DOKUMENTATION | Ausstellungen: 1648 - Krieg und Frieden in Europa | |
Textbände > Bd. II: Kunst und Kultur |
CHARLOTTE CHRISTENSEN Unwiederbringlich - König Christian IV. von Dänemark als Sammler und Mäzen in Friedens- und Kriegszeiten |
Christian IV. regierte länger
als je ein anderer König in Dänemark. Als sein Vater Friedrich II.
1588 starb, war der Prinz erst 11 Jahre alt. Zu dieser Zeit verfügte das
dänische Reich mit Schonen, Halland und Blekinge und mit den Inseln Gotland
und Ösel über eine beachtliche Ausdehnung. Als König Christian
1648 starb, hatte Dänemark durch zahlreiche Gebietsverluste seine
ursprüngliche Bedeutung eingebüßt und der König selbst
drastische ökonomische Einbußen und politischen Machtverlust
hinnehmen müssen. [1]
Die zahlreichen
Niederlagen Christians IV. schmälerten jedoch nicht die Wertschätzung,
die die Dänen in späteren Zeiten diesem hochbegabten, aber vom
Glück nicht begünstigten Monarchen entgegenbringen sollten. Heute
erinnert man sich mehr an seine Bauten und sein Mäzenatentum als an seine
Feldzüge und seine diplomatischen Bestrebungen. Als Bauherr und Mäzen
war der König persönlich aktiv: Er verfügte über Kenntnisse
in der Theorie und Technik der Architektur und fertigte selbst Entwürfe an.
Während der Regierungszeit Christians IV. hatte die Kunst am dänischen
Hof eine höheren Stellenwert als je zu einem anderen Zeitpunkt in der
dänischen Geschichte. Unter seiner Aufsicht wurden neue Städte
gegründet mit Namen wie Christianshavn, Kristianstad, Christianopel,
Christiania, Christianspris oder Glückstadt, und die königlichen
Schlösser wurden prachtvoll
ausgestattet.
Bereits Frederik II. hatte
hervorragende Künstler an den königlichen Hof geholt: den Maler und
Graphiker Melchior Lorck, den Bildhauer Johan Gregor van der Schardt und den
Maler Hans Knieper, der auch Kartons für Tapisserien fertigte. [2]
Knieper erhielt u.a. den Auftrag für eine Tapisserieserie mit Darstellungen
von über einhundert dänischen Königen, die mit dem
Sagenkönig Dan begann. Der letzte dieser Wandteppiche zeigt Friedrich II.
mit dem jungen Prinzen Christian und den Schlössern Kronborg und
Frederiksborg im Hintergrund. Mit dieser Teppichfolge wurde die dynastische
Überlegenheit gegenüber dem noch jungen schwedischen Königshaus
zum Ausdruck gebracht. Diese Form herrscherlicher Propaganda lag auch einigen
der Ausstattungsprojekte Christians IV.
zugrunde.
Neben dem Königshof hatte der
adelige Astronom und Astrologe Tycho Brahe, der auf der Insel Hven im
Öresund lebte und eine der wichtigsten Persönlichkeiten im kulturellen
Leben Dänemarks war, großen Einfluß auf den jungen König.
Brahe hatte das Horoskop des neugeborenen Prinzen Christian erstellt, das
"Urtheil von dieses jungen Herren Nativitet", in dem er die Planeten Venus und
Mars als besonders einflußreich auf Christians Schicksal nannte. In seiner
Kindheit besuchte der Prinz auch Hven, und hier konnte er zum erstenmal eine
Residenz - Uraniborg - erleben, die nach einem in sich geschlossenen Konzept
errichtet worden war: In Architektur, Malerei, Skulptur und Gartenkunst kam
gleichermaßen die Persönlichkeit des Bauherrn zum Ausdruck. Wenige
Jahre später verlor Tycho Brahe die Gunst des Königs und trat 1599 als
Hofastronom in die Dienste Rudolfs II. in
Prag. [3]
Die bildenden Künstler am
Hof aus den ersten Jahren nach der Krönung Christians IV. 1596 sind fast
ausschließlich nur aus archivalischen Mitteilungen bekannt. So wurde z.B.
Jan van Wijck am 1. Februar 1598 zum Hofportraitmaler mit einem jährlichen
Lohn von 60 Talern und der "gewöhnlich Hofkleidung" ernannt, aber weder
seine Portraits der königlichen Familie, des schottischen Königs
Jakobs VI. und seiner Gemahlin Anna noch seine mythologischen und
religiösen Gemälde sind
erhalten. [4]
Anläßlich seiner
Krönung 1596 in Kopenhagen trat der König zum erstenmal als
christlicher Fürst in Erscheinung, und der Bischof von Seeland hob in
seiner Krönungspredigt in der Vor Frue Kirche die Göttlichkeit der
Königswürde besonders hervor. Ein solches Herrscherverständnis
stand im Widerspruch dazu, daß Dänemark noch ein Wahlkönigreich
war und daß die Handfeste, die Christian IV. unterschrieben hatte, dem
adeligen Reichsrat weitreichende Befugnisse zugestand. Die Krönung war die
erste große Machtdemonstration Christians IV., aus deren Anlaß
zahlreiche Schauspiele, Ringreiten und Umzüge stattfanden, zu denen auch
die angereisten ausländischen Fürsten ihren Beitrag leisteten. So
wurden z.B. beim Ringreiten am 3. und 4. September "inventiones" des Markgrafen
Christian von Brandenburg nach Entwürfen von Giovanni Maria Nosseni
gezeigt, die aus einem "Berg der Tugenden" bestanden. [5]
Im 16. Jahrhundert war die Kunst in Dänemark
stark von den dynastischen Verbindungen mit Norddeutschland geprägt. Sophie
von Mecklenburg, die Mutter des Königs, war selbst Tochter einer
dänischen Prinzessin, und der neugeborene Prinz Christian hatte seine
ersten Lebensjahre zusammen mit seinen beiden älteren Schwestern Elisabeth
und Anna im Schloß zu Güstrow bei seinen Großeltern Herzog
Ulrich und Herzogin Elisabeth von Mecklenburg verbracht. Die ältere der
beiden, Elisabeth, heiratete Heinrich Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel,
während Anna mit Jakob VI. von Schottland vermählt wurde, der 1603 als
Jakob I. auch den englischen Thron bestieg. Eine dritte Schwester, Hedwig, wurde
mit dem Kurfürsten Christian II. von Sachsen verheiratet, während
Christian IV. sich eifrig für das Glück seiner jüngeren
Brüder als Fürstbischöfe in Norddeutschland einsetzte.
1595 besuchte Christian IV. Berlin, wo über
seine Ehe mit Anna Catharina von Brandenburg verhandelt wurde, einer Tochter des
Markgrafen Joachim Friedrich, der 1598 Kurfürst von Brandenburg wurde.
Außer den norddeutschen Fürstenhöfen, die er in seiner Jugend
besuchte, lernte er während der Besuche bei seinem Schwager Jakob I. in den
Jahren 1606 und 1614 auch die englischen Sammlungen und
Königsschlösser kennen.
Die erste
wichtige Phase Christians IV. als Baumeister und Mäzen umfaßt den
Zeitraum vom Beginn des 17. Jahrhunderts bis zu seinem Eintreten in den
Dreißigjährigen Krieg im Jahre 1625. In dieser Periode galt sein
Interesse besonders den seeländischen Schlössern Kronborg und
Frederiksborg sowie dem kleinen Lustschloß Rosenborg vor den Toren
Kopenhagens. Die Gärten wurden mit Springbrunnenanlagen und Skulpturen
ausgestattet, die Innenräume mit Wandteppichen und Deckendekorationen.
Gleichzeitig wurden die Schloßkirchen mit kostbarem Inventar versehen, zu
dem der noch heute erhaltene silberne Altar in Frederiksborg gehört.
Überall in den Schlössern wurden die Säle und Gemächer mit
reichen Holzschnitzarbeiten dekoriert und mit steinernen Kaminen, Kronleuchtern
und Kunsthandwerk in edlen Hölzern, Elfenbein, Schildpatt sowie mit anderen
exotischen Gegenständen ausgestattet.
Der
auch im europäischen Vergleich herausragenden Bedeutung Christians IV. als
Sammler und Mäzen ist bisher nicht genügend Beachtung geschenkt
worden. Eine Ursache dafür ist, daß zahlreiche der Kunstwerke, die
sich in Christians IV. Schlössern und Kirchen befunden haben, nicht mehr
erhalten sind und es daher schwierig ist, die ursprünglichen Ausstattungen
mit ihrer Fülle von Gemälden, Skulpturen und Holzschnitzarbeiten zu
rekonstruieren. Unsere Kenntnisse der Sammlungen Christians IV. beruhen
hauptsächlich auf zwei Quellen: einer Liste über die Kunstwerke, die
1607/08 von dem Diplomaten Jonas Charisius in den Niederlanden erworben wurden,
und dem Inventar des Schlosses Frederiksborg aus dem Jahre 1636, ergänzt
durch die Übersicht über den Bestand der Sammlung von
1650. [6]
Für Frederiksborg werden
darin mehr als 450 Gemälde genannt, aber, wie üblich in den Inventaren
der Zeit, die Künstlernamen sind nur selten genannt. Die meisten dieser
Werke wurden von den Schweden 1659 als Kriegsbeute abtransportiert, die der
schwedische König und seine Generäle dann untereinander aufteilten. Es
ist jedoch möglich, einige der aus Dänemark stammenden Werke in den
schwedischen Sammlungen zu identifizieren. Eine Liste im Reichsarchiv in
Kopenhagen gibt Aufschluß darüber, daß sich 1659 nur noch sehr
wenige Gemälde auf Frederiksborg befanden. Es wäre eine interessante
Aufgabe für die kunsthistorische Forschung, die Reste der dänischen
Sammlungen in schwedischem Besitz zu dokumentieren.
Aber auch die Kunstwerke, die die schwedischen
Truppen zurückgelassen hatten, erlitten in Dänemark selten ein
besseres Schicksal. Die Brände in den dänischen Schlössern haben
nach und nach die meisten Stücke aus den Sammlungen Christians IV. und die
kostbaren Ausstattungen der Gemächer und Säle in seinen
Schlössern zerstört. So verbrannte ein lebensgroßes
Reiterportrait des Königs, als Schloß Christiansborg 1794 abbrannte,
während Wandteppiche, Mobiliar und die nationale Portraitsammlung in
Schloß Frederiksborg 1859 in Flammen aufgingen. Noch beim Brand des
klassizistischen Christiansborg im Jahre 1884 gingen Gemälde aus den
Sammlungen Christians IV. zugrunde, unter anderem Bilder aus dem Großen
Saal von Rosenborg.
Die ersten
größeren, nachweislich bekannten Einkäufe ausländischer
Kunst unter Christian IV. finden sich in Jonas Charisius' Übersicht
über die Erwerbungen 1607/08 in den Niederlanden. Während seiner
Teilnahme an den Friedensverhandlungen in Den Haag erwarb er etwa 150
holländische und flämische Gemälde sowie Musikinstrumente
für den Gebrauch des Königs. Einen großen Teil kaufte er auf dem
Kunstmarkt in Delft. Auf der Suche nach qualitätsvolleren Arbeiten begab er
sich aber auch direkt zu den Malern und Kunsthändlern, z.B. zu Pieter
Isaacsz., der erstmals im Zusammenhang mit den Ankäufen des dänischen
Königs genannt wird. Bei ihm erwarb Charisius "Jncendium Romae zu zeit
Neronis"; bei "Valkenberg", einem Mitglied der Künstlerfamilie
Valckenborch, "ij stuck De bello Amazonum"; bei Aert Pietersz. u.a. "j stuck
banckett gross auff tuch" und "j stuck of pannell, Conuersio S: Pauli" und bei
Otto van Veen eine "Erscheinung Christi im garten, ein langhafft stuck vf thuck"
sowie "j tuckische
Löwenjagtt". [7]
Unter den
Künstlernamen in Charisius' Liste finden sich auch Frans Floris und Frans
Francken. Von einem "Meister Cornelio zu Haarlem" wird ein Werk mit dem Titel
"Ein Mönch mit einer Nunne" erwähnt, das einem Gemälde von
Cornelis Cornelisz. van Haarlem ähneln muß, daß sich heute im
Frans Halsmuseum befindet. Unter den Gemälden auf Frederiksborg befand sich
vermutlich Pieter Aertsens berühmtes Gemälde einer "Schlachterbude",
das heute in den Kunstsammlungen der Universität Uppsala aufbewahrt wird.
Im Inventar von Frederiksborg von 1636 findet man die Beschreibung: "j
Støcke met Atschillige Slagterie, Samt fisk och fuell, Som er Mallet aff
Enn Wed Naffn, Lange Pier, aff Holland, I en forgylt Ramme, som nu findiss i den
Lange gang till Sallen offuer Mynten" ( 1 Stück mit verschiedener
Stücken Fleisch sowie Fisch und Vogel, das ist gemalt von einem mit dem
Namen Lange Pier, von Holland, in einem vergoldeten Rahmen, das sich jetzt in
dem Langen Gang zum Saal über der Münze befindet). [8] Es
wurden jedoch nicht nur zeitgenössische, sondern auch ältere Werke
angekauft, wie etwa die 1551 datierte "Schlachterbude" von Cornelis
Cornelisz.
Christian IV. bemühte sich auch
mehrfach um Ankäufe größerer Sammlungen. Aus dem Jahre 1621
stammt eine Korrespondenz zwischen dem König und dem burgundischen Dichter
und "Ritter" Theodor Rodenburg, der Christian IV. eine Sammlung von nicht
weniger als 350 Gemälden im Gesamtwert von 20.000 Reichstalern anbot - zu
einem Ankauf kam es aber offenbar nicht. Hieraus geht jedoch hervor, daß
der König als wohlhabender Kunstsammler galt, wofür auch ein weiteres
Angebot eines gewissen "Fransooes Bastijansen" spricht, der 1624 eine
größere Zahl von Gemälden in Auswahl im Kopenhagener
Schloß offerierte. [9]
In diesem
Zusammenhang muß die "Winterstube" im Schloß Rosenborg erwähnt
werden, in der sich zahlreiche Landschaften, Stilleben und Genrestücke von
verschiedenen niederländischen Künstlern befanden. Die Bilder sind in
eine Holzvertäfelung mit architektonischen Elementen eingelassen, die dem
Tischlermeister Gregers Greus (tätig 1600-16) und seinem Nachfolger Willem
Mohr (tätig 1616-18) zugeschrieben wird. Der Bilderfolge liegt kein
einheitliches Programm zugrunde; sie wurde jedoch als Sammelbestellung,
vermutlich bei Pieter Isaacsz., in Auftrag gegeben. Die 1620
fertiggestellte Winterstube ist der einzige noch heute erhaltene Raum, der einen
Eindruck von den prachtvollen Ausstattungen der privaten Gemächer
Christians IV. geben kann. Alle anderen wurden ausgeplündert oder
verbrannten. [10]
In den Jahren 1611-13
führte Christian IV. den sogenannten Kalmarkrieg. Obwohl dieser nicht zu
dem gewünschten endgültigen Sieg über die Schweden führte,
bekam Dänemark beim Friedensschluß eine außergewöhnlich
hohe Kriegsentschädigung zugebilligt, die zu einer Konsolidierung der
wirtschaftlichen Situation des Königs führte. Mit zahlreichen
Kunstwerken, die nun erstmals auch unmittelbar auf zeitgenössische
Ereignisse verweisen, feierte Christian IV. seine Siege. Auf einem um 1614
entstandenen Portrait von Pieter Isaacsz. in Frederiksborg wird der König
als Sieger des Kalmarkrieges gezeigt. Mit dem Feldherrnstab in der rechten Hand
steht er in dunkler Kleidung vor einem Basrelief, auf dem er ein zweites Mal als
römischer Imperator auf einem Triumphwagen, gekrönt von der
Siegesgöttin Viktoria, zu sehen ist. Dieses Portrait nimmt eine
Sonderstellung unter den erhaltenen Portraits Christians IV. ein, unter denen
sich - mit Ausnahme von Adriaen van de Vennes Gemälde des Königs als
Friedensstifter - keine Allegorien befinden. Der König ist in
zeitgenössischer Kleidung, in Zivil oder als Feldherr, dargestellt; nur
Dieussarts Portraitbüste von 1643/44 zeigt ihn all'antica gekleidet,
einem römischen Cäsaren gleich. Nirgendwo findet man Darstellungen des
Königs als antiken Helden oder Gott, wie das bei anderen
zeitgenössischen Herrscherportraits, z.B. bei Heinrich IV. von Frankreich
oder Jakob I. von England, der Fall ist.
Pieter
Isaacsz., der Meister des heroisierenden "Siegesportraits", wurde 1569 in
Helsingør geboren. 1585 war er Schüler Hans von Aachens,
italienische Einflüsse in seinem Oeuvre lassen vermuten, daß er auch
einige Zeit in Italien verbracht hat. Zudem ist eine Nähe zur
rudolfinischen Hofmalerei zu beobachten. Sein Vater Isaac Pietersz. war "Faktor"
des Königs in den Niederlanden und seit 1605 "commissaris in de Sond" der
Generalstaaten, eine Stellung, die der Sohn beim Tod des Vaters 1617
übernahm. Erst im 19.Jahrhundert wurde bekannt, daß Pieter Isaacsz.
schwedischer Spion am dänischen Hof gewesen war. Es ist jedoch nicht
auszuschließen, daß dies der dänischen Regierung bekannt war
und er in Wirklichkeit als Doppelagent
arbeitete.
Die antikisierende Allegorie auf Pieter
Isaacsz.' Portrait von Christian IV. weist deutliche Parallelen zu der
gleichzeitigen Gesamtkonzeption von Frederiksborg auf. Ein Hauptziel der
dänischen Außenpolitik war die absolute Herrschaft zu Wasser,
"Dominium
maris
balticum"
und
"Dominium
septentrionalis"
(d.h. im Eismeer nördlich der skandinavischen Halbinsel; dort gab es noch
keine festen Grenzen). Solange Dänemark noch beide Küsten des
Øresunds beherrschte, konnten durch den Sundzoll hohe Einnahmen erzielt
werden, die Christian IV. oft für friedliche Zwecke, insbesondere für
die Förderung der Künste, verwandte. Insofern bot sich Neptun als der
Gott des Meeres zur huldigenden Allusion auf den dänischen König
an.
Das größte der von Christian IV. in
Auftrag gegebenen Kunstwerke war Adriaen de Vries' Brunnen für Schloß
Frederiksborg. Schon Friedrich II. hatte eine Neptunfontäne mit sich
kunstvoll drehenden Figuren aus der Werkstatt des Nürnberger Bildhauers
Georg Labenwolff im inneren Schloßhof von Kronborg aufstellen lassen. Ihr
zu Ehren war sogar eine Kantate geschrieben worden. Jetzt wurde der
königliche Münzmeister auf mehrere Reisen geschickt, um einen
Bildhauer zu finden, der einen neuen Brunnen für Frederiksborg
ausführen konnte. Zuerst hieß es wenig genau, daß der
Münzmeister Nicolaus Schwabe einen "Posserer" entweder in Augsburg oder in
Innsbruck finden sollte. Konkret sollte er jedoch den Bildhauer Hans Reichle
ausfindig machen, um ihn für das Projekt zu interessieren. Schwabe notierte
in seinem Tagebuch: "Den 22 gen Brixen und Botzen, da nach Hans Reichle gefragt,
der datzumal in Italia etwan zu Verona oder Venedig sein
sollte." [11]
Hans Reichle hatte in
Augsburg die große Kreuzigungsgruppe in der Kirche St. Ulrich und Afra und
auch die Michaelsgruppe für die Fassade des Zeughauses geschaffen. Am 28.
Mai 1614 erreichte Schwabe Venedig und notierte: "der allerdring fleissig nach
vmb gefragt nach Hans Reichle vnd andern künstlichen Meistern." Am 12. Juni
1614 kam er schließlich nach Brixen: "Den 12. zu Brixen ankommen, alda mit
Hansz Reichle vereinigett, dasz er sich ehestes hier nach Coppenhagen begebn vnd
nach Kön.May. anordnung ein brun wie auch andere künstliche sachen
machen soll." Auf der Rückreise nach Dänemark erwarb Schwabe für
die königliche Sammlung noch eine Marmortischplatte "mitt Vögeln vnd
blumen von gegossenem Marmor". [12]
Es ist
nicht bekannt, welche Entscheidungen Christian IV. hinsichtlich des
Künstlers, der den Brunnen anfertigen sollte, fällte. 1615 ist
Nicolaus Schwabe jedenfalls wieder als königlicher Kunstagent in
Deutschland und Prag unterwegs, wie aus einem noch heute existierenden
"Instruks" hervorgeht:
"Esz soll ietzbemelter
vnser Münzmeister, sobald er zu Prage angelangt, sich zu Adrian de Frysz,
ehister gelegenheit verfügen vnd mit ihme Contrahirn, dasz er den Brunnen
alhie, mit possieren vnd Giessen verfertigen solle, dafür er ihme 5000
Taler zusagen mag, jedoch dessen bedings, sich mit seinem Volgk anhero ins
Reich, selbst zubegeben
...". [13]
Darüber hinaus sollte
Schwabe noch einmal den Bildhauer Hans Reichle in Brixen aufsuchen, um ihn zu
überreden, nach Dänemark zu kommen. Ebenso sollte er Kamine bei
Giovanni Maria Nosseni in Dresden bestellen "mit solcher Condition, dasz der
Meister sie auf dem Elbstrom, bis in vnser Stadt Hamburgk, lieffere ..." Auf
dieser Reise gelang es Schwabe, einen Vertrag mit Adriaen de Vries über die
Brunnengestaltung abzuschließen. Zusätzlich erwarb er bei dem
kaiserlichen Hofbildhauer eine Reihe von Kleinbronzen und ein Gemälde und
notierte:
"Von
keyserlicher May. bildhawer kaufft ein liegendt bilde von gegossenem Marmor,
kost 125 Rd / Jupiter in gestalt eines ochsen, wie er die europam übers
wasser führet, für 54 Rd. / Ein sitzendt weiblein für 10 Rd. /
Noch ein sitzendt weiblein, so sich kemmet, für 8 Rd. / Ein gemalt grosz
quater von Corosia Piazentino, ist schön, die drey Magi de oriente für
1000 Rd." [14]
Auf der Rückreise 1615
hielt sich Schwabe länger in Nürnberg auf, wo er Zeichnungen nach
deutschen Brunnen kaufte: "Für einen brunnen abzucontrafeien vnd zu reiszen
geben 2 Rd. / Noch für ein klein brun Contrafei geben - 1 Rd." Nur ein
Künstlername wurde im Zusammenhang mit den Ankäufen von Gemälden
in Nürnberg notiert ("Ein quater von Rottenhammer"), sonst werden nur die
Titel genannt: "Diana mit herkules", "Frauenbad", "Moses in der Wüste",
"Pharaoh ins rote Meer" und "Schiffbruch
Pauli".
In Dresden erwarb Schwabe einige, heute
nicht mehr erhaltene Wachsskulpturen von Giovanni da Bologna, dem führenden
Bildhauer an den europäischen
Fürstenhöfen:
"Noch folgende wachs
bilder, so ich zu Dresden bekommen. / Ein gross alt man nackent. / Ein weiblein
sitzendt mit dem spiegel, darzu einem Mercurius von Johan Polongia. / Ein
Crucifix mit 2 schecker, auch Johannis und Maria dabey. Ein Centaurum mit dem
weible / Ein liegendt weiblein mitt dem Satyra / Ein stehendt Hercules, alles
von Polongia / Für dieses alles bezahlt 100
Rd". [15]
1616 mußte Schwabe wieder
"nach Prag, Dressen vnd Leiptzig [...] reisen, imb die bestelten sachen in
richtigkeit vnd gewisse versicherung zu machen". Zu diesem Zeitpunkt war Adriaen
de Vries bereits mit allen vereinbarten Skulpturen fertig: "Den 16. Oktober gen
Prag kommen alda beim Herrn Adrian de Friss die 4 grossen bilder schön
gegossen vnd die 3 fast fertig gefunden ..." Es handelte sich vermutlich um den
Neptun und die drei auf Delphinen ruhenden Najaden sowie die kleineren Figuren
von Merkur, Viktoria und Fama, die als eine Allusion auf Dänemarks
Herrschaft über die nördlichen Meere verstanden werden
konnten.
Der Neptunbrunnen stand im vordersten Hof
von Frederiksborg. Heute vermittelt dort nur noch eine Rekonstruktion aus dem
19. Jahrhundert mit Abgüssen nach den Originalen einen Eindruck von den
Skulpturen des Adriaen de Vries. Die Originale befinden sich in Schweden. Der
Bildhauer, der die Skulpturen in Prag anfertigte, kam jedoch nie nach
Dänemark - was wünschenswert gewesen wäre, denn die Aufstellung
des Brunnens bereitete den dänischen Handwerksmeistern große
Schwierigkeiten.
Mit der Aufstellung des
Neptunbrunnens wurde die gesamte Anlage von Frederiksborg der friedlichen
Herrschaft gewidmet. Dies kommt auch in anderen Skulpturen zum Ausdruck. Am
Münzhaus (Audienzhaus) befindet sich ein um 1615 angefertigtes,
großes Sandsteinrelief von Hans van Steenwinckel d.J., auf dem die
Geburtsplaneten des Königs Venus und Mars, Liebe und Krieg, Hochzeit
feiern, umgeben von musizierenden Figuren. Im inneren Schloßhof wurde eine
Marmorgalerie nach dem Entwurf von Hans van Steenwinckel d.J. ausgeführt,
deren Reliefs und Freiskulpturen aus der Werkstatt von Hendrick de Keyser in
Amsterdam stammen. Der größte Teil der Skulpturen kann Geraert
Lambertsz. zugeschrieben werden. Diese Marmorgalerie, die bei dem Brand von 1859
zerstört wurde, hatte die Planeten und ihren Einfluß auf das
Menschenleben zum Thema, vermutlich in ähnlicher Weise, wie Mars und Venus
mit dem Horoskop des Königs in Verbindung gebracht worden waren.
Die einzelnen ikonographischen Elemente der
Dekoration von Frederiksborg, sowohl im Kirchenflügel mit seinem
Großen Saal, der als oberster Raum noch über der Kirche liegt, als
auch in der skulpturalen Ausschmückung der Gebäude, unterliegen einem
Gesamtkonzept, in dem die Ideen von weltlicher und christlicher Herrschaft
zusammenwirken.
Die Decke im Großen Saal war
mit Holzschnitzarbeiten und Skulpturen geschmückt, die das ganze
menschliche Leben darstellten, möglicherweise als eine Allegorie auf die
artes mechanicae und die artes liberales. [16] Man sah
Darstellungen der Gießerei, Uhrmacherkunst, Buchdruckerkunst,
Navigationstechnik und des Mühlenbetriebes, dazu die Monate und
Jahreszeiten mit den jeweils typischen Arbeiten. Da man auch hier mit einem
Vielfachen der Zahl Sieben arbeitete, muß man annehmen, daß die
sieben Planeten eine Rolle in dieser Ausschmückung gespielt
haben.
Für diesen Saal wurde auch das zweite
große Werk zum Kalmarkrieg ausgeführt, das bei Karel van Mander II.
1616 bestellt wurde. [17] Eine Serie von Wandteppichen sollte die
wichtigsten Begebenheiten des Krieges wiedergeben, für die Karel van Mander
II. eine Reise zu den Kriegsschauplätzen unternahm. Bereits während
des Feldzuges hatte der König Zeichnungen von Schlachten und Belagerung
anfertigen lassen, und der Maler Jakob Rappost erhielt die Aufgabe, seine
eigenen Darstellungen des Kalmarkrieges in Kupfer stechen zu lassen. Nachdem
Karel van Mander innerhalb von zwei Jahren die versprochenen Wandteppiche
fertiggestellt hatte, wurde die Serie erweitert, so daß sie insgesamt
zweiundzwanzig Teile umfaßte, von denen einige auch Szenen der
Krönung Christians IV. wiedergaben. Für diese Darstellungen bediente
sich van Mander vermutlich Bildmaterials, das bei dem Maler Dietrich Moll aus
Lübeck bestellt worden war. Dieser hatte 300 Taler für eine Serie
kolorierter Zeichnungen erhalten, die sich nur noch in Archivquellen nachweisen
läßt. [18] Die Zerstörung der Wandteppiche beim Brand in
Schloß Frederiksborg stellt einen großen Verlust für das
kulturelle Erbe Dänemarks dar, den die mittelmäßigen Zeichnungen
nach der Kalmarserie von Heinrich Hansen und F.C. Lund nicht zu ersetzen
vermögen. Zur Zeit Christians IV. wurde bei den nordeuropäischen
Fürsten Wandteppichen weitaus größere Bedeutung zugemessen als
Gemälden und Fresken, und dieser Propagandawert blieb beim schwedischen
Publikum nicht unbemerkt. Als die Schweden das Protokoll beim Frieden in
Roskilde 1660 bestimmen konnten, veranlaßten sie, daß die
Kriegsmotive der Wandteppiche zugedeckt werden sollten.
Über die Ausstattung von Schloß
Kronborg weiß man noch weniger als das, was man für Frederiksborg
rekonstruieren kann. Dieses Schloß brannte 1629 beinahe völlig
nieder. Aber Aufzeichnungen von Prinz Christian von Anhalt lassen den
Schluß zu, daß auch im Großen Saal von Kronborg Kriegsszenen
eine große Rolle spielten. Am 7. März 1623 notiert der Prinz:" Man
hat uns erstlich das Schlosz sehen lassen, ein schönes gebeüde ganz
quadrat vnd mit schönen gemächern ansehlich geziert, sonderlich aber
hat es darinnen einen schönen langen Saal von 101 Schritten vnd 25 breit,
mit zwey Alabastern vnd Marmelsteienern Caminen. ueber vnd neben den fenstern
stehen in der höhe hübsche Kriegesthaten
angemalet." [19]
Für diesen
"Tanzsaal" im Schloß Kronborg ließ Christian IV. noch in seinen
letzten Lebensjahren eine umfangreiche Serie über die Heldentaten der
dänischen Könige und Denkwürdigkeiten der dänischen
Geschichte ausführen.
Das Schloß von
Kopenhagen entsprach nicht den Ansprüchen Christians IV. an eine
königliche Residenz, und ein Besucher aus Lübeck hat über das
Schloß geschrieben, daß "es eher der Residenz eines kleinen
Fürsten als eines grossen Königs ähnelte" - mit dem besonderen
Hinweis, daß im inneren Schloßhof ein Wolf an der Kette gelegen
habe. Deshalb hielt sich Christian IV. lieber im Schloß Rosenborg auf,
einem Lusthaus vor der Stadt, das er ab 1606 errichten ließ. [20]
Wie in Frederiksborg spielten bei der künstlerischen Ausschmückung
dieses an eine mittelalterliche Ritterburg erinnernden Gebäudes auch die
Planeten eine große Rolle. Die Gemälde für den Großen
Saal, die 1618 bestellt wurden, gelten als die früheste allegorische
Bilderserie mit weltlichem Inhalt, die in Dänemark geschaffen wurde. Dieser
Zyklus basiert auf einem konkreten Programm, das nur von einem gelehrten
Humanisten erarbeitet worden sein konnte. Wer am Hofe bei der Gestaltung
Rosenborgs behilflich gewesen ist, ist nicht bekannt. Es ist jedoch denkbar,
daß es Pieter
Isaacsz.'
Bruder, der Historiker Johannes Isaac Pontanus, gewesen ist, der für den
dänischen Hof arbeitete. Leider sind viele der Gemälde der Serie
verschwunden oder verbrannt, so daß man das Programm nicht
vollständig rekonstruieren kann. Von zentraler Bedeutung war jedoch wieder
das Planetenkinder-Motiv, bei dem das ganze Leben des Menschen unter dem
Einfluß der Sternzeichen wiedergegeben wird, darüber hinaus haben
vermutlich die Temperamente und die Erdteile eine Rolle
gespielt. [21]
Prinz Christian von Anhalt
besuchte Rosenborg am 4. März 1623: "Das lusthaus darinnen ist wol zu
sehen, ein fein geben aus gebackenen Steinen augeführet... Von dar auf
einen groszen Saal, so in der Höhe des hauses vnd mit schönen
Malwerck, das ganze menschliche leben repräsentierende und figuren von Gyps
gegoszen, ausgemacht; dieser Saal ist oben gewölbet vnd ohne Säulen,
mit zwey Marmelsteiner Kaminen...". [22] Außerdem erwähnt er
unter den Ethnographika des Schlosses "ein klein Cabinet, in welchem etliche
Japanische Säbel, Messer vnd Teppich, auch gemälde vnd bilder." Er
berichtet weiter: "Die badstube ist ganz verzinnet einwendig vnd artig gebauwet,
mit aller Zugehör vnd Silber badzeug" und "ein Indianisch Tragzeug ... fast
geformet wie ein Bette, darinnen sie ihre Könige zu tragen
pflegen."
Während die Marmorgalerie in
Frederiksborg noch bei Hendrick de Keyser in Amsterdam ausgeführt wurde,
darf man annehmen, daß sich Christian IV. zu diesem Zeitpunkt bereits
bemühte, eine einheimische Malerschule zu gründen. Vermutlich wurden
dänische Maler zu Pieter Isaacsz. und Frans Cleyn in die Lehre gegeben und
auf Studienreisen geschickt, ebenso wie die Musiker des Königs. In dieser
Zeit entstanden in Dänemark auch merkantilistische Manufakturen und
überseeische Handelskompanien.
Es spricht
vieles dafür, daß die Gemäldeserie in dem langen Saal von
Rosenborg mit seiner Planetenkinder-Ikonographie auch als ein Sinnbild für
ein Friedensreich verstanden werden sollte. Jedes Bild zeigt ein bestimmtes
Lebensalter und ein bestimmtes Sternzeichen, aber alle wiedergegebenen Szenen
sind friedlich. Man sieht Säuglinge mit ihrer Amme, Knaben auf dem Weg zur
Schule und Jünglinge, die auf einer Brücke kämpfen. Das letzte
Bild zeigt "Senectute", wo Saturn und der Winter herrschen, während der
Greis in seiner Stube studiert. Die besten Maler am dänischen Hof
arbeiteten an diesem Zyklus mit: Frans Cleyn und sein Kreis haben offenkundig
die frühen Altersstufen ausgeführt, während Pieter Isaacsz. und
sein Kreis
"Mannestum"
und
"Alter"
übernahmen. Unter den dänischen Malern befanden sich Reinhold Timm,
Søren Kier (Severinus Paludanus), Morten Steenwinckel und vielleicht
Isaac Isaacsz., der Sohn von Pieter Isaacsz.
Isaac
Isaacsz. datierte und signierte eine große Allegorie über die Macht
des dänischen Königs:
"Isaac Isacs fecit in ANTWARP 1622". Unter
Verwendung von genau kopierten Rubens-Kompositionen zeigt Isaac Isaacsz. Cybele
mit allen Arten von Früchten im Arm zusammen mit Neptun und seinem
Dreizack. Ein Triton bläst auf einer Muschel zu Ehren der Vereinigung von
Land und Meer. Im Hintergrund sieht man die zwei dänischen Städte, auf
denen die Herrschaft über das Baltikum beruht: Helsingborg und
Helsingør mit Kronborg. Isaac Isaacsz. folgte mit großer Treue
einem Rubens-Gemälde mit Personifikationen des Landes und des Meeres, das
sich heute in der Eremitage in St. Petersburg befindet. Die weiß-rote
Draperie bei Rubens' Göttin jedoch änderte er in die Farben Rot und
Gelb, die Farben des dänischen Königshauses, der Oldenburgern, und
verwandelte so das Gemälde in eine Huldigung an Christians IV. und dessen
Familie.
Die christlichen Aspekte der
königlichen Macht erhielten ihren deutlichsten Ausdruck in der
Schloßkirche von Frederiksborg, insbesondere in der privaten Kapelle des
Königs. [23] Diese war mit zahlreichen Kunstwerken, die Pieter
Isaacsz. bei in den Niederlanden lebenden Künstlern in Auftrag gegeben
hatte, aufwendig ausgestattet worden; von Künstlern wie Pieter Lastmann
wurden 22 Gemälde mit religiösen Motiven geschaffen, während
Evert Crynss v.d.Maes die Glasmalereien anfertigte. Die Decke, die Paneele und
die Türen waren mit Schnitzereien in Ebenholz, Muskatnußbaum und
anderen kostbaren Holzarten versehen. Die Decke war mit Früchten und
Blattwerk aus getriebenem Silber geschmückt, später wurden diese
Silberornamente durch Elfenbeinrosetten ersetzt, die der König selbst
gedrechselt hatte. Pieter Isaacsz. malte eine "Mariae Verkündigung"
für diesen Raum, der auf einigen Gemälden von Heinrich Hansen
wiedergegeben ist, die vor seiner Zerstörung durch den Schloßbrand
von 1859 entstanden waren.
Als die großen
Galerien mit Wandteppichen und Gemälden, die Neptunfontäne und die
bunten, reich dekorierten Gemächer wie die "Winterstube" und die
"Betkammer" fertig waren, sollten die glorreichen Tage des Königs bald zu
Ende gehen. 1625 trat Christian IV. trotz der Warnung des Reichsrats in seiner
Eigenschaft als Herzog von Holstein und Oberst des niedersächsischen
Kreises in den Krieg ein. Die Bedenken des Reichsrats erwiesen sich als
wohlbegründet, als Christian IV. am 27. August 1626 von Tilly in der
Schlacht bei Lutter am Barenberge geschlagen wurde. 1627 folgte die Besetzung
von Holstein und Jütland durch Albrecht von Wallenstein, und beim Frieden
von Lübeck wurde der König nur unter der Bedingung geschont, daß
er sich jeder Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Reiches
enthalte.
Nach dem Kalmarkrieg war Dänemarks
finanzielle Situation schlechter als in den Jahren vor 1615. Daher erhielten die
Künstler nur wenige Aufträge vom Hof und einige begaben sich in die
Dienste anderer Fürsten. Frans Cleyn wurde dem englischen König von
Christian IV. selbst empfohlen und war bereits 1622 in England, während es
nur eine Vermutung ist, daß Jacob van Doordt sein Empfehlungsschreiben von
1624 zu einem Besuch bei Jakob I. nutzte. 1626 portraitierte er die
dänische Königinwitwe Sophie, und später ist er im Dienst Gustav
Adolfs zu finden.
Im Schloß Rosenborg
befindet sich ein Gemälde des sitzenden Schmerzensmannes, das Reinhold Timm
zugeschrieben wird und das auch in einer anderen Version im schwedischen
Kunstraub wiederzufinden ist. Auf dem Rahmen des Gemäldes von Rosenborg
befindet sich ein von Christian IV. eigenhändig geschriebener Zettel, aus
dem hervorgeht, daß es sich hierbei um die Darstellung einer Erscheinung
handele, die der König im Schloß Rotenburg in Niedersachsen hatte:
"Dijser gestalt ist miir den 8. Decem: auff dem hausse Rodenburg Morgens friie
gezeiget der hon und Spott, so vnser Erlösers und Seelischmacker Christus
Jesus vnseredthalben gelitten, beii wierendem Gebet zu Godt führ die nodt
der gansen Evangelische kirchen Anno 1625. Christanus IIII D.G. Rex Daniæ
et Norvegiae etc. Ma: pro: Sc." [24]
Als
Kronborg 1629 niederbrannte, weigerten sich die Reichsräte, den
Wiederaufbau zu finanzieren. Der König erhöhte dennoch für die
erforderlichen Baumaßnahmen den Sundzoll. Die großen
Gemäldeserien aus den Spätjahren des Königs wurden alle für
Kronborg geschaffen. Mit ihnen wurde der Anspruch Dänemarks auf die
führende Stellung im Norden erneuert. Die ersten Bestellungen gingen an
Gerrit von Honthorst, den beliebtesten Hofmaler des Nordens seiner Zeit. Aus
Anlaß der Vermählung des Kronprinzen Christian von Dänemark mit
Prinzessin Magdalena Sibylla von Sachsen 1635 haben Honthorst und sein Atelier
Deckengemälde mit Szenen aus Heliodors Roman "Theagenes und Characlea"
für Kronborg ausgeführt, die sich noch heute in situ
befinden.
Christian IV. nutzte im Jahre 1634 die
Hochzeit des Kronprinzen, der schon 1647, ein Jahr vor seinem Vater, sterben
sollte, zu einer Machtdemonstration von sagenhafter Pracht. Noch einmal wollte
der König seine internationale Bedeutung zur Schau stellen. Feste,
Feuerwerk und das Musiktheater von Heinrich Schütz kosteten mehr als je
irgendeine andere Festlichkeit des Hofes in Dänemark - und das zu einem
Zeitpunkt, als die finanzielle Situation des Königs bereits sehr angespannt
war. Der Ehrgeiz des Königs jedoch war ungebremst, und 1637 erhielt der
Kupferstecher Simon de Pas den Auftrag zu einem äußerst aufwendigen
Werk. [25] Zuerst sollte die Geschichte Dänemarks und der
dänischen Könige in einer Reihe von Kupferstichen dargestellt werden.
Gemälde nach diesen Kupferstichen sollten den Besuchern von Kronborg die
Heldentaten der dänischen Könige und die Höhepunkte der
vaterländischen Geschichte vor Augen führen. Die Anweisung Christians
IV. für diese Serie verdient zitiert zu werden, da sie einen Versuch
darstellt, die Taten der vaterländischen Geschichte dem Volke ins
Gedächtnis zu rufen: "Wir Christian etc. thuen kundt, Nachdem wir Vnser vor
diesem durch eine fewersbrunst sehr beschädigtes vnd verderbtes hauss
Croneburg durch göttliche Verleihung wieder reparirt und auffgebawet dass
wir anitzo ferner enstschlossen sein, desselben zimmer vnd gemächer mit
gemahlten Stücken vnd andern dazu gehörenden zierath Königlich
wieder anzurichten vnd auszustaffiren. Weil wir dan zu den gemählten keiner
besser argument oder Subiectum gewust, als vnser Vorfahren, der alten
Könige von Dännemarck tapfere vnnd Heroische Thaten, als welche von
der Vergessenheit errettet werden, sondern auch Vnss und Vnsern Nachkommen, die
sie in ihren gemächern hatten, eine krefftige anmahnung geben wurden,
denselben nachzufolgen, vnd dieser Cron hohe reputation, die sie zu ihren zeiten
durch die ganze Welt ausgebreitet, nicht allein in ihrem Splendore zu erhelten,
sondern auch noch weiters zu vermehren; So haben wir mit dem Ehrsamen vnd
kunstreichen Vnserm bestelten Kupferstecker vnd lieben getr. Simon de Pass dahin
handeln vnd schliessen lassen, dass er vier vnd achtzig Stück von derselben
Thaten und Verrichtungen, nach einer schriftlichen Information vnd verzeichnuss,
die wir ihm auss den alten geschichtschreibern geben lassen, in klein Format,
iedes nach der grösses eines gemeinen Papiers, von den besten, vnd zu
solchen Wercken am tüchtigsten Meistern inn den Vereinigten Niederlanden
solle zeichnen lassen, welche die Mahler, die wir hernach weiter dazu verordnen
würden, dilatiren vnd inss gross bringen
künten." [26]
Es war die Absicht des
Königs, durch die Kupferstiche das Wissen um diese Ereignisse über den
Kreis hinaus zu verbreiten, der Zugang zu den Gemächern des Schlosses
erhielt. "Damit auch gedachtnuss solcher heldenthaten, dadurch Vnsere Vorfahren
dieses Königreichs glori erhalten, vnd die Nachkomlinge propagiret haben,
nicht in dem beschluss vnser zimmer verbleiben, sondern menniglich zu Theil
werden müchten [...]"
Als Kupferstecher an
der Universität seit 1624 hatte Simon de Pas lange in Verbindung mit den
Gelehrtenkreisen in Dänemark gestanden, und die Serie zur
vaterländischen Geschichte, so wie sie in Form von Zeichnungen und
Gemälden überliefert ist, zeichnet sich durch eine für die Zeit
bemerkenswerte Sorgfalt in bezug auf die historische Genauigkeit aus. Hierdurch
unterscheidet sie sich von den wenigen früheren europäischen
historischen Fürstenserien, mit denen man sie vergleichen kann: Barent van
Orleys Wandteppiche mit der Geschichte des Hauses Nassau, Pieter de Wittes
Candids Studien und Kartons für das Haus Wittelsbach und Rubens'
Gemäldezyklus für das Palais de Luxembourg mit der Geschichte Maria de
Medicis. Besonders die ersten Zeichnungen in der Reihe, die von Simon de Pas'
Bruder Crispin de Pas ausgeführt wurden, sind ausgesprochen interessante
Darstellungen von Opferszenen bei den Kimbern und ihres siegreichen Kampfes
gegen die Römer, die auf Schriften von Strabo oder Thietmar von Merseburg
zurückgehen. Man sieht z.B. eine heidnische Priesterin (mit Brille!), die
die Zukunft aus Eingeweiden deutet, ebenso die alten Daner, die mit den Statuen
von Odin, Thor und Freja zur Menschenopferung
ziehen.
Für diese aufwendige Serie wurde am
10. Mai 1639 die folgende Vollmacht ausgestellt: "auff Simon de Passen wegen
Verfertigung etzlicher Schildereyen, in Teutschlandt, Holland vnd Brabandt, mit
gewissen Meistern zu contrahieren". [27] Es existieren Dokumente
für 47 Gemälde, aber heute sind nur 15 bekannt, und man weiß
nicht, wie viele wirklich gemalt wurden. Aber allein Gerrit van Honthorst soll
1.100 Gulden pro Bild für die 15 bei ihm bestellten Historienbilder
erhalten haben. Die Kosten für diese letzte große Propaganda für
den dänischen König im Gemälde waren enorm hoch - daher
verwundert es nicht, daß Christian IV. zuletzt sowohl die Börse in
Kopenhagen als auch seine eigene Krone verpfänden
mußte.
Daß Christian IV. sich noch in
seinen letzten Lebensjahren als Regent von europäischer Bedeutung sah, geht
deutlich aus seiner Portraitikonographie hervor. Ende der 1630er Jahre noch, in
Abraham Wuchters' wohl 1638 datiertem Portrait, ist die Darstellung des
Herrschers als einsame Gestalt in Zivilkleidung in einer öden Landschaft
(Frederiksborg) zurückhaltend, beinahe melancholisch. Aber 1643, als
Jütland wieder von Torstensons Truppen besetzt wird, wird dem Bildhauer
François Dieussart in Verbindung mit den Vorarbeiten für eine
Reiterstatue von Christian IV. eine Studienreise nach Rom bezahlt. Dieses
für einen verarmten Regenten äußerst ambitiöse Projekt
wurde jedoch nicht mehr realisiert. Der Künstler führte noch zwei
hervorragende Büsten aus, die den König als antiken Heerführer
zeigen. Das Exemplar in Bronze in Schloß Rosenborg wurde 1650 nach dem Tod
des Königs in der Kanonengießerei in Glückstadt gegossen. Geht
man davon aus, daß Büste und Reiterportrait den gleichen Intentionen
folgten, besäße Dänemark - wenn letzteres realisiert worden
wäre - heute ein einzigartiges frühes Monument seines Königs
all'antica.
Es ist wahrscheinlich,
daß Karel van Manders III. großes Reiterportrait des Königs,
dessen zwei Versionen ihn in Zivilkleidung und in Rüstung zeigen, in
Verbindung mit den Vorarbeiten zur Reiterstatue gestanden hat. In Schloß
Frederiksborg und in Schloß Eutin befinden sich zwei Repliken des
Portraits in Rüstung von ungefähr 1642-44. Sie zeigen den König
im Harnisch in den oldenburgischen Farben Rot und Gelb vor einer brennenden
Stadt, die von dänischen Reitern gestürmt wird. [28] Aus eben
dieser Zeit stammt auch Adriaen van de Vennes Allegorie "Christian IV. als
Friedensstifter". [29] Christian IV. ist umgeben von seiner Familie und
wird von Gerechtigkeit und Klugheit beraten. Die Frömmigkeit bringt ihm den
Frieden. Auf der linken Seite des Gemäldes stehen die europäischen
Mächte in Erwartung des glückbringenden Einsatzes des dänischen
Königs, während der Schweizer Freiheitshut zum Himmel gehoben wird.
Christian IV. war 1641 als Vermittler zwischen den Parteien des
Dreißigjährigen Krieges anerkannt worden und hoffte nun, diese
Position nutzen zu können, um zu verhindern, daß die Schweden von
ihren militärischen Triumphen profitierten. Aber im Dezember 1643 drang der
schwedische Feldmarschall Lennart Torstenson in Jütland ein, und der
dänische König griff auf fast mittelalterliche Weise persönlich
in den Krieg ein. Während der Seeschlacht auf der Kolberger Heide zwischen
Kiel und Fehmarn wurde er schwer verwundet und verlor durch eine
Granatenexplosion das Augenlicht des rechten
Auges.
Nach dem demütigenden Frieden von
Brömsebro 1645 mußte Christian IV. noch erleben, daß die
Kontinuität der königlichen Erbfolge in Gefahr geriet, als der
"Erwählte Prinz" Christian 1647 starb, im selben Jahr, in dem die
prächtige letzte Ruhestätte des Königs, das Grabmonument für
den Dom von Roskilde, beim Brand des Zeughauses zugrunde ging. In gewisser Weise
läßt sich das Ende der langen Regierungszeit Christians IV. mit dem
Kaiser Franz Josephs von Österreich vergleichen: ein großes Reich,
das sich auflöst, ein Herrscher, der die Verbindung zu seiner Zeit verloren
hat, und ein Mann, der in seinem Privatleben kein Glück gefunden hat. Nur
gut, daß der dänische König nicht ahnen konnte, daß seine
Kunstschätze als Kriegsbeute und durch Zerstörungen unwiederbringlich
verloren gehen
sollten.