Forschungsstelle "Westfälischer Friede": Dokumentation

DOKUMENTATION | Ausstellungen: 1648 - Krieg und Frieden in Europa

Textbände > Bd. I: Politik, Religion, Recht und Gesellschaft

PETER ILISCH
Geld und Münze während des Dreißigjährigen Krieges

Bereits am Vorabend des Prager Fenstersturzes 1618 befand sich das Münzwesen im Hl. Röm. Reich trotz Reichsmünzordnungen von 1559 und 1566 durchaus in einer Krise. Einer von mehreren Gründen war die Struktur des Reiches, in dem die Herstellung von Münzen in die Hände einer Vielzahl von kleineren und größeren Teilstaaten gelegt war. Diese betrachteten, vielleicht mit Ausnahme derjenigen Staaten, die über eigene Silberbergwerke verfügten wie etwa Sachsen, die Münzprägung hauptsächlich als Instrument zur Erzielung von Einnahmen. Seit 1566 waren zwar spezielle Probationstage der Reichskreise zur Kontrolle und Genehmigung von Münzprägungen eingesetzt, doch war deren Effektivität in mehreren Reichskreisen mit den Jahren geschwunden, nicht zuletzt, weil vielfach der politische Wille und die Einsicht bei den Mitgliedsstaaten fehlte. Da der Umlauf des Münzgeldes sich nicht auf die jeweiligen Herstellerländer beschränkte, sondern gemischt und grenzüberschreitend war, war es Einzelstaaten unmöglich den Trend aufzuhalten. Schlechtes Geld verdrängte gutes Geld, dies nicht zuletzt, da geprägtes Silber einen wesentlichen Anteil am Rohmaterial der Münzstätten hatte. Gute Münzen wurden eingewechselt, eingeschmolzen und an ihrer Statt schlechtere Münzen wieder ausgegeben. Die Bestimmungen des Reiches hinsichtlich der Taler und ihrer Teilstücke wurden zwar mit nur wenigen Ausnahmen auch 1618 noch eingehalten, doch hatten die meisten Prägestätten den Schwerpunkt auf das kleinere Geld verlegt. Für dieses gab es keine reichseinheitlichen Vorschriften, und so ließen sich die Feingehalte schleichend absenken. In Nordwestdeutschland waren dies in erster Linie die nach dem Reichsapfel benannten Apfelgroschen, die den süddeutschen Drei-Kreuzer-Stücken gleichgesetzt wurden. Ein großer Teil der Produktion wurde in den Osten exportiert, in erster Linie in das Königreich Polen. Hinzu kam, daß die guten Taler im internationalen Handel begehrt waren und so teilweise nach Skandinavien und Russland exportiert wurden, um dort Zölle zu bezahlen oder Waren einzukaufen. [1] Die Münzstätten waren überwiegend an private Unternehmer ("Münzmeister") verpachtet, die hohe Pachtsummen (Schlagschatz) zahlten, aber bei der Gestaltung der Prägung relativ freie Hand hatten. Um möglichst umfangreich prägen zu können, wetteiferten die Münzstätten beim Silberaufkauf, was zwangsläufig zu steigenden Silberpreisen führen mußte, die ihrerseits nur durch Absenkungen des Feingehalts oder des Stückgewichts ausgeglichen werden konnten. [2] Trotz der Krise oder gerade bedingt durch sie wuchs die Zahl der Münzstätten stetig, so z.B. im niedersächsischen Kreis von sechs im Jahre 1566 auf über 30 im Jahre 1617. Kennzeichnend für die beteiligten Münzmeister war starke Fluktuation zwischen verschiedenen Einsatzorten sowie ihre meist nur kurzzeitigen, häufig spekulativen Engagements, die nicht selten im Streit mit dem Landesherrn und ohne genaue Abrechnung endeten. [3]

Bereits 1617 verursachten Landdrosten des Herzogs Friedrich Ulrich von Braunschweig-Lüneburg eine sprunghafte Münzverschlechterung. Aus eine Gewichtsmark Feinsilber stellten sie statt zwischen 110 und 130 bzw. 160 und 170, wie es sich 1610-17 eingebürgert hatte, stellten sie daraus 210 Stück her. Das Beispiel machte Schule, und der Kriegsausbruch 1618 steigerte den Finanzbedarf der ohnehin überwiegend verschuldeten nordwestdeutschen Staaten. So entbrannte ein Wettbewerb der sich häufig wechselseitig beschuldigenden Münzunternehmer. Unterdessen verfielen die Groschen, die theoretisch 1/24 des Reichstalers sein sollten, im Kurs. Im Januar 1618 galten sie in Leipzig nur noch 1/33. Der Kurs mußte sich flächendeckend auf das niedrigste Niveau einstellen, da die Münzen sonst tonnenweise dorthin gebracht wurden, wo sie den günstigeren Kurs hatten. Um den Groschen neue Absatzmärkte zu erschließen, stellten seit 1618 des öfteren auch nordwestdeutsche Münzstätten das Bild ihrer Gepräge um und ersetzten den Reichsapfel mit der 24 durch den Reichsadler mit einer Drei. Damit waren sie angepaßt an die süddeutschen Drei-Kreuzer-Stücke, die im Nordwesten kaum verbreitet waren. Erfolgreich wurden sie nach Süden abgesetzt. [4] Das einsetzende Tempo der Verschlechterung überholte die langwierigen Verhandlungen der Reichskreise. Bald griff die Verschlechterung auch auf größere Sorten über, und neben den Groschen entstanden zunehmend sogenannte Schrekenberger oder süddeutsch Dreibätzner mit der Wertzahl 12 für 12 Kreuzer. Die Vielfalt der unterschiedlichen sich chronisch verschlechternden Münzsorten erlaubte Kennern die Erlangung nicht unerheblicher Wechselkursgewinne. [5]

Mit Kriegsbeginn endete auch die die Verschlechterung des Münzwesens zwar nicht verhindernde, aber doch bremsende Tätigkeit der Probationstage der Kreise. Unter Hinweis auf die Gefährlichkeit des Reisens entschuldigten sich die meisten Abgesandten, und letztlich wurden die Probationstage nicht mehr abgehalten. Dadurch wurden die Münzmeister entgegen der Reichsmünzordnung nicht mehr vereidigt und die Prägung nicht mehr kontrolliert. [6] Die Münzstätten schossen bald wie Pilze aus dem Boden und entstanden vielfach auch an abgelegenen Orten. Friedrich Ulrich von Braunschweig-Lüneburg ließ im Juni 1620 in nicht weniger als 16 Münzstätten prägen. Ein großer Teil der Prägungen wurde in Bild und Text so gestaltet, daß die Herkunft der Stücke nicht offenkundig war. Teils wurde der Name des Landesherrn und seine Titel bis zur Unkenntlichkeit abgekürzt, teils wurde er überhaupt durch fromme Sprüche ersetzt. Statt der bekannten Wappen wurden häufig diejenigen von Landesteilen benutzt. Folglich ist bei manchen dieser Münzen die Herkunft bis heute ungeklärt. Da es darauf ankam, daß Silber möglichst schnell zu vermünzen, sank die technische Qualität der Prägungen im Norden des Reiches auf ein Minimum. Hinzu kam sicherlich, daß die explosionsartige Vermehrung der Münzstätten es unvermeidlich machte, mit der Münztechnik unerfahrenes Personal zu beschäftigen.

Schon sehr früh hatte die Krise neben dem westfälischen und niedersächsischen auch die anderen Kreise erreicht. So z.B. den obersächsischen und den bayrischen Kreis, wo selbst der Taler, der im Norden quasi tabu war, in Mitleidenschaft gezogen wurde. Es entstanden zwei Arten von Talern parallel, der Rechnungstaler, der nach wie vor 24 Groschen auf den Taler rechnete und dementsprechend schlecht sein mußte, und der reale Reichstaler, der nach Tageskurs zu bezahlen war. Von Schlesien aus wurden Kippermünzen nach Polen exportiert, wo sie 1620/21 zu Währungsturbulenzen führten. [7] Sich einen vollständigen Überblick über die sich rasant entwickelnde Münzkrise der Jahre 1618 bis 1623 zu verschaffen, ist sehr schwierig, da die Verhältnisse regional sehr unterschiedlich waren, in den Münzstätten aus gutem Grund kaum Akten angelegt wurden und auch Prägung und Münzumlauf für viele Regionen noch nicht untersucht worden sind. In einigen Regionen, wie z.B. in der Schweiz und im Elsaß, fand die Verschlechterung statt, ohne daß die schon vorher geprägten Sorten im Bild grundlegend geändert worden wären.

Ein großer Teil des Kippersilbergeldes wurde durch Beziehungen zwischen Kaufleuten weit abseits der Münzstätten ausgegeben, wobei insbesondere die großen Handelsstädte Zielort waren. So wurden mecklenburgische Vier-Schilling-Stücke durch einen Güstrower Seidenkrämer nach Leipzig zu einem dortigen Ratsherren gebracht. Ein anderer Teil der Produktion wurde nach Nürnberg exportiert. Die Münzen waren so gestaltet, daß sie in den Absatzgebieten mit dort gängigen Arten verwechselt werden konnten. [8] Lippische Gepräge aus Detmold wurden 1619 nach Leipzig ausgeliefert, wo sie vom Rat beschlagnahmt wurden. 1620 fielen die in Kisten und leeren Weinfässer verstauten Produkte dieser Münzstätte in Frankfurt auf. [9] Ähnlich dürften es die meisten Münzstätten gemacht oder zumindestens versucht haben. Die Handelsmetropolen führten im März 1620 in Augsburg Beratungen über die Abwehr des "bösen" Geldes durch, woran auch Frankfurt, Straßburg, Ulm, Regensburg und Nürnberg beteiligt waren. Erfolg hatten sie jedoch praktisch keinen. [10] In den schriftlichen Quellen lassen sich die Absatzwege nur in den wenigen Fällen dingfest machen, in denen es zu Konfiskationen gekommen ist. Obwohl die Reichsmünzordnung dazu verpflichtete, grundsätzlich die tatsächlichen Entstehungsjahre auf den Münzen anzugeben, kam es zu Rückdatierungen. Auch die Pflicht des Münzmeisters, die Produktion durch sein Zeichen zu signieren, geriet in Vergessenheit.

Ein weiteres Phänomen tauchte ab etwa 1619 auf: die Verbreitung der Kupfermünze. Im Gegensatz zu den Edelmetallmünzen lag bei dieser der innere, also metallene Wert des Stücks deutlich unterhalb des Nennwertes. Es war Kreditgeld, das den ausgebenden Stellen einen nicht unerheblichen Gewinn bescheren konnte. Kupfermünzen hatten sich als kleinster Wert in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts in den südlichen Niederlanden eingebürgert. Ab 1559 wurden solche Münzen in geringen Mengen auch von Städten im westlichen Westfalen und in einzelnen norddeutschen Städten geprägt. In Westfalen waren die Mengen um 1600 freilich etwas angestiegen, und es wurden zunehmend auch größere Werte hergestellt. Nach Einführung mechanischer Prägeverfahren, die eine rationellere und billigere Herstellung größerer Mengen erlaubten, gab es aber um 1610 auch erste Probleme mit der Akzeptanz bei der Bevölkerung, da der Anteil des Kupfergeldes im Geldumlauf im Verhältnis zum Edelmetall stark angestiegen war. In anderen Teilen des Reiches waren Kupfermünzen dagegen vor 1618 unbekannt. Das änderte sich zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges. Parallel zur Verschlechterung des Silbergeldes entstanden auch außerhalb der vorherigen Kupfermünzgebiete solche Stücke, die das bis dahin vorhandene kleine Silbergeld aus niedrigen Legierungen verdrängten, so jetzt auch im östlichen Westfalen, in Niedersachsen, Brandenburg, Thüringen und Süddeutschland. In Brandenburg waren es die Städte, die anfänglich noch verzinntes Kupfergeld herstellen ließen. Im westlichen Westfalen, das auch vorher schon Kupfer geprägt hatte, wurden die Mengen drastisch gesteigert. Mit Hilfe der Einführung mechanischer Verfahren hatte z.B. die Stadt Soest ab 1620 große Mengen kupferner Schillinge und Doppelschillinge hergestellt, die zum Ende des Jahres 1623 ihre Akzeptanz verloren. 1624 war der Rat gezwungen, sie auf die Hälfte abzuwerten, bis sie schließlich nur wenig später insgesamt verrufen wurden, wodurch einige Kaufleute sehr hohe Verluste erlitten. [11] Ein Unterschied des Kupfergeldes im Vergleich zum schlechten Silbergeld war, daß ersteres in der Region blieb und kaum exportiert wurde.

In den habsburgischen Landen begann der Einstieg in den Kursabstieg 1619, nachdem die Kontrolle der Münzstätten in Böhmen und in Mähren auf die dortigen Stände übergegangen war. Der zum König von Böhmen ausgerufene Friedrich von der Pfalz setzte den Trend fort. Da gute Prägungen auch im Süden des Reiches nur die Schmelzöfen der Kippermünzstätten subventionierten, waren auch die kaiserlichen Münzstätten in Österreich und Schlesien ab 1620 gezwungen, nach ähnlichen Maßstäben zu prägen. Eine wesentliche Veränderung trat am 22. Januar 1622 ein. Nach Verhandlungen zwischen der kaiserlichen Hofkammer und dem in Prag ansässigen niederländischen Geschäftsmann Hans de Witte wurde ab diesem Datum die Münzprägung einem Konsortium übertragen. An dessen Spitze standen der böhmische Statthalter Fürst Karl von Liechtenstein und Albrecht Wallenstein sowie mit ihnen de Witte. Die Zeitgenossen erblickten in Liechtenstein den leitenden Kopf. Durch den Vertrag erhielten de Witte und seine Gesellschafter das Monopol der Münzprägung in Böhmen, Mähren und Niederösterreich sowie für den Ankauf von Altsilber und älteren Münzen zum Festpreis. Zugleich hatte die Gesellschaft das alleinige Recht auf die gesamte Ausbeute der böhmischen Silberbergwerke, für die ein Preis je Gewichtsmark festgeschrieben wurde. Die Ausfuhr von Münzen aus dem Umlauf in das Ausland wurde ebenso verboten wie die Zirkulation ausländischer Sorten. Das Interesse des Kaisers, der sich bereits bei Ausbruch des Krieges einer ausweglosen Verschuldung gegenübersah, bestand darin, daß ihm für ein Jahr eine Pacht von 60 Millionen Gulden, zahlbar in wöchentlichen Raten, zugesichert wurde. [12]

Zwei Münzstätten wurden in Prag eingerichtet, je eine in Kuttenberg, Joachimsthal, Brünn, Olmütz und Wien. Später kam noch die bischöflich-breslauische in Neiße hinzu. In Wien bestand 1622 daneben zeitweise noch eine "spanische" Münzstätte, wo die aus Spanien geschickten Silbermünzen zwecks Bezahlung der Truppen in kaiserliche Münzen umgeprägt wurden. Anders als im Norden des Reiches betraf die Münzverschlechterung im Süden in großem Umfang auch die größeren Münzen. Vorgesehen waren in dem Vertrag auch guthaltige Doppelgulden zu 150 Kreuzern, Gulden zu 75 Kreuzer und halbe Gulden. In zunehmendem Maße erstreckte sich die Kipperprägung aber von 1621 bis 1622 auf immer höhere Nominale bis hin zu Stücken zu 150 Kreuzern, wobei der Feingehalt sich laufend verschlechterte. In die Entwicklung inbegriffen waren auch die Grafschaft Tirol, Steiermark und Kärnten und das Erzbistum Salzburg (ab 1621). [13]

Zwar gelang es dem Konsortium wie auch anderen nicht, das Horten von als besser betrachteten Münzsorten und deren heimlichen, lukrativen Export zu unterbinden, zumal selbst der Reichspfennigmeister solcher Vergehen beschuldigt wurde, doch erlangte es ein kaiserliches Geleit zum Einkauf von Silber im ganzen Reich und in Europa. Dies ermöglichte Wallenstein, sowohl den Kaiser als auch seine Truppen pünktlich zu bezahlen. [14]

Die Folgen waren dieselben wie in den anderen Teilen des Reiches. Der sinkende Edelmetallgehalt der Münzen ging einher mit stetig steigenden Preisen. Spätestens Mitte 1622 kam es in den habsburgischen Erblanden auch zu Problemen mit der Akzeptanz des Kippergeldes. Nichtsdestoweniger konnte Wallenstein persönlich wie auch seine Mitgesellschafter durchaus profitieren. Sie kauften umfangreiche Güter, die mit minderwertigen "langen" Münzen bezahlt wurden. 1623 endete der Vertrag. Eine Fortsetzung war nicht mehr durchsetzbar, zumal im Norden des Reiches ja bereits 1622 die Kipperprägung eingestellt worden war und der bayerische Herzog als Pfandinhaber Österreichs ob der Enns kurz vor Weihnachten des gleichen Jahres die Herabsetzung des Wertes auf 50 Prozent hatte verkünden lassen. Die Rückkehr zu den Normen der Reichsmünzordnung war unvermeidlich. Die Prägung wurde wieder in Eigenregie übernommen. Im Dezember 1623 schließlich wurde das "lange Geld" auf ein Achtel des Nennwertes abgewertet. Gegen die Verantwortlichen der Geschäfte wurde erst nach dem Tode Kaiser Ferdinands II. 1637 ermittelt, doch waren zu diesem Zeitpunkt die meisten Beteiligten bereits verstorben. Von den Erben des Fürsten Liechtenstein wurden 31 Millionen Gulden Schadenersatz verlangt, von denen nach rund dreißigjährigen Auseinandersetzungen 275.000 gezahlt wurden. [15]

Einige Münzstätten außerhalb des Krisengebietes trugen das ihre dazu bei, den Münzkreilauf mit unterwertigem Geld zu versorgen. Hierzu gehörten in erster Linie Kleinstaaten in Norditalien, in den Ardennen und im niederländischen Grenzgebiet. Auch in krisenfreien Zeiten lag ihre Spezialität in der Herstellung von Stücken minderen Gehalts, die man leicht mit als gut geltenden Münzen verwechseln konnte. Diese Stücke wurden abseits ihrer Entstehungsorte in Umlauf gebracht. [16]

Eine Region, die von der Münzkrise weitaus weniger betroffen war, war das Rheinland, wo auch vom Krieg anfänglich wenig zu spüren war. Da man aber den Import des schlechten Geldes aus Nachbarlandschaften aller Verbote zum Trotz nicht wirklich verhindern konnte, stieg auch hier der Wechselkurs des Reichstalers im Verhältnis zum kleineren Geld, z.B. in Trier von Januar 1620 bis Mai 1622 von 28 auf 72 Batzen. [17] Erst 1622 ging die trierische Münzstätte in Koblenz selber zur Prägung schlechteren Geldes über, doch nur für sehr kurze Zeit. [18] In Kurköln, Jülich-Berg wie in der Stadt Köln war von Krise fast nichts zu merken. [19]

Die Auswirkungen der Münzverschlechterung waren in den verschiedenen Teilen des Reiches so uneinheitlich wie die Münzprägung und die Münzpolitik. In der westfälischen Bucht waren die Auswirkungen der Silbergeldverschlechterung begrenzt. Ein 1620/21 verborgener Schatzfund aus der Nähe von Soest enthielt bei 156 kleineren Silbermünzen nur acht Kippermünzen. Mit Hilfe von Abwertungen, z.B. 1620 der neueren "Apfelgroschen" um 25 Prozent, wurde der Zustrom in Grenzen gehalten. Der Talerkurs stieg in Soest nur von 45 Schillingen 1617 auf 52 im Jahre 1621. [20] Stärker war der Kursverfall im Braunschweigischen und Hildesheimischen, wo der Kurs zwischen 1618 und Michaelis 1621 von 48 auf 224 Mariengroschen stieg. [21] Ähnlich verlief der Anstieg in der Mark Brandenburg, nämlich von 31 Groschen 1618 auf 120 im Jahre 1622. [22] In Frankfurt stieg der Reichstaler auf maximal fünf bis sieben Rechnungsgulden im Sommer 1622, im benachbarten Hessen-Kassel, selber Betreiber etlicher Kippermünzstätten, stieg der Reichstaler seit 1618 von 48 auf 896 Albus Ende 1622. [23] In Bayern erlebte der Reichstaler einen Anstieg von 90 auf 600 Kreuzer im Jahre 1622 [24], in Hagenau und Straßburg seit August 1619 von 100 auf 360 Kreuzer im Juli 1622. [25] Die teilweise währungsmäßig eng mit Italien und Frankreich verbundene Schweiz erlebte 1620-23 ebenfalls eine starke monetäre Krise, die in Solothurn den Reichstaler von zwei Gulden vier Kreuzer im Februar 1620 auf zehn Gulden im gleichen Monat des Jahres 1622 steigerte und in Bern den offiziellen Kurs des goldenen Ecu soleil gegenüber dem sich verschlechternden silbernen Batzen von 42 im Mai 1620 auf 75 im Februar 1622 erhöhte. [26] Kurssteigerungen waren auch in der französischsprachigen Schweiz festzustellen, so z.B. in Neuchâtel, wo der spanisch-niederländische Philippstaler von 6 4/5 livres 1618 auf 13 ½ im Jahre 1622 anstieg. [27]

Die Hansestadt Lübeck ergriff wegen der Trägheit des niedersächsischen Kreises selbst die Initiative gegen die einsetzenden Geldverschlechterungen und schloß im Mai 1618 einen Vertrag mit Hamburg zur Abwehr des schlechten Geldes und Sicherung einer stabilen Währung. Maßnahmen wurden gegen Münzstätten ergriffen, die schlechtes Geld lübischer Währung herstellten. 1619 schließlich wurde der in Lübeck tagende Hansetag mit dem zerütteten Münzwesen beschäftigt. [28] Es gelang den norddeutschen Hansestädten, den Einfluß der Kipperkrise in Küstengebiet gering zu halten. [29] Trotz guter Prägung oder Prägestillstand sowie der Gründung einer Bank in Hamburg 1619 kam es aber doch zu einem Import fremder Münzen, der den Wechselkurs des Reichstalers auch hier leicht erhöhte. [30] Schließlich beschäftigte sich seit 1621 auch der niedersächsische Kreis mit der Frage einer Stabilisierung des Geldwesens. Ähnlich war es im obersächsischen Kreis. Der sächsische Kurfürst Johann Georg kündigte am 3. Dezember 1621 den Münzstättenpächtern, die er allein verantwortlich machte für die "geringen, nichts würdigen Münzsorten". [31] Im niedersächsischen Kreis wurde zum Juni 1622 schließlich die Rückkehr zu den Vorkriegskursen mit einer diesen entsprechenden Münzprägung beschlossen und auch in die Tat umgesetzt. Ein Versuch des Herzogs von Bayern, vorab schon im September 1622 zu einer Erneuerung zu kommen, scheiterte [32] - nicht zuletzt wohl deshalb, weil die Entwicklung in den benachbarten habsburgischen Landen weiter voranschritt. Die süddeutschen Kreise folgten dem Beispiel mit leichter Verzögerung, der fränkische etwa im November 1622 und der bayrische und der schwäbische Kreis zum 31 Oktober bzw. 10 April 1623. Frankfurt schloß im Juli 1623 nach längeren Verhandlungen mit Kurmainz, Nassau-Saarbrücken und Hessen-Darmstadt eine Vereinigung zur Verhinderung einer erneuten Kleingeldverschlechterung durch gemeinsame Prägung guten Geldes, die jedoch nach einigen Jahren wieder auseinanderfiel. Im Vorfeld hatten die vier Staaten aber den Kursanstieg des Geldes 1622 erfolgreich gebremst. [33] Teilweise war auch - wohl ohne durchgreifenden Erfolg - versucht worden, durch Abstempelung bestimmter Münzsorten die Münzverschlechterung zu steuern. [34]

Der schnelle Wertverfall der Münzen hatte zur Folge, daß ab 1622 breite Bevölkerungskreise die Annahme von Kleingeld generell verweigerten. So ließ etwa 1622 ein Stempelschneider in Solms-Lich die ihm übergebene Bezahlung schlicht liegen, weil er damit nichts mehr anfangen konnte. [35] Schwerwiegend waren auch die Auswirkungen der Münzverschlechterung auf die Staatskassen, da diese nur noch schlechtes Geld erhielten. Waren wurden zurückgehalten, da man bessere Bezahlung zu einem späteren Termin erwartete und Schulden schnell bei Gläubigern mit schlechtem Geld abgetragen konnten. Zinse, soweit sie nicht in harter Münze ausgedrückt waren, verfielen im Wert. [36] Andererseits stiegen Löhne nicht im Tempo des Kursanstiegs, so daß die Beschäftigten bei steigenden Preisen [37] real immer weniger hatten. Teilweise führte dies auch zu sozialen Unruhen. [38] Lediglich die Soldaten konnten ihre Vorstellungen von guter Bezahlung durchsetzen. [39]

Insgesamt konnte das Münzwesen im Reich im Zeitraum 1622-24 stabilisiert werden. Dies schloß jedoch nicht aus, daß einzelne Kleinstaaten auch weiterhin an der Grenze zur Falschmünzerei minderwertige Kleinmünzen oder auch Goldmünzen herstellten, wie etwa die Grafschaften Sayn-Wittgenstein-Berleburg und Leiningen-Westerburg. [40] Hiergegen konnte kriegsbedingt nur vorgegangen werden, wenn es gelang, die Verantwortlichen außerhalb ihres Territoriums zu verhaften. Das Kupfergeld verschwand wieder aus dem Umlauf, mit Ausnahme von (jetzt auch des östlichen) Westfalen, das stark niederländisch beeinflußt war, und vereinzelter norddeutscher Städte. Silberstandard wurde auch für die kleinsten Münzen wieder eingeführt und überwiegend bis zum 18. Jahrhundert beibehalten.

Die Spätphase der Währungskrise der Jahre 1618-1623 führte zu einer umfangreichen volkstümlichen zeitgenössischen Literatur. Ihr verdanken wir die zusammenfassenden Begriffe "Kipper und Wipper" [41], die zeitgenössisch nicht in allen betroffenen Gebieten bekannt waren. Die umfangreichen polemisierenden Druckschriften erschienen ab 1621 fast ausschließlich im niedersächsischen und obersächsischen Kreis und nur im evangelisch-lutherischen Umfeld. Ausgenommen sind fünf eher juristisch ausgerichtete Drucke aus Augsburg und einer aus Hagenau. Diese Einschränkung ist in ihren Ursachen noch nicht geklärt. Die teilweise graphisch illustrierten Schriften erschienen durchweg ohne oder mit phantasiehaften Angaben ihres Druckortes und der Autoren. Insgesamt sollen etwa 80 bis 85 Schriften erschienen sein, teils gelehrte Prosa, teils populär gedichtet. Viele sind antisemitisch geprägt, da die alleinige Verantwortung den jüdischen, die Münzstätten beliefernden Edelmetallhändlern zugeschoben wurde, während die mitbeteiligten Landesbeamten unbeschuldigt bleiben. Die Verbreitung dieser Schriften muß sehr groß gewesen sein, da einige mehrere Auflagen erlebten. [42] Die tatsächlichen ökonomischen Zusammenhänge werden von den Populärdrucken nicht erfaßt. [43]

Nach der Abwertung des Kippergeldes praktisch unter den Metallwert wurde dieses eingewechselt und von den Münzstätten eingeschmolzen. Dies bot die Grundlage zur umfangreichen Prägung sowohl von Talern, die 1618-21 außerhalb der Bergbauländer kaum noch geprägt worden waren, als auch von vorschriftsmäßigen Kleinmünzen in den Jahren 1622/23. Als dieses Material sich verknappte und Silber nur zu höheren Kursen gekauft werden konnte, stellten viele Münzstätten ihren Betrieb ein. Die Maßnahmen waren so effektiv, daß die Krisenmünzen trotz ihres großen Volumens fast vollständig aus dem Umlauf verschwanden. Gegen vereinzelt vorkommende unterhältiger Prägungen konnte nunmehr durch Verbot oder Abwertung gezielt vorgegangen werden. Teilweise wurden gegen die Münzstättenpächter und Münzmeister der Kipperprägung Prozesse angestrengt, die jedoch meist ohne wirkliche Strafen versandeten. [44] Die Landesherren, die während der Kipperphase hiervon zu profitieren versucht hatten, wuschen nach deren Scheitern ihre Hände in Unschuld.

Die politischen Ereignisse führten in einigen Regionen (z.B. Mittelrhein, Oberrhein) in der Mitte der 1630er Jahre erneut zu Turbulenzen, die allerdings nicht dieselben Auswirkungen wie zu Kriegsbeginn hatten. [45] Auffällig ist, daß im Dreißigjährigen Krieg mit Ausnahme der Krisenjahre 1618-21, auch von Staaten ohne Silberbergwerke relativ viele Taler geprägt wurden. Bemerkenswert ist dies nicht zuletzt deshalb, weil die Talerprägung eher defizitär als gewinnbringend war. 1639 errechnete z.B. die Münzstätte Straßburg im Gegensatz zur Kleingeldherstellung für die Prägung von 60.000 Talern einen Verlust von 3.624 Gulden (= ca. 2.265 Taler). [46] Wenn dennoch in den Ländern ohne Bergwerke Taler geprägt wurden, dann meist, um den Bedürfnissen des Krieges entgegenzukommen. Dieser Zusammenhang ist besonders für Münster gut belegt. Der gleichzeitige Einfall der Schweden und der Hessen in das Fürstbistum brachte die Stände zu Beratungen zusammen. Der Vorschlag, eckige Notmünzen zu verausgaben, wurde verworfen, Domkapitel und Stadt aber beschlossen die Prägung einer Extramenge Kupfergeldes. Wegen fehlenden Silbers wurden Teile des Stadtsilbers und des fürstlichen Tafelsilbers geopfert. Die Münzprägung sollte die leeren Kassen füllen und ausbleibende Steuern ersetzen, um den Verteidigungshaushalt zu finanzieren sowie Sorten beibringen, die zur Anwerbung von Soldaten geeignet waren. [47]

Auf die anderen am Krieg beteiligten Länder kann hier aus Platzgründen nicht weiter eingegangen werden. Kurz resümiert sei hier, daß Schweden seine militärischen Anstrengungen teilweise durch den Übergang zu einer Kupferwährung finanzierte und daß in Frankreich und Spanien die Währung an einem Abfluß der Edelmetalle ins Ausland litt, während in den Niederlanden die Jahre 1618-1648 durchaus von Stabilität geprägt waren. [48]



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ANMERKUNGEN


1. Bahrfeldt 1930, S. 396; Mikołajczyk 1988, S. 102, 107-113.

2. Vgl. Gaettens 1955, S. 74-77.

3. S. die Laufbahn des Claus Oppermann in Jesse 1952, S. 74-75.

4. Schneider 1990, S. 51.

5. Klüßendorf 1989, S. 33; Klüßendorf 1988, S. 118.

6. Altmann 1976, S. 108-112. Zum Probationstag in Köln am 11.5.1621 erschienen nur die Münzmeister von Reckheim, Köln und Aachen (Staatsarchiv Münster, Corvey B III cc Nr. 2).

7. Vgl. Metz 1990, S. 187 (nach Tomaszewski 1934; diese Arbeit konnte nicht herangezogen werden), S. 190; Mikołajczyk 1988, S. 115, 117.

8. Kunzel 1994, S. 76.

9. Grote/Hölzermann 1867, S. 188f.; Falkmann 1856, S. 156-188.

10. Schneider 1990, S. 53, 61.

11. Ilisch 1995, S. 258f.; ähnlich waren die Verhältnisse in Ostwestfalen, vgl. Stange 1951, S. 131-136; Ilisch 1988, S. 76-80; Grote/Hölzermann 1867, S. 185f., 191ff.

12. Probszt 1973, S. 427ff.

13. Probszt 1973, S. 429f., 434, 438f.

14. Probszt 1973, S. 430ff.

15. Probszt 1973, S. 432-436.

16. Klüßendorf 1988, S.111f.; Schneider 1990, S. 48.

17. Weisenstein 1991, S. 77.

18. Weisenstein 1991, S. 62f.

19. Noss 1925, S. 152; Noss 1926, S. 159f.; Nos 1929, S. 62; Metz 1990, S. 122-127, 271.

20. Ilisch 1995, S. 258.

21. Mehl 1980, S. 133-137; Staatsarchiv Münster Corvey, B III cc Nr.2.

22. Bahrfeldt 1895, S. 302.

23. Fiorino 1915, Sp. 5755. Schneider 1990, S. 73.

24. Altmann 1976, S. 137.

25. Blum 1995, S. 67; Greissler 1997, S. 83 (Kurse 29.12.1619: 108, 21.06.1623: 360), frdl. Hinweis von Alain Poinsignon.

26. Simmen 1939, S. 82; Martin 1978, S. 75-84, 171-180, 305ff., 344-351 (Der Berner Kurs wurde von den Nachbarn teilweise in Frage gestellt). Zu Kursveränderungen in St. Gallen vgl. Irklé-Steinlin 1904, S. 17f. (Talerkurs 1620: 125, 1621/22: 180 Kreuzer), zum Bistum Sitten vgl. Irklé-Steinlin 1901, S.117f.

27. Rougemont 1979, S. 311, 313.

28. Bahrfeldt 1930, S. 411-441.

29. Vgl. Kappelhoff 1982, S. 222.

30. Vgl. z.B. Jungk 1875, S. 80 (Steigerung des Talers von März 1619 bis 1621 von 71 auf 82 Grote); Gaedechens 1854, S. 191f. (Steigerung von 42 Schilling 1618 auf 48 1620).

31. Bahrfeldt 1930, S. 475-495.

32. Altmann 1976, S. 148.

33. Schneider 1990, S. 61-66, 68; Klüßendorf 1988, S. 120ff.; Klüßendorf 1989, S. 21f.

34. Schmidt 1958/59, S. 159-197; Erbstein 1895, Sp. 1971ff.; Blatter 1934, S. 48-58.

35. Schneider 1977, S. 59.

36. Vgl. Altmann 1976, S. 141f., 155; Hanauer 1876, S. 563-566; Jesse 1952, S. 78.

37. Vgl. z.B. Oberlé 1965, S. 350ff.

38. Redlich 1972, S. 36f.

39. "weiln die Soldatesca andere Münzen nit annemlich" (Altmann 1976, S. 146).

40. Schneider 1977, S. 121-128.

41. Zur Ausbreitung der Begrifflichkeit s. Redlich 1972, S. 17-20.

42. Redlich 1972, S. 21-50.

43. Vgl. Klüßendorf 1988, S. 115f.; eine Ausnahme ist die Schrift des kaiserlichen Rates Geizkofler (1560-1617), die 1621 gedruckt wurde, aber ohne Einfluß blieb, vgl. Redlich 1972, S. 50-54.

44. Jesse 1952, S. 78; Probszt 1973, S. 432f.

45. Schneider 1990, S. 69; vgl. auch Hanauer 1876, S. 452.

46. Hanauer 1876, S. 392.

47. Dethlefs 1980, S. 5-10, 34.

48. Tingström 1981, S. 4-10; Wolontis 1936, S. 21-78; Spooner 1956, S. 183-193; Schrötter 1906, S. 289-330; Gelder 1965, S. 123-130; Kuyk/Gelder 1948, S. 29f.



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