DOKUMENTATION | Ausstellungen: 1648 - Krieg und Frieden in Europa | |
Textbände > Bd. II: Kunst und Kultur |
MARC CHATELAIN und HERMANN ARNHOLD Krieg, Ruhm und klassische Ästhetik: "Les Triomphes de Louis le Juste" von Jean Valdor (Paris, 1649) |
Die Gelehrten und Künstler der
Renaissance, erfüllt von der Wiederentdeckung des klassischen Altertums und
überzeugt von der unvergleichlichen Eigenständigkeit der griechischen
und römischen Kultur, benutzten oft zur Verherrlichung der Heldenfiguren
ihrer Zeit, seien es nun Fürsten, berühmte Kapitäne oder
Frauenfiguren, den Umweg über die antike Mythologie. Die Galerie der
historisch wichtigen Persönlichkeiten des 16. und mehr noch des 17.
Jahrhunderts bildet eine Art neuen Olymps, in dem der französische
König Franz I. vorzugsweise als Mars oder Herkules auftritt, die englische
Königin Elisabeth oder Katharina von Medici die Züge Dianas oder Junos
tragen. Allgemein liefert die große Anzahl der Götter und Helden der
klassischen Mythologie reichlich Stoff zum Lobe sowohl des condottiere
als auch des Kaisers. Der Rückgriff auf die mythologische Darstellung
konnte sehr gelungen sein, wie in der Galerie Franz' I. oder in der Galerie
d'Ulysse im Schloß von Fontainebleau, stieß aber auch manchmal auf
Ablehnung: Zu Beginn des 17. Jahrhunderts verschwindet zwar das mythologische
Genre als Form des Persönlichkeitskultes noch lange nicht, aber es
gerät verstärkt in die Kritik. Diese gilt dabei nur der Mythologie und
nicht dem Altertum an sich, denn es ist das mythologische Genre, welchem die
Würde der Geschichte entgegengesetzt wird. Man betont deren bessere
Eignung, einerseits die Tugenden einer bedeutenden Persönlichkeit
hervorzuheben, andererseits aber auch davon zu überzeugen, daß sich
von der Existenz eben dieser wichtigen Persönlichkeit auf die
dazugehörigen Tugenden schließen läßt.
In dieser Periode stellt Antoine de Laval Sully
die Pläne für eine historische Gemäldegalerie im Louvre vor, als
Reaktion auf die mythologischen Ausschweifungen der italienischen oder in
italienischer Manier malenden Künstler, die zuvor in Fontainebleau
tätig waren [1] und deren Arbeit bereits die Kritik vorausnahm, die
Félibien später gegen Rubens richten sollte. Er warf Rubens vor, in
der Galerie des Palais du Luxembourg Legende und Geschichte, mythologische
Fiktion und faktische Wahrheit vermischt zu haben. [2] Wie man
weiß, erhielt Laval nicht recht; ebenfalls weiß man, daß Jahre
später das historische Programm, das der Staatsrat Le Brun für die
Spiegelgalerie in Versailles auferlegt hatte, verwirklicht wurde, obwohl der
Maler zunächst vorhatte, die Tugenden des Königs in einer
mythologischen Darstellung zu rühmen, und zwar in einem den Werken des
Herkules gewidmeten Gemäldezyklus. [3] Im 17. Jahrhundert standen
so die verschiedensten Möglichkeiten offen: auf der einen Seite die
mythologische Betrachtungsweise, die zwar den Vorwurf der Nichtigkeit hinnehmen
mußte, aber auf die Bedeutung und das Prestige einer langen Tradition und
ruhmreicher Modelle zurückblicken konnte, vor allem aber den Vorteil
besaß, dank der allegorischen Natur ihrer Figuren die Lobpreisung auf eine
allgemeingültige Ebene zu heben [4]; auf der anderen Seite die
geschichtliche Darstellung, in der die Verherrlichung sich ausschließlich
auf die Wahrheit der berichteten Geschehnisse stützt ("Ornari res ipsa
negat, contenta doceri", wie Laval schreibt [5]) und so eine besondere
Kraft erlangt, dafür aber den Nachteil hat, die Zufälligkeit der
Ereignisse zu unterstreichen, welcher die menschliche Geschichte unterworfen
ist.
I. Jean Valdors Idee eines Buches als
posthumes Herrscherlob Ludwigs XIII.
So sah die
theoretische Situation aus, in der sich das Genre der Heldenlobpreisung befand,
als der Kupferstecher und Graphik-Verleger Jean Valdor kurz nach dem Tode
Ludwigs XIII. die Idee eines großen Buches hat, das in Gedichten und
Stichen das Leben und die Heldentaten des verstorbenen Königs
nacherzählen soll. Dank eines Briefes, den Valdor an die Regentin Anne
d'Autriche mit der Bitte um finanzielle Unterstützung des Projekts
richtete, wissen wir, wie das Buch ursprünglich aussehen sollte: Es ging
darum, "alle ruhmreichen Handlungen, Stadtbelagerungen und Schlachten des
verstorbenen, uns in glorreicher Erinnerung bleibenden Königs zu
beleuchten". [6] In der Skizze, die Valdor seinem Gesuch beilegte,
werden die wichtigen Begebenheiten der Herrschaft Ludwigs XIII. nie mittels
mythologischer Szenen beschrieben. Man kann also ohne weiteres davon ausgehen,
daß das Buch von Anfang an als Würdigung in historischer Manier
gedacht war. Diese Entscheidung stellte Valdor nie in Frage. Es stimmt zwar,
daß in dem 1649 erschienenen illustrierten Buch hier und da ein paar der
klassischen Mythologie entnommenen Figuren auftauchten: Das Titelblatt zeigt
eine Büste Ludwigs XIV. als Kind neben Herkules und als Landschaft den
Parnaß; Neptun erscheint neben Bellona in "La Défaite dans Riez"
und neben Äolus in "Le Siège de La Rochelle", während Herkules
in "La Prise de Nancy" noch einmal vorkommt und als Allegorie der Kraft in "Le
Pont de Cé", wo er Prudentia begleitet. Die mythologischen Gottheiten
sind also nicht ganz und gar aus dem Buch verbannt, nehmen jedoch nur mehr einen
geringen Platz ein: Keinesfalls kann davon die Rede sein, daß sie das
historische Konzept des Buches in Frage
stellen.
Zwischen dem ersten Stadium des Projekts
und der endgültigen Veröffentlichung im Jahre 1649 haben zwar einige
Änderungen stattgefunden, doch betreffen diese nicht die Qualität des
Lobes, sondern dessen Umfang: Ursprünglich beschränkte sich Valdor
nicht auf die kriegerischen Handlungen des Herrschers. Die Liste der
erinnerungswürdigen Ereignisse, die dem Gesuch an Anne d'Autriche
beigefügt war, enthält insbesondere die Königsweihe und die
Krönung, den feierlichen Einzug des Königs in Bordeaux im Jahre 1615,
seine Hochzeit und die darauf folgenden Festlichkeiten oder auch die Ernennung
neuer Ritter des Heiligen Geistes im Jahre 1620. [7] Diese bedeutenden
Episoden des Zivillebens verschwanden schließlich in dem 1649
veröffentlichten Buch, das nur dem kriegerischen Heldentum des Königs
gewidmet war: Was in dem Brief an Anne d'Autriche noch den Titel "La Vie de
Louis XIII dit le Juste" trug, wurde 1649 zu Les Triomphes de Louis le Juste.
Die ersten zehn Herrschaftsjahre wurden ganz weggelassen. Valdor hielt eine
streng chronologische Reihenfolge ein und begann sein Werk mit der Darstellung
des 1620 geführten Feldzugs, der die Stadt Caen wieder in die Befehlsgewalt
des Königs bringen sollte. Nach einer langwierigen Vorbereitungsarbeit, die
"sechs ganze Jahre" dauerte, wenn man den Angaben Valdors Glauben
schenkt [8], wurde das Buch zweifellos recht überstürzt
veröffentlicht. Im Königreich hatten mittlerweile die Jahre der Fronde
begonnen, und die damit einhergehenden Unruhen bedrohten natürlich die
Weiterführung dieses außerordentlich teuren Unternehmens [9]
- ganz zu schweigen davon, daß Valdor Mazarin Untertänigkeit
geschworen hatte, und die politische Lage des letzteren 1649 äußerst
heikel geworden war. [10] Dennoch läßt nichts darauf
schließen, daß die friedlichen Geschehnisse der politischen
Umstände wegen weggelassen wurden: Da die meisten von ihnen in die
Anfänge der Herrschaft fallen, wären die Stiche, die diese Ereignisse
hätten wiedergeben sollen, sicher zuerst fertiggestellt worden.
Wahrscheinlicher ist, daß die Gestaltung des Buches selbst umgeplant
worden ist: Valdor hat sich wohl bewußt auf das Thema Krieg konzentrieren
und die Wirklichkeit des Krieges zum Hintergrund für die Verklärung
des Herrschers zum Helden machen wollen. Dies ging nicht ab ohne einige
Übertreibung, denn das militärische Leben Ludwigs XIII. war zwar
ereignisreich, aber mehr durch Spazierritte und Kurzangriffe als durch
entscheidende Gefechte und großartige Schlachten gekennzeichnet.
Jean Valdor, bekannt als in der Mitte des 17.
Jahrhunderts in Paris arbeitender Kupferstecher, war zugleich Künstler und
Geschäftsmann. Der 1616 in Lüttich geborene Flame erhielt
höchstwahrscheinlich seine erste Ausbildung von seinem Vater, der selbst
Kupferstecher war. 1637 zog er nach Rom [11], wo er in der Umgebung von
Andrea Sacchi arbeitete, also genau da, wo unter der Schutzherrschaft der
Barberini die klassische Ästhetik des Grand Siècle entstand. Er
verließ Rom schon 1640, und 1642 war er wieder in Paris tätig, wo er
eine Laufbahn antrat, die alle Zeichen des Erfolges aufwies. Insbesondere
erreichte er bereits 1645, daß der König ihm eine der Wohnungen
überließ, die er in den Galerien des Louvre für in seinem Dienst
stehende Künstler bereithielt. Valdor war auch in anderen Bereichen aktiv:
Er betätigte sich nicht nur als Stecher und Graphik-Verleger, sondern
handelte auch in recht beachtlichem Ausmaß mit Kunst und nutzte dabei
seine Beziehungen zu Flandern. Zugleich diente er dem Kurfürsten von
Lüttich als diplomatischer Agent. [12] So bekannt seine bevorzugte
soziale Stellung ist, so wenig weiß man über die
Entstehungsgeschichte seines Werkes: Fast nichts steht mit Sicherheit fest. Das
wenige, was man über das Werk Valdors weiß, ist das, was Mariette
über ihn berichtet hat: "Dieser Valdor gab sich als Maler aus und malte
nicht; er fing Arbeiten an und ließ sie dann von geschickten, ihm
ergebenen Leuten ausführen. Er rühmte sich, Kenner zu sein;
wahrscheinlich war er ein zünftiger Kunsthändler; sprachgewandt wie
Mitridate". [13] Kurz, Valdor sei ein Hochstapler und ein Scharlatan
gewesen, dessen einziges Talent darin bestanden habe, daß er seine
Mittelmäßigkeit mit Hilfe seiner guten Beziehungen zu den
Künstlerkreisen und seiner breiten Sprachkenntnisse zu verbergen
wußte. [14] Mariettes hartes Urteil gilt auch für "Les
Triomphes de Louis le Juste": "1649 gab er das Buch "Die Triumphe Ludwigs des
Gerechten" heraus, für dessen Anfertigung er verschiedene Helfer angeheuert
hatte, sowohl Zeichner als auch Stecher; er wollte aber glauben machen, das Buch
sei ganz allein sein Werk und rühmte sich vor den Mächtigen damit.
Nach allem, was mir zu Ohren kam, war er ein Intrigant, der seine Zeit mit allem
möglichen verbrachte, nur nicht mit Zeichnen". [15]
Dieses späte Urteil, das sich, wie Mariette
übrigens selbst unterstreicht, auf fremde Quellen stützt, muß
mit einiger Vorsicht betrachtet werden. Für jeden, der das 1649
veröffentlichte Buch auch nur flüchtig untersucht, steht jedoch fest,
daß "Les Triomphes de Louis le Juste"nicht von Jean Valdor allein
angefertigt wurde. Der bekannteste der "geschickten Helfer", die Valdor zu
dieser Gelegenheit angestellt hat, ist Stefano Della Bella: An verschiedenen
Stellen ist seine Signatur zu lesen, an anderen wiederum erkennt man seine
Linienführung und die Festigkeit, die für seine Kupferstiche
charakteristisch ist. [16] Nur wenige Namen anderer Stecher tauchen auf:
Jean Marot, der seine Signatur auf dem Stich hinterlassen hat, der das Grab des
Königs zeigt; Gabriel Ladame, dessen Signatur unter einem Stich zur
Einnahme der Stadt Hesdin im Jahre 1639 zu finden ist; Louis Richer, der im
Zusammenhang mit der Unterwerfung Wolfenbüttels durch den Grafen von
Guébriant im Jahre 1642 eine topographische Karte unterzeichnet;
schließlich René Lochon, dessen Monogramm dem Portrait des
Kardinals von La Valette beigefügt ist. Untersuchungen der in dem Buch
enthaltenen Stiche haben es ermöglicht, noch andere Mitarbeiter
auszumachen [17]: Michel Natalis, Claude Goyrand und Samuel Bernard
haben unbestreitbar an "Les Triomphes de Louis le Juste" mitgewirkt, sowie
wahrscheinlich - wenn auch mit geringerer Sicherheit - Israël Silvestre,
Pierre Richer, Gilles Rousselet und Pierre Daret. [18] Zu welchen
Zuordnungen sie auch führen, aus den Untersuchungen geht eindeutig hervor,
daß "Les Triomphes de Louis le Juste" nicht das Werk eines einzelnen ist.
Nun kommt erst die eigentliche Rolle Jean Valdors zutage: Er ist zugleich
derjenige, der den Anstoß zu dem Projekt gab, der "Erfinder" im alten
Sinne des Wortes und Herr über eine Art großer Baustelle. Die
unterschiedliche Herkunft der Beiträge führt hier und da zu
Qualitätsschwankungen, ändert aber nichts an der stilistischen
Einheitlichkeit, über die Valdor wohl allein
wachte.
II. Die Architektur des Buches als
Galerie und die monarchische Ideologie
Auch die
Texte stammen von verschiedenen Autoren, doch ist hier genau bekannt, wer
welchen Beitrag schrieb. In den Einleitungen zu "Les Triomphes de Louis le
Juste"sind fünf von Ludwig XIV. unterzeichnete Briefe abgedruckt, die
zwischen dem 14. Oktober 1645 und dem 3. Mai 1648 geschrieben wurden und genau
angeben, bei wem die verschiedenen Texte in Auftrag gegeben wurden: Corneille
sollte die Epigramme zu den Triumphen verfassen, die am unteren Rand der Stiche
zu sehen sind [19]; Charles Beys wurde mit den "heldenhaften Versen"
beauftragt, welche den Epigrammen gegenüber abgedruckt sind; Henri
Estienne, "sieur des Fossés", schrieb die Devisen (Sinnsprüche), die
zu den Portraits der berühmten Persönlichkeiten gehören, die
Ludwig XIII. bei seinen kriegerischen Heldentaten beistanden; René Barry
verfaßte den geschichtlichen Teil als Biographie des Königs, die den
in Kupfer gestochenen Karten am Ende des Bandes beigefügt ist. Die
Übersetzungen ins Lateinische stammen von P. Nicolaï. Die Wahl von
Autoren diesen Ranges zeugt schon für sich alleine von dem hohen Anspruch
des Werkes: Corneille war auf dem Höhepunkt seines Ruhmes angelangt, Beys
erfreute sich bei seinen Zeitgenossen eines ausgezeichneten Rufes (und nicht bei
den geringsten unter ihnen: Scarron lobt rückhaltlos sein Talent), Estienne
veröffentlichte 1645 ein Buch mit dem Titel "L'Art de faire des devises",
das ihn als Meister in dieser schwierigen Kunst auswies. [20] Aber vor
allem ist interessant, daß die Rollenverteilung in direktem
Verhältnis zum Aufbau des Bandes steht: Die drei Teile [21] sind
wie eine Flucht von Galerien aufgebaut - die Architektur der Galerie ist zu
dieser Zeit sehr stark in Mode gekommen. [22] Tatsächlich
öffnen sich "Les Triomphes de Louis le Juste"über eine Bildergalerie
der Schlachten, die mit Texten von Corneille und Beys versehen ist und den
König am Ort seiner Triumphe zeigt. [23] Von dort aus gelangt man
in eine Galerie der berühmten Männer, deren "natürlich"
gestalteten Portraits die von Henri Estienne erdachten Devisen
gegenüberstehen. Schließlich kommt man in eine Galerie der Karten,
die eine topographische Sicht der Schlachtfelder bietet. Zu jeder dieser
Galerien gehört eine bestimmte literarische Gattung: zur Darstellung der
militärischen Siege die Vehemenz und die Energie der heroischen Poesie
("ihre Kraft und ihre Kühnheit", "ihre Pracht und ihre Würde", wie ein
Hinweis Mézerays, ganz zu de Beys' Ehre, in den Einleitungen des Bandes
lautet); zum Lobe der Menschen der subtile und zartfühlende Stil der
Devise; zur Beschreibung der Handlungsorte die Schlichtheit des historischen
Berichts. Das ganze Spektrum der Stillehre Ciceros (genus vehemens, genus
medium, genus humile [24]) ist hier vertreten. Valdors Buch besitzt
die Festigkeit eines klassischen Bauwerkes: Die Flucht der Galerien und der
damit zusammenhängende Wechsel der literarischen Stile verleihen dem Buch
die Kraft und Größe, die bei einem Bauwerk durch die
Überlagerung architektonischer Ordnungen erzielt werden. Dies wird erreicht
mit Hilfe von Übereinstimmungen und Analogien (historischer Bericht und
dorische Ordnung, Devise und ionische Ordnung, heroische Poesie und korinthische
Ordnung).
Dieser monumentale Aspekt der Struktur
des Buches stellt lediglich die Grundlage dar für das sehr genau
durchdachte In-Szene-Setzen des Königs. Die Verklärung des
verstorbenen Königs zum Helden wird auf zwei Ebenen weiterverfolgt: Auf der
einen Seite geht es darum, eine dem Bildnis des Königs würdige Bleibe
zu schaffen - daher die palastartige Architektur der aufeinanderfolgenden
Galerien -, zum anderen soll das Bildnis die Eigenschaften einer lebendigen
Person haben, denn nur so ist es in der Lage, eine starke Bewunderung
hervorzurufen. Der allgemeine Aufbau des Buches dient dieser zweiten Funktion,
indem er den königlichen Helden in seiner Allmacht und Unsterblichkeit
darstellt, was diesem zu einer Art wundersamer und absoluter Gegenwart verhilft.
Das Gefühl der Allgegenwart wird insbesondere durch die Vielzahl der Karten
im gleichbleibenden Schauplatz der dritten Galerie erreicht, ein Atlas des
königlichen Ruhms. Die Vereinigung der verschiedenen Kampfplätze in
einem einzigen Raum ruft unvermeidlich den Eindruck hervor, der Herrscher sei
weiterhin anwesend; etwa, als sei er von nun an auf allen Schauplätzen
seiner Triumphe gleichzeitig zugegen, und als sei die zeitliche Folge der
Ereignisse durch die Erwähnung ihrer Geographie verwischt. Das Prinzip der
Aufzählung, das in der Galerie herrscht, stellt auf symbolischer Ebene den
Eindruck der Allgegenwart her, von dem die Literaturwissenschaftler gezeigt
haben, daß er eine der Hauptregeln der Heroisierung der Kriegsherren im
17. Jahrhundert bildet. [25]
Was den
Eindruck der Unsterblichkeit angeht, so entsteht dieser vor allem durch die
Aufteilung der ersten Galerie, in der die verschiedenen "Tage" der
königlichen Siege aufgezählt werden. Diese Aufzählung
läßt den "Tag" wie eine unbewegliche Zeiteinheit erscheinen, wie ein
Zeitkonzentrat, das derart intensiv ist, daß es die Züge der Ewigkeit
annimmt [26] - einer Ewigkeit, die als Augenblick festgehalten ist. Der
Aufbau des ersten Teiles stimmt demnach genau mit dem Grundsatzdogma der
monarchischen Religion überein, dem zufolge der König unter den
Menschen das vollkommenste Abbild Gottes ist. Es ist übrigens
bemerkenswert, daß die Physiognomie des Königs von einem Bild zum
anderen dieser Galerie unverändert bleibt: Das Gesicht des Königs ist
immer dasselbe, weder das Alter noch die Feldzüge können ihm etwas
anhaben. Lediglich die Gesten ändern sich, also das, was im Körper des
Herrschers dem Willen Ausdruck gibt und nicht das, was Leidenschaft verraten
könnte. Wie es später in einer Lobpreisung Ludwigs XIV. heißt,
verharrt der König "inmitten der verschiedenen Bewegungen in einem
unbeweglichen Ruhm" [27] und bleibt immer der gleiche. Valdors Buch
übernimmt hier lediglich eine sehr alte monarchische Ideologie. Aber zum
Zeitpunkt der Entstehung des Buches, d.h. in einer Periode, in der die
monarchische Autorität geschwächt war, hat dies unbestreitbar zum
Ziel, der Legitimität der königlichen, gottgegebenen Macht eine neue
Bestätigung zu verleihen.
Die
Unveränderlichkeit der Figur des Königs ist zweifellos das
auffallendste Merkmal des Buches von Valdor. Zum Prinzip erhoben, hat sie
insbesondere eine Darstellung des Krieges zur Folge, die paradoxerweise die
Beschreibung der kriegerischen Aktion selbst meidet: Der König ist zwar ein
heldenhafter Krieger, aber im Feuer des Gefechts ist er nie zu sehen. Diese
Regel kennt so gut wie keine Ausnahme. "La Punition des villes rebelles" ist
einer der wenigen Stiche, die unmittelbar die Wirklichkeit des Krieges
darstellen: Man erkennt Kampfszenen und eine Stadt in Flammen. All dies ist
jedoch in den Hintergrund verbannt, während im Vordergrund der König
in der Pose des Heerführers den Angriff befiehlt. Während seine
Begleiter marschierend abgebildet sind, steht der König mit beiden
Füßen fest auf dem Boden und streckt beide Arme nach vorne, in der
rechten Hand den Kommandostab haltend. Einerseits scheint man ihn hier also als
Krieger zeigen zu wollen, andererseits deutet aber seine feierliche Haltung
darauf hin, daß wir es weniger mit einem kämpfenden als mit einem
strafenden König zu tun haben: Er erscheint nicht so sehr als Anführer
seiner Truppen, sondern vielmehr als zürnender Herrscher. Wie schon
erwähnt, sind die Stiche in "Les Triomphes de Louis le Juste"
verschiedenartig und von unterschiedlicher Qualität; aber diese
Verschiedenartigkeit ist nur stilistischer Art: Dahinter offenbart sich immer
dieselbe, mit großer Beständigkeit verfolgte Absicht, ein Bild des
Königs zu schaffen, das keine andere Bewegung als den Gestus der Herrschaft
enthält.
Diese Absicht ist noch auffallender,
wenn man die Stiche mit zeitgenössischen Darstellungen des Krieges
vergleicht, zum Beispiel mit Rubens' Gemälde zur Schlacht von Ivry, auf dem
Heinrich IV. inmitten des Kampfgewühls zu sehen ist. [28] Oder aber
mit den Illustrationen Johann Wilhelm Baurs für das Buch "De bello Belgico"
des Paters Famiano Strada, die das Aufeinandertreffen der Armeen zeigen, voller
Bewegung und Gewalt. Ebenso aufschlußreich ist der Vergleich der Stiche in
"Les Triomphes de Louis le Juste" mit den begleitenden Texten. Gleich zu Beginn
der Siegesserie greift Beys auf eine etwas lautstarke Rhetorik zurück, um
die Heldenhaftigkeit Ludwigs XIII. während des Caen-Feldzugs zu
beschreiben: "Ne pouvant plus tenir sa vaillance cachée, / Il reconnoist
le fort, visite la tranchée, / Et la vertu l'expose au tonnant appareil /
Comme un aiglon s'esprouve à l'esclat du soleil." (Seine Tapferkeit kann
er nicht mehr verbergen, / Er erkundet die Festung, beschaut die Gräben, /
Und tugendvoll setzt er sich dem donnernden Kriegsgerät aus, / Wie der
Adler dem Glanz der Sonne sich stellt.) Der Stich "La reddition de Caen"
übernimmt nichts von diesem heldenhaften Gebaren: In der Mitte einer klar
verständlichen Szene, auf der links die königlichen Truppen zu sehen
sind (gekennzeichnet durch die senkrechte Bewegung - stehende Personen,
aufgerichtete Lanzen, Bäume im Hintergrund), rechts die knienden Besiegten,
schreitet majestätisch der König voran. Überschwenglich im Wort,
bewußt zurückhaltend im Bild: Der Gegensatz ist ebenso groß
zwischen dem Stich "La Réduction de Saint-Jean d'Angély", auf dem
der König zu sehen ist, wie er eine beschwichtigende, großmütige
Geste zu dem zu seinen Füßen liegenden, sich das Gesicht
verhüllenden Soubise hin macht, und der Gewalt, von der in Beys' Gedicht
die Rede ist:
"Sich zum
Angriff zweier grausamer Furien rüstend / Errichtet er hier Altäre,
stellt dort Truppen auf, / Tapferkeit und Frömmigkeit sind eins, in ihm, /
Hier legt er Gelübde ab, dort trägt er Waffen, / Dort vergießt
er Blut, hier Tränen (...) / Wo sein Anblick allein die Rebellen nicht
bannt, / Richtet er die Seinen auf mit neuer Kraft: / Salpeter und Feuer, wenn
sie aufeinanderstoßen, / Öffnen eine Schneise sich und den Soldaten.
/ Die Adligen, erblickend die tragischen Ruinen, / Wie einen Eingang,
führend zu herrlichem Prunk / Durch enge Wege sich behende
vorwärtskämpfend / Bezwingen die gegnerischen Reihen; / Ihren
Anführern werden die Befestigungen zum Grab, / Und endlich sinkt mit den
Mauern ihr
Mut." [29]
Für diese Gewalttaten ist auf den Stichen kein Platz: Hier geht es im
Gegenteil darum, die Macht ohne Kriegshandlung, die kriegerische
Überlegenheit des Königs, aber nicht den Krieg selbst zu zeigen.
III. Die "Nicht-Darstellung" des Krieges und
die Ästhetik des Attizismus
Dieses Paradox
entspringt der klassischen Ästhetik oder, anders gesagt, dem "Attizismus",
einem von Jacques Thuillier [30] geprägten Begriff, der seither oft
für jenen klaren, strengen, "auf die Antike wie auf eine Disziplin sich
berufenden Stil" [31] angewandt wird, der in den Jahren 1640 in Paris
aufkommt und kurz vor der Fronde seine Blütezeit erlebt. Seinen kleinen
Mängeln zum Trotz ist das von Valdor veröffentlichte Buch das
wichtigste und ehrgeizigste Werk, das der Pariser "Attizismus" in der Mitte des
17. Jahrhunderts in der Buchkunst hervorgebracht hat. Der Bezug zur Antike ist
hier auf jeder Seite zu finden. Die Figuren sind unvermeidlich in römische
Kostüme gekleidet, die Landschaften sind meistens mit antiken Bauten,
Pyramiden, Tempeln oder Säulenreihen gegliedert, wobei die klassischen
Ordnungen geschickt variiert und so an die jeweilige Szene angepaßt
werden: so in dem Stich "La Protection de Mantoue", wo der kleine Fürst von
Mantua sich wegbewegt von einer Säulenreihe toskanischer Ordnung, deren
Schlichtheit seine Notlage symbolisiert, vorbeigeht an einer Säulenreihe
dorischer Ordnung und sich unter den Schutz Ludwigs XIII. begibt, der wiederum
vor einer korinthischen Säulenreihe steht, die seine Macht symbolisieren
soll. Auf anderen Stichen, wo der König zeigt, wie groß- und
sanftmütig er sein kann, herrscht die ionische Ordnung vor ("La Paix
d'Alès", "La Protection de Portugal et de Catalogne"). Darüber
hinaus ist auffällig, wieviel Wert archäologischen Details beigemessen
wird. So sind die Helme der Soldaten oder die Zelte der Soldatenlager mit ganz
besonderer Genauigkeit abgebildet: Der Wiedergabe dieser Einzelheiten liegt
offensichtlich ein "antiquarisches" Wissen zugrunde.
Die Übertragung des Lebens Ludwigs XIII. in
die Antike liefert den Beweis, daß die geschichtliche Lobpreisung, wie sie
in dem Buch Valdors zum Ausdruck kommt, keineswegs einer realistischen
Darstellung der Ereignisse entspricht. Es handelt sich im Gegenteil um eine
Sicht der historischen Wirklichkeit, die - indem sie diese idealisiert - der
Geschichte des Königs eine moralische Wahrheit verleiht, während der
reine Realismus sich mit der axiologischen Neutralität der Reportage
begnügt hätte. Die an die Antike angelehnten Elemente dienen folglich
dieser moralischen "Überprüfung": Sie reihen den König in die
moralische Gemeinde der antiken Helden ein, die übrigens gegenüber der
Gemeinde der mythologischen Götter den Vorteil hat, daß die Werte,
die sie vermitteln soll, historisch belegbar sind. Man wird hier erinnert daran,
was Pellisson um 1670 in seinem "Projet de l'histoire de Louis XIV" schrieb:
"Die Geschichte läßt viele Umstände unbeachtet, von denen
Zeitungen berichten oder Memoiren (...). Allem Großen, dem sie begegnet,
verleiht sie Schönheit durch ihren edlen, durchdachten Stil, der auf wenig
Platz viel zu sagen vermag, kein Satz ist umsonst (...). Wenn all das nicht
vermischt und verbunden ist zu einem anschaulichen Bild voller Abwechslung,
Kraft und Glanz, eher gemalt als erzählt, wenn nicht die Leser alles zu
Papier Gebrachte vor sich sehen und gefesselt sind, und wenn nicht so ihr
Interesse an dem Geschehen geweckt wird, so handelt es sich nicht um Geschichte,
sondern höchstens um ein Register oder eine
Chronik". [32]
Valdor
stellt "Geschichte" dar im Sinne Pellissons: Die Hauptaufgabe des Werkes ist
nicht, die Wirklichkeit wiederzugeben, sondern sie in ein vorteilhaftes Licht zu
setzen, ihr Anschaulichkeit zu verleihen ("eher gemalt als erzählt"). Darin
besteht die Funktion der Antike bei der Darstellung der Landschaften und der
Menschen in "Les Triomphes de Louis le Juste": Sie zeugt nicht etwa von
mangelnder Kenntnis oder Geringschätzung der Geschichte, sondern macht
diese durch Übertreibung verständlicher und "erweckt das Interesse der
Leser". Indem sie das aktuelle Kriegsgeschehen überdeckt, erlaubt die
Erinnerung an die Antike der Vorstellungskraft, sich zu entfalten, ohne
daß der Phantasie völlig freier Lauf gelassen würde (ein
Eindruck, der eher von der mythologischen als von der antiken "Hülle"
erweckt wird). Im Gegenteil wird hier jene Kraft frei, die, wie Pascal schreibt,
"den Dingen ihren Preis gibt". Der Rückgriff auf die Antike kann auf keinen
Fall mit dem reinen Akademismus gleichgesetzt werden, der immer dieselbe
vorgegebene Formel wiederholt. Vielmehr ist die Vorstellungskraft hier auf
positive und durchdachte Weise am Werk, sie wandelt die Fakten in Geschichte um,
besser gesagt, sie vollendet die Fakten.
Die
Entscheidung für den Klassizismus, die in Valdors Buch überall
deutlich wird, gibt dem Werk nicht nur eine antike Färbung, sondern bringt
auch eine ganz bestimmte Darstellungsform mit sich, nämlich den Fries.
Diese Wahl verleiht der Galerie der Schlachten eine Strenge, die mit dem
heroischen Stoff, der behandelt werden soll, in Einklang steht. Aus der Strenge
wird in manchen Stichen gar Starrheit, wie in der Abbildung der Belagerung von
Perpignan, dem letzten Stich der Serie. Hier erreicht die "Disziplin der Antike"
einen Höhepunkt: Ludwig XIII. und Minerva, die im Paradeschritt die
Stadtbefestigungen entlangreiten, gleichen zwei genau parallel zueinander
aufgestellten Reiterstatuen. Dieser Parallelismus der Figuren sowie die
einfarbige Mauerfläche als einziger Dekor zeugen von dem Willen, die Szene
wie ein Relief zu gestalten: Der Zeichner bemüht sich, die perspektivische
Wirkung dadurch zu erzielen, daß er die dem Bildhauer vorbehaltene Kunst
des Plastischen nachzuahmen sucht. Die Vorbedingung für die klassische
Bildästhetik ist demnach, daß die Bildhauerkunst als Modell der
figurativen Kunst anerkannt wird. Dazu kommt, daß die Bildhauerei vor
allem als die Kunst gilt, die Form festzuhalten, was bei der Reiterstatue
des Königs in dem Stich über die Belagerung Perpignans besonders
deutlich wird. Während Francesco Mochi kurz zuvor, zu Beginn des Jahres
1620, in seiner Reiterstatue Alexander Farneses das schwierige Problem der
Einheit zwischen Pferd und Reiter gelöst hatte, indem er beide in derselben
Drehbewegung erfaßte [33], erreicht der Künstler, der die
Belagerung von Perpignan zeichnete, eine ebenso große Einheit auf
entgegengesetzte Weise, d.h. indem er jede Bewegung von der Bildfläche
verbannt. Dank der genau senkrechten Falte im königlichen Mantel verharren
Pferd und Reiter in derselben Starre: Der parallel zu den Beinen des Pferdes
fallende Mantel verleiht der Figur eine wunderbare Kadenz, einen ebenso
mächtigen wie im musikalischen Sinne feierlichen
Rhythmus.
Sicher sind nicht alle Stiche von einer
derartigen Feierlichkeit geprägt, auch geht nicht von allen derselbe
Eindruck der hieratischen Unbeweglichkeit aus. Doch handelt es sich in diesem
Fall nicht um den König selbst, sondern um Personen, welche die von dem
Anblick des Herrschers hervorgerufenen Leidenschaften ausdrücken sollen,
während er selber für alle Leidenschaften verschlossen bleibt. So ist
Ludwig XIII. in Nancy vor zwei knienden, besser gesagt, sich tief verneigenden
Frauen stehend abgebildet. Die eine hält den Kopf demütig zum
König erhoben und blickt ihn voll Ehrfurcht an, während sie ihm die
Schlüssel der Stadt überreicht; die zweite dagegen schaut zu Boden und
schlägt sich mit der rechten Hand auf die Brust zum Zeichen der Scham und
der Reue.
Die Vorliebe für den Fries als
Darstellungsform und der damit verbundene Willen, den Leidenschaften einen
stärkeren Ausdruck zu geben, erinnern an die Lehre Poussins. Es besteht
ganz offensichtlich eine gedankliche Verwandtschaft zwischen den am besten
geglückten Stichen in "Les Triomphes de Louis le Juste" und Gemälden
von Poussin wie "La Vierge apparaissant à saint Jacques le Majeur" (Rom,
um 1630) oder "Le Miracle de saint François-Xavier" (Paris, Kapelle des
Jesuitennoviziats, 1642). In mehr als einer Hinsicht geht der Aufbau der Stiche
in "Les Triomphes de Louis le Juste" auf die Fragen zurück, die zur selben
Zeit in Rom und Paris das Werk Poussins aufwarf: Fragen zur Symbolik der Gesten
in der Malerei, zum decorum, das auf ideale Weise die Haltung des
christlichen Helden bestimmt, zum Ausdruck der Leidenschaften derjenigen, die
sich nicht in diesem decorum befinden, zu dem Anspruch, diese
Gegensätze (heldenhaftes decorum und menschliche Leidenschaften) in
der harmonischen Einheit des Bildes einander gegenüberzustellen - eine der
möglichen Lösungen dieses Problems bietet der Fries. [34]
Übrigens ist nicht sicher, welchen Anteil der Poussin nahestehende Maler
Charles Errard an "Les Triomphes de Louis le Juste" hat. Schon Odile
Uhlmann-Faliu stellte die Hypothese auf, daß dieser an Valdors Buch
mitgearbeitet haben könnte: Die Figuren Ludwigs XIII. und der Religion in
"Le Rétablissement des ecclésiastiques en Béarn" sowie der
Casal-Stich könnten Errard zugeschrieben werden. Es ist möglich,
daß Errard auch an anderen Stichen mitgearbeitet hat, aber da man nur
wenig über Errards Werk weiß und die Stiche in Valdors Buch von sehr
unterschiedlicher Qualität sind, ist Vorsicht und Zurückhaltung
geboten. Das wichtigste erhaltene Werk, das mit Sicherheit von Errards Schaffen
in den Jahren 1640 zeugt, ist die Illustration für das "Breviarium
Romanum", das 1647 von der königlichen Druckerei veröffentlicht
wurde. [35] Doch auch da kennen wir nicht die Originalzeichnungen,
sondern nur deren manchmal sicher etwas ungetreue Weiterverarbeitung durch die
Stecher Pierre Daret, Gilles Rousselet und Karl Audran. Dennoch sind
Ähnlichkeiten festzustellen zwischen der einen oder anderen Figur des
"Breviarium Romanum" und manchen Figuren aus "Les Triomphes de Louis le Juste":
zum Beispiel zwischen Soubise in dem Stich "La Réduction de Saint-Jean
d'Angély" und dem schlafenden römischen Soldat, der in dem
"Breviarium" in der Wiederauferstehungsszene im Vordergrund zu sehen
ist. [36] Im übrigen hat man auf den Stichen Errards verschiedene
Charakteristika ausmachen können, zu denen die starke Muskulatur der
Körper zählt, eine Vorliebe für Gesichter im Profil und einen
Hang dazu, den Figuren "Ähnlichkeit mit einer antiken Skulptur" zu
verleihen [37]: Wenn man auch darüber hinaus nicht viele
Anhaltspunkte hat, so ist doch bemerkenswert, daß die genannten
Charakteristika auf viele Stiche der ersten Galerie von "Les Triomphes de Louis
le Juste" zutreffen. Auch die biographischen Details sprechen nicht gegen eine
mögliche Beteiligung Errards, ohne diese jedoch zu beweisen: Wie man
weiß, war Errard, nach einem ersten Aufenthalt in Rom, wo er wie Valdor in
der Umgebung von Andrea Sacchi arbeitete, im Jahre 1643 nach Paris
zurückgekehrt, also genau zu der Zeit, als Valdor begann, über sein
Buchprojekt nachzudenken. Noch einen anderen Hinweis gibt es, der zwar kein
wirklicher Beweis, aber zumindest ein eigenartiger Zufall ist: Zurück in
Frankreich, arbeitet Errard, wie durch Guillet de Saint-Georges, den
Historiographen der Académie de peinture et de sculpture, belegt ist, "an
Zeichnungen, die für Tapisserien gedacht sind und die Geschichte des Tobias
darstellen". [38] Nun trifft es sich aber, daß Valdor sich zu
dieser Zeit viel mit dem Handel von Tapisserien beschäftigte. Man
weiß sogar, wiederum über Guillet de Saint-Georges, daß er,
nachdem Le Brun 1646 von Rom nach Paris zurückgekehrt war, bei diesem
Zeichnungen bestellte für Tapisserien "zum Thema Tobias". [39]
Zusammengenommen ermöglichen diese verschiedenen Informationen den
Schluß, daß Errard sehr wahrscheinlich bei seiner Rückkehr aus
Rom für Valdor gearbeitet hat. Und möglicherweise beschränkte
sich diese Zusammenarbeit nicht nur auf
Tapisserien.
Wie groß auch immer die
Beteiligung Charles Errards gewesen sein mag, "Les Triomphes de Louis le Juste"
stellt ganz offensichtlich ein bedeutendes Beispiel klassizistischer Kunst in
der Mitte des 17. Jahrhunderts dar und liefert einen wertvollen Beleg
dafür, welche ideologischen Möglichkeiten der Klassizismus in
Kriegszeiten zum Lob der Monarchie bot. Es bedarf dazu einer wohldurchdachten
Alchimie, die darin besteht, die Realität des Krieges zum Ausgangspunkt zu
nehmen, um die Darstellung des Krieges selbst um so besser vermeiden zu
können. Valdor wählt zwar das Register des historischen Lobes, aber
von dem eigentlichen historischen Ereignis wird fast nichts festgehalten: Ihn
interessieren einzig die Gesten und Haltungen, zu denen das Ereignis den
Anlaß bot, in einer Art geläutertem und friedlichem Rückblick,
in dem die Geschichte hinter ihren verschiedenen Symbolen verschwindet. Die
königlichen Gesten und Haltungen erscheinen im Relief, alle anderen als
Vertiefung. Sie sind die Symbole eines monarchischen Heldentums, das nicht durch
die kriegerische Aktion selbst zustande kommt, aber sich bei dieser Gelegenheit
offenbart. Die Symbole der Gerechtigkeit - die Gesten des Königs schwanken
zwischen Bestrafung und Milde - treten an die Stelle der
Kriegsgeschichte. [40] Der Krieg macht nicht den Ruhm des Königs
aus: Er gibt Gelegenheit, diesem Ruhm Ausdruck zu geben. Ein Ruhm, der seinem
Wesen nach einer übermenschlichen Ebene angehört. Auf diese Weise
konnte die Geschichte eine Allgemeingültigkeit und Legitimität
erlangen, die ihr manchmal zu fehlen schienen, wenn es darum ging, die
Größe des allerchristlichsten Königs, des vollkommenen Abbildes
Gottes zu preisen.