietrichstein rettete überdies die Güter einiger protestantischen Familien dadurch, daß er deren junge Verwandte zur Erziehung auf katholische Schulen sandte (Kaunitz, Žerotín, Petřvaldský). Gerade diese Familien wurden später in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts und um 1700 die neuen Auftraggeber der bildenden Künste in Mähren. Die Konfiskationen stärkten insgesamt die habsburgtreuen Adeligen, und der früher autonome mährische Geburtsadel strebte nun den Hofdienst an und war der katholischen Kirche treu ergeben.

Verfolgen wir die Kontinuität und Diskontinuität des Mäzenatentums während des Dreißigjährigen Kriegs, so zeigt sich, daß wichtigen Mäzene sich in Generationen gliedern lassen. [6] Die ältere Generation war mit dem humanistischen Milieu und der Spätrenaissance verbunden. Zu den bedeutendsten Personen aus diesem Milieu zählten die Herren von Žerotín. Um 1600 besaßen die Žerotíns riesige herrschaftliche Dominien. [7] Die Namen dieser Herrschaften und Dörfer klingen für Historiker, die sich mit der Renaissance beschäftigen, sehr bekannt: Mit jedem Namen assoziiert man auch ein bedeutendes Arkadenschloß. Der größte Teil dieser Schlösser wurde schon in den 1570er und 1580er Jahren erbaut, an manchen Orten wurde die Bautätigkeit auch nach 1600 fortgesetzt. Ein gutes Beispiel ist hier das Schloß Rosice (Rossitz bei Brünn), wo Karl der Ältere von Žerotín noch um 1620 nach einem Modell aus früheren Zeiten baute. Žerotín (1564-1636) richtete als Protestant sein mäzenatisches Interesse mehr auf das Wort als auf das Bild, und es ist symptomatisch, daß vornehmlich seine Kontakte mit dem Ikonologen und Emblematiker Joachim Camerarius belegt sind. Möglicherweise können wir die Ikonographie der inneren Höfe der žerotínischen Schlösser mit dieser Vorliebe für Emblematik verbinden. Ähnlich war das Mäzenatentum anderer wichtiger Protestanten dieser Zeit. Im Jahre 1586 wurden dem gebildeten Lutheraner Ferdinand Hofman von Grünpühel (1540-1607), Hofkammerpräsident Kaiser Rudolfs II., einige Güter in Mähren verliehen, u.a erwarb er die große Herrschaft Rabenstein-Janowitz. Hofmann zählt zu den bedeutenden Mäzenen und Sammlern des rudolfinischen Kreises, er hatte unter anderem Beziehungen zu Matthäus Gundelach, Giuseppe Arcimboldo und Jacopo Strada. Die Bibliothek seiner Residenz Schloß Janowitz wurde als "Schatzkammer der Gelehrsamkeit des 16. Jahrhunderts" bezeichnet. Trotzdem haben seine Sammlungen in Janowitz, Olmütz und Brünn bis heute nicht genügend Beachtung gefunden.

In Ladislav Velen von Žerotín finden wir aber auch einen Protestanten als bedeutenden Mäzen der bildenden Künste. Auf seiner Burg Trübau gehörten Künstler, Dichter, Musiker und Alchimisten zum Hofstaat, wobei Deutsche als Humanisten, Italiener als Steinmetzen (Johann Mottala de Bonnamone, Johann Foncun, genannt der Welsche) und Niederländer als Maler (Pietro de Petri aus Brugge) hervorragten. In den Schloßinventarien sind einige Zimmer als "gräfliche" oder "königliche" bezeichnet und kostbare türkische und italienische Teppiche und Gobelins als Ausschmückung genannt. In den Jahren 1611-1618 führte dieser "reiche" Ž erotín den Umbau des Schlosses durch und initiierte so einen der interessantesten und geheimnisvollsten Bauten des Jahrhundertbeginns in Mähren. Ein neuer Vorhof mit fast rechtwinkligen Flügeln wurde der Burg vorgebaut. Die Flügel haben umlaufende Arkaden mit Rustizierung aller Glieder, was einen strengen und festungsartigen Eindruck erweckt. Von imposanter Wirkung ist besonders der Eingang in den Hof, der die Form eines Torbaus mit drei Arkaden hat, wobei die mächtigeren mittleren von kleineren flankiert werden. Wann kam es zu diesem Bau? Ein Teil der Kunsthistoriker verbindet den Bau mit der manieristischen Kunst am Prager Hof des Kaisers Rudolf II. Andere Historiker weisen auf den fortschrittlicheren Charakter der Bauformen hin und auf die Tatsache, daß man in Trübau noch in den zwanziger Jahren des 17. Jahrhunderts baute. [8] In jedem Fall illustriert die Unsicherheit in der Datierung gut die Einmaligkeit des Gebäudes. Diese Einmaligkeit liegt jedoch weder in der Funktion (schließlich ist der Arkadenvorhof ja das Thema der Spätrenaissanceschlösser) noch in den direkten Anspielungen auf die Architekturtraktate Serlios. Mit seiner klaren Tendenz zur Hierarchisierung der architektonischen Glieder und zu einer Gradation der Bauform geht der Bau in den Frühbarock über. Im Unterschied zur gegenwärtigen böhmischen Kunstliteratur rechnen wir bei der Genese dieser Form jedoch mit einer Bindung an austroitalienisches Milieu.

Die oben genannte "ältere Generation" des Mäzenatentums in Mähren kann noch um weitere Persönlichkeiten des politischen und gesellschaftlichen Lebens wie die katholischen Herren Berka von Dubé in Velké Meziříčí (Groß Meseritsch), Salm-Neuburg in Tovačov (Tobitschau) oder die protestantischen Ritter Petřvaldský von Petřvald (Račice, Kolštejn/Goldenstein) ergänzt werden. Sie sind immer noch dem Lebensstil der Spätrenaissance verpflichtet. Ein Teil des mährischen Adels blieb diesem Lebensstil treu. Eine deutliche Zäsur jedoch bedeutet hier die Zeit um 1624, während der es zu weitreichenden Eigentumsverschiebungen in der mährischen Adelsgesellschaft kam. Ihre Bauten wurden während des Kriegs manchmal nur kurz durch kriegerische Ereignisse unterbrochen, oft aber wurden die Schlösser verwüstet und nur in wenigen Fällen vollendet.



II.

Eine andere Mäzenatengeneration begegnet uns mit den "Neureichen": Liechtenstein, Dietrichstein, Collalto, Kaunitz, Liechtenstein-Kastelkorn, Magnis und Rottal - es ist offensichtlich nicht möglich, verallgemeinernd über das Mäzenatentum der gesamten mährischen Oberschicht zu sprechen. Die Beziehung dieser Herren zur Kunst war nicht nur mit neuen künstlerischen Aufgaben und ihrem persönlichen Geschmack verbunden, sondern auch mit dem Verlauf des Krieges und anderen äußeren Momenten. Vereinend können wir für die neuen Grundbesitzer ein "Schema der drei Generationswellen" entwickeln. Die ersten Kriegsgewinnler nach der Schlacht am Weißen Berg waren im gleichen Alter wie die oben besprochene "ältere Generation". Sie waren auf äußerliche Repräsentation orientiert; sie tauschten das neuerworbene Eigentum, schufen große herrschaftliche Dominien und bauten ihre Residenzen als Symbol der neuen Macht aus. Manchmal verbanden die adeligen "Gründer der Macht der Familie" diese wirtschaftlichen Operationen mit der großzügigen Unterstützung der neuen Klöster und Wallfahrtsorte, die dafür das Wappen der Familie trugen oder die Familiengruft beherbergten. Den Umbau des Familiensitzes der Fürsten von Liechtenstein in Feldsberg-Valtice leitete zunächst der kaiserliche Architekt Giovanni Battista Carlone, die Pläne für den Komplex mit der Schloß- und Pfarrkirche stammten von Giovanni Giacomo Tencalla. Gebaut wurde nicht nur während des Krieges, sondern fast das ganze Jahrhundert hindurch. Die Fürsten von Dietrichstein und die Grafen von Collalto beauftragten ebenfalls bedeutende Architekten der Zeit mit dem Umbau ihrer Residenzen. Die Familien Althan und Magnis versuchten, ihr Prestige durch Berufung neuer geistlicher Orden zu heben: Michael Graf Althan gründete die Jesuitenkollegs in Znaim und Iglau, Franz Graf Magnis unterstützte die Kapuziner und Piaristen und baute zuletzt die Familiengruft im Augustinerkloster zu St. Thomas in Brünn. Andere "neue" Adelige folgten diesem Beispiel. Die zweite Generation der neuen Herren verteidigte das Erworbene und kümmerte sich um die Wiederherstellung ihrer Herrschaften oder verließ das Land wieder. Erst die dritte Generation, die das öffentliche Leben in den sechziger und siebziger Jahren des 17. Jahrhunderts prägte, knüpft wieder an die wirtschaftliche Entwicklung der herrschaftlichen Dominien aus der Zeit vor der Schlacht am Weißen Berg an. Sie gründete wirtschaftliche Unternehmen und baute die Hofwirtschaft zielbewußt aus. Zugleich verfügte sie schon über genügende Mittel, um weitere Kunstaufträge im barocken Stil zu vergeben.

Ein klassisches Beispiel des Mäzenatentums in diesem Adelskreis stellt die Tätigkeit des Fürsten Franz von Dietrichstein dar. [9] Franz von Dietrichstein, Kardinal und Bischof von Olmütz, entstammte einer Familie, die schon vor dem Dreißigjährigen Krieg in Mähren Besitzungen erwarb. Mit dem Kauf konfiszierten Eigentums vergrößerte er den Besitz seiner Familie. In der ersten Hälfte des Krieges baute er die neue Residenz in Nikolsburg, mit deren Architektur der Kardinal drei Ziele verfolgte. Das ursprünglich wichtigste war sicher, eine Familienresidenz zu schaffen und den Verwaltungssitz des neuen Dietrichsteinischen Grundbesitzes aufzubauen. Dazu kamen jedoch noch zwei weitere Funktionen: Die Residenz sollte Zentrum seines Bistums Olmütz sein und, da der Kardinal Gubernator Mährens war, als "Hauptstadt" fungieren. Diesem Vorhaben entsprach die architektonische Lösung: "palazzo in fortezza". In der eigentlichen Hauptstadt Mährens, in Brünn, vollendete er den Bau des "Hofes der Olmützer Bischöfe", und in seiner unmittelbaren Nähe begann er mit dem Neubau eines Familienpalastes. Zusammen mit seinem Bruder Maximilian und seinem gleichnamigen Neffen unterstützte er die Brünner Jesuiten. Im Jahre 1631 rief er die Piaristen nach Mähren und stiftete für sie in Nikolsburg das erste Kolleg außerhalb Italiens. Später, nach dem Generalkapitel der Piaristen in Mähren 1635, gründete er weitere Kollegien nördlich der Alpen und sogar in Polen. [10] Der Kardinal unterhielt in diesen Jahren in Nikolsburg eine hervorragende fürstliche Residenz mit italienischen und spanischen Gelehrten und Dichtern. Vor allem brachte er reiche Bibliotheken in seinen Besitz. [11] Das Wort "Besitz" soll hier in seiner noch nicht verblaßten Bedeutung aufgefaßt werden: Der Kardinal besaß diese Bibliotheken nicht zum Studium, sondern als Statussymbol. So erwarb er u.a. die Žerotínische Bibliothek aus Trübau, die Waldsteinische Bibliothek aus Pirnitz und die Bibliothek des gelehrten lutherischen Brünner Bürgers J. K. Praetorius von Perlenberg. Das Ende des märchenhaften Reichtums des Kardinals kam mit dem Ende des Krieges. Im Jahre 1645 fiel Nikolsburg in schwedische Hände, das Schloß wurde verwüstet und die ganze Bibliothek nach Stockholm überführt. Es war an seinem Nachfolger, Fürst Maximilian II. von Dietrichstein, die alte Pracht wiederherzustellen.



III.

Betrachten wir die Bauten der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, so fällt ihre enge Bindung an Geschmack und Ästhetik der Auftraggeber auf. Ähnlich wie sich in der neuen katholischen und hoforientierten Generation adeliger Mäzene eine neue Mentalität durchsetzte, entstanden in diesem Milieu auch neue künstlerische Aufgaben. Diese wollen wir im Folgenden an der "fürstlich repräsentativen architectura sacra" und "palazzo in fortezza" des Herrschers darstellen.

Architectura sacra und fürstliche Repräsentation: Am Anfang dieser Entwicklung stand die Wallfahrtskirche von Vranov (Wranau) in den Wäldern bei Brünn. Im Jahre 1617 verpflichtete sich "Andreas Erna, Maurer aus Brünn, die alte Kirche abzubrechen und eine neue nach den Plänen von Joan Marie, Baumeister" zu errichten, Auftraggeberin war Katharina, Fürstin von Liechtenstein (die Tochter des Erbauers des manieristischen Schlosses Bućovice, des Johann Šembera Černohorský von Boskovitz, und Gemahlin des Fürsten Maximilian von Liechtenstein). 1633 holten die Liechtensteins den Paulanerorden in das Kloster und legten in der Kirche ihre Familiengruft an. Die Architektur dieser Kirche war nicht allzu kompliziert: Es handelte sich um eine einfache, dreijochige Saalkirche mit flachen Kapellen zwischen Wandpfeilern, mit einem rechteckigen Chor und einem Turmpaar an beiden Chorseiten. Sie wirkte durch ihre klare und strenge, fast puristische Einfachheit. Schon Georg Skalecki machte auf die sehr hohen Kapellen aufmerksam, die ins Gewölbe einschneiden. Dadurch entstand eine homogene Raumeinheit. Möglicherweise ist diese Einfachheit auf den Baumeister zurückzuführen. Als Vorbild diente offensichtlich das Projekt der jesuitischen Wallfahrtskirche in Stará Boleslav (Alt Bunzlau) aus dem Jahre 1613. Über den Architekten der Altbunzlauer Wallfahrtskirche haben wir keine sicheren Angaben, vermutlich ist sie aber dem rudolfinischen Architekten Giovanni Maria Filippi ("Joan Maria" der Quellen) zuzuschreiben. [12] In jedem Fall ist dieses weiße, kubische und ruhige Bauvolumen auf einer Waldhöhe in Vranov sehr eindrucksvoll. Die beiden ursprünglichen Portale an der Hauptfassade und der Nebenseite der Kirche waren von hohen toskanischen Pilastern flankiert und von einem Halbrundfenster mit Stuckdekoration bekrönt. Das Klostergebäude zeichnete sich ebenfalls durch eine klare Monumentalität aus, die auch nach einer kleinen neoklassizistischen Veränderung unangetastet blieb. Die ostentative Klarheit und Sparsamkeit der formalen Motive am Bau wurde wahrscheinlich schon vom Auftraggeber verlangt, und man kann sagen, daß diese Art von architektonischem Purismus zum Programm einer neuen adeligen Ästhetik wurde.

In den Jahren 1637-1641 blieb dieses Modell (eine Saalkirche mit Wandpfeilern und mit einem rechteckigen, mit Sakristeien und Oratorien flankierten Chor) für weitere Liechtensteinische Bauten, wie z.B. die Pfarrkirche in Nikolsburg, maßgebend. Das Innere dieser Kirche wies jedoch mehr "barocke" Züge auf. Der Architekt war Giovanni Giacomo Tencalla, von dem auch die entwicklungsgeschichtlich bedeutendsten Kirchen der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts in den habsburgischen Erblanden stammen (die Dominikanerkirche in Wien und die Liechtensteinische Pfarrkirche in Feldsberg-Valtice). [13] In seinen mährischen Projekten ging er offensichtlich auf den Wunsch der Auftraggeber ein und verwendete puristische Architekturformen, die sich klar von den spätgotischen oder manieristischen Sakralbauten der Protestanten unterschieden.

In weit stärkerem Maße als früher diente der Kirchenbau in allen seinen Funktionen (als Pfarrkirche, Schloßkirche, Wallfahrtskirche, Gruftkirche) der Repräsentation des neureichen Adels. Ihre strenge und klassizisierende Form war ein stilbildender Faktor [14], die jesuitischen Bauten in Mähren liefern hierfür einen klaren Beweis. Das älteste Jesuitenkolleg in Olmütz (1566) wurde im ehemaligen Minoritenkloster untergebracht, das nur langsam instand gesetzt und modernisiert wurde. Auch die Brünner Jesuiten bezogen zunächst das ältere Gebäude der Augustinerinnen (1581) und bauten nur neue Kollegienhäuser. Um 1600 trat der katholische mährische Landeshauptmann Ladislav Berka von Dubé auf den Plan und finanzierte zwischen 1598 und 1602, gegen den Willen des jesuitischen Vorstandes, einen Neubau der Kirche, für den ein richtiger architektonischer Wettbewerb zustande kam. Natürlich rechnete der Landeshauptmann mit einer Familiengruft im Innern. Nach ihm setzte Kardinal Franz von Dietrichstein den Bau fort und ließ 1605 ebenfalls eine große Gruft für Familienmitglieder der Dietrichsteins einbauen. Dabei störte es ihn nicht, daß die Maurer den gerade vollendeten Chor wieder neu gestalten mußten. Vermutlich war auch der Gemäldezyklus mit Szenen aus dem Marienleben des Venezianers Baldissera d'Anna Teil der Dietrichsteinischen Donation. [15]

Diese enge Beziehung zwischen dem Auftraggeber und dem Jesuitenorden stellte für Mitteleuropa schon Petr Fidler fest. [16] Wir können seine Belege noch um ein Beispiel aus dem mhrischen Bereich ergänzen. Denn auch im Fall der Jesuiten in Znojmo (Znaim) ist die Verwendung von strengeren, puristischen Architekturformen belegt. 1626 holte Graf Michael Adolf von Althan die Jesuiten nach Znaim und stellte ihnen die gotische St.-Michael-Kirche zur Verfügung. Die Kirche wurde nur geringfügig modernisiert, denn die "Patres" konzentrierten sich - wie immer - zunächst auf den Kollegiumbau. Erst nach einem Turmeinsturz und der damit verbundenen Zerstörung des Kirchengewölbes (1642) fiel die Entscheidung für einen Neubau der Kirche. Mäzene waren wieder Michael Adolf von Althan und Dorothea von Liechtenstein (Gemahlin des regierenden Fürsten von Liechtenstein zu Feldberg). An den alten spätgotischen Chor wurde ein dreijochiges, beiderseits von Kapellen begleitetes Langhaus angebaut. Diesem klaren Grundriß entspricht (ähnlich wie bei der Wiener Paulanerkirche) eine strenge und einfache Raumgestaltung. Ein gewisses Problem aber stellte die Fassadengestaltung dar. Aus dem Ordensgeneralat in Rom kam die Forderung, die Kirchenfassade nicht allzu prächtig und schwülstig werden zu lassen, damit sie der Besinnung auf Schlichtheit und christliche Armut förderlich sei. Andererseits sollte die Fassade jedoch die Funktion der Verherrlichung des Katholizismus, des Ordens und nicht zuletzt seiner Mäzene erfüllen. Die ausgeführte Fassade entspricht diesen Anforderungen: Sie ist einfach und zugleich monumental, das Netz von Flächenlisenen und Fassadennischen zielt auf klare Vereinfachung ab. Als Vorbild für die interessante Dreigeschossigkeit diente möglicherweise die Hauptfassade der Wiener Karmelitenkirche zu St. Joseph, sie erreicht aber nicht deren klassische Ausgewogenheit. Der wuchtige, statische Bau entwickelt eindeutig den stilistischen Purismus der Vranover Kirche weiter. Es ist daher nicht auszuschließen, daß die Znaimer Fassade die letzte Arbeit von Andreas Erna ist, der in Vranov seine Karriere als Baumeister im Dienst der Liechtensteins und der Stadt Brünn begann.

Die bedeutendsten Kirchenbauten waren jedoch in erster Linie mit der Persönlichkeit des Kardinals Franz von Dietrichstein verbunden. Sein Interesse für die Architektur zeigte sich schon vor der Schlacht am Weißen Berg: Vor 1617 ließ er die St.-Anna-Kapelle in unmittelbarer Nähe des Olmützer Doms umbauen und in den folgenden Jahren ein neues Presbyterium mit Krypta für den Olmützer Dom errichten. Der Bau dauerte kriegsbedingt sehr lange und wurde erst 1661 vollendet. Wie die spätgotischen kirchlichen Hochchöre überspannte auch das Olmützer Presbyterium einen riesigen Innenraum und wirkte deutlich als Symbol der neuen Ansprüche der Gegenreformation. Für die weitere Entwicklung wichtiger noch sind die Kirchenbauten des Kardinals in seiner Residenzstadt Nikolsburg. Er ließ die Pfarrkirche zu der mit dem Schloß verbundenen Schloß- und Kollegiatenkirche St. Wenzeslaus umbauen und gründete eine Loretokirche - eine der ersten in Mitteleuropa. Im Jahre 1622 gab der Papst eine Genehmigung zum Bau, und 1625 wurde der Grundstein gelegt. So entstand in der Nähe des Kapuzinerklosters eine getreue Kopie von Bramantes Loretokapelle. Die Nikolsburger Loretokirche wurde während des Dreißigjährigen Krieges zu einem wichtigen Zentrum der häufigen öffentlichen Wallfahrten, 1631 besuchte auch der Kaiser mit seinem Hof den neuen Wallfahrtsort. Ob bereits der Kardinal an eine einheitliche architektonische Gestaltung des ganzen Areals dachte, wissen wir leider nicht. Erst nach dessen Tod (1636) vollendete Fürst Maximilian von Dietrichstein mit den anderen adeligen Donatoren die alten und neuen Bauten, die sich zu einem architektonischen Ganzen fügten. 1636 wurde über dem Loretobau eine neue, der hl. Anna geweihte Saalkirche mit einem rechteckigen Chor gebaut, die ganze Anlage aber erst 1656 vollendet. Das Innere der Kirche wurde reich mit plastischer und stuckierter Dekoration ausgeschmückt (Giovanni Giacomo Tencalla als Architekt, sein Bruder Giovanni Tencalla als Stukkateur und andere Künstler aus ihrem Umkreis) [17], ebenso wie die vielen mit kostbaren Raritäten und Kultobjekten gefüllten Kapellen. Diese Kapellen waren Stiftungen berühmter Katholiken und trugen deren Namen (die Kapelle des Grafen Michael Althan, des Grafen Collalto, des Grafen Michna von Vacínov und die bis heute existierende, schöne protobarocke Kapelle des Grafen Georg von Náchod). Hinter diesen Namen verbirgt sich eine Gruppe junger katholischer Mäzene, die die neue Kultur unterstützten, aber auch zur eigenen Repräsentation nutzten. Es ist recht bezeichnend, daß gerade diese Männer gemeinsam einen Bau finanzierten, in dem sich die neue Mentalität und Ästhetik manifestierte.

1631 spendete Graf Michael Althan nochmals eine beträchtliche Geldsumme für das Nikolsburger Loreto, die Kardinal von Dietrichstein jedoch mit Zustimmung des Donators den Piaristen für den Neubau ihres Kollegs in Nikolsburg zukommen ließ. Die Piaristen hatten die ehemalige Nikolsburger Spitalskirche zugewiesen bekommen, die Umbauten (Quadratur mit Kolleg und Noviziat) zogen sich bis in die sechziger Jahre des 17. Jahrhunderts hin. Aus den Quellen geht eindeutig hervor, daß der Ordensvorstand jedoch kein Interesse an den Präsentationswünschen seines Mäzens hatte. Die Kirche war für die Öffentlichkeit bestimmt und eine Hervorgebung eines adeligen Protektors durchaus denkbar, das Kolleg jedoch war immer nur das "private" Haus der Ordensgemeinde.

In der Vorburg der Burg Pirnitz stand eine im Jahre 1588 gebaute Schloß- und Gruftkirche der protestantischen Familie Brtnický von Waldstein. Der neuer Besitzer Graf Rombald Collalto et San Salvatore, Kondottiere während des Dreißigjährigen Krieges, ließ sie nach 1629 durch den Architekten Wallensteins, den Fortifikationsingenieur Giovanni Pieroni da Gagliano, und seinen Maurermeister Giovanni Petruzzi umbauen. [18] Neben Chor und Haupteingang wurde vor allem das Innere der neuen Raumauffassung entsprechend umgestaltet. An beiden Seiten der Saalkirche wurden, auf halber Höhe, zwei rechteckige Kapellen mit Kuppeln angefügt. In einem seiner Briefe versicherte Giovanni Pieroni seinem Auftraggeber, daß "sein Projekt viel schöner als Kirchenbau in Alt Bunzlau sein werde". Diese Feststellung mag die einheimischen Historiker verwundern. Der Architekt dachte aber - unserer Meinung nach - wohl vor allem an die Zentrierung des Raumes durch Kuppeln und deutete offensichtlich auch die Bedeutung der modernen barocken Stuckdekoration an. Die ganze Kirche wurde 1641 als Mariae Himmelfahrt-Kirche geweiht. Bei dieser Kirche wurde vom Grafen Collalto ein neues Paulanerkloster gegründet.

Nach dem Ende des Krieges begann der Ausbau der großen Städte in Mähren. Besonders die neue Hauptstadt Brünn wurde für die öffentliche Selbstdarstellung der neuen Oberschicht anziehend. So entstanden hier neue Kirchen mit einfachen, durch Lisenen gegliederten Fassaden: die Franziskanerkirche (1651-1654, Baumeister Andreas Erna) und die Kirche der Franziskanerinnen (1651-1654, Paul Weinberger). Im Jahre 1653 bestellte Fürst von Lobkowitz bei Joachim von Sandrart ein Gemälde für den Hauptaltar der Brünner Kapuzinerkirche. [19] Für Brünn und seine Kunstgeschichte war dies ein riesiges Geschenk. Dennoch hatte Sandrarts barockes Bild keinen großen Einfluß auf die damalige handwerkliche Produktion und blieb mit seiner Qualität noch viele Jahre in der Kunstgeschichte Mährens eine Ausnahme.

Am Ende der Entwicklung des strengen und puristischen Kirchentypus in Mähren steht die Dominikanerkirche in Brünn. Ihre Entstehung verdankt sie ebenfalls einem adeligen Donator, diesmal einem frisch etablierten Aufsteiger. Graf Leo Wilhelm von Kounic stammte aus einer protestantischen Familie, wurde aber auf Veranlassung von Kardinal Franz von Dietrichstein katholisch erzogen. Der Kardinal rettet auch einen Teil des Familienbesitzes für den jungen Kounic und gab ihm eine Verwandte zu Frau. Leo Wilhelm bedachte die Dominikaner in seinem Testament mit Mitteln für den Bau einer Kirche, diese St.-Michael-Kirche wurde in den Jahren 1659-1679 realisiert. In dem ausgeführten Bau finden sich alle Tendenzen der früheren architektonischen Entwicklung wieder. Gebaut wurde eine Wandpfeilerkirche mit Kapellen, Emporen, Tonnenwölbung und einer Andeutung des Querhauses, die immer noch dem strengen und puristischen Konzept der zusammengesetzten Raumformen folgte. Die Kirche steht stilistisch in der Tradition der früheren Sakralbauten, wirkt aber in ihren architektonischen Formen überdimensioniert. Das gilt auch für das Äußere der Kirche und besonders für die Fassade. Der Baumeister der Kirche, Johann Baptist Erna (der Sohn des Andreas Erna), veränderte mit diesem frühen Werk die Orientierung des Vorgängerbaus - offensichtlich auf Wunsch des Auftraggebers. Die neue östliche Hauptfassade ist Bestandteil des neu regulierten Platzes neben dem Sitz des mährischen königlichen Tribunals. Natürlich repräsentiert die strenge Wirkung der Fassade nicht nur das alte Kloster der Dominikaner, sondern verherrlicht auch die Stifter: Über dem Hauptportal können wir das Allianzwappen der Familien Kaunitz und Dietrichstein sehen. In der Kirche selbst wurde eine Gruft für die Familie Kounic-Kaunitz angelegt. Die Dominikanerkirche in Brünn steht am Ende einer Epoche. Die strenge Geometrie der Formen kam hier überspitzt zum Ausdruck. Der Architekt verfuhr in seinen weiteren Werken viel bescheidener und wandte sich stärker dem "barocken" Stil zu.

Palazzo in fortezza: Es ist offensichtlich, daß die architektonische Hauptaufgabe während des Dreißigjährigen Krieges die Festungsarchitektur und "architectura militaris" war. Als der florentinische Architekt Giovanni Pieroni 1622 an den Wiener Hof kam, gab der Kaiser ihm den Auftrag zur Inspektion der Festungen, um dann neue Festungsmodelle zu entwerfen. [20] Es gibt Quellenmaterial zu seiner Tätigkeit als Festungsingenier in Wien, Prag, auf der Prager Burg und auf dem Schloß Náchod, aber auch auf der Brünner Burg Spielberg und in der ostmährischen Grenzstadt Uherské Hradiště.

In Kriegszeiten war der Bau neuer adeliger Residenzen eher die Ausnahme. Vielmehr wurden die vorhandenen festen Burgen wiederhergestellt und ausgebaut (z.B. die Burg des Deutschen Kreuzherren Ritterordens in Sovinec-Eulenburg nach 1632). Trotzdem dürfen wir den Versuch wagen, die Anfänge der Residenzbauten bedeutender Adeliger in Mähren zu verfolgen. Mähren gehörte als militärisches Durchzugsgebiet zu den am häufigsten von Kriegshandlungen betroffenen Gegenden Mitteleuropas. Viele Schlösser und Städte wurden verwüstet und erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts allmählich wieder aufgebaut. Daher ist man darauf angewiesen, mit zeitgenössischen Quellen und Rekonstruktionen zu arbeiten. [21] Für die Gestalt der bedeutenden Residenzen war im 17. Jahrhundert der Bautypus "palazzo in fortezza" von großer Wichtigkeit - das heißt das Aneinanderreihen der Paläste zwischen wirklichen oder ephemeren Bastionen und Ravelinen - und war keinesfalls auf Mähren beschränkt. Fast exemplarisch läßt sich dieser Typus am Beispiel der Liechtensteinischen Residenz in Feldsberg-Valtice erläutern. Hier, auf niederösterreichischem Gebiet an der Grenze zu Mähren, begann 1614 der Architekt Giovanni Battista Carlone I. den Um- und Ausbau der alten Burg des Fürsten Karl von Liechtenstein. In verschiedenen Baustufen während des ganzen 17. Jahrhunderts entstand allmählich eine Folge mehrerer Höfe hintereinander. Es lohnt sich, die Kritik des dilettierenden Architekten, des Fürsten Karl Eusebius von Liechtenstein, zu erwähnen, für welchen Feldsberg ein Labyrinth der Höfe und Durchgänge darstellte. [22]

Ähnlich wuchs das Dietrichsteinische Nikolsburg. Obwohl wir bis jetzt nicht alle Quellen für eine detaillierte Chronologie des Schloßbaues kennen, dürfen wir darauf aufmerksam machen, daß hier der alten Burg halbkreisförmige Bastionen angebaut wurden. Der innere Hof wurde durch einen bedachten Durchgang auf den Arkaden zerteilt, um eine bessere innere Kommunikation zu schaffen. In den alten Teilen der Burg wurden ein Thronsaal, ein großer Saal und Räume für die hervorragende Bibliothek des Kardinals eingebaut und der Vorhof allmählich in Richtung Stadt weitergebaut. Heute haben sich nur einige Relikte aus dieser Zeit erhalten, z.B. das "Dunkle Tor" mit den mächtigen, rustizierten Pfeilern (vor 1636) und die umgebaute Schloß- und Kollegiatkirche in der Vorburg.

Wie das Liechtensteinische Schloß Feldsberg, so wurde auch das Dietrichsteinische Nikolsburg in späteren Epochen umgebaut. Trotzdem kann man in ihrer Grundrißdisposition eine ursprüngliche kunsttypologische Absicht feststellen. Wenn wir uns allerdings eine Vorstellung eines idealen "palazzo in fortezza" mit Kirche in der Vorburg machen wollten, sollten wir uns den ideellen Plan zur Vollendung der Collaltoschen Burg Pirnitz anschauen. Schon länger ist in der Forschung eine Zeichnung zu einem nicht näher identifizierten Schloß mit drei Höfen und einer, mit diesem Schloß durch einen bedachten Gang verbundenen Kirche bekannt. Der Brünner Kunsthistoriker Václav Richter erwähnte diese mit Bleistift gezeichnete Skizze in Verbindung mit den Planungen zu einem Umbau der Pirnitzer Burg von Giovanni Pieroni. [23] Wir stimmen dieser Identifizierung zu, doch glauben wir, daß es sich eher um eine Skizze für den Umbau der Residenz handelt. Es existiert nämlich nur diese Skizze, die die sonst unregelmäßigen Teile der Burg und der Vorburg reguliert, aber keine Entwürfe zum wirklichen Umbau des Schlosses. Doch ist diese Skizze von großer kunsthistorischer Bedeutung für die Geschichte des 17. Jahrhunderts in Mitteleuropa. Die Charakteristika, die wir schon oben bei den anderen Residenzen erwähnten, sind hier ganz klar gestaltet: Die ältere Burg inmitten einer Festung mit den Bastionen ist in Richtung zur Stadt durch ein System von einander umschliessenden Quadraturen und Durchgängen in die Höfe erweitert. Vor dem rechteckigen länglichen Schloß liegt ein sehr langer Vorhof (seine Länge ist praktisch mit der ganzen Länge des Schlosses identisch), und um ihn herum führt ein bedeckter Gang auf den Arkaden zur Schloß- und zugleich Paulanerklosterkirche. Nach dem Jahre 1631 wurden wirklich in Pirnitz einige Umbauten durchgeführt: hauptsächlich in älteren Teilen, in denen die neuen Repräsentationsräume (Kaisersaal und Ahnensaal) mit Stuckdekoration verziert wurden. Obgleich das Schloß in Wirklichkeit ein Konglomerat unregelmäßiger Gebäude aus verschiedenen Zeiten blieb, zeigt die Skizze einen regelmäßigen Bau. Es scheint uns, daß der Bautypus "palazzo in fortezza" hauptsächlich mit einem Modell für fürstliche Residenzen verbunden war. Diesem Bautypus begegnen wir bei den größten Magnaten in Mähren.

Nur allmählich setzte sich in Mähren die Villa in freier Landschaft durch. Im Jahre 1624 baute einer der künftigen Triumviren, Graf Christoph Paul von Liechtenstein-Kastelkorn, die kleine Festung in Bludov (Blauda) um. Es entstand ein Dreiflügelschloß mit einer von zwei Türmen flankierten Fassade und Stuckdekoration im Innern. Die Fassade war ganz einfach, nur mit rustiziertem Eingang geschmückt. [24] Auch das Innere des Liechtensteinischen Schlosses Nikolsburg wurde umgestaltet (1633, 1637-1641) und ein Brunnen von Giovanni Giacomo Tencalla in den Arkadenhof plaziert. Im Jahre 1638 begann Fürst Karl Eusebius von Liechtenstein mit dem Bau eines Lustschlosses in Lednice-Eisgrub. Am Ende dieser Entwicklung steht Schloß Holeschau. Um 1652 ließ der Triumvir und mährische Landeshauptmann Johann Graf von Rottal seine Residenz nach dem Entwurf des kaiserlichen Ingenieurs Philiberto Lucchese ausbauen. Die vierflügelige Anlage hat an jeder Ecke einen oktogonalen Turm, im Inneren sind die stuckierten Räume der Sala terrena, Theatersaal u.a. Die planimetrische Gestaltung der Fassade dieses Schloßbaus zeigt deutlich einen stilistischen Umbruch in Mähren an. Obwohl man in der architektonischen Struktur viele Elemente des Spätmanierismus findet, begann in Holleschau die Epoche des Frühbarocks der mährischen Architektur. Es mutet wie ein Zeichen an, daß zur gleichen Zeit (1652) in Brünn der Baumeister Andreas Erna starb, der mit den Chronistenwörtern "celebris in provincia ac primarius Architectus" verherrlicht wurde. [25] In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhundert war seine puristisch monumentale Architektur längst nicht mehr "primär". Sie wirkt vielmehr als Panegyrikus: Sie erinnert an den Aufstieg des neuen Adels inmitten des fürchterlichen Krieges.



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ANMERKUNGEN


1. Zur Literatur und zu Quellen zum Denkmalfonds aus der Zeit der 1. Hälfte des 17. Jahrhunderts in Mähren vgl. Skalecki 1989; Fidler 1990; Krsek/Kudělka/Stehlík/Válka 1996.

2. Die letzte ausgezeichnete Darstellung der historischen Situation ist Válka 1995.

3. Schweigl 1972.

4. Olmütz und Brünn stritten traditionsgemäß um den Titel der Hauptstadt Mährens. Ihre Rollen haben sich schließlich auseinander entwickelt. Olmütz wurde im Zeichen der Gegenreformation und des siegreichen Katholizismus zum Zentrum der geistlichen Macht in Mähren: Dort war der Bischofssitz, und dort ließen sich mehrere geistliche Orden nieder. Brünn entwickelte sich dagegen zum wirtschaftlichen Zentrum. Daß Brünn später die einzige Hauptstadt wurde, hatte es auch seiner Verteidigung gegen die Schweden 1645 zu danken.

5. Vgl. Peloušková 1997.

6. Die Einteilung nach Generationen ist natürlich sehr vorläufig. Es geht uns im Prinzip um den Unterschied zwischen der spätrenaissance-humanistischen Mentalität des Herrenstandes und der frübarock-repräsentativen Mentalität des Hofadels.

7. Die Žerotíns hatten ihre großen Dominien in den westlichen Teilen Mährens (Rosice, Náměšt'), im Norden (Velké Losiny, Moravská Třebová, Žerotín), in Mittelmähren (Přerov, Hustopeče, Dřevohostice, u.a.) und auch im Süden (Židlochovice, Břeclav).

8. Vgl. Krčálová 1989; die Verfasserin glaubt, den Architekten des Trübauer Schlosses in Giovanni Maria Filippi zu finden.

9. Vgl. die bisher einzige Biographie des Kardinals Balcárek 1990.

10. Neumann 1933, S. 26-31 (das Standardwerk über die Piaristen, dort in Quellenangaben über das Nikolsburger Kolleg).

11. Nach der Schlacht am Weißen Berg waren auf dem Nikolsburger Schloß zehn bedeutende Bibliotheken, davon fünf aus den konfiszierten protestantischen Gütern.

12. Giovanni Filippi war in den Jahren 1618-1620 in Brünn als Liechtensteinischer Baumeister ansässig. Er wohnte damals in einem Haus in der Umgebung der Brünner Jesuitenkirche und betreute möglicherweise auch ihre Vollendung.

13. Fidler 1995.

14. Wir müssen natürlich in diesem Sinn die "anti-künstlerischen" Bauten der Franziskaner (Kroměříž, 1606) und Kapuziner (1604 vor Brünn, und später innerhalb der Festungsmauern 1648-1651; Nikolsburg 1611, Znaim 1628, Iglau 1630) als architektonische Beispiele ganz anderer Art betrachten. Diese in ihrer äußeren Erscheinung sehr einfachen Klöster und Kirchen wurden von adeligen Auftraggebern oft durch die Inneneinrichtung (das Altarblatt von J. von Sandrart in Brünn) oder durch Bauten in der Umgebung (Loretokapelle und die reichen Stuckarbeiten in Nikolsburg) aufgewertet.

15. Vgl. Vacková 1989, S. 328.

16. Fidler 1994; Fidler 1996.

17. Richter/Krsek/Stehlík/Zemek 1971. Die Quellen zum Bau der Loretokirche, hauptsächlich die Verträge mit den Künstlern und Stuckateuren, befinden sich im Mährisches Landesarchiv Brünn, F 18 - Die Hauptregistratur der Dietrichsteins in Nikolsburg, Karton 1117.

18. Krčálová 1988.

19. Preiss 1996.

20. Krčálová 1988; Kroupa 1996.

21. Man könnte sehr vereinfacht sagen, daß es bei der Entstehung der barocken Residenzen um eine typologische Entwicklung von der Festung zum "palazzo in fortezza" geht. Es handelte sich zuerst hauptsächlich um den Anbau neuer Trakte in der Vorburg und einen Umbau der Burg für modernere Zwecke (z.B. Burg Frýdek in dem mährischen Schlesien, 1637-1644).

22. Lorenz 1990, S. 141.

23. Richter 1933, S. 68.

24. Die gleiche Einfachheit weist auch das Dietrichsteinsche Palais in Brünn, das Palais der Ritter Morkovský von Zástřizl und das Palais des Georg Zikmund von Zástřizl oder Palais Salm-Neuburg (alle in Olmütz) auf.

25. Die wichtigsten Baumeister der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Mähren waren Austroitaliener: Giovanni Maria Filippi (er kam aus Prag nach Brünn, wo er 1617-1620 nachweisbar ist); Giovanni Battista Carlone (1580/90-1645) - nur für die Liechtensteins in Eisgrub und Bučowitz; Giovanni Giacomo Tencalla (tätig in den Jahren 1630-1638) - gilt als der erste Hauptrepräsentant des Frühbarocks in Mähren; Giovanni Battista Pieroni da Gagliano (1586-1654); Andrea Erna kam 1617 nach Mähren (er starb in Brünn 1652).



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