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JIŘÍ KROUPA Kunst, Mäzenatentum und Gesellschaft in Mähren 1620-1650 |
Die erste Hälfte des 17.
Jahrhunderts in Mähren kann man zweifellos als eine bedeutende Periode des
tiefgreifenden Wandels von der Spätrenaissance zum Frühbarock
bezeichnen. In der bisherigen tschechischen Historiographie wurde jedoch gerade
diese Epoche mehr aus politischer, wirtschaftlicher und sozialer Perspektive
bearbeitet. Die Kunstgeschichte dieser Zeit blieb ein wenig im Schatten der
historischen Fragestellungen. Liegt es womöglich daran, daß das
künstlerische Schaffen Mährens dieser Zeit von den Ereignissen der
späten Kriegsjahre überschattet wurde, in denen wesentliche Teile
dieses Landes verwüstet wurden? Diesen Aspekt müssen wir
natürlich in Betracht ziehen, jedoch gleichzeitig auf einen anderen
Sachverhalt im Zusammenhang mit diesem wissenschaftlichen Problem hinweisen. Die
einheimische Historiographie konzentrierte sich hauptsächlich auf die
große Epoche der rudolfinischen Kunst um 1600 und dann auf die Entstehung
des böhmischen Hochbarocks um 1700. An diesen Kunstepochen hatte
Mähren jedoch nur einen verhältnismäßig kleinen Anteil. Im
17. Jahrhundert war Mähren aber keinesfalls kunstloses Terrain. Vergleichen
wir die Kunstwerke von der Jahrhundertwende bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts,
fällt ein interessantes Zusammenspiel von Kontinuität und
Diskontinuität in den damaligen künstlerischen Bestrebungen auf. Auf
dem Gebiet der Architektur steht am Anfang der Bau des Schloßhofes mit
einem Toraltan in Moravská Třebová
(Mährisch Trübau) und am Ende der Bau des neuen Schlosses in
Holešov (Holeschau). In der Malerei entsprechen dieser architektonischen
Polarität etwa die Entstehung des Gemäldezyklus in der Brünner
Jesuitenkirche des Venezianers niederländischer Herkunft Baldissera d'Anna
und um die Mitte des Jahrhunderts das Gemälde des Hauptaltars der
Brünner Kapuzinerkirche von Joachim von Sandrart. Alle diese Beispiele sind
nicht ganz zufällig aufgegriffen: Sie veranschaulichen sowohl in
Architektur als auch auf dem Gebiet der Malerei eine Kontinuität von
protobarocken Elementen in der künstlerischen Struktur eines
manieristischen Werkes über unterschiedlich ausgeprägten Widerhall im
beginnenden Barock bis zum eindeutigen Auftreten des Frühbarocks in
Mähren um
1650. [1]
I.
Mähren
war ein Land im Bund der Länder der Böhmischen Krone. Vor der Schlacht
am Weißen Berg, die einen schicksalhaften Umbruch in der Geschichte dieser
Länder bedeutete, waren die Landesteile, auch Mähren, weitgehend
autonom. Diese Situation schuf in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts
ein politisches und kulturelles "Wir-Gefühl", das die Grenzen des
Landespatriotismus überschritt, führte aber keinesfalls zur
Selbstbespiegelung oder einem Versuch, sich von der gesamteuropäischen
kulturellen Entwicklung loszureißen. [2] Einerseits bewahrten die
Verwandtschaft der böhmischen und mährischen Adeligen, ihre gemeinsame
Sprache und ihre gemeinsamen politischen Interessen das Bewußtsein von
Zugehörigkeit zur Böhmischen Krone, andererseits wurde der
mährische Adel beider Konfessionen durch seine Bildungsreisen, während
der er das Hofleben und die Hofkultur in Süd- und Westeuropa kennenlernte,
kosmopolitisch und verfügte über reiche Kenntnisse und Erfahrungen mit
Kunst von europäischer Bedeutung. Mit dem neuen Lebensstil der
führenden Schichten entwickelte sich allmählich auch eine neue
Auffassung von Architektur. Für Mähren war in der zweiten Hälfte
des 16. Jahrhunderts besonders jener aristokratische Bautypus charakteristisch,
der von Erich Hubala trefflich als "Mährisches Arkadenschloß der
Renaissance" bezeichnet wurde (z.B. Telč, Moravský Krumlov,
Námě, Rosice u.a.).
Das Verständnis dieser Epoche
als Beginn eines moderneren Zugangs zu den künstlerischen Aufgaben in
Mähren ist keine Frucht heutiger kunsthistorischer Interpretation, sondern
wurde schon früher so empfunden. Am Ende des 18. Jahrhunderts schrieb der
gebildete Brünner Bildhauer Andreas Schweigl seine
"Geschichte der Kunst in
Mähren",
keine kritische historische Studie im modernen Sinne, enthält sie bereits
eine aufklärerische Konzeption des Fortschritts der Kunst vom Mittelalter
bis in seine Zeit:
"Der Ruhm
der Römischen Bauart, die dieselbe wieder von denen Griechen und ihren
Altertümer hervorsuchte, breitete sich nun auch im ganz Teitschland und bis
zu uns Mähren. Und von nun wurde in diesem 16 Secullo wenig mehr in
gotischer Manier gebaut. [...] Die allgemeine innerliche Ruhe im Lande gabe nun
mehrere Gelegenheit viele schöne Gemälde, Bau und Schnitzwerk
einzubringen. Dies war nun ein Magnet, zoge zu sich die zur stetter Neugier
angeborenen reiche Insassen, erwöckten Eifersucht mit unsern Nachbarn,
erkauften aus Italien, meistens aus Niederland von denen damals trefflichen
Meistern schöne Gemählde, errichteten dazu Galerien, ergötzen
damit das Herz.
[...]" [3]
Nach dieser Feier der Kunst an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert
"überspringt"
Schweigl das ganze 17. Jahrhundert und setzt erst mit der Kunstgeschichte des
18. Jahrhunderts wieder ein. War die Kunst der ersten Hälfte des 17.
Jahrhunderts aber tatsächlich nur eine Unterbrechung jener
vielversprechenden Entwicklung? In Mähren gab es schon vor dem
Dreißigjährigen Krieg soziale und kulturelle Zentren, deren Bedeutung
mit dem Voranschreiten des Barocks und Spätbarocks erhalten blieb und sich
nur allmählich änderte. Zu den wichtigsten Zentren zählten (a)
die königlichen Städte, (b) restituierte Klöster und
Wallfahrtsorte und vornehmlich (c) die fürstlichen Residenzen und adeligen
Höfe.
Die eigentliche Bedeutung der
Städte auf dem Gebiet der Böhmischen Krone sank zwar schon in der
zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, neu gestaltete Marktplätze mit
Renaissancefassaden an den Häusern zeugen aber von einem gleichbleibend
hohen kulturellen Stand der Kaufleute und Handwerker. Namentlich die
königlichen Städte, und unter diesen besonders Brünn und
Olmütz, waren hervorragende Zentren bürgerlicher
Repräsentation. [4] Die Oberschicht des Bürgertums waren die
"Ringsleute". Schon seit dem 16. Jahrhundert wurden städtische Ämter
innerhalb dieser Schicht vererbt, die auch die Grundherren stellten und fast
ausschließlich untereinander heiratete. Die Einnahmen aus herrschaftlichen
Unternehmen, aus der kaufmännischen Tätigkeit und auch aus
Bankoperationen stärkten ihren Einfluß. Die "Ringsleute" hatten enge
Beziehungen zu europäischen kulturellen Zentren, und es war keine Ausnahme,
wenn die Söhne dieser Familien an ausländischen Universitäten in
Deutschland und Italien studierten. Von der Bedeutung der Brünner
"Ringsleute" zeugen Vermögensinventare mit Listen der Bücher und
Gemälde, aber auch ein bemerkenswertes Ensemble gemalter Epitaphbilder aus
der Stadtpfarrkirche St. Jakob und der Kollegiatenkirche St. Peter und Paul.
Auftraggeber waren Ende des 16. und zu Beginn des 17. Jahrhunderts vornehme
Brünner Bürger. Bei bürgerlichem Mäzenatentum, das sich
hauptsächlich in privaten Sammlungen von Gemälden, Portraits,
Büchern, Kunsthandwerk u.a. niederschlug, spielte (meiner Meinung nach) die
konfessionelle Frage keine besondere Rolle. Es ist dennoch klar, daß eher
die Katholiken dazu neigten, ihre Kunstschätze (auch Architektur) zur Schau
zu stellen. [5] Eine charakteristische Gestalt unter den Brünner
Ringsleuten war Christoph Schwarz von Retz, der seit 1589 in Brünn ein
großzügiges Renaissancepalais mit reich verzierter Fassade,
Stuckdekorationen in den Zimmern und einem Arkadenhof baute. Schwarz' Umgang mit
wichtigen Vertretern des Katholizismus aus der Zeit vor der Schlacht am
Weißen Berg machte ihn zu einer Schlüsselfigur in Brünn. So
förderte er die neuen Orden, vornehmlich jedoch die Brünner Jesuiten.
Auch nachdem der in den niederen Adelsstand erhobene Schwarz im Jahre 1601
frühzeitig gestorben war, besuchten seine Söhne Universitäten in
Ingolstadt, Innsbruck, Basel und Freiburg im
Breisgau.
Mit dem Beginn der Gegenreformation in
den Ländern der Böhmischen Krone erlebten die Ordensklöster eine
"Renaissance" und wurden allmählich zu "neuen" Kulturzentren. Zur
Neubelebung der mittelalterlichen Klöster kam es schon Ende des 16.
Jahrhunderts bei Prämonstratensern (Hradisko/Hradisch bei Olmütz,
Louka/Klosterbruck), Zisterziensern (Velehrad, ïár/Saar),
Benediktinern (Rajhrad/Raigern) oder Augustinern (Brünn, Olmütz). Von
diesen Klöstern ging die lokale Gegenreformation aus, und es wurden neue
Gebäude, Wallfahrtsorte u.a. gebaut. Daher verwundert es nicht, daß
die damaligen Äbte in der lokalen Geschichtsschreibung immer wieder als die
"neuen Klostergründer" auftreten (z.B. Sebastian Freytag von
Čepiroh in Klosterbruck bei Znaim). Neben diesen Orden gründeten auch die Jesuiten
im 16. Jahrhundert neue Kollegien (Olmütz 1566, Brünn 1572). Ihr
Einfluß auf die mährische Gesellschaft ist nicht zu übersehen:
Rund um die Jesuitenkollegs entstand eine spezifische, norditalienisch
beeinflußte Kultur.
Die wichtigsten Impulse
gingen aber von den "fürstlichen Residenzen und Höfen" aus. Dieser
Begriff bedarf näherer Präzisierung, denn einen zentralen,
souveränen Hof gab es in Mähren nicht. Zwar nahm der Bischof von
Olmütz eine außerordentliche gesellschaftliche und politische
Stellung ein. Seit 1599 und bis über das Schicksalsjahr 1620 hinaus war
Kardinal Franz von Dietrichstein Bischof von Olmütz. Zwar hatte er seinem
Bischofssitz in Olmütz, residierte aber vorwiegend auf seinem Schloß
in der südmährischen Stadt Mikulov (Nikolsburg). Da Kardinal von
Dietrichstein auch einige Jahre mährischer Gubernator mit allen Vollmachten
war, wies Nikolsburg viele Züge einer Residenzstadt auf. Nur wenige
Adelsfamilien unterhielten wie die Dietrichsteins oder Liechtensteins (ihr Sitz
Feldsberg-Valtice liegt zur Zeit zwar in Mähren, gehörte aber
früher zu Niederösterreich) Residenzen. Vor der Schlacht am
Weißen Berg waren unter ihnen auch Protestanten, die höchste
Landesämter bekleideten, so z.B. die Herren von Lipa (Moravský
Krumlov/Mährisch Krummau) und die Herren Brtnický von Waldstein
(Brtnice/Pirnitz). Neben diesen wenigen wirklichen Residenzen existierte in
Mähren ein dichtes Netz von kleineren Herrschaften mit ihren
Schlössern.
Die Zeit nach der Schlacht am
Weißen Berg brachte in allen gesellschaftlichen Gebieten in Mähren
einen ganz neuen Ton. Alle Tendenzen der früheren Zeiten wurden auf
schicksalhafte Weise verstärkt. Man kann sagen, daß sich vor allem
die feudalen Tendenzen durchsetzten. Finden sich in dieser Entwicklung irgendwie
Zeichen von historischer Diskontinuität? Die politischen und
militärischen Ereignisse könnten es nahelegen. Der Ständeaufstand
in Mähren brach ebenso schnell zusammen wie in Böhmen; auch die Folgen
waren ähnlich. Im Jahre 1628 (ein Jahr später als in Böhmen) trat
die "Verneuerte Landesordnung" in Mähren in Kraft. Sie erklärte die
Habsburger zur Erbdynastie und den Katholizismus zur einzigen geduldeten
Glaubensrichtung. Im Jahre 1636 wurde das mährische Königliche
Tribunal in Brünn als oberstes Gerichts- und Landesverwaltungsorgan
installiert, das über die Böhmische Hofkanzlei mit dem Habsburger Hof
in Wien in Verbindung stand.
Die Städte und
der Ritterstand wurden als Stand aufgelöst, der Verlust ihrer
wirtschaftlichen Basis führte bei manchen zu lang andauernder Verschuldung.
Auch der Herrenstand wurde mit Konfiskationen bestraft und zum Verlassen des
Landes gezwungen: Von den ehemals 66 alten Familien blieben nach dem Aufstand
nur noch 27. Anders als in Böhmen war die Elite weniger betroffen, von den
fünfzehn reichsten mährischen Familien behielten bzw.
vergrößerten noch neun Familien nach der Schlacht am Weißen
Berg ihr Eigentum, allen voran die Liechtensteins und Dietrichsteins. Kardinal
von Dietrichstein rettete überdies die Güter einiger protestantischen
Familien dadurch, daß er deren junge Verwandte zur Erziehung auf
katholische Schulen sandte (Kaunitz,
erotín,
Petřvaldský).
Gerade diese Familien wurden später in der zweiten Hälfte des 17.
Jahrhunderts und um 1700 die neuen Auftraggeber der bildenden Künste in
Mähren. Die Konfiskationen stärkten insgesamt die habsburgtreuen
Adeligen, und der früher autonome mährische Geburtsadel strebte nun
den Hofdienst an und war der katholischen Kirche treu
ergeben.
Verfolgen wir die Kontinuität und
Diskontinuität des Mäzenatentums während des
Dreißigjährigen Kriegs, so zeigt sich, daß wichtigen
Mäzene sich in Generationen gliedern lassen. [6] Die ältere
Generation war mit dem humanistischen Milieu und der Spätrenaissance
verbunden. Zu den bedeutendsten Personen aus diesem Milieu zählten die
Herren von
erotín.
Um 1600 besaßen die
erotíns
riesige herrschaftliche Dominien. [7] Die Namen dieser Herrschaften und
Dörfer klingen für Historiker, die sich mit der Renaissance
beschäftigen, sehr bekannt: Mit jedem Namen assoziiert man auch ein
bedeutendes Arkadenschloß. Der größte Teil dieser
Schlösser wurde schon in den 1570er und 1580er Jahren erbaut, an manchen
Orten wurde die Bautätigkeit auch nach 1600 fortgesetzt. Ein gutes Beispiel
ist hier das Schloß Rosice (Rossitz bei Brünn), wo Karl der
Ältere von
erotín
noch um 1620 nach einem Modell aus früheren Zeiten baute.
erotín
(1564-1636) richtete als Protestant sein mäzenatisches Interesse mehr auf
das Wort als auf das Bild, und es ist symptomatisch, daß vornehmlich seine
Kontakte mit dem Ikonologen und Emblematiker Joachim Camerarius belegt sind.
Möglicherweise können wir die Ikonographie der inneren Höfe der
erotínischen
Schlösser mit dieser Vorliebe für Emblematik verbinden. Ähnlich
war das Mäzenatentum anderer wichtiger Protestanten dieser Zeit. Im Jahre
1586 wurden dem gebildeten Lutheraner Ferdinand Hofman von Grünpühel
(1540-1607), Hofkammerpräsident Kaiser Rudolfs II., einige Güter in
Mähren verliehen, u.a erwarb er die große Herrschaft
Rabenstein-Janowitz. Hofmann zählt zu den bedeutenden Mäzenen und
Sammlern des rudolfinischen Kreises, er hatte unter anderem Beziehungen zu
Matthäus Gundelach, Giuseppe Arcimboldo und Jacopo Strada. Die Bibliothek
seiner Residenz Schloß Janowitz wurde als "Schatzkammer der Gelehrsamkeit
des 16. Jahrhunderts" bezeichnet. Trotzdem haben seine Sammlungen in Janowitz,
Olmütz und Brünn bis heute nicht genügend Beachtung
gefunden.
In Ladislav Velen von
erotín
finden wir aber auch einen Protestanten als bedeutenden Mäzen der bildenden
Künste. Auf seiner Burg Trübau gehörten Künstler, Dichter,
Musiker und Alchimisten zum Hofstaat, wobei Deutsche als Humanisten, Italiener
als Steinmetzen (Johann Mottala de Bonnamone, Johann Foncun, genannt der
Welsche) und Niederländer als Maler (Pietro de Petri aus Brugge)
hervorragten. In den Schloßinventarien sind einige Zimmer als
"gräfliche" oder "königliche" bezeichnet und kostbare türkische
und italienische Teppiche und Gobelins als Ausschmückung genannt. In den
Jahren 1611-1618 führte dieser "reiche" erotín
den Umbau des Schlosses durch und initiierte so einen der interessantesten und
geheimnisvollsten Bauten des Jahrhundertbeginns in Mähren. Ein neuer Vorhof
mit fast rechtwinkligen Flügeln wurde der Burg vorgebaut. Die Flügel
haben umlaufende Arkaden mit Rustizierung aller Glieder, was einen strengen und
festungsartigen Eindruck erweckt. Von imposanter Wirkung ist besonders der
Eingang in den Hof, der die Form eines Torbaus mit drei Arkaden hat, wobei die
mächtigeren mittleren von kleineren flankiert werden. Wann kam es zu diesem
Bau? Ein Teil der Kunsthistoriker verbindet den Bau mit der manieristischen
Kunst am Prager Hof des Kaisers Rudolf II. Andere Historiker weisen auf den
fortschrittlicheren Charakter der Bauformen hin und auf die Tatsache, daß
man in Trübau noch in den zwanziger Jahren des 17. Jahrhunderts
baute. [8] In jedem Fall illustriert die Unsicherheit in der Datierung
gut die Einmaligkeit des Gebäudes. Diese Einmaligkeit liegt jedoch weder in
der Funktion (schließlich ist der Arkadenvorhof ja das Thema der
Spätrenaissanceschlösser) noch in den direkten Anspielungen auf die
Architekturtraktate Serlios. Mit seiner klaren Tendenz zur Hierarchisierung der
architektonischen Glieder und zu einer Gradation der Bauform geht der Bau in den
Frühbarock über. Im Unterschied zur gegenwärtigen böhmischen
Kunstliteratur rechnen wir bei der Genese dieser Form jedoch mit einer Bindung
an austroitalienisches Milieu.
Die oben genannte
"ältere Generation" des Mäzenatentums in Mähren kann noch um
weitere Persönlichkeiten des politischen und gesellschaftlichen Lebens wie
die katholischen Herren Berka von Dubé in Velké
Meziříčí (Groß Meseritsch), Salm-Neuburg in
Tovačov (Tobitschau) oder die protestantischen Ritter
Petřvaldský von Petřvald (Račice, Kolštejn/Goldenstein) ergänzt werden. Sie sind immer noch dem
Lebensstil der Spätrenaissance verpflichtet. Ein Teil des mährischen
Adels blieb diesem Lebensstil treu. Eine deutliche Zäsur jedoch bedeutet
hier die Zeit um 1624, während der es zu weitreichenden
Eigentumsverschiebungen in der mährischen Adelsgesellschaft kam. Ihre
Bauten wurden während des Kriegs manchmal nur kurz durch kriegerische
Ereignisse unterbrochen, oft aber wurden die Schlösser verwüstet und
nur in wenigen Fällen vollendet.
II.
Eine andere Mäzenatengeneration begegnet uns
mit den "Neureichen": Liechtenstein, Dietrichstein, Collalto, Kaunitz,
Liechtenstein-Kastelkorn, Magnis und Rottal - es ist offensichtlich nicht
möglich, verallgemeinernd über das Mäzenatentum der gesamten
mährischen Oberschicht zu sprechen. Die Beziehung dieser Herren zur Kunst
war nicht nur mit neuen künstlerischen Aufgaben und ihrem persönlichen
Geschmack verbunden, sondern auch mit dem Verlauf des Krieges und anderen
äußeren Momenten. Vereinend können wir für die neuen
Grundbesitzer ein "Schema der drei Generationswellen" entwickeln. Die ersten
Kriegsgewinnler nach der Schlacht am Weißen Berg waren im gleichen Alter
wie die oben besprochene "ältere Generation". Sie waren auf
äußerliche Repräsentation orientiert; sie tauschten das
neuerworbene Eigentum, schufen große herrschaftliche Dominien und bauten
ihre Residenzen als Symbol der neuen Macht aus. Manchmal verbanden die adeligen
"Gründer der Macht der Familie" diese wirtschaftlichen Operationen mit der
großzügigen Unterstützung der neuen Klöster und
Wallfahrtsorte, die dafür das Wappen der Familie trugen oder die
Familiengruft beherbergten. Den Umbau des Familiensitzes der Fürsten von
Liechtenstein in Feldsberg-Valtice leitete zunächst der kaiserliche
Architekt Giovanni Battista Carlone, die Pläne für den Komplex mit der
Schloß- und Pfarrkirche stammten von Giovanni Giacomo Tencalla. Gebaut
wurde nicht nur während des Krieges, sondern fast das ganze Jahrhundert
hindurch. Die Fürsten von Dietrichstein und die Grafen von Collalto
beauftragten ebenfalls bedeutende Architekten der Zeit mit dem Umbau ihrer
Residenzen. Die Familien Althan und Magnis versuchten, ihr Prestige durch
Berufung neuer geistlicher Orden zu heben: Michael Graf Althan gründete die
Jesuitenkollegs in Znaim und Iglau, Franz Graf Magnis unterstützte die
Kapuziner und Piaristen und baute zuletzt die Familiengruft im Augustinerkloster
zu St. Thomas in Brünn. Andere "neue" Adelige folgten diesem Beispiel. Die
zweite Generation der neuen Herren verteidigte das Erworbene und kümmerte
sich um die Wiederherstellung ihrer Herrschaften oder verließ das Land
wieder. Erst die dritte Generation, die das öffentliche Leben in den
sechziger und siebziger Jahren des 17. Jahrhunderts prägte, knüpft
wieder an die wirtschaftliche Entwicklung der herrschaftlichen Dominien aus der
Zeit vor der Schlacht am Weißen Berg an. Sie gründete wirtschaftliche
Unternehmen und baute die Hofwirtschaft zielbewußt aus. Zugleich
verfügte sie schon über genügende Mittel, um weitere
Kunstaufträge im barocken Stil zu
vergeben.
Ein klassisches Beispiel des
Mäzenatentums in diesem Adelskreis stellt die Tätigkeit des
Fürsten Franz von Dietrichstein dar. [9] Franz von Dietrichstein,
Kardinal und Bischof von Olmütz, entstammte einer Familie, die schon vor
dem Dreißigjährigen Krieg in Mähren Besitzungen erwarb. Mit dem
Kauf konfiszierten Eigentums vergrößerte er den Besitz seiner
Familie. In der ersten Hälfte des Krieges baute er die neue Residenz in
Nikolsburg, mit deren Architektur der Kardinal drei Ziele verfolgte. Das
ursprünglich wichtigste war sicher, eine Familienresidenz zu schaffen und
den Verwaltungssitz des neuen Dietrichsteinischen Grundbesitzes aufzubauen. Dazu
kamen jedoch noch zwei weitere Funktionen: Die Residenz sollte Zentrum seines
Bistums Olmütz sein und, da der Kardinal Gubernator Mährens war, als
"Hauptstadt" fungieren. Diesem Vorhaben entsprach die architektonische
Lösung: "palazzo in fortezza". In der eigentlichen Hauptstadt Mährens,
in Brünn, vollendete er den Bau des "Hofes der Olmützer
Bischöfe", und in seiner unmittelbaren Nähe begann er mit dem Neubau
eines Familienpalastes. Zusammen mit seinem Bruder Maximilian und seinem
gleichnamigen Neffen unterstützte er die Brünner Jesuiten. Im Jahre
1631 rief er die Piaristen nach Mähren und stiftete für sie in
Nikolsburg das erste Kolleg außerhalb Italiens. Später, nach dem
Generalkapitel der Piaristen in Mähren 1635, gründete er weitere
Kollegien nördlich der Alpen und sogar in Polen. [10] Der Kardinal
unterhielt in diesen Jahren in Nikolsburg eine hervorragende fürstliche
Residenz mit italienischen und spanischen Gelehrten und Dichtern. Vor allem
brachte er reiche Bibliotheken in seinen Besitz. [11] Das Wort "Besitz"
soll hier in seiner noch nicht verblaßten Bedeutung aufgefaßt
werden: Der Kardinal besaß diese Bibliotheken nicht zum Studium,
sondern als Statussymbol. So erwarb er u.a. die
erotínische
Bibliothek aus Trübau, die Waldsteinische Bibliothek aus Pirnitz und die
Bibliothek des gelehrten lutherischen Brünner Bürgers J. K. Praetorius
von Perlenberg. Das Ende des märchenhaften Reichtums des Kardinals kam mit
dem Ende des Krieges. Im Jahre 1645 fiel Nikolsburg in schwedische Hände,
das Schloß wurde verwüstet und die ganze Bibliothek nach Stockholm
überführt. Es war an seinem Nachfolger, Fürst Maximilian II. von
Dietrichstein, die alte Pracht
wiederherzustellen.
III.
Betrachten
wir die Bauten der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, so fällt ihre
enge Bindung an Geschmack und Ästhetik der Auftraggeber auf. Ähnlich
wie sich in der neuen katholischen und hoforientierten Generation adeliger
Mäzene eine neue Mentalität durchsetzte, entstanden in diesem Milieu
auch neue künstlerische Aufgaben. Diese wollen wir im Folgenden an der
"fürstlich repräsentativen architectura sacra" und "palazzo in
fortezza" des Herrschers
darstellen.
Architectura sacra und
fürstliche Repräsentation: Am Anfang dieser Entwicklung stand die
Wallfahrtskirche von Vranov (Wranau) in den Wäldern bei Brünn. Im
Jahre 1617 verpflichtete sich
"Andreas
Erna, Maurer aus Brünn, die alte Kirche abzubrechen und eine neue nach den
Plänen von Joan Marie,
Baumeister"
zu errichten, Auftraggeberin war Katharina, Fürstin von Liechtenstein (die
Tochter des Erbauers des manieristischen Schlosses
Bućovice, des Johann Šembera
Černohorský
von Boskovitz, und Gemahlin des Fürsten Maximilian von Liechtenstein). 1633
holten die Liechtensteins den Paulanerorden in das Kloster und legten in der
Kirche ihre Familiengruft an. Die Architektur dieser Kirche war nicht allzu
kompliziert: Es handelte sich um eine einfache, dreijochige Saalkirche mit
flachen Kapellen zwischen Wandpfeilern, mit einem rechteckigen Chor und einem
Turmpaar an beiden Chorseiten. Sie wirkte durch ihre klare und strenge, fast
puristische Einfachheit. Schon Georg Skalecki machte auf die sehr hohen Kapellen
aufmerksam, die ins Gewölbe einschneiden. Dadurch entstand eine homogene
Raumeinheit. Möglicherweise ist diese Einfachheit auf den Baumeister
zurückzuführen. Als Vorbild diente offensichtlich das Projekt der
jesuitischen Wallfahrtskirche in Stará Boleslav (Alt Bunzlau) aus dem
Jahre 1613. Über den Architekten der Altbunzlauer Wallfahrtskirche haben
wir keine sicheren Angaben, vermutlich ist sie aber dem rudolfinischen
Architekten Giovanni Maria Filippi ("Joan Maria" der Quellen)
zuzuschreiben. [12] In jedem Fall ist dieses weiße, kubische und
ruhige Bauvolumen auf einer Waldhöhe in Vranov sehr eindrucksvoll. Die
beiden ursprünglichen Portale an der Hauptfassade und der Nebenseite der
Kirche waren von hohen toskanischen Pilastern flankiert und von einem
Halbrundfenster mit Stuckdekoration bekrönt. Das Klostergebäude
zeichnete sich ebenfalls durch eine klare Monumentalität aus, die auch nach
einer kleinen neoklassizistischen Veränderung unangetastet blieb. Die
ostentative Klarheit und Sparsamkeit der formalen Motive am Bau wurde
wahrscheinlich schon vom Auftraggeber verlangt, und man kann sagen, daß
diese Art von architektonischem Purismus zum Programm einer neuen adeligen
Ästhetik wurde.
In den Jahren 1637-1641
blieb dieses Modell (eine Saalkirche mit Wandpfeilern und mit einem
rechteckigen, mit Sakristeien und Oratorien flankierten Chor) für weitere
Liechtensteinische Bauten, wie z.B. die Pfarrkirche in Nikolsburg,
maßgebend. Das Innere dieser Kirche wies jedoch mehr "barocke" Züge
auf. Der Architekt war Giovanni Giacomo Tencalla, von dem auch die
entwicklungsgeschichtlich bedeutendsten Kirchen der ersten Hälfte des 17.
Jahrhunderts in den habsburgischen Erblanden stammen (die Dominikanerkirche in
Wien und die Liechtensteinische Pfarrkirche in Feldsberg-Valtice). [13]
In seinen mährischen Projekten ging er offensichtlich auf den Wunsch der
Auftraggeber ein und verwendete puristische Architekturformen, die sich klar von
den spätgotischen oder manieristischen Sakralbauten der Protestanten
unterschieden.
In weit stärkerem Maße
als früher diente der Kirchenbau in allen seinen Funktionen (als
Pfarrkirche, Schloßkirche, Wallfahrtskirche, Gruftkirche) der
Repräsentation des neureichen Adels. Ihre strenge und klassizisierende Form
war ein stilbildender Faktor [14], die jesuitischen Bauten in
Mähren liefern hierfür einen klaren Beweis. Das älteste
Jesuitenkolleg in Olmütz (1566) wurde im ehemaligen Minoritenkloster
untergebracht, das nur langsam instand gesetzt und modernisiert wurde. Auch die
Brünner Jesuiten bezogen zunächst das ältere Gebäude der
Augustinerinnen (1581) und bauten nur neue Kollegienhäuser. Um 1600 trat
der katholische mährische Landeshauptmann Ladislav Berka von Dubé
auf den Plan und finanzierte zwischen 1598 und 1602, gegen den Willen des
jesuitischen Vorstandes, einen Neubau der Kirche, für den ein richtiger
architektonischer Wettbewerb zustande kam. Natürlich rechnete der
Landeshauptmann mit einer Familiengruft im Innern. Nach ihm setzte Kardinal
Franz von Dietrichstein den Bau fort und ließ 1605 ebenfalls eine
große Gruft für Familienmitglieder der Dietrichsteins einbauen. Dabei
störte es ihn nicht, daß die Maurer den gerade vollendeten Chor
wieder neu gestalten mußten. Vermutlich war auch der Gemäldezyklus
mit Szenen aus dem Marienleben des Venezianers Baldissera d'Anna Teil der
Dietrichsteinischen Donation. [15]
Diese
enge Beziehung zwischen dem Auftraggeber und dem Jesuitenorden stellte für
Mitteleuropa schon Petr Fidler fest. [16] Wir können seine Belege
noch um ein Beispiel aus dem mhrischen Bereich ergänzen. Denn auch im Fall
der Jesuiten in Znojmo (Znaim) ist die Verwendung von strengeren, puristischen
Architekturformen belegt. 1626 holte Graf Michael Adolf von Althan die Jesuiten
nach Znaim und stellte ihnen die gotische St.-Michael-Kirche zur Verfügung.
Die Kirche wurde nur geringfügig modernisiert, denn die "Patres"
konzentrierten sich - wie immer - zunächst auf den Kollegiumbau. Erst nach
einem Turmeinsturz und der damit verbundenen Zerstörung des
Kirchengewölbes (1642) fiel die Entscheidung für einen Neubau der
Kirche. Mäzene waren wieder Michael Adolf von Althan und Dorothea von
Liechtenstein (Gemahlin des regierenden Fürsten von Liechtenstein zu
Feldberg). An den alten spätgotischen Chor wurde ein dreijochiges,
beiderseits von Kapellen begleitetes Langhaus angebaut. Diesem klaren
Grundriß entspricht (ähnlich wie bei der Wiener Paulanerkirche) eine
strenge und einfache Raumgestaltung. Ein gewisses Problem aber stellte die
Fassadengestaltung dar. Aus dem Ordensgeneralat in Rom kam die Forderung, die
Kirchenfassade nicht allzu prächtig und schwülstig werden zu lassen,
damit sie der Besinnung auf Schlichtheit und christliche Armut förderlich
sei. Andererseits sollte die Fassade jedoch die Funktion der Verherrlichung des
Katholizismus, des Ordens und nicht zuletzt seiner Mäzene erfüllen.
Die ausgeführte Fassade entspricht diesen Anforderungen: Sie ist einfach
und zugleich monumental, das Netz von Flächenlisenen und Fassadennischen
zielt auf klare Vereinfachung ab. Als Vorbild für die interessante
Dreigeschossigkeit diente möglicherweise die Hauptfassade der Wiener
Karmelitenkirche zu St. Joseph, sie erreicht aber nicht deren klassische
Ausgewogenheit. Der wuchtige, statische Bau entwickelt eindeutig den
stilistischen Purismus der Vranover Kirche weiter. Es ist daher nicht
auszuschließen, daß die Znaimer Fassade die letzte Arbeit von
Andreas Erna ist, der in Vranov seine Karriere als Baumeister im Dienst der
Liechtensteins und der Stadt Brünn
begann.
Die bedeutendsten Kirchenbauten waren
jedoch in erster Linie mit der Persönlichkeit des Kardinals Franz von
Dietrichstein verbunden. Sein Interesse für die Architektur zeigte sich
schon vor der Schlacht am Weißen Berg: Vor 1617 ließ er die
St.-Anna-Kapelle in unmittelbarer Nähe des Olmützer Doms umbauen und
in den folgenden Jahren ein neues Presbyterium mit Krypta für den
Olmützer Dom errichten. Der Bau dauerte kriegsbedingt sehr lange und wurde
erst 1661 vollendet. Wie die spätgotischen kirchlichen Hochchöre
überspannte auch das Olmützer Presbyterium einen riesigen Innenraum
und wirkte deutlich als Symbol der neuen Ansprüche der Gegenreformation.
Für die weitere Entwicklung wichtiger noch sind die Kirchenbauten des
Kardinals in seiner Residenzstadt Nikolsburg. Er ließ die Pfarrkirche zu
der mit dem Schloß verbundenen Schloß- und Kollegiatenkirche St.
Wenzeslaus umbauen und gründete eine Loretokirche - eine der ersten in
Mitteleuropa. Im Jahre 1622 gab der Papst eine Genehmigung zum Bau, und 1625
wurde der Grundstein gelegt. So entstand in der Nähe des Kapuzinerklosters
eine getreue Kopie von Bramantes Loretokapelle. Die Nikolsburger Loretokirche
wurde während des Dreißigjährigen Krieges zu einem wichtigen
Zentrum der häufigen öffentlichen Wallfahrten, 1631 besuchte auch der
Kaiser mit seinem Hof den neuen Wallfahrtsort. Ob bereits der Kardinal an eine
einheitliche architektonische Gestaltung des ganzen Areals dachte, wissen wir
leider nicht. Erst nach dessen Tod (1636) vollendete Fürst Maximilian von
Dietrichstein mit den anderen adeligen Donatoren die alten und neuen Bauten, die
sich zu einem architektonischen Ganzen fügten. 1636 wurde über dem
Loretobau eine neue, der hl. Anna geweihte Saalkirche mit einem rechteckigen
Chor gebaut, die ganze Anlage aber erst 1656 vollendet. Das Innere der Kirche
wurde reich mit plastischer und stuckierter Dekoration ausgeschmückt
(Giovanni Giacomo Tencalla als Architekt, sein Bruder Giovanni Tencalla als
Stukkateur und andere Künstler aus ihrem Umkreis) [17], ebenso wie
die vielen mit kostbaren Raritäten und Kultobjekten gefüllten
Kapellen. Diese Kapellen waren Stiftungen berühmter Katholiken und trugen
deren Namen (die Kapelle des Grafen Michael Althan, des Grafen Collalto, des
Grafen Michna von Vacínov und die bis heute existierende, schöne
protobarocke Kapelle des Grafen Georg von Náchod). Hinter diesen Namen
verbirgt sich eine Gruppe junger katholischer Mäzene, die die neue Kultur
unterstützten, aber auch zur eigenen Repräsentation nutzten. Es ist
recht bezeichnend, daß gerade diese Männer gemeinsam einen Bau
finanzierten, in dem sich die neue Mentalität und Ästhetik
manifestierte.
1631 spendete Graf Michael Althan
nochmals eine beträchtliche Geldsumme für das Nikolsburger Loreto, die
Kardinal von Dietrichstein jedoch mit Zustimmung des Donators den Piaristen
für den Neubau ihres Kollegs in Nikolsburg zukommen ließ. Die
Piaristen hatten die ehemalige Nikolsburger Spitalskirche zugewiesen bekommen,
die Umbauten (Quadratur mit Kolleg und Noviziat) zogen sich bis in die sechziger
Jahre des 17. Jahrhunderts hin. Aus den Quellen geht eindeutig hervor, daß
der Ordensvorstand jedoch kein Interesse an den Präsentationswünschen
seines Mäzens hatte. Die Kirche war für die Öffentlichkeit
bestimmt und eine Hervorgebung eines adeligen Protektors durchaus denkbar, das
Kolleg jedoch war immer nur das "private" Haus der
Ordensgemeinde.
In der Vorburg der Burg Pirnitz
stand eine im Jahre 1588 gebaute Schloß- und Gruftkirche der
protestantischen Familie Brtnický von Waldstein. Der neuer Besitzer Graf
Rombald Collalto et San Salvatore, Kondottiere während des
Dreißigjährigen Krieges, ließ sie nach 1629 durch den
Architekten Wallensteins, den Fortifikationsingenieur Giovanni Pieroni da
Gagliano, und seinen Maurermeister Giovanni Petruzzi umbauen. [18] Neben
Chor und Haupteingang wurde vor allem das Innere der neuen Raumauffassung
entsprechend umgestaltet. An beiden Seiten der Saalkirche wurden, auf halber
Höhe, zwei rechteckige Kapellen mit Kuppeln angefügt. In einem seiner
Briefe versicherte Giovanni Pieroni seinem Auftraggeber, daß "sein Projekt
viel schöner als Kirchenbau in Alt Bunzlau sein werde". Diese Feststellung
mag die einheimischen Historiker verwundern. Der Architekt dachte aber - unserer
Meinung nach - wohl vor allem an die Zentrierung des Raumes durch Kuppeln und
deutete offensichtlich auch die Bedeutung der modernen barocken Stuckdekoration
an. Die ganze Kirche wurde 1641 als Mariae Himmelfahrt-Kirche geweiht. Bei
dieser Kirche wurde vom Grafen Collalto ein neues Paulanerkloster
gegründet.
Nach dem Ende des Krieges begann
der Ausbau der großen Städte in Mähren. Besonders die neue
Hauptstadt Brünn wurde für die öffentliche Selbstdarstellung der
neuen Oberschicht anziehend. So entstanden hier neue Kirchen mit einfachen,
durch Lisenen gegliederten Fassaden: die Franziskanerkirche (1651-1654,
Baumeister Andreas Erna) und die Kirche der Franziskanerinnen (1651-1654, Paul
Weinberger). Im Jahre 1653 bestellte Fürst von Lobkowitz bei Joachim von
Sandrart ein Gemälde für den Hauptaltar der Brünner
Kapuzinerkirche. [19] Für Brünn und seine Kunstgeschichte war
dies ein riesiges Geschenk. Dennoch hatte Sandrarts barockes Bild keinen
großen Einfluß auf die damalige handwerkliche Produktion und blieb
mit seiner Qualität noch viele Jahre in der Kunstgeschichte Mährens
eine Ausnahme.
Am Ende der Entwicklung des
strengen und puristischen Kirchentypus in Mähren steht die
Dominikanerkirche in Brünn. Ihre Entstehung verdankt sie ebenfalls einem
adeligen Donator, diesmal einem frisch etablierten Aufsteiger. Graf Leo Wilhelm
von Kounic stammte aus einer protestantischen Familie, wurde aber auf
Veranlassung von Kardinal Franz von Dietrichstein katholisch erzogen. Der
Kardinal rettet auch einen Teil des Familienbesitzes für den jungen Kounic
und gab ihm eine Verwandte zu Frau. Leo Wilhelm bedachte die Dominikaner in
seinem Testament mit Mitteln für den Bau einer Kirche, diese
St.-Michael-Kirche wurde in den Jahren 1659-1679 realisiert. In dem
ausgeführten Bau finden sich alle Tendenzen der früheren
architektonischen Entwicklung wieder. Gebaut wurde eine Wandpfeilerkirche mit
Kapellen, Emporen, Tonnenwölbung und einer Andeutung des Querhauses, die
immer noch dem strengen und puristischen Konzept der zusammengesetzten
Raumformen folgte. Die Kirche steht stilistisch in der Tradition der
früheren Sakralbauten, wirkt aber in ihren architektonischen Formen
überdimensioniert. Das gilt auch für das Äußere der Kirche
und besonders für die Fassade. Der Baumeister der Kirche, Johann Baptist
Erna (der Sohn des Andreas Erna), veränderte mit diesem frühen Werk
die Orientierung des Vorgängerbaus - offensichtlich auf Wunsch des
Auftraggebers. Die neue östliche Hauptfassade ist Bestandteil des neu
regulierten Platzes neben dem Sitz des mährischen königlichen
Tribunals. Natürlich repräsentiert die strenge Wirkung der Fassade
nicht nur das alte Kloster der Dominikaner, sondern verherrlicht auch die
Stifter: Über dem Hauptportal können wir das Allianzwappen der
Familien Kaunitz und Dietrichstein sehen. In der Kirche selbst wurde eine Gruft
für die Familie Kounic-Kaunitz angelegt. Die Dominikanerkirche in
Brünn steht am Ende einer Epoche. Die strenge Geometrie der Formen kam hier
überspitzt zum Ausdruck. Der Architekt verfuhr in seinen weiteren Werken
viel bescheidener und wandte sich stärker dem "barocken" Stil
zu.
Palazzo in fortezza: Es ist
offensichtlich, daß die architektonische Hauptaufgabe während des
Dreißigjährigen Krieges die Festungsarchitektur und "architectura
militaris" war. Als der florentinische Architekt Giovanni Pieroni 1622 an den
Wiener Hof kam, gab der Kaiser ihm den Auftrag zur Inspektion der Festungen, um
dann neue Festungsmodelle zu entwerfen. [20] Es gibt Quellenmaterial zu
seiner Tätigkeit als Festungsingenier in Wien, Prag, auf der Prager Burg
und auf dem Schloß Náchod, aber auch auf der Brünner Burg
Spielberg und in der ostmährischen Grenzstadt Uherské
Hradiště.
In
Kriegszeiten war der Bau neuer adeliger Residenzen eher die Ausnahme. Vielmehr
wurden die vorhandenen festen Burgen wiederhergestellt und ausgebaut (z.B. die
Burg des Deutschen Kreuzherren Ritterordens in Sovinec-Eulenburg nach 1632).
Trotzdem dürfen wir den Versuch wagen, die Anfänge der Residenzbauten
bedeutender Adeliger in Mähren zu verfolgen. Mähren gehörte als
militärisches Durchzugsgebiet zu den am häufigsten von
Kriegshandlungen betroffenen Gegenden Mitteleuropas. Viele Schlösser und
Städte wurden verwüstet und erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts
allmählich wieder aufgebaut. Daher ist man darauf angewiesen, mit
zeitgenössischen Quellen und Rekonstruktionen zu arbeiten. [21]
Für die Gestalt der bedeutenden Residenzen war im 17. Jahrhundert der
Bautypus "palazzo in fortezza" von großer Wichtigkeit - das heißt
das Aneinanderreihen der Paläste zwischen wirklichen oder ephemeren
Bastionen und Ravelinen - und war keinesfalls auf Mähren beschränkt.
Fast exemplarisch läßt sich dieser Typus am Beispiel der
Liechtensteinischen Residenz in Feldsberg-Valtice erläutern. Hier, auf
niederösterreichischem Gebiet an der Grenze zu Mähren, begann 1614 der
Architekt Giovanni Battista Carlone I. den Um- und Ausbau der alten Burg des
Fürsten Karl von Liechtenstein. In verschiedenen Baustufen während des
ganzen 17. Jahrhunderts entstand allmählich eine Folge mehrerer Höfe
hintereinander. Es lohnt sich, die Kritik des dilettierenden Architekten, des
Fürsten Karl Eusebius von Liechtenstein, zu erwähnen, für welchen
Feldsberg ein Labyrinth der Höfe und Durchgänge
darstellte. [22]
Ähnlich wuchs das
Dietrichsteinische Nikolsburg. Obwohl wir bis jetzt nicht alle Quellen für
eine detaillierte Chronologie des Schloßbaues kennen, dürfen wir
darauf aufmerksam machen, daß hier der alten Burg halbkreisförmige
Bastionen angebaut wurden. Der innere Hof wurde durch einen bedachten Durchgang
auf den Arkaden zerteilt, um eine bessere innere Kommunikation zu schaffen. In
den alten Teilen der Burg wurden ein Thronsaal, ein großer Saal und
Räume für die hervorragende Bibliothek des Kardinals eingebaut und der
Vorhof allmählich in Richtung Stadt weitergebaut. Heute haben sich nur
einige Relikte aus dieser Zeit erhalten, z.B. das "Dunkle Tor" mit den
mächtigen, rustizierten Pfeilern (vor 1636) und die umgebaute Schloß-
und Kollegiatkirche in der Vorburg.
Wie das
Liechtensteinische Schloß Feldsberg, so wurde auch das Dietrichsteinische
Nikolsburg in späteren Epochen umgebaut. Trotzdem kann man in ihrer
Grundrißdisposition eine ursprüngliche kunsttypologische Absicht
feststellen. Wenn wir uns allerdings eine Vorstellung eines idealen "palazzo in
fortezza" mit Kirche in der Vorburg machen wollten, sollten wir uns den ideellen
Plan zur Vollendung der Collaltoschen Burg Pirnitz anschauen. Schon länger
ist in der Forschung eine Zeichnung zu einem nicht näher identifizierten
Schloß mit drei Höfen und einer, mit diesem Schloß durch einen
bedachten Gang verbundenen Kirche bekannt. Der Brünner Kunsthistoriker
Václav Richter erwähnte diese mit Bleistift gezeichnete Skizze in
Verbindung mit den Planungen zu einem Umbau der Pirnitzer Burg von Giovanni
Pieroni. [23] Wir stimmen dieser Identifizierung zu, doch glauben wir,
daß es sich eher um eine Skizze für den Umbau der Residenz handelt.
Es existiert nämlich nur diese Skizze, die die sonst
unregelmäßigen Teile der Burg und der Vorburg reguliert, aber keine
Entwürfe zum wirklichen Umbau des Schlosses. Doch ist diese Skizze von
großer kunsthistorischer Bedeutung für die Geschichte des 17.
Jahrhunderts in Mitteleuropa. Die Charakteristika, die wir schon oben bei den
anderen Residenzen erwähnten, sind hier ganz klar gestaltet: Die
ältere Burg inmitten einer Festung mit den Bastionen ist in Richtung zur
Stadt durch ein System von einander umschliessenden Quadraturen und
Durchgängen in die Höfe erweitert. Vor dem rechteckigen
länglichen Schloß liegt ein sehr langer Vorhof (seine Länge ist
praktisch mit der ganzen Länge des Schlosses identisch), und um ihn herum
führt ein bedeckter Gang auf den Arkaden zur Schloß- und zugleich
Paulanerklosterkirche. Nach dem Jahre 1631 wurden wirklich in Pirnitz einige
Umbauten durchgeführt: hauptsächlich in älteren Teilen, in denen
die neuen Repräsentationsräume (Kaisersaal und Ahnensaal) mit
Stuckdekoration verziert wurden. Obgleich das Schloß in Wirklichkeit ein
Konglomerat unregelmäßiger Gebäude aus verschiedenen Zeiten
blieb, zeigt die Skizze einen regelmäßigen Bau. Es scheint uns,
daß der Bautypus "palazzo in fortezza" hauptsächlich mit einem Modell
für fürstliche Residenzen verbunden war. Diesem Bautypus begegnen wir
bei den größten Magnaten in Mähren.
Nur allmählich setzte sich in Mähren
die Villa in freier Landschaft durch. Im Jahre 1624 baute einer der
künftigen Triumviren, Graf Christoph Paul von Liechtenstein-Kastelkorn, die
kleine Festung in Bludov (Blauda) um. Es entstand ein
Dreiflügelschloß mit einer von zwei Türmen flankierten Fassade
und Stuckdekoration im Innern. Die Fassade war ganz einfach, nur mit
rustiziertem Eingang geschmückt. [24] Auch das Innere des
Liechtensteinischen Schlosses Nikolsburg wurde umgestaltet (1633, 1637-1641) und
ein Brunnen von Giovanni Giacomo Tencalla in den Arkadenhof plaziert. Im Jahre
1638 begann Fürst Karl Eusebius von Liechtenstein mit dem Bau eines
Lustschlosses in Lednice-Eisgrub. Am Ende dieser Entwicklung steht Schloß
Holeschau. Um 1652 ließ der Triumvir und mährische Landeshauptmann
Johann Graf von Rottal seine Residenz nach dem Entwurf des kaiserlichen
Ingenieurs Philiberto Lucchese ausbauen. Die vierflügelige Anlage hat an
jeder Ecke einen oktogonalen Turm, im Inneren sind die stuckierten Räume
der Sala terrena, Theatersaal u.a. Die planimetrische Gestaltung der Fassade
dieses Schloßbaus zeigt deutlich einen stilistischen Umbruch in
Mähren an. Obwohl man in der architektonischen Struktur viele Elemente des
Spätmanierismus findet, begann in Holleschau die Epoche des
Frühbarocks der mährischen Architektur. Es mutet wie ein Zeichen an,
daß zur gleichen Zeit (1652) in Brünn der Baumeister Andreas Erna
starb, der mit den Chronistenwörtern "celebris in provincia ac primarius
Architectus" verherrlicht wurde. [25] In der zweiten Hälfte des 17.
Jahrhundert war seine puristisch monumentale Architektur längst nicht mehr
"primär". Sie wirkt vielmehr als Panegyrikus: Sie erinnert an den Aufstieg
des neuen Adels inmitten des fürchterlichen
Krieges.