Forschungsstelle "Westfälischer Friede": Dokumentation

DOKUMENTATION | Ausstellungen: 1648 - Krieg und Frieden in Europa

Textbände > Bd. I: Politik, Religion, Recht und Gesellschaft

WULF ECKART VOSS
Zur Verhinderung noch größeren Leids - Vom Elend und Segen des Rechts im Kriege

Die Sprichwort gewordene Erfahrung "Im Kriege schweigt das Recht" gilt vielfach auch für das Kriegsrecht selbst. Wie oft und einschneidend sich das Recht auf dem Papier von dem der gelebten und erlittenen Wirklichkeit entfernt, lernen die Opfer des Krieges am schmerzlichsten kennen. Aus den erschütternden Berichten über den Alltag im Dreißigjährigen Krieg und die schier untragbaren Lasten derer, die auf ihren Gütern, Gehöften und Höfen Fußvolk und Reiterschwadronen, bisweilen sogar ganze Regimenter einquartieren mußten; ja, die mit ihrem Vieh und Korn den Krieg ernährten und auf deren Pferde und Fuhrwerke man für Troß und Reiter zugriff, ragt eine im Original weithin verschollene Sammlung von Dokumenten besonders heraus, aus der hier einige Briefe, Schreiben und Urkunden über die Praxis des Kriegsrechts zu Wort kommen sollen.

Über die kriegsbedingten Geschehnisse hatte der in Vorpommern bei Triebsees in nicht geringem Umfang begüterte erbansässige Adlige Georg (auch "Jürgen" oder "Jörg") Behr berichtet und offenbar in der Absicht, seinen von den Schweden zerstreuten und verteilten Besitz nach dem Kriege auf dem Rechts- und Gnadenwege wieder zusammenzubringen, ein Großteil der dafür einschlägigen Urkunden gesammelt. Unter den Händen von Julius von Bohlen-Bohlendorf war das Konvolut, das er über den Antiquariatshandel erworben hatte, um weitere Urkunden, z.T. aus Hinterpommern, ergänzt worden, so daß es nun neben den Berichten, Briefen und Urkunden Georg Behrs auch Schreiben schwedischer Militärstellen bis hin zur Generalität enthielt. In erster Linie betreffen sie das bei Triebsees an der Trebel nördlich Demmin und Anklam gelegene, damals "Teufelsdorf" (auch "Düwelsdorff", heute: "Degelsdorf") genannte Adelsgut, das in besonderer Weise unter den Generälen Wrangel und Banér in die Kriegsgeschehnisse einbezogen war. Das Material wirft vor allem Licht auf das Kriegsrecht der Praxis, und hier besonders auf die Kontributionspraxis in Pommern unter den Generälen Hermann Wrangel und Johan Banér, der seinerzeit Wrangels Kollege, aber auch erbitterter Konkurrent um den schwedischen Oberbefehl in Deutschland gewesen war.

Als sich Herzog Bogislav XIV. (1625-1637), Georg Behrs Lehnsherr, nach dem Sieg der Schweden vom Februar 1631 über die Kaiserlichen in Pommern gegen seine Interessen zu einem Bündnis mit Gustav Adolf gedrängt gesehen hatte, war der pommerische Landadel, und mit ihm Georg Behr, den "verbündeten" Schweden zu drückenden Kontributionen verpflichtet worden. Seinem Bericht zufolge hatte alsbald eine Schwadron Fußsoldaten, die "nebst dessen ganzer Bagage und Troß" nach Teufelsdorf gelegt worden war, innerhalb von nur 6 Tagen auf dem Gutshof so gehaust, "daß kein Stück Brod und Trunk Bier, noch Fisch im Teich übrig geblieben, anderer Excesse, grober Verunreinigung und barbarischer Befleckung der Kirche und des heiligen Altars zu schweigen". Vor dem sicheren Ruin war Behr nur durch eine ungewöhnlich drastische "Disziplinarmaßnahme" gerettet worden, die ebenfalls "Kriegsrecht" war: Nachdem man seine Beschwerden und Eingaben zunächst überhört hatte und er sich (wahrheitswidrig, wie er in seinem Bericht betonte) sagen lassen mußte, er sei vordem von den Kaiserlichen geschont worden, war eines Tages Obrist Wrangel erschienen und hatte den Regimentsmajor wegen des Mißstandes "mit einer guten Maulschelle dergestalt tractiret, daß die übrigen Offiziere dadurch zu sich selber kommen, ihre Unbilde erkannt und seinen Hof verlassen". Daß die drückenden Kontributionen aber weitergingen und das Land mehr und mehr zerrütteten, erwähnt Behr selbst für die relativ ruhigen Jahre in Pommern, in denen das Herzogtum nicht Kriegsschauplatz gewesen war.

Durch den Tod des am 10. März 1637 kinderlos verstorbenen Herzog Bogislav XIV. war das schwedisch besetzte Pommern führungslos geworden, weil sich die Besatzungsmacht weigerte, das Land an Kurfürst Georg Wilhelm von Brandenburg (1619-1640) als rechtmäßigen Erben herauszugeben. Da die Bildung einer Interimsregierung auf den Widerstand Brandenburgs hin unterblieben war, hatten sich schließlich die Vertreter der "hinterlassenen Stände" der anfallenden Aufgaben angenommen, insbesondere der sehr delikaten, bei den Beschwerden der Kontributionspflichtigen gegenüber der schwedischen Militärverwaltung zu vermitteln. Als Pommern 1637 wieder Kriegsgebiet geworden war und die Schweden unter Hermann Wrangels Oberbefehl im Sommer die von den Flüssen Peene, Trebel und Recknitz gebildete Verteidigungslinie gegenüber den Kaiserlichen unter General Gallas halten konnten, mußte jener sich in die Umgebung Stralsunds zum Winterlager zurückziehen. Wrangel sicherte Vorpommern, während sich Banér nach Stettin und Hinterpommern begab. Für Georg Behrs Güter mitten in der Verteidigungslinie am Trebel und im Bereich der "Cantonierungs-Quartiere" hatte diese exponierte Lage schlimme Folgen.

Georg Behr waren im Zuge dieser Maßnahmen alle 200 Pferde auf einmal und damit das letzte Reit- und Zugtier genommen worden. Er war danach, anders als seine Nachbarn, die ihre wertvollste Habe per Fuhrwerk in die Stadt retten konnten, vollkommen unbeweglich geworden und jenen übermäßigen Einquartierungen, aber auch den Heimsuchungen von "Troß und Bagage", die nachgezogen wurden und als "licentiose Soldatesque" die näheren und ferneren Landstriche zusätzlich plünderten, hilflos ausgeliefert. Auf Gut Teufelsdorf waren darüber hinaus ein Offizier mit 12 Dragonern einquartiert worden. Was ihr täglicher Bedarf war, nennt eine Anweisung des zuständigen Quartiermeisters. Und zur Erzwingung dessen, was man erwartete, enthält sie ganz unverhüllte Drohungen, falls die Ansätze nicht freiwillig geliefert würden :

Requisitionszettel: "Eß sollen die zugeordneten Dorffer, welche nach meinem Quartier Dreibohm zur Erhaltung meiner Reuter Proviant geben sollen, muß vffß genaugste teglich, der anfank oder erste tag ist der 3. September, vnd richtig anhero geschaffet werden, wie folget: teglich 5 Tonnen Bier, - 200 Pfund Brod, - 60 Scheffel Haber, - 200 Pfund Rindfleißg, - 4 Fuder Heug, die gutt sein; - teglich an allerley Gewürtze fohr mich vnd meine Officierer nach nohtorff; teglich ein fiertel Butter, - teglich einen halben Scheffel Saltz, - teglich 30 Lichte. - In des Hrn. Rittmeisters Küchen teglich, sowol auch fohr die andern Officierer: 2 Schaffe, - 12 Hüner, - 6 Gense, - 30 Eyer.- Solches sol ohnaußbleiblich gelieffert werden teglich, vnd an welchem Dorffe es mankieren [fehlen] wirt, solß also durch die Reuter selber geholet werden, welches ihnen [d.h. den Pflichtigen] nicht gefallen wirt.
Geben Quartier Dreibohm, den 4.September Ani 1637.
Georg Mittelstedt, Quartiermeister mpr."

Beschwerden über den erzwungenen Niedergang aller ordentlichen Bewirtschaftung hatten, wie Behr in seinem Bericht andeutet, nichts gefruchtet. Dennoch konnte diese ruinöse Entwicklung der schwedischen Militärverwaltung, die auf die langandauernde Erhaltung der Gutswirtschaft und ihrer Leistungsfähigkeit bedacht sein mußte, nicht gleichgültig sein. Hermann Wrangel hatte darum auch im September entsprechende Anordnungen getroffen, um das Ausdreschen der eingebrachten Kornernte durch militärischen Schutz gegen Plünderer, der von den Kommandanten der Garnisonsstädte angefordert werden sollte, zu sichern :

"Demnach über die vielfeltige publicirte Mandaten und Ordres wegen anstellung der Insolentien und insonderheit des Korntreschens in diesem Ort Landes noch teglich schwere klagten einkommen, zu deren remedirung J. Exll. wie vorhin nichts unterlassen werden, und derhalben krafft dieses dem Herrn Major Rawen volmacht ertheilet, die Commendanten in den Stedten um Hüllf ansuchen und sie dem Beträngten zu seiner Defension an die Hand zu geben: Als würdt hiemit allen Kommendanten, es seyn gleich zu Stralsund, Greifswald, Anklam, Wolgast, Demmin, Tribsees oder wo es wolle, angefügt, daß sie auf ermelten Herrn Commissarij Rawen begehren, demjenigen, so gewaldt geschieht, mit so viel Volck als er nötig ihme beispringen wollen, ahn Ort und Zeit, wie er solchs bescheiden würdt. Signatum Loitz, den 25. Septembris Anno 1637. H. Wrangel m. p."

Solche Schutzmaßnahmen erfolgten zwar, offenbar aber nur sporadisch. Wie unfähig die Kriegsverwaltung war, Besserung herbeizuführen, geben die hilflosen Antworten der Generäle auf die Klagen aus der Bevölkerung zu erkennen: Auf die Beschwerden, die von den "Fürstlichen Pommerschen hinterlassenen und daselbst anjetzo anwesenden Räthen" unter ihrem Präsidenten Philipp Horn bei den verbündeten Schweden zur Schonung des Adels und ihrer Bauern unbeirrt einlegt worden waren, gab es nur fadenscheinige Bemäntelungen. Diese Beschwerden, die z.T. an Wangel und Banér gemeinsam gingen, hatten im wesentlichen den gleichen Inhalt: daß die von der Generalität versprochenen oder von ihnen auch ins Werk gesetzten Schutzmaßnahmen zugunsten der leistungspflichtigen Bevölkerung ins Leere liefen. Daß keine spürbare Linderung eingetreten sei, man vielmehr nach wie vor unter Plünderungen, Brandschatzungen, Vergewaltigungen und Kirchenschändungen zu leiden habe, faßt z.B. die Petition der Räte, die für den Landesteil Wolgast an Feldmarschall Wrangel gerichtet war, zusammen:

" [...] und werden Sie aus teils vnsers mittels notification, wie auch von den Herrn Feldkämerier, deme wir desfals nottürtigen mündtlichen Bericht gethan, hochgönstig vernommen haben, was für tägliche und stündtliche Plünderungen, Erbrechung der Gotteshäuser und abschewliche cruciatus mit Predigern und andern Landes=Einwohnern, welche auf E. Exll. jüngsthin zu Loitz beschehenes rathsames erachten ihre Güter wieder bezogen hin und wider vorgehen und vorgenommen werden.

Nun nehmen solche unter Freunden und Leuten eines glaubens vnerhörte Thätlichkeiten nicht abe, sondern thun sich leider von Tage zu Tage vielmehr häufen, gestalt dan die Weibsbilder, jung und alt, häufig bis vff den thott geschändet und theils alte vmb gelts willen also torquiret und gemartert, daß sie auch ein bessers nicht mehr, als des thodes begehren, so ist auch unter andern noch in jüngst verwichner nacht das Hospital, so nahe bei dieser Stadt gelegen, erbärmlich ausgeplündert und die Leute daraus geprügelt und geschlagen, auch der Voigt Jacob Schröder von dem nahe an der Stadt belegnen Viehhoffe in dieser nacht, ein anderer, Jacob Jeßke von Zipke, vor 3 Tagen gefangen weg geführet, auch Ackerwerk und Mühlen allenthalben ruinirt worden.

Vnd als etliche von den landverderblichen Burße für hiesigen Thore ertappet und alhie eingebracht, stellen E. Exll. wir unterdienstlich anheimb, ob Sie dieselben abfordern und ihnen ihr recht anthun lassen wollen. Im übrigen haben wir vnterdienstlich zu pitten, daß E. Exll. sich wollen belieben lassen, vorberegte Crudelitäten, Insolentien und Plünderungen auf menschmöglichste maße abzuschaffen und die anordnung zu machen, daß obbenannte und andere Gefangene ohne Beschwerung auf freyen Fuß nicht allein wieder gestellet, sondern auch, wie wir gestern bei dem Herrn Feldtkemmerirer erinnert, diese Stadt mit einer Guarnison zu Fuß und die benachbarten vom Adel mit Salvaguardien versehen werden mögen.

E. Exll. thun wir hiemit der gnadenreichen obacht des höchsten und uns zu dero beharrlichen Faveur unterdienstlich empfehlen. Barth, den 30. Septembris 1637. Ew. Excell. vnterwillige Fürstl. Pommerische hinterlassene und daselbst anjetzo anwesende Räthe."

Wrangel war nichts anderes übrig geblieben, als die beklagten Geschehnisse zu bestätigen, ohne aber Abhilfe garantieren zu können: "da von der licentiosen Soldatesque mit Plündern, Rauben und andern ohnzehligen hochstrafbaren Insolentien also gehauset worden, daß es mehr zu beklagen als zu remediren". Ein Strafgericht folgte aber befehlsgemäß auf dem Fuße, und zwar hart. Die Beschwerde trug das Datum vom 30. September, und der Gerichtstermin samt Exekution lag schon auf dem 3. Oktober.

Die Rechtsgrundlagen für die in diesen Fällen verhängten Todesstrafen waren die "Artikelbriefe" von 1621 mit Zusätzen von 1631. Die Vermehrung und Präzisierung der Kriegsartikel war nach den anfänglichen schlechten Erfahrungen mit der Truppendisziplin erforderlich geworden, offenbar wegen der zunächst unzureichenden Rechtsgrundlage für Verfolgungen wegen schwerer Erpressung von Kontributionen, wegen sinnloser Zerstörung von Schulen und wegen Schändung von Kirchen, wegen Anmaßung von Privilegien, unerlaubten Verlassens der Truppe und wegen Marodierens:

"Wir Gustaff Adolph von Gottes Gnaden, [...]etc., Thun hiermit jedermäniglichen kundt und zu wissen, Nach dem bishero die Kriegs Disciplin und Ordnung, welche in Unsern Königreichen bey Unserm Kriegsvolck eyngeführt und gebräuchlichen gewesen, in Abfall gerathen, und dagegen allerhandt Unordnung, Ungehorsam und Widersetzigkeit bey den Soldaten erwachsen: Dahero dann zum öfftern mercklicher Schade und grosse Niderlage zu des Vatterlandts eussersten Verderben sich ereygnet, und aber Wir reifflich erwogen, daß des Reichs Beschützung und Wolfahrt (nächst Gott) auff ein, mit guten und tüchtigen Soldaten wolbestelltes Regiment und verfaster Kriegsordnung bestehe."

Zusätzlich zu jenem auf den 3. Oktober angesetzten Strafgericht erließ Wrangel an die Stadtkommandanten von Triebsees, Demmin, Loitz und Anklam die Weisung, daß die Ausgeplünderten die Gelegenheit erhalten sollten, ihr Hab und Gut zurückzufordern und zur Identifikation ihrer Pferde, ihres Viehs und ihrer Habe sogar in die Lager kommen sollten. Damit der Schutz nicht ins Leere ginge, sollte weiter jeder Export von Vieh und Pferden aus der Region vorerst unterbleiben. Erkennbar ist demnach, daß von seiten der Generalität hin und wieder zu außergewöhnlichen Maßnahmen wie diesen gegriffen wurde, um die Bevölkerung vom guten Willen der Militärverwaltung zu überzeugen. Hilfreich wäre aber nur die Unterbrechung oder zumindest eine Milderung der Kontributionen gewesen, die der Landwirtschaft überhaupt erst eine Chance zu ihrer Erholung gegeben hätte. Damit wäre aber das Kontributionssystem grundsätzlich in Frage gestellt worden. Das aber wagten noch nicht einmal die Bittsteller. Ein solcher Antrag wäre aber wohl selbst bei Wrangel, der sich noch am weitesten den Anliegen der Räte geöffnet hatte, auf taube Ohren gestoßen.

Banérs Reaktion auf die beklagten Geschehnisse unterschied sich deutlich von Wrangels Maßnahmen. Letztlich drehte Banér den Spieß um und beschuldigte seinerseits die klageführenden Ständevertreter, sie hätten nicht im erforderlichen Umfange darauf hingewirkt, daß die geforderten Kontributionen rechtzeitig und vollständig erbracht würden. Wären alle Forderungen zur Zufriedenheit der Militärverwaltung erfüllt worden, würde es um die Disziplin der Soldaten viel besser stehen, und Selbsthilfemaßnahmen hätten viel leichter unterbunden werden können:

" [...] Muß aber gleichwoll beklagen, daß die bei dem Lande und den Interessenten, die von itziger Turbation vngemach ausstehen müssen, nicht bei zeit eine erkleckliche Disposition zum Magazin angestellet, welches zu der Soldatesca vnterhalt serviren und derselben Exorbitantien, die von mir keineswegs approbiret, sondern vor ein gereuhl gehalten werden, also präcaviret und schon alle entschuldigung ihres herumvagirens benommen werden könne. Nichts desto minder will ich mich in allem als einem eyferigen osorem [d. i. Hasser] solcher gewaldtahten erweisen und hergegen vom Lande und dessen Interessenten guhter anstaldt zu der Soldatesca Alimentation versehen, wodurch sie dan so viel besser beisahmen und eingeschlossen zu halten sein werden [...]"

In dieser Unverhülltheit ist der Hinweis, daß den Bewohnern des Landes wegen nicht vollständig erbrachter Ablieferungen eine Mitschuld an ihrem Unglück nicht abzusprechen sei, kaum anderes als eine Einschüchterung von höchster Stelle. Banérs Schreiben, das ja ein Zeugnis der obersten Führungsebene der schwedischen Expeditionsarmee ist, unterscheidet sich, was die Notwendigkeit der Kontributionen angeht, wohl im Stil und der Form, kaum aber in seinem Geist von jenem oben zitierten Zusatz des Quartiermeisters Georg Mittelstedt vom 4. 9. 1637.

Banér war die rigide Praxis natürlich vertraut. Schon in einem "Patent" vom 6. Oktober war dies zum Ausdruck gekommen: Zwar hatte er damals angekündigt, er werde das ihm Mögliche tun, um das freie Requirieren von Marodeuren zu unterbinden. Aber darauf sollte sein Engagement zugunsten der leistungspflichtigen Bevölkerung auch beschränkt bleiben. Wo Soldaten im berechtigten Auftrag auszogen und sie, weil ihren Forderungen nicht oder nicht in vollem Umfang Folge geleistet wurde, zur Gewalt griffen, um die erwarteten Ansätze aufzutreiben, gab Banér den Betroffenen zu verstehen, daß er in diesen Fällen ihnen nicht helfen werde. Denn sie hätten ja selbst - und wenn nicht persönlich, dann doch immerhin ihresgleichen - die Geduld der Soldaten durch den anhaltenden Leistungsverzug, der seitens der Heeresverwaltung zu beklagen sei, herausgefordert und sich den Unmut der Soldaten zugezogen.

Es hat den Anschein, als sei damals diese Warnung die eigentliche Botschaft gewesen. Denn mit der Ankündigung, daß jenes "Patent" vom 6. 10. 1637 bis zu fünfhundertmal veröffentlicht werden solle, wird ja geradezu unterstrichen, daß sich Banér tatsächlich an die Bevölkerung und nicht an die Soldaten wenden wollte, die es ja eigentlich waren, deren Übermut gebremst und deren Zügellosigkeit unterbunden werden sollte. Bestätigt wird dieser Verdacht auch dadurch, daß es bereits in seinem Eingang, gleich nachdem jene schrecklichen Vorgänge beklagt werden, auch schon warnend anklingt, daß es Banér primär um die Versorgung des Heeres geht, selbst unter Inkaufnahme von Leid und Verarmung der Bevölkerung. Die Sicherstellung des Unterhalts der Truppe war und blieb sein eigentliches Ziel:

" [...] Obwol hochgedachte Ihre Exll. vermeinet, es würden durch dero eine Zeit her sehr vielfältige und offt, auch noch jüngsthin zu Stettin am 29. July repetirte Poenal=Mandata, dero unterhabende Soldatesca von ihren grewsamen Exzessen, Raubmord, Plünderung, Brand, Schändung der Frawen und Jungfrawen, wol ohne vnterschied des Standes und Alters, Devastirung der Kirchen und Gotteshäuser und Beleidigung der Prediger und Kirchendiener, Verwüstung der Gaben Gottes und anderer barbarischen Crudelitäten abgeschrecket worden sein, die Herren Obristen und nachgesetzten Offizirer auch dermaßen darüber gehalten und solche disciplin angeordnet und confirmiret haben, daß zu ihrem selbst eigenen besten, insonderheit abwendung des, durch solche teuflische prozeduren angezündeten Zorn Gottes viele Lande und Leute conserviret, die Armee also besser alimentiret und nicht Noth und Mangel leiden dürfen, gestalten die Herren Obristen solches Ihrer Exll. hochbetheuerlich versprochen und angelobet [...]".

Zwar werden im Anschluß daran die schrecklichen Verbrechen noch einmal hervorgehoben. Aber auch hier wird deutlich, daß deren Verfolgung ebenfalls nur Mittel ist, um die mit einer ungezügelten und ungeplanten Eintreibung für eine konstante Heeresversorgung verbundenen Gefahren zu vermindern:

"So hat doch bishero die Erfahrung gelehret, daß die Soldatesca einen Weg wie den andern, zumahl bei der einrückung in Vor=Pommern ganz exorbitant bei ihren unchristlichen und abschewlichen enormischen Exzessen verharret und dieselbe von Tage zu Tage zu und fast überhand genommen und jetzo mit vielen grewlichen und noch nie erhörten Martern und Plagen des armen Landmannes vergrößert, die arthen derselben vermehret und durch conniventz der Offizirer in vollen schwang gerathen und daraus eine solche Gewonheit eingewurzelt, welche Gottes Zorn dermaßen gehäufet, daß dessen effect die Armee bis dato nicht wenig gespüret. Als haben Ihre Exll. aus obliegender Fürsorge, zu Conservation dero anvertrawten Armee, protection der damit inne habenden Lande und beybehaltung der Einwohner, insonderheit zu Beschützung der eingeerndeten Früchte und Lebensmittel, auch wiederbestellung des Feldbawes und Aussäens und Lebensmittel für hochnötig erachtet, dero Mandata noch einmal und zum Ueberfluß zu wiederholen [...]."

Dann wird den Räten drastisch in Erinnerung gerufen, daß die Disziplin der Söldner trotz Anordnung strengster Lagerzucht und deren Überwachung durch die Offiziere und Unterführer nur eingehalten werden könne, wenn die Versorgung klappe und die Ablieferungen vollständig und pünktlich erfolgten. Andernfalls könne der für die Landbevölkerung versprochene und von den Garnisonen bereitgestellte Schutz nicht garantiert werden:

"Erinnern und admoniren demnach die Herren Obristen, thun auch hiemit ernsten Befehl, bei dero unterhabenden gantzen Armee, sie wollen alles obbesagte wol ponderiren, damit die Soldatesca ihr ordentlicher Vnterhalt, ohne abgang gereichet werden könne, ein jeder bei seinem Regiment die Reuter und Knechte beysammen halten, außer den nötigen Herren Diensten keine Excursiones gestatten; wie dann alle diejenigen, so auf den Straßen ohne gebührende Herren Dienste herumb terminiren, auch ohne beglaubigten Paß, ein jeder von seinem Obristen oder Regiments=Commendanten befunden werde, ohne einiges Bedenken und ferner nachfrage, an Leib und Leben gestrafet werden solle.

Hiebei die Herren Obristen den Landmann mit gehörigen lebendigen Salva guardien also schirmen und schützen sollen, daß sie nicht allein bei den ihrigen verbleiben, sondern auch die Feldfrüchte ohngehindert genießen, und also der Armee ihren Quotam zur Alimentation davon abstatten können, wie dann Seiner Excellenz bei befindenden Excessen bei den Offizirern verbleiben, die Verantwortung bei ihnen fordern und mit vnnachlessiger Strafe eifern, [...]."

Ganz anders verhielt es sich mit Soldaten und Offizieren, die auftragsgemäß die Kontributions-Kollekte einforderten, auch wenn sie hierbei, was den Umfang der Leistungen und die Art ihres Vorgehens anging, in so unerhörter Weise über das übliche Maß hinausgegangen waren, wie in jenen zwei Fällen, die die Räte zur Veranlassung nehmen mußten, um erneut gegenüber der Heeresführung aktiv zu werden:

Ein solcher Vorgang dreistester Erpressung war im "Bublitzschen Quartier", einem Requisitionsdistrikt in Hinterpommern, unter den dort ansässigen Kontributionspflichtigen in die Tat umgesetzt worden, wobei offenbar findige Juristen oder auch Winkeladvokaten im Heeresgefolge unter dem Schein des Rechts Hilfestellung geleistet hatten: Die Eintreiber dort hatten tatsächlich die Unterschrift der Pflichtigen in jenem Distrikt unter mehrere Verpflichtungsscheine erzwingen können. Entsprechend werden die "Contribuenten und Stifts=Stände" im Eingang dieser Schuldanerkenntnisse als die genannt, die insgesamt für den Unterhalt des in ihren Distrikt gelegten Regiments aufzukommen hatten. Da aber jene Pflichtigen bei der Eintreibung der Abgaben mit einem stark überhöhten Ansatz veranschlagt worden waren, den sie von Rechts wegen nicht zu erbringen brauchten, ihn aber auch nicht leisten konnten, demnach wegen der erheblichen Restsumme, die sie schuldig blieben, den Zorn und Mutwillen der Eintreiber herausgefordert hatten, mußten sie sich schließlich dazu bereitfinden, die ihnen vorgelegten Urkunden über die geforderten Summen zu unterschreiben. In dem einen Fall hatten sie sich bis zu einem bestimmten Termin für die Zahlung von 2.500 Reichstaler zu verpflichten, wobei sie sich bei Säumnis ohne Anrufung eines Gerichts der "militairischen Execution" unterwerfen mußten; eine Härte, die die im übrigen parallele Urkunde über die Lieferung von 5.625 Scheffel "Korn oder Getreydes", den Scheffel zu einem Gulden gerechnet, nicht enthielt, was aber im Falle des Verzuges kaum eine schonendere Behandlung zur Folge gehabt haben dürfte. Damit hatte sich aber die Reiterschwadron, die zur Eintreibung ausgeschickt worden war, nicht zufrieden gegeben. Zur Sicherung dieser ungesetzlichen immensen Ansprüche hatte sie sich als weiteres Mittel der Strangulierung ausgedacht, zwei Adlige jenes Bezirks, die eigentlich anteilig mitzuhaften hatten, für das vom gesamten Distrikt zu erbringende Aufkommen gesamtschuldnerisch in Anspruch zu nehmen. Wenn man sich erinnert, daß auf dem von Georg Behrs Vetter Christoff bewirtschafteten Gut Semlow, als es im Zuge der akuten Kriegshandlungen an der Trebel vom 27. 8. bis 16. 9. 1637 vier Regimenter hatte aufnehmen müssen, durch die übermäßige Einquartierung ein Schaden in Höhe von über 6027 Gulden entstanden war, der das Gut und die ihm zugehörigen Dörfer ruiniert hatte, dann wird man das Übermaß der Last, die jenen beiden Adligen im Rahmen der Erhebung "ordnungsgemäßer" Kontribution zugemutet worden war, überschlägig ermessen können. Weil aber jene beiden Adligen die für ihre Güter viel zu hohen Summen und Mengen nicht leisten konnten, waren sie ergriffen worden, gemartert und wie Kriegsgefangene oder Geiseln in einem Kerker in Beugehaft genommen worden, die bis zur Begleichung aller Forderungen andauern sollte. Jene Urkunde, die zur Erzwingung des kurzfristigen Geldbedarfs errichtet worden und auf den Betrag von 2.500 Reichstaler ausgestellt war, lautet:

"Wir zum Bublitzschen Quartier anjetzo verlegte sembtliche Contribuenten und Stifts=Stände Vhrkunden und bekennen hiermit vor jedermänniglich: Demnach wir mit dem Herrn Rittmeister Melchior von Filtz wegen des Herrn Graffen von Hoditz Regiment, welches vff den Bublitzischen Distrikt verwiesen, tractirt, und so viele an bahrem gelde anreichet geschlossen, das wir ihme zweitausend fünffhundert Reichsthaler abzutragen angenommen. Weil wir aber in so schleuniger Frist zu ablage der völligen Summen nicht gelangen können: So ist ferner verabhandelt, das wir jetzo alsfort, so viele wir immermehr an gelde anschaffen und zu wege bringen können, ihme Herrn Rittmeister erlegen wollen, und weil er vns mit dem Vbrigen 14 Tage nach Bartholomäi [24. 8. + 14 Tg. = 7. 9.] Dilation einzuräumen versprochen: Als verpflichten wir uns darjegen auch hiermit bey unsern ehren, treuen, glauben und wahren worten, das wir ihm solcher vbermaß, so hoch sich dieselbe nach eines jeden Quota belauffen möchte, vff benante Zeit in Colberg bezahlen und ablegen wollen. In verfeilung dessen, soll alsdann wider die säumigen mit der militairischen Execution verfahren werden, und solches mit begebung aller Wollthaten der Rechte, wie die nahmen haben muegen. Vhrkundlich etc. Cößlin, den 30. July Ao. 1637."

Banérs zunächst recht verbindliche Antwort billigte die Einforderung überhöhter Ansätze der Sache nach nicht:

"Nun approbire ich zwar vorerst die hohe und vbermeßige Praetension gedachten Regiments durchaus nicht, vielweniger lasse ich mir ihre Procedere der Captivitet halber, bevorab da die zweene vom Adel in dem Verstande, als Gefangene geachtet würden, gefallen: [...] "

Dennoch ließ er die Täter unbehelligt, da er die erpreßten Verpflichtungsscheine selbst, aber auch was die überhöhten Summen angeht, als juristische Fakten gültig sein ließ, ganz so als ob es sich um alltägliche Schuldscheine handelte, so wie sie unter Soldaten für irgendwelche Versprechungen, die dadurch, daß der Schuldner ein Anerkenntnis darüber in entsprechender Höhe aufsetzte, verbindlich wurden; ein Beispiel, das als Analogie für erpreßte Verpflichtungsscheine aber ungeeignet war, was Banér jedoch nicht weiter interessierte:

" [...] allein hetten die Quartiers=Verwandten, worunter die beide vom Adell nicht die geringsten sein werden, sich zu so einem hohen, ehe sie sich bei mir darüber beschwehret, nicht verbunden, und also ihre Zusage und schriftliche Obligation zu einer schuldt, wie solches bei Soldaten agnosciret wird, machen, viel weiniger do sie es einmahl zu bezahlen angelobet entweichen und also gedachten Offizirern zu ihrer Bemühung umb schadlos Bürgen Vrsach geben sollen [...]"

Immerhin entließ er die gefangenen Adligen aus der Haft, weil Angehörige verbündeter Mächte nicht wie Kriegsgefangene behandelt werden dürften. Doch befreite er sie nicht von ihrer Haftung für das gesamte Distriktsaufkommen, die zu übernehmen sie gezwungen worden waren. Vielmehr deutete er mit dem Anschein fürsorgender Billigkeit jene Ungeheuerlichkeit der Geiselhaft in eine angeblich zulässige Bürgschaft in Höhe des erpreßten Gesamtbetrages um, was juristisch kaum weniger bedenklich war:

" [...] Ich will gleichwohl nicht unterlassen, das werck zu einem billigen wege, damit erwehnte zu Bürgen angenommene vom Adel relaxieret werden können, zu disponiren."

Die Begründung dafür gerät zur Lektion über Kriegsrecht: Banér sei es leid, sich dort, wo die "Kriegsräson" und die "Notwendigkeiten des Krieges" (necessitas belli) solche Maßnahmen verlangten, beständig mit den Beschwerden der provisorischen Regierung auseinandersetzen zu müssen. Gerade weil Pommern zu den Verbündeten gehöre, dürften sich die Adelsgüter mit den von ihnen abhängigen Dörfern und Hofstellen den Aufgaben des Krieges nicht verschließen:

" [...]Verhallte den Herren hiebei freundlich nicht, das mir zwar leidt ist, und keineswegs lobe, das die Soldatesca nicht weinig exorbitiret: Es wehre aber gut, weil ja vor diesmahl diese Lande durch Raison des Krieges mit der Action in demselben nicht geübriget sein können: Wan darin man solch anstalt zu machen hette belieben wollen, darmit die Soldatesca in der disciplin, wie sich gebühret, und ich nebst andern der Armee Inspectoren darzu unsere Begierde an tag gegeben haben, entreteniret werden können, und nicht wegen Hungersnoth zur conservation derselben man mehr, als man gerne gewollt, zu conniviren gezwungen worden wehre. Die Alliance ist zwar von der glorwürdigsten, höchstsäligsten, in Gott ruhenden Königl. Mayestät aus Königlicher Clementz und Liebe gegen diese Lande und guter Wohlbedachtsamkeit placitiret: Aber gleichwohl der necessität, welche auch zu aller gesetzten Verenderung viel und oftmals anlaß giebet, keine regul darin vorgeschrieben; wiewohl ich von Hertzen wünschte, daß die ratio belli dieser pommerschen Quartiere repetir- (sic) und berührung niemals suadieret hette. Es ist auch ohne das nie erhöret, das eine vnbezahlte Armee so genaw als die Herren es desideriren, eingeschlossen und gleichsam in schnüren geführet werden können. [...]"

Geradezu drohend wird der Ton, wo Banér die Räte beschuldigt, sie, die selbst kontributionspflichtig seien, würden aus eigensüchtigen Motiven den Aktionsradius des schwedischen Heeres einengen wollen und sich nicht genügend um dessen Versorgung kümmern. Zusätzlich wurmte es Banér, daß die provisorische Regierung die internen Spannungen zwischen ihm und Wrangel ausnutzte und auch beim Oberkommandierenden vorstellig wurde, um sich über ihn zu beschweren:

"Das sich sonsten die Herrn auf die mit Herrn Feldmarschall Wrangellen über die vorpommersche Quartier getroffenen Vergleich beziehen hat seine gebührende maße: Aber mit dem, was in Hinterpommern notwendig practiciret werden müssen, nichts zu schaffen und ist in comparatione hierin ein mercklicher Vnterschied zu machen. Das die herren sich so oftmals über meiner Soldatesca insolentien beim Herrn Feldmarschall Wrangel beschwehret, muß ich zwar an seinen ort stellen, wie vngern ich aber solche proceduren erfahren und detestire weisen die executiones und glaube wohl nicht, daß die Keißerschen als sie vor etlichen Jahren in diesem Lande militiret, so viel exempla statuiret haben werden, da doch das Landt damahls gleichwol auch nicht in besserer Conservation erhalten worden, als itzo geschehen kan, sondern eine weit größere detirioration gespüret worden. Gott verhüte, das sie dieser Lande nicht dergestalt wieder Meister werden. Es ist kein Zweifel, das sie die Crudeliteten, die sie bishero in der nachbarschafft und im Lande Mekelburg in summo gradu perpetriret, alhie nicht mindern, sondern gutes teils vermehren und vergrößern würden, hoffe aber nicht, daß den Herrn nach ihrer Begästung verlangen werden und thue die Herren darmit der göttlichen bewahrung empfehlen.

Datum Loitz, am 13. Octobris Ao. 1637 [...] "

Die sich hier ankündigende Verschlechterung des Verhältnisses zwischen Banér und den Räten blieb nicht aus. Als Wrangel - nicht zuletzt wegen seiner Spannungen mit Banér - noch im selben Jahr nach Schweden zurückgerufen wurde, hatte sich das Verhältnis Banérs zu den Räten so abgekühlt, daß sie am 7. März 1638 geschlossen zurücktreten mußten und Nachfolger nicht mehr bestimmt wurden. Banér, der zum neuen Gouverneur in Pommern und zum Oberbefehlshaber der Expeditionsarmee ernannt wurde, residierte demonstrativ im Stettiner Schloß. Nicht nur gegenüber Wrangel, sondern auch gegenüber den Landständen, die zudem auf Brandenburgs Pommernpolitik Rücksicht nehmen mußten, hatte er sich auf ganzer Linie durchgesetzt.

Die Exzesse durch das freie Requirieren und die nicht weniger bedrückenden Vorgänge bei der "ordentlichen" Erhebung der Kontributionen waren letztlich gar nicht zu beheben. Insofern sprach Banér aus Erfahrung, wenn er hervorhob, daß auch ohne diejenigen Greuel und Verbrechen, gegen die er sich mit den ihm möglichen Mitteln wehren wollte, es "nie erhöret, das eine vnbezahlte Armee so genaw als die Herren es desiderieren, eingeschlossen und gleichsam in schnüren geführet werden können."

Denn das wilde Marodieren und die Exzesse bei der ohnehin harten, aber angeordneten Eintreibung der zugestandenen Kontributionen beruhten auf demselben Umstand: nämlich auf der an höchster Stelle getroffenen Entscheidung, daß der Krieg die Staatshaushalte so wenig wie möglich, am besten gar nicht belasten solle, daß seine Kosten darum weitgehend aus dem Land, in dem er geführt würde, aufzubringen seien. In diesem Sinne hatten es Gustav II. Adolf und Oxenstierna beschlossen; so hatte sich aber auch schon Wallenstein dem Kaiser empfohlen, und so verfuhren auch die Führer aller anderen Truppen. Die Gelder aus offiziellen Quellen wie der Staatskasse, den ausgehandelten Subsidienleistungen der Bündnispartner und den bei Dritten aufgenommenen Krediten machten nur den geringsten Teil der eigentlichen Kriegskosten aus und dienten allenfalls als "Anschubfinanzierung". Die laufenden Kosten hatte dagegen das Land, das die Stationierung zu ertragen hatte und in dem gekämpft wurde, zu erbringen, gleichgültig ob es Freundes- oder Feindesland war. Was den Vergleich der Belastungen Pommerns unter den Schweden mit denen anging, die die kaiserlichen Truppen unter Wallenstein bis zu ihrer Vertreibung dem Lande zugemutet hatten, konnte Banér immerhin zu Recht darauf verweisen, daß die Schweden in Pommern jedenfalls nicht schlimmer hausten, als es die Armada des Kaisers getan hatte. Das Schicksal Georg Behrs war darum auch nur eines unter vielen, wenn auch eines der wenigen, deren Leid dokumentiert worden ist.



II.

Für Georg Behr, um wieder auf ihn und seine Berührungen mit dem Kriegsrecht zurückzukommen, war es bei bloßen Sach- und Vermögensschäden durch die Verwüstung und den wirtschaftlichen Niedergang seiner Güter nicht geblieben. Das Schicksal hatte ihn auch persönlich nicht verschont. Denn kurz nachdem sein Hof 1637 von jener Schwadron Reiter besetzt worden war und er sich eines Tages unter deren Schutz auf einem Transport befunden hatte, waren allesamt von Kaiserlichen gestellt worden. Deren Heer hatte den Übergang über die Trebel durch einen Kundschafter in Erfahrung gebracht und die Passage in einem spektakulären Kampf gleichsam im Handstreich erzwungen, so daß ausschwärmende Schwadronen der Kaiserlichen sich derartigen Geleitzügen unverhofft in den Weg stellen und kleinere militärische Einheiten gefangennehmen konnten. Unter dem Verdacht, ein Spion zu sein, wurde Georg Behr gleich mitverhaftet und im kaiserlichen Lager im Beisein des General von Bredow verhört. Weil man gegen ihn schließlich doch nichts vorzubringen hatte, wurde er aber wieder laufengelassen, was nun aber den Schweden verdächtig vorkam. So wurde ihm, der seine Güter an der Trebel hatte, von den Schweden unterstellt, daß er es gewesen sei, der dem Feind den Weg über die Trebel und den Triebseer Paß verraten habe. Die Folge war, daß er abermals, jetzt jedoch in schwedische Haft geriet. General Wrangel war von Behrs Unschuld nicht zu überzeugen gewesen, offenbar weil man für die schwere Schlappe der schwedischen Verteidiger an der Trebel ein Fremdverschulden brauchte, für das nur Verrat in Frage kam. Entsprechend wurde Georg Behrs kurze Gefangenschaft bei den Kaiserlichen als Finte gedeutet, die nur seine Kollaboration mit dem Feind verdecken sollte. Georgs Behrs Lehnsgüter wurden darum als heimgefallen angesehen, eingezogen und an einen in schwedischen Diensten stehenden Offizier aus dem Braunschweig-Lüneburgischen neu zu Lehen ausgegeben. Als Behr dann aber doch nichts Konkretes nachgewiesen werden konnte und seine schwere Kerkerhaft sich nicht länger rechtfertigen ließ, wurde er gegen Kaution auf freien Fuß gesetzt. Weil er aber von da ab unter der schwedischen Regentschaft kein Auskommen mehr finden konnte, trat er bei den kaiserlichen Kürassieren des Grafen von Puchheim als Rittmeister in den Dienst, wurde aber schon bald nach ersten Gefechten erneut von den Schweden gefangen, wieder wegen Spionage angeklagt, wobei der Verdacht nun wegen des Dienstes beim Feind erhärtet schien, zum Spießlauf und damit zum sicheren Tode verurteilt. Bezeichnenderweise sollte die Exekution am Ort des angeblichen Verrates, am Triebseer Paß vollzogen werden.

Und doch bewahrte ihn ein gnädiges Schicksal vor dem sicheren Tod, diesmal in Gestalt einer ganz anderen Seite des Kriegsrechts: Die kurze Meldung des Kriegsgerichtes an General Banér, daß das Verfahren gegen Behr abgeschlossen sei und die Vollstreckung des Urteils bevorstehe, wird von den Kaiserlichen abgefangen und General von Bredow überbracht. Jene Meldung an Banér hatte gelautet:

"P. S. Sonsten ist nichts hauptsächliches bei der Armada vorgegangen, außer daß Obrist Erich Schlange Jürgen Behren heute gefangen in unser Lager eingebracht, welcher auch alhie am Passe, da der Kaiserl. General=Wachtmeister Bredow hereinkommen, morgen gespießet werden soll."

Was nun folgte, ist kaum zu glauben, aber doch ein Zeugnis für eine Quelle des Kriegsrechts, an die sich Freund und Feind gemeinsam gebunden fühlten. Zwischen den Feinden konnte tatsächlich "aus christlichem Gewissen", wie es dann bei von Bredow heißt, auf einen gemeinsamen Ehrenkodex Bezug genommen werden, der für beide Seiten unbedingte Verbindlichkeit hatte. Denn als von Bredow von dem sicheren Todesurteil erfährt, wendet er sich in einer langen Erklärung an Wrangel und Banér, in der er preisgibt, mit wessen Hilfe er über den Paß gekommen war und daß Georg Behr nicht jener Kundschafter gewesen sei. In von Bredows Mitteilung wird Georg Behr außerdem ein guter Leumund bezeugt und zugleich in einer nachprüfbaren Weise ein Offizier aus Hamburg als derjenige benannt, der jene, Behr unterstellte Hilfe geleistet habe. Georg Behr sei demnach unschuldig. Und von Bredow schreibt:

" [...] In solcher Vorbleibung aber bin auch ich aus christlichem Gewissen getrungen, ermeltes Behren, hierin wenigst gehabter Wissenschafft, noch gegebene anschläg, mit einer absonderlich ausgefertigten attestation zu bezeugen, es gleichmeßig dem Herrn Obristen, als wolgedachten Herrn Feldmarschall Bannern, wahrhafftig zu remonstriren, auch unmaßgeblich zu bitten, sie bei so gründlicher Bewandnis, ihme Behren, aus der unverschuldten suspicion und disser meiner als auch anderer vorher eingelangter ansehentlicher Intercessionen merklich genießen lassen, der Herr Obrister auch seiner noch allezeit rhümlich vorgekommener Discretion nach, weillen offtermelter Behr sein Gefangener ist, mehrwolgedachter Herr Feldmarschall Banner dahin cooperiren helfen wolle, damit er Behr gegen erleidentlicher Rantion dermaleins deliberiret und dadurch der löbl. althergebrachte Kriegsbrauche nicht geschmellert noch beiderseits böse Consequentien erweckt werden, wie dieses alles zu meines Herrn Obristen weiteren Rhum gedeien und bei uns jederzeit observiert werden wirdt, also getröste mich seines zu der Billigkeit tragenden belieben und ohne präjudicio Herren Dienst verbleibe ich meines Herrn Obersten dienstwilliger Knecht. Bredow, Freiherr, mppr."

Die Werte, an die in dem Schreiben appelliert wird, werden offen genannt: Nach der (hier weggelassenen) Sachverhaltsschilderung, die so neutral wie möglich gehalten war, erinnert von Bredow an das christliche Gewissen, das ihn dazu veranlaßt habe, sich für Georg Behr zu verwenden. Darauf folgen die Gründe für Behrs Unschuld, die im Rahmen einer ordentlichen Militärgerichtsbarkeit, die dem Gegner unterstellt wird, ausreichen müßten, um eine "Remonstration" bei Wrangel und Banér als den obersten Gerichtsherrn zulässig und erfolgreich sein zu lassen. Schließlich endet von Bredow mit der Bitte um gnädige Beurteilung der Lage, in die der unschuldige Behr aus den genannten Gründen gelangt sei, und appelliert damit an die letzte Möglichkeit, auch außerhalb einer formellen "Remonstration" das Urteil zu überdenken. Damit von Bredows Interzession, die ja immerhin aus den Reihen des Feindes kam, das erforderliche Gewicht habe und nicht einfach als Einmischung des Gegners in ein außerdem schon für abgeschlossen erklärtes kriegsgerichtliches Verfahren vom Tisch gewischt werden würde, appelliert er an Wrangels und Banérs "Discretion", d.h. an ihr Urteilsvermögen, das sie einsehen lassen möge, Behr nur noch als einfachen Kriegsgefangenen zu behandeln, der nach altem Kriegsbrauch gegen ein erschwingliches Lösegeld ("Rantion") freizulassen sei. Die Vernunft möge den Generälen weiter sagen, daß, wenn die Schweden in vergleichbaren Fällen auf Gegenseitigkeit und Billigkeit hoffen wollten, wenn auch ohne jedes Präjudiz, sie sich hier entsprechend zu verhalten hätten.

Dieser Brief "von der anderen Seite der Front" kam nicht nur an und noch dazu rechtzeitig; er wurde auch verstanden. Wie wirksam jener Appell an die gemeinsamen Werte des Kriegsrechts und des Kriegsbrauchs war, vielleicht auch gerade, weil er vom Gegner kam und seine Mißachtung die Gefahr begründete, daß in vergleichbaren Fällen die Schweden ebenfalls auf taube Ohren stoßen würden, zeigen die Folgen: Das Urteil gegen Behr wurde sofort ausgesetzt und er tatsächlich wie ein Kriegsgefangener behandelt. Da sich aber die andere Seite für ihn so spektakulär verwendet hatte, ließ dies das Lösegeld in solche Höhen schnellen, daß es nicht aufgebracht werden konnte. Hier waren die Schweden dem Vorschlag von Bredows, einen mäßigen Betrag festzusetzen ("damit er Behr gegen erleidentlicher Rantion dermaleins deliberiret [...] ") nicht gefolgt. Schließlich wurde Behr gegen Ehrenwort doch auf freien Fuß gesetzt, kam aber durch mißgünstige Verleumdung seiner ehemaligen Nachbarn erneut in Kerkerhaft, aus der nur noch seine Frau seine Rehabilitierung betreiben konnte, der es in rastloser Weise und unter Einsatz ihres eigenen Vermögens schließlich auch gelang, daß ihr Mann nach Vorlage von Leumundzeugnissen aus befreundeten Adelshäusern und sogar kaiserlicher Offiziere gegen Sicherheitsleistung freigelassen wurde.

Aber auch der letzte Abschnitt seines Lebens begann mit einem Schicksalsschlag: Nachdem sich der nun weitgehend mittellose Behr bei Neustadt in Holstein ein Landgut gepachtet und es einigermaßen erfolgreich bewirtschaftet hatte, entdeckten ihn die Schweden 1643 bei ihrem Vorstoß nach Norden auch dort, vertrieben ihn vom Hofe und plünderten ihn ein weiteres Mal vollkommen aus. Das hatte bei Behr dazu geführt, daß er sich nun an sein den Schweden gegebenes Wort nicht mehr gebunden fühlte, trat bei demselben Reiterregiment nun als Obrist=Leutnant erneut in kaiserliche Dienste, wo er wegen Tapferkeit bald zum Obristen und danach zum Kommandeur der Festung Brieg im gleichnamigen schlesischen Fürstentum befördert wurde. Erst nach der Generalamnestie von 1648 sah sich Behr in die Lage versetzt, seine persönliche Rehabilitierung auch vom schwedischen Vorpommern aus zu betreiben und sich von dort aus auch um die Rückführung seiner Güter zu bemühen. Doch als er sich Ostern 1650 von Brieg aus nach Pommern aufmachte, versehen mit der Zusage, im Falle der Verweigerung seiner Ansprüche wieder in kaiserliche Dienste treten zu dürfen, erkrankte er schwer und starb in Rostock im 59. Lebensjahr, kurz nachdem er in Mecklenburg eingetroffen war.

Die Rückerstattung seiner Güter gelang seiner Frau Hedwig, seinem einzigen beständigen Beistand in allen Wirren und Tiefen seines Leidens, nur zum Teil. Doch dieser Kampf um die Rehabilitation ihres Mannes und um die Restitution der verlorenen Güter gehören, was das Verfahren, die angewandten Vorschriften und den stummen Kampf der streitbaren Witwen um (die letztlich entscheidende) Einflußnahme auf den schwedischen Hof angeht, schon nicht mehr zum Kriegsrecht, sondern zu den Wegen und Abwegen, die der Frieden von Münster und Osnabrück mit der Amnestieregel des Art. II IPO (inhaltsgleich mit § 2 IPM) in rechtlicher Hinsicht allen kriegsbedingt Entrechteten bot.



WEITERFÜHRENDE LITERATUR


Duchhardt 1996; Bohlen-Bohlendorf 1859; Frauenholz 1938, III, 1, S. 355ff. (zu den schwedischen Artikelbriefen); Grotius 1625; Müller 1975 (zur Amnestie vgl. IPO Artikel II und gleichlautend IPM § 2 sowie die Übersetzungen); Lundquist 1977; Mann 1971; Modeér 1975; Pufendorf 1688; Ziegler 1994.



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