Forschungsstelle "Westfälischer Friede": Dokumentation

DOKUMENTATION | Ausstellungen: 1648 - Krieg und Frieden in Europa

Textbände > Bd. I: Politik, Religion, Recht und Gesellschaft

ROBERT ORESKO und DAVID PARROTT
Reichsitalien und der Dreißigjährige Krieg

Italien als Schauplatz des Dreißigjährigen Krieges wurde in der Forschung bisher durchweg vernachlässigt. Viele wichtige Abhandlungen über diesen Krieg beleuchten ihn von einem eher nationalen Standpunkt [1] aus, der eben nur spezifische Perspektiven dieses Konfliktes - französische, deutsche, schwedische, tschechische - behandeln konnte. Die italienische Geschichtsschreibung jedoch läßt bis heute vergleichbare Studien zur Rolle der italienischen Fürstentümer vermissen, obwohl diese einen nicht unbedeutenden Teil des Heiligen Römischen Reiches ausmachten. Von Aretin stellte ganz richtig fest: "Wer über Reichsitalien in der Neuzeit schreibt, gräbt eine vergessene Geschichte aus." [2] Darüber hinaus haben weitreichende und eher synthetisch angelegte Versuche, den Dreißigjährigen Krieg zu erforschen, trotz ihrer unterschiedlichen Ansätze das italienische Gebiet vernachlässigt. [3] Die folgenden zwei Aufsätze versuchen, die Bedeutung des italienischen Kriegsschauplatzes im weiten europäischen Kontext herauszuarbeiten.

Die italienischen Fürstentümer waren von Anfang an in den Dreißigjährige Krieg involviert. Die Republik Venedig, das Großherzogtum der Toskana, die Herzogtümer Savoyen und Mantua sowie der Heilige Stuhl reagierten schnell auf die Krise von 1618-19. Das Herzogtum Mailand und das Königreich Neapel, beide unter der Herrschaft der spanischen Linie des Hauses Habsburg, ebenso wie kleinere abhängige Staaten, z.B. die Republik Genua, waren sofort in die allgemeine habsburgische Politk verstrickt. Kleinere Fürstentümer wie Modena, Parma, Guastalla und Carrara waren unvermeidlich in den Fortgang des Konfliktes verwickelt. So wie im 16. und später im 18. Jahrhundert entwickelten sich die Alpen und die oberitalienische Ebene zu besonders wichtigen Kriegsschauplätzen.

Die Bedeutung Italiens im Dreißigjährigen Krieg läßt sich grob in drei Phasen teilen: die Veltlin-Krise wegen der Kontrolle über die Alpenpässe, die 1620 begann und mit dem Frieden von Monzòn 1626 endete; der Mantuanische Erbfolgekrieg, der durch den Tod des Herzogs Vincenzo II. von Gonzaga 1627 entzündet bis 1631 andauerte; und den formalen Eintritt Frankreichs in den Krieg 1635, begleitet durch die Bürgerkriege in den Ländern des Herzogs von Savoyen nach 1637. Während die Unruhen in Savoyen 1642 zu einem Ende kamen, ging der Konflikt zwischen Frankreich, Spanien und den italienischen Verbündeten weiter bis 1659, als der mediterrane Teil des Dreißigjährigen Krieges durch den Pyrenäen-Frieden beendet wurde.

Die Westfälischen Friedensverträge definierten den rechtlichen und konstitutionellen Status der christlichen Welt: die Vereinigten Provinzen und die helvetische Konföderation wurden formal als vom Heiligen Römischen Reich unabhängig anerkannt. Die Situation der italienischen Fürstentümer war wegen des tief verwurzelten Rechtskonzepts "Reichsitalien", zu dem ein Großteil der nördlichen Halbinsel gehörte, und der Rolle der Reichsvikare [4] wesentlich komplizierter. Es gab viele Reichsvikare nördlich und südlich der Alpen, Fürsten, die das Recht besaßen, kaiserliche Rechtsautorität ohne Rücksprache mit dem Hofkammergericht auszuüben. Seit 1422 bestanden die Grafen bzw. seit 1436 Herzöge von Savoyen auf ihrem Erbrecht, zu verhindern, daß "à tous les Sujets du Duc des se pouvoir en appel par devant sa Majeste Impérial Sigismund, des jugements rendus par le Duc ou par son conseil". [5] Jeder Reichsvikar beanspruchte die endgültige Rechtsprechung ohne Berichtspflicht in Fällen, die sich in den Gebieten ergaben, zu deren Vikar ihn das Reichsgericht benannt hatte.

Der Versuch des Hauses Savoyen, ein Monopol auf die Position des Reichsvikars für Reichsitalien zu erhalten, wurde scharf kritisiert. Die eher relativ unbedeutenden Marchesi di Finali erreichten einige Zugeständnisse für ihre Länder, und die Gonzaga-Herzöge von Mantua stellten im 17. Jahrhundert eine größere Herausforderung dar. [6] Die Herzöge von Savoyen machten weiterhin ihre Rechte als "immerwährend" - und daher erblich - geltend. Schon 1564, nur ein Jahr nach seiner Einsetzung in Turin, sandte Emanuele Filiberto einen Boten nach Wien, um seine Kontrolle über die kaiserlichen Lehen in solch bedeutsamen Bistümern wie Genua, Grenoble, Macon, Genf, Nizza, Lausanne, Embrun (eine militärische Schlüsselposition) und anderen zu sichern und auszudehnen, um den "servito nelle cose d´Italia, di Franza et de Svizzani" des Kaisers zu unterstützen. [7]

Wie grundlegend ein Verständnis für die rechtliche Struktur Reichtsitaliens im Zusammenhang mit dem italienischen Vorkommnissen des Dreißigjährigen Krieges auch ist, es ist um so wichtiger, die praktischen politischen Implikationen zu verstehen. Zum einen war es der Republik von Venedig, einer Hauptmacht in Oberitalien, ohne daß sie sich selbst zu Reichsitalien zählte, möglich, ihre Neutralität beizubehalten. Venedig bot sich sogar an, als potentieller Schlichter in jedwedem Konflikt zu fungieren und dabei militärischen Einsatz zu vermeiden, es sei denn der Gegner sei das das Osmanische Reich. Die beiden großen dynastischen Erbfeinde, die Häuser Savoyen und Gonzaga liefen, da sie ihre Mitgliedschaft zum Reich immer wieder betonten, Gefahr, in die Konflikte zwischen der beiden Linien des Hauses Habsburg und - auf europäischer Ebene - in die Konfrontation zwischen den französischen Königen und dem Haus Habsburg, während der Endphase des Dreißigjährigen Krieges hineingezogen zu werden. En revanche zogen die Auseinandersetzungen innerhalb der Herzogtümer Savoyen und Mantua oder zwischen ihnen unvermeidlich die Aufmerksamkeit der größeren Mächte auf sich, provozierten ihre Verantwortung diesen gegenüber als "Beschützer" und Vermittler und machten lokale Auseinandersetzungen zu Fragen von gesamteuropäischer Bedeutung. Das vertraute Bild von verfeindeten großen Höfen, die ihren Kampf gegeneinander durch die Unterstützung gegnerischer Parteien in den italienischen Fürstentümern führten, war kaum neu; es stellte aber ein bedeutendes Strukturelement im 16. Jahrhundert dar und sollte im 18. Jahrhundert im Kriegswesen und der Diplomatie als wichtiger Aspekt wieder auftauchen. Die Bedeutung dieses Aspektes für die Auseinandersetzungen des Dreißigjährigen Krieges wurde bislang nicht genug berücksichtigt.




Seitenanfang

ANMERKUNGEN


1. Vgl. z.B. Pagès 1939, Polišenský 1971; Barudio 1985.

2. Aretin 1986, S. 161.

3. Z.B. Wedgewood 1984.

4. Vgl. Aretin 1983, S. 97ff.; zu dem Anspruch des Pfalzgrafen Philipp Wilhelm auf ein Vikariat für das Rheinland vgl. Turin, Archivio di Stato, Materie d'Impero, cat. 2, m. 1, no. 5.

5. Guichenon 1660, I, S. 461.

6. Zum Briefwechsel zwischen den Kurfürsten und dem Herzog von Mantua 1658 vgl. Turin, Archivio di Stato, Materie d'Impero, cat. 2, m. 1, no. 7.

7. Turin, Archivio di Stato, Materia d'Imperio, cat. 2, m. 1.




DAVID PARROTT
Der Mantuanische Erbfolgestreit und der Dreißigjährige Krieg

Die zweite Hälfte des Dreißigjährigen Krieges war von einem traditionellen Konflikt zwischen Frankreich und den beiden Zweigen des Hauses Habsburg gekennzeichnet, in dem Frankreich an der Seite der wichtigsten protestantischen Mächte kämpfte. Dieses starke Engagement Frankreichs im europäischen Konflikt war jedoch in keinster Weise vorauszusehen. Der junge Ludwig XIII. (1610-1643) unterstützte die rigorose Stärkung der katholischen Orthodoxie; protestantischer Widerstand behinderte die königliche Autorität entscheidend, und die Zerstörung der Unabhängigkeit, die sein Vater den Hugenotten garantiert hatte, wurde zum Grundsatz seiner Politik. [1] Der König zeigte keine Neigung, sich zugunsten der protestantischen Union zu engagieren, nachdem der pfälzische Kurfürst Friedrich 1619 die böhmische Königswürde angenommen hatte; und in der Tat war die französische Diplomatie im Reich bestrebt, sicherzustellen, daß die größten protestantischen Reichsstände der Union weder Böhmen noch den pfälzischen Kurfürsten militärisch unterstützten. [2]

Wie ist jedoch zu erklären, daß der Dreißigjährige Krieg in erster Linie als französischer Kampf gegen die Truppen der Habsburger ausgefochten wurde? Eine wesentliche Rolle spielte die Tatsache, daß die drei großen Herrscher Westeuropas im 17. Jahrhundert alte und konfliktträchtige Interessen an der italienischen Halbinsel hatten. Seit dem 15. Jahrhundert hatten mehrere Kaiser des Heiligen Römischen Reiches versucht, ihre Macht als höchste Lehnsherren von Reichsitalien zu halten und zu erweitern; dies gilt für jene großen Gebiete Nord- und Mittelitaliens, deren jeweilige Fürsten die Oberhoheit des Kaisers anerkannten. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts wurde Philipp II. von Spanien, der Herrscher über Mailand, Neapel und Sizilien, im Hinblick auf den Einfluß in Italien zum Hauptrivalen des Kaisers. Die dritte große, an Italien interessierte Macht war Frankreich. Bemühungen Frankreichs, nach vier Jahrzehnten Bürgerkrieg wieder eine starke Position in der italienischen Politik zu erlangen, wurden seit der Regierungszeit Heinrichs IV. (1589-1610) deutlich. Dieses Vermächtnis französischer Ambitionen in Italien wurde an Ludwig XIII. weitergegeben. Alle drei Mächte waren zwischen 1620 und 1626 in einen Kampf um die Kontrolle über die Alpen-Pässe im Veltlin verwickelt, die die spanische Lombardei mit dem österreichischen Tirol verbanden. In den Jahren 1619/20 nutzten die Spanier ihre militärische Verpflichtung gegenüber dem Kaiser in Böhmen, indem sie das Veltlin okkupierten, was sie mit der Verfolgung der katholischen Bevölkerung durch die protestantischen Graubündener Herren - verbündet mit Frankreich - erklären konnten. [3] Trotz mehrerer diplomatischer Versuche, die sich anbahnenden Probleme zwischen Frankreich und Spanien zu lösen, hatte sich die Situation bis zum Jahre 1623 so weit verschlechtert, daß die Berater Ludwigs XIII. kaum mehr eine Chance zur Vermeidung des Krieges sahen. Unter der Führung von La Vieuville und schließlich von Kardinal Richelieu wurden die militärischen Vorbereitungen mit aller Macht vorangetrieben. [4] Als jedoch gegen Ende des Jahres 1624 eine kleine französische Armee ins Veltlin entsandt wurde, machten sich bei der Durchführung des Feldzuges schnell logistische Probleme bemerkbar. Spanien und die Österreicher, an deren Länder das Veltlin angrenzte, würden an diesem Kriegsschauplatz jegliche französische Streitmacht ohne Schwierigkeiten schlagen können. Dies vor Augen, fällten Ludwig XIII. und sein premier ministre eine Entscheidung, deren Bedeutung sowohl für die Entwicklung des Konflikts in Italien im Laufe der nächsten Jahrzehnte als auch für den Verlauf des Dreißigjährigen Krieges im weiteren Sinne schicksalhaft war. Sie schlugen vor, die spanischen Truppen aus dem Veltlin zu locken, indem sie ihnen mit dem Verlust eines viel bedeutenderen Teils des spanischen Gebiets drohten. Der Plan für das Jahr 1625 sah einen Angriff auf Spaniens Verbündeten in Norditalien, die Republik Genua, vor, deren Hafen den Schlüssel für jegliche Verbindung zwischen Spanien und Mailand darstellte.

Diese Entscheidung, eine zweite Front zu eröffnen, hatte bedeutsame Folgen. Erstens rückte Frankreich von einer nicht offiziell erklärten kriegerischen Auseinandersetzung um das Veltlin, das - wie seit der Regierungszeit Franz' I. behauptet wurde - in französischem Einflußgebiet lag, ab; und es begab sich auf einen Feldzug, der auf die Annexion und Spaltung eines Hauptverbündeten Spaniens auf der italienischen Halbinsel abzielte. Der Angriff auf Genua machte deutlich, daß Frankreichs bisherige Neutralität beendet und der neue Ministerrat Ludwigs XIII. mit den Kriegszielen der europäischen Feinde Habsburgs auf gleicher Linie war. Da Frankreich zweitens nicht in der Lage war, auf eigene Faust eine Armee nach Genua hinunterzuschicken, die die Stadt belagern und die Belagerung anschließend halten sollte, mußte die Neutralität - oder besser noch die offene Unterstützung - des Herzogs von Savoyen erreicht werden, dessen Gebiet die französischen Truppen zu durchqueren hatten. Die Aussicht auf beträchtliche territoriale Zugewinne auf Kosten der Republik Genua bewog Herzog Karl Emanuel I. zu einem uneingeschränkten Militärbündnis [5], und die vereinten Truppen begannen im April 1625 mit der Belagerung der Hafenstadt. Damit überschritten erstmals seit den 1550er Jahren französische Truppen als Bündnispartner italienischer Fürsten die italienische Grenze.

Dies ließ für Habsburg das Schlimmste befürchten. Als eine Möglichkeit erwogen Spanien und der Kaiser, einen weiteren Kriegsschauplatz zu eröffnen, indem Frankreich entweder mit einem Einmarsch an der Ostgrenze oder über das spanische Roussillon bedroht wurde. Hätte man sich für diese Option entschieden, wäre Ludwig XIII. ein Jahrzehnt vor 1635 und dem tatsächlichen Beginn der guerre ouverte in den großen europäischen Konflikt hineingezogen worden. Jedenfalls erwies sich eine solche Kriegsausdehnung als unnötig, da der Versuch, Genua zu belagern, zum Desaster wurde. Eine spanische Hilfstruppe drängte die französischen und savoyischen Truppen ins Piemont zurück, und die herzoglichen Ländereien waren übertriebenen Forderungen und Plünderungen der spanischen Truppen ausgesetzt, während die Situation im Veltlin für Frankreich nicht viel besser aussah. [6] Angesichts der Tatsache, daß Richelieu als premier ministre eingesetzt worden war um mit strenger Hand die Kontrolle über das Veltlin auszuüben, hätte seine Stellung sicherlich ein stärkeres militärisches Engagement Frankreichs in Italien beim folgenden Feldzug (1626) erfordert. Diese gefährliche Strategie blieb ihm aufgrund eines Hugenottenaufstandes innerhalb Frankreichs erspart. Während sich Richelieu angesichts der Verschlechterung der militärischen Situation in Italien ursprünglich dafür ausgesprochen hatte, daß die opportunistische Hugenottenrevolte des Herzogs von Soubise in Kauf genommen werden sollte [7], änderte er jetzt seine Meinung. Sein Ratschlag lautete nun, daß Frankreich das Veltlin aufgeben solle, um der Bedrohung durch die Hugenotten Herr zu werden. [8] Der mit Spanien im Mai 1626 geschlossene und in Monzón unterzeichnete Vertrag räumte den Habsburgern in der Tat die volle Kontrolle über das Veltlin ein und markierte Frankreichs gegenwärtigen Verzicht auf Versuche, seinen Einfluß in Italien geltend zu machen. Die weitreichendste Folge des Vertrags für die französischen Ambitionen bestand darin, daß er hinter dem Rücken des Verbündeten, des Herzogs von Savoyen ausgehandelt worden war, der immer noch - ohne französische Hilfe - gegen die von Spanien unterstützte genuesische Republik kämpfte. Die durch den "Verrat" von Monzón hervorgerufenen Feindseligkeiten auf savoyischer Seite wurden zum entscheidenden Faktor in der folgenden großen Militärkrise in Italien - im Mantuanischen Erbfolgekrieg. [9]

Einige Historiker, die sich mit dem Spanien des 17. Jahrhunderts beschäftigen, betrachten die Mantuanische Erbfolgekrise von 1628-31 als den Wendepunkt für das Schicksal der spanischen Monarchie und als entscheidendes Moment im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges. [10] Bis zu diesem Zeitpunkt schienen die Bemühungen Olivares', die militärischen Ressourcen Spaniens zu reformieren und einer einheitlichen Strategie zu unterwerfen, und das gemeinsame Angebot der beiden Habsburger Linien, die Hegemonie in Europa wiederherzustellen, kurz vor dem erfolgreichen Abschluß. In diesem Zusammenhang wurde Olivares' Entscheidung aus dem Jahre 1628, in die Mantuanische Erbfolge einzugreifen, als ein Akt bloßer Hybris angesehen, als ein Akt der unbeugsamen Entschlossenheit Spaniens, keiner wie auch immer gearteten Macht in Europa zu erlauben, in Italien Fuß zu fassen. [11] Selbst Historiker, die vielschichtigere Motive aufdeckten und annehmen, daß Philipp IV. und Olivares die langfristige Bedrohung, die von Frankreich auf das habsburgische Italien ausging, erkannten und den Mantuakrieg als eine Gelegenheit ansahen, einen Präventivschlag auszuführen, interpretieren diese Motive immer noch in einem in erster Linie "europäischen" Kontext. [12]

Aber die Kräfte, die wirklich im Hintergrund der Mantua-Kriese wirkten, zeigen, daß interne italienische Angelegenheiten entscheidenden Einfluß hatten. Das Paradox des Mantuanischen Erbfolgekrieges bestand darin, daß Frankreich, Spanien und der Kaiser 1628 einen Konflikt in Norditalien zu vermeiden suchten; sie alle waren anderweitig in militärische Angelegenheiten verwickelt. [13] Hineingezogen wurden sie, da sich die wichtigsten italienischen Fürstentümer weigerten, Kompromisse zu schließen, und letztlich außenstehende Mächte um Unterstützung baten. Die europäischen Hauptmächte, die ein Eingreifen ablehnten, fürchteten mehr noch, daß der Streit ausgerechnet durch die Intervention eines Staates geschlichtet werden könnte, der selbst seinen Einfluß in Italien auszubauen bestrebt war. Nachdem alle drei Mächte involviert waren, änderte der daraus resultierende Krieg in Norditalien den Charakter des gesamteuropäischen Konflikts grundlegend und führte 1635 unvermeidlich zum uneingeschränkten Krieg.

Mit dem Tode Vinzenz Gonzagas II. im Dezember 1627 erlosch die männliche Hauptlinie der Gonzaga von Mantua. Die Gonzaga hatten jedoch im 15. und 16. Jahrhundert ausgeklügelte Systeme von Teilerbschaften entwickelt. [14] Auf diese Weise entstand eine beträchtliche Anzahl von Gonzaga-Nebenlinien, und das Haupterbe mußte an eine oder mehrere Nebenlinien gehen. [15] Darin lag die Wurzel des Erbkonflikts begründet.

Im Hinblick auf seine verwandtschaftliche Nähe zum letzten mantuanischen Herzog, hatte Karl von Gonzaga-Nevers den berechtigtsten Anspruch auf das Herzogtum. Karl gehörte einem Familienzweig an, der sich in den 1560er Jahren am französischen Hof etabliert hatte, dem eine spektakuläre Heirat in das deutsche Fürstenhaus der Kleve gelungen war und der auf diese Weise eine Anzahl von kleinen, unabhängigen souveränen Territorien geerbt hatte, während er gleichzeitig die französischen Herzogtümer von Nevers und Rethel als Lehen von der französischen Krone erwarb. [16] Aus der Perspektive von Kommentatoren, die Nevers und seinem Anspruch auf Mantua feindlich gegenüberstanden, machten ihn diese Herzogtümer und ihre Einnahmen zu einer Schachfigur des Königs von Frankreich. Dies war jedoch nicht der Fall; er war ein selbständig denkender und selbstbewußter souveräner Fürst, dessen Motto "nec retrogradior nec devio" seine Unnachgiebigkeit bei der Verteidigung seiner eigenen Interessen und seines souveränen Status formuliert. [17]

Das grundlegende Problem bestand nicht in der vermuteten Verbundenheit Karl von Nevers' gegenüber französischen Interessen in Italien, sondern in seiner Abneigung, dynastische Konventionen zu akzeptieren, die stillschweigend zuließen, daß Nebenlinien unter gewissen Voraussetzungen berechtigte Erbansprüche geltend machen konnten. Hätte Vinzenz II. einen Sohn gehabt, dann hätte dieser in direkter männlicher Linie das Herzogtum ohne ernstzunehmenden Anspruch einer Nebenlinie geerbt, als aber die Erbschaft nicht mehr in direkter Linie weitergegeben werden konnte, hatte sich die Situation völlig geändert. Nun stand zu erwarten, daß ein Abkommen ausgehandelt würde, durch das auch andere Antragsteller, die der Hauptlinie weniger nahestanden als Karl von Nevers, gleichwohl territorial oder finanziell für ihre Ansprüche ausbezahlt würden, die sie auf Teile des Territoriums erhoben. Innerhalb des Herzogtums Mantua war der Haupterbberechtigte nach Karl von Nevers der Gonzaga-Herzog von Guastalla, der sich mit der nun ausgestorbenen Gonzaga-Hauptlinie in einem älteren Streit um zwei Territorien, die an Guastalla angrenzten, befand und diesen Anspruch von Karl anerkannt sehen wollte. Wichtiger jedoch waren die Anspüche, die ein Außenseiter, der Herzog von Savoyen, auf Teile des anderen Gonzaga-Herzogtums, Montferrat, anmeldete. Eine der Besonderheiten des Herzogtums von Montferrat lag darin, daß es über die weibliche Linie vererbt werden konnte. Das Gebiet hatten bereits mehrere Herzöge von Savoyen begehrt, die mit den vorherigen Herrschern des marquisat eine Anzahl von Absprachen getroffen hatten, die niemals realisiert worden waren; in Turin nahm man es sehr übel, daß nach dem Tode des letzten Marquis von Montferrat 1533 die Gonzaga die Erbschaft angetreten hatten, indem sie die letzte Erbin der Linie heirateten. [18] Im Jahre 1612 erhielten die Forderungen des Hauses Savoyen durch einen dynastischen Zufall ein noch größeres Gewicht. Vier Jahre zuvor war durch eine Heirat eine Verbindung zwischen dem ältesten der drei Söhne des Herzogs Vinzenz I. von Mantua mit der Tochter Karl Emanuels von Savoyen eine Verbindung entstanden. Eine Kind aus dieser Ehe, Prinzession Maria, überlebte das Kindesalter und erreichte entscheidende Bedeutung, als Vinzenz I. 1612 starb, dem einen Monat später sein ältester Sohn folgte. Während der Erbe des Herzogtums von Mantua unbestritten Vinzenz' zweiter Sohn, Ferdinand Gonzaga, war, stellte sich zumindest juristisch die Frage, ob nicht Montferrat als feudo feminino an Prinzessin Maria, die direkte Erbin des letzten regierenden Herzogs, gehen sollte. [19] Der Herzog von Savoyen erkannte, daß die Regentschaft der jungen Prinzessin, gefolgt von ihrer Heirat in das Haus Savoyen, den höchstmöglichen Anspruch auf Montferrat bot, und er suchte alles in seiner Macht Stehende zu tun, bis hin zur Kriegserklärung an die Gonzaga, um sich ihrer zu bemächtigen; die Folge war eine Reihe savoyischer Angriffe auf das Montferrat. Alle drei an Italien interessierten Hauptmächte wurden in diese Auseinandersetzung hineingezogen - in den ersten Mantuanischen Erbfolgekrieg (1613-1615) -, aber aus jeweils speziellen unterschiedlichen Gründen hatte keine der drei Parteien ein Interesse daran, daß die Gonzaga durch den Herzog von Savoyen das Montferrat verlieren sollten. [20] In seinen territorialen Ansprüchen enttäuscht und unfähig, Prinzessin Maria Gonzaga zu gewinnen, gelang es Karl Emanuel zumindest, die Zusage zu erreichen, daß Maria nicht ohne ausdrückliche Erlaubnis des Kaisers und ohne Rücksprache mit den jeweiligen Parteien verheiratet werden durfte. [21]

Bald wurde jedoch klar, daß sich dem Herzog von Savoyen in jedem Fall bald eine andere Gelegenheit bieten würde, seine Ansprüche auf das Montferrat geltend zu machen. Weder Ferdinand noch sein jüngerer Bruder Vinzenz hatten vor ihrem Tod 1626 respektive 1627 legitime männliche Erben, so daß bei Vinzenz' Tod Karl von Nevers seine Erbansprüche geltend machte. Aber diese beiden Todesfälle trieben auch die Ambitionen des Herzogs von Savoyen auf die Spitze, der seine lang erwarteten Ausgleichsansprüche auf das Herzogtum Montferrat geltend machte. Fast alle interessierten Parteien, einschließlich der Gesandten von Frankreich und Spanien, rieten, daß Karl von Nevers angesichts der Savoyer, der Guastalla und anderer kleinerer Thronanwärter einen Kompromiß eingehen sollte. [22] Nevers jedoch scheint, zusammen mit einer Gruppe von Anhängern in Mantua, die Ansicht vertreten zu haben, daß er Mantua und das Montferrat ohne Einschränkung geerbt habe, und war nicht bereit, einen wie auch immer gearteten Kompromiß bezüglich seiner legitimen "Rechte" zu akzeptieren. Die hieraus resultierende Krise brachte die größeren Mächte Frankreich, Spanien und den Kaiser in eine extrem kritische Situation. Obgleich Nevers nie ein guter Untertan des französischen Königs gewesen war, rechnete er doch damit, daß seine Unnachgiebigkeit gegenüber den rivalisierenden Erbansprüchen letztendlich französische Unterstützung erfahren würde. Die Tatsache, daß Nevers das Herzogtum Montferrat, das von Frankreich aus durch Savoyen oder Piemont leicht erreichbar war, unter seiner Kontrolle hatte, wirkte zweifelsohne attraktiv auf französische Politiker. Der Schlüssel zum Montferrat war die Festung und befestigte Stadt Casale, eines der größten und beeindruckendsten Befestigungssysteme in Norditalien. Wenn es Frankreich auf längere Sicht gelänge, Nevers Casale zu entreißen, hätte es damit ein zentrales "Tor" nach Italien erlangt, einen Weg, der künftige militärische Eingriffe auf der Halbinsel erleichtern würde.

Aber es gab noch andere Gründe, durch die Nevers' Unnachgiebigkeit in weniger günstigem Licht erschien. Bei seinem Versuch, nach dem Debakel im Veltlin wieder grundlegenden Rückhalt in Frankreich zu erlangen, war Richelieu unverzüglich eine Allianz mit den dévots eingegangen, deren erstes Ziel lautete, den hugenottischen "Staat im Staate" endgültig zu zerstören. Im Jahr 1628 konzentrierte sich die königliche Armee ganz auf die sich hinziehende Belagerung von La Rochelle. Es blieben keine militärischen Ressourcen für ein italienisches Abenteuer, und Richelieu war sich vollkommen darüber im klaren, daß sein Überleben als Minister nun von einem sicheren Sieg bei La Rochelle abhing, wann auch immer er sich einstellte. Und selbst wenn Frankreich tatsächlich über zusätzliche Streitkräfte verfügt hätte, so bleibt fraglich, ob Ludwig und Richelieu es für opportun gehalten hätten, den kompromißlosen Erbfolgeanspruch Karl von Nevers' zu unterstützen. Einen viel langfristigeren und wichtigeren Grundstein französischer Politik in Italien bedeutete eine funktionsfähige Allianz mit dem Herzog von Savoyen. Der Vertrag von Monzón von 1626 hatte den französisch-savoyischen Beziehungen empfindlich geschadet, und es war notwendig, daß Frankreich sein Engagement gegenüber den festen Verbündeten deutlich zeigte, wenn die Beziehungen wiederhergestellt werden sollten. Die naheliegendste Möglichkeit, eine Annäherung an den Herzog von Savoyen zu erreichen, lag darin, Karl von Nevers davon zu überzeugen, sich hinsichtlich des Erbes von Montferrat kompromißfähig zu zeigen und die umstrittenen Gebiete des Herzogtums an der Grenze zum Piemont Karl Emanuel zu überlassen. Wenn also Nevers dazu bewegt werden konnte, aufgrund französischen diplomatischen Drucks mit Savoyen zu verhandeln, bestand darin eine Möglichkeit für neuerliche gute Beziehungen zwischen Frankreich und Savoyen. Zu Frankreichs Unglück war Nevers schlichtweg nicht bereit, auf französische Interessen einzugehen. Trotz der Schmeicheleien französischer Gesandter weigerte sich Nevers, mit Savoyen oder jeglichen anderen Partnern über die Erbfolge zu verhandeln. Und als diese Schmeichelworte zu Beginn des Jahres 1628 endgültig ihre Wirkung verfehlt hatten, wurde klar, daß Frankreich nicht über die notwendigen Streitkräfte verfügte, die die Erbfolge auf gewaltsamem Wege hätten regeln können. Der Herzog von Savoyen sah sich aufgrund dieser offenkundigen französischen Schwäche gezwungen, andere Optionen in Betracht zu ziehen. Unmittelbar nach Vincenzos Tod erreichte die Nachricht Turin, daß Karls Parteigänger in Mantua eine Heirat zwischen dessen Sohn, dem Herzog von Rethel, und Prinzessin Maria, wohl der legitimen Erbin des Montferrat, durchgesetzt hatten. Der schwächste Punkt in Karls (Rechts-)anspruch auf die Nachfolge schien damit geregelt, wenn auch um den Preis, daß eine Reihe internationaler Absprachen bezüglich vorheriger Beratung und kaiserlicher Zustimmung zur Heirat Marias mißachtet wurden. Karl Emanuel sah darin einen weiteren ärgerlichen Beweis, daß Karl von Nevers beabsichtigte, die savoyischen Ansprüche auf Montferrat zu ignorieren. [23] Militärisch gesehen, war Piemont-Savoyen deutlich stärker als die Gonzaga-Herzogtümer, aber falls Karl Emanuel zu einem Präventivschlag gegen Montferrat ansetzen sollte, würde er sicherlich die Feindseligkeiten der Spanier in Mailand zu spüren bekommen. Die Aussicht auf eine Annektion Montferrats bis hin zur mailändischen Grenze durch den Herzog von Savoyen, der in der Vergangenheit immer zu Allianzen mit Frankreich tendiert hatte, konnte von Philipp IV. und Olivares nicht akzeptiert werden. Die Spanier wünschten genauso wie die Franzosen eine friedliche Lösung, der zufolge Nevers und Karl Emanuel ihre Differenzen ohne die Intervention einer anderen europäischen Macht beilegen sollten. Falls dies aber nicht möglich sein sollte, waren die Spanier nicht bereit, sich diplomatisch und militärisch einzusetzen, um Karl Emanuel von seinen Ansprüchen auf Montferrat abzuhalten, nur um zu garantieren, daß das gesamte, strategisch wichtige Herzogtum im Besitz von Karl von Nevers verblieb. In Anbetracht seiner Lehenspflichten war es nämlich wahrscheinlicher, daß dieser sich eher prospanisch verhielt.

Nevers' Unnachgiebigkeit ließ den Spaniern also kaum eine andere Wahl, als direkt mit dem Herzog von Savoyen zu verhandeln, und bis März 1628 waren Karl Emanuel und Gonzalo de Córdoba, der spanische Gouverneur in Mailand, darin übereingekommen, wie Montferrat aufzuteilen sei: Savoyen sollten die umstrittenen Grenzgebiete und Spanien Casale zufallen. [24] Philipp IV. und Olivares waren weder bereit, Savoyen die Übernahme Montferrats im Alleingang zuzugestehen, noch die Beendigung des Konflikts durch diplomatisches Vorgehen von französischer Seite zu akzeptieren; der Teilungsvertrag erschien also als die akzeptabelste Option. Spanien hatte wenig oder kein Interesse an den Ereignissen, die sich im Hauptherzogtum Mantua abspielten; dessen strategische Bedeutung war deutlich geringer als die Montferrats, und seine Anfälligkeit für Druck von spanischer Seite so viel größer, daß niemand, der nur Mantua besaß, eine Bedrohung für die spanische Sicherheit darstellen konnte. Der Herzog von Guastalla, der am lautesten Anspruch auf teile des Herzogtums Mantua erhob, war jedoch nicht weniger von der unnachgiebigen Haltung Nevers' enttäuscht. Während Savoyen Frankreich gegen Spanien ausspielte, um seine Ziele in Montferrat zu erreichen, wandte sich Ferrante II. Gonzaga, Herzog von Guastalla, wegen der umstrittenen Gonzaga-Gebiete innerhalb des Herzogtums Mantua an den Kaiser. Als kaiserlicher Generalkommissar in Norditalien hatte Ferrante gute Beziehungen zum Wiener Hof und zum kaiserlichen Geheimen Rat. [25] Der Kaiser, der mit dem katholischen "Kreuzzug" beschäftigt war, der Wallensteins Armee an die Ostsee führte, hatte kein Interesse daran, in den Disput zwischen den italienischen Fürsten hineingezogen zu werden. Durch den Druck Guastallas und seiner Verbündeten sowie der unverhohlenen Mißachtung der kaiserlichen Jurisdiktion von seiten Nevers' wurde der Kaiser jedoch gezwungen, sich einzumischen. [26] Indem er die Erbregelung der Herzogtümer als vom kaiserlichen Schiedsspruch abhängig erklärte, forderte der Kaiser, daß Nevers seine Territorien in die Hände eines kaiserlichen Verwalters legen solle.

Nevers weigerte sich, das Urteil der Zwangsverwaltung zu akzeptieren und zog Truppen aus seinen Fürstentümern und französischen Herzogtümern zusammen, um einen Ablenkungsangriff auf die savoyischen und spanischen Truppen in Montferrat zu starten, und brachte auf diese Weise einen allgemeinen Konflikt in Norditalien näher. Sein eigenes militärisches Vorhaben schlug fehl, aber seine Mißachtung der kaiserlichen Autorität sowie seine Bereitschaft, sich der Besetzung des Montferrat mit Gewalt entgegenzustellen, eröffneten den Blick auf die Möglichkeit, daß er letztendlich vollkommen von seinen Territorien abgeschnitten sein könnte, wovon eine habsburgisch-savoyische Allianz profitieren würde. [27] Obwohl Frankreich handlungsunfähig blieb, solange die Belagerung La Rochelles nicht beendet war, begann Richelieu, Pläne für einen eventuellen schnellen Militärschlag im Montferrat zu schmieden, die Belagerung von Casale aufzuheben und den Herzog von Savoyen zurückzudrängen - nicht, um ihn aus dem Montferrat herauszudrängen, aber um seine territorialen Zugewinne wieder auf das zu beschränken, was er vor dem Teilungsvertrag beansprucht hatte - eine Lösung, die in dieser Form von Frankreich unterstützt würde, nicht jedoch von Spanien. [28]

Im März 1629 wurde dieser Plan realisiert, und das zweite Mal während Richelieus Regentschaft fielen französische Truppen in Italien ein. Die Intervention brachte einen kurzzeitigen Erfolg. Der Herzog von Savoyen war gezwungen, sein Militärbündnis mit Spanien zu lösen und unter der Bedingung, für seine Ansprüche auf das Montferrat Unterstützung zu erhalten, zu einer französischen Allianz zurückzukehren. [29] Die Spanier wurden aus dem belagerten Casale zurückgedrängt, und die Festung wurde mit einer französischen Garnison belegt. Während die Franzosen die restlichen Truppen bald abzogen, um den Kampf gegen die Hugenotten wieder aufzunehmen, sahen sich die habsburgischen Mächte gezwungen, aufgrund dieser direkten französischen Intervention ihre eigenen militärischen Prioritäten neu zu überdenken. Insbesondere Spanien war in Anbetracht eines zwischen Savoyen und Nevers geteilten Montferrat - Savoyen und Nevers waren nun beide mit dem König von Frankreich verbündet - und einer französischen Garnison in der Schlüsselfestung Casale tief besorgt. Aus diesem Grund entschieden Olivares und Philipp IV., ihren Einsatz zu erhöhen und eine weitere Belagerung Casales durchzuführen, um die französischen Truppen zu vertreiben, und die Rückgewinnung Savoyens für eine spanische Allianz zu versuchen. [30] Darüber hinaus war Spanien nun bestrebt, sich gänzlich von Nevers zu befreien, und der spanische Gesandte in Wien nahm Kontakt mit der Partei Guastallas auf, um Strafsanktionen gegen Nevers einzufordern, weil dieser sich dem Edikt der Zwangsverwaltung widersetzt hatte. Obwohl er zögerte, Nevers mit dem kaiserlichen Bann zu belegen, wurde der Kaiser überredet, Truppen bereitzustellen, die das Fürstentum Mantua besetzen sollten, während die Entscheidungen über die Erbansprüche noch anstanden. [31]

Für den französischen König war die Situation in Italien nun peinlich. Hatte er zunächst gehofft, mit einem überraschenden Angriff auf Montferrat dem französischen Interesse in Italien zu dienen, erforderte die Verteidigung der Position Frankreichs nun die Bereitschaft, der Stärke der spanischen und kaiserlichen Truppen zu entsprechen, die nach Montferrat und Mantua einmarschierten. Die Bereitschaft Savoyens, zu einer Allianz mit Spanien zurückzukehren, drohte Frankreich um allen Einfluß in Italien zu bringen, wenn es nicht auf diese Herausforderung reagierte. Richelieu machte sich keine Illusionen darüber, daß Frankreich im Fall eines Kampfes militärisch im Nachteil wäre. [32] Die strategischen Probleme, die sich aus der Unterstützung für das Fürstentum Mantua ergaben, überstiegen sogar die Schwierigkeit, Truppen in das Veltlin zu bringen: Frankreich mußte zusehen, wie die Stadt Mantua im Juni 1630 belagert und geplündert wurde. Im Montferrat bereiteten sich spanische Truppen auf eine lange Belagerung Casales vor, und jegliche Ablösetruppe mußte mit einem erbitterten Kampf rechnen. Das Beste, was Frankreich erreichen konnte, war die Einschüchterung des Herzogs von Savoyen durch die militärische Besetzung seines Herzogtums an der Grenze zur Dauphiné und die zehntägige Belagerung und Eroberung der savoyischen "Super-Festung" Pinerolo. [33] Eher noch als Casale wurde diese Festung als Einfallstor für zukünftige französische Interventionen in Italien angesehen. Es wurde schnell klar, daß Frankreich Pinerolo als Hauptgewinn des Konflikts ansah und viel eher zu Konzessionen auf Kosten seines einstigen Verbündeten Karl von Nevers bereit war, als diese Festung dem Herzog von Savoyen zurückzugeben. Darüber hinaus sah die Situation für Frankreich schlecht aus. Als Mantua gefallen und Norditalien von spanischen und kaiserlichen Truppen überrannt war, bestand wenig Hoffnung, daß es Frankreich gelingen würde, Casale erfolgreich zu befreien. Aber ebenso wie die italienischen Ereignisse den größeren europäischen Konflikt beeinflußten, änderten in diesem Fall militärische und politische Ereignisse außerhalb Italiens den scheinbar unvermeidlichen Ausgang des Kampfes in Montferrat. Weder Spanien noch der Kaiser konnten sich einen längeren militärischen Feldzug in Italien leisten. Das spanische Engagement in Montferrat wurde begleitet von einer beunruhigenden Verschlechterung der militärischen Position Spaniens in den Niederlanden. [34] Die Ankunft einer kleinen Armee unter König Gustav Adolf in den späten 1630er Jahren in Pommern und die Errichtung eines militärischen und politischen Stützpunktes der Schweden in Norddeutschland stellte für den Kaiser eine ernstzunehmende Bedrohung dar, zu deren Bekämpfung ihm nun die nötigen Streitkräfte fehlten. [35] Aufgrund des Paktes mit Spanien befand sich der Großteil der kaiserlichen Veteranentruppen nun in Italien. Der Kaiser hatte die Notwendigkeit erkannt, in Italien wieder seine kaiserliche Autorität herzustellen, aber die Beteiligung an einem längeren Krieg in Norditalien akzeptierte er nicht. Nun wollte er seine Truppen außerhalb der Landesgrenzen einsetzen, um einen Feldzug im Norden durchzuführen, und, falls Spanien einem allgemeinen und sofortigen Friedensschluß nicht zustimmen sollte, würde er seine Truppen einseitig zurückziehen und damit Spanien im Kampf gegen Frankreich allein lassen.

Die Zeit war auf Richelieus Seite, und als sich die kaiserliche Position bezüglich des Truppenrückzugs verhärtete, verzichteten Olivares und Philipp IV. auf eine Ausweitung des Krieges in Norditalien. Es war alles andere als klar, ob Frankreich den entscheidenden Sieg hätte davontragen können, aber bis Oktober 1630 war die Bereitschaft der spanischen Krone zu einer Fortsetzung des Kampfes verflogen, und es begannen Friedensverhandlungen, die in die zwei Verträge von Cherasco im April und Juni 1631 mündeten. [36]

Obwohl der Vertrag von Cherasco als das Ende der "italienischen Episode" des Dreißigjährigen Kriegs angesehen wurde, stellte er zum Zeitpunkt der Unterzeichnung weder eine Dauerlösung zu irgendeinem der Konflikte im Zusammenhang mit der Mantuanischen Erbfolge dar, noch wurde durch ihn ein "Gleichgewicht der Kräfte" zwischen den an Italien interessierten Hauptmächten erzielt. Der Vertrag zwang den Kaiser, das Karl von Nevers auferlegte Edikt der Zwangsverwaltung zurückzuziehen, und schadete der kaiserlichen Autorität in Reichsitalien, da nun das kaiserliche Recht, in Erbfolgestreitigkeiten zu vermitteln, aufgehoben war. Karl von Nevers stellte sich jedoch gleichermaßen und erbittert dem ausgehandelten Vertrag entgegen, der nicht nur den umstrittenen Teil Montferrats dem Herzog von Savoyen zuerkannte, sondern auch das strittige Gebiet im Herzogtum Mantua dem Herzog von Guastalla. [37] Die beiden Herzöge von Savoyen und Nevers zahlten nun den Preis dafür, daß sie sich militärisch auf Frankreich eingelassen hatten, sei es als Gegner oder als Verbündete. Obwohl die Absprachen von Cherasco die Räumung der besetzten Gebiete durch Spanien und Frankreich verlangten, hegten die Franzosen nicht die geringste Absicht, die Schlüsselfestungen Pinerolo und Casale aufzugeben.

Vielmehr benutzte Frankreich diese Stützpunkte, nachdem es sie erobert hatte, zur Stärkung und Erweiterung des eigenen Einflusses auf der Halbinsel. Aus diesem Grunde war der italienische Kriegsschauplatz in den frühen 1630er Jahren geprägt von beträchtlicher diplomatischer Aktivität, verschiedenen Allianzen und Militärmanövern, die auf eine mögliche Wiederaufnahme des Konflikts vorbereiten sollten. Der neue Fürst von Savoyen, Vittorio Amedeo I., war der Ansicht, daß die Chancen auf eine Rückeroberung Pinerolos und eine Stärkung seiner Ansprüche auf den Rest des Montferrat am besten durch ein enges Bündnis mit den Franzosen durchzusetzen waren. Andererseits waren Karl von Nevers und seine Nachfolger erschöpft von der Belagerung Casales und sahen die Zukunft der mantuanischen Territorien in einer erneuten Allianz mit dem Kaiser. An Frankreichs künftigen Interventionsabsichten bezüglich Norditaliens bestanden kaum Zweifel. Es stand ebenfalls fest, daß die Habsburger nur darauf warteten, die Franzosen von der Halbinsel zu verdrängen, sobald sich die Gelegenheit bot.

Aber die Auswirkungen der Mantuanischen Erbfolgekrise reichten über Italien hinaus. Indem Richelieu trotz einer erwarteten Niederlage den Sieg davontrug, hatte sich seine Glaubwürdigkeit gegenüber Ludwig XIII. verbessert und sich seine Politik einzelner gezielter Herausforderungen der Habsburgischen Macht als bewährt. Es war davon auszugehen, daß eine Politik nun fortgesetzt würde, die es Frankreich erlaubte, seine Kontrolle über die Gebiete jenseits seiner Grenzen zu verstärken und gleichzeitig zur Unterwanderung der Autorität und des militärischen Rufes Habsburgs beizutragen. Richelieu war es offensichtlich gelungen, eine via media zwischen internationaler katholischer Beschwichtigungspolitik und totaler Eingebundenheit in den europäischen Krieg zu finden. Genauso wie Richelieu darum bemüht war, Frankreichs vorteilhafte Position in Italien zu festigen, verfolgte er eine Reihe von militärischen Aktionen und territorialen Besetzungen an Frankreichs Ostgrenzen weiter. Nach Cherasco blieb er zuversichtlich, daß ungeachtet der Provokationen, die von solchen französischen Aktivitäten ausgingen, die Habsburger es nicht wagen würden, sich Frankreich durch eine offizielle Kriegserklärung zum offenen Feind zu machen. [38] Während jedoch Richelieus Spiel mit dem Feuer Frankreich zu beträchtlichen Erfolgen bei der Ausdehnung der Grenzen sowie bei der Unterbrechung der Verbindungslinien entlang des Rheins - gegen geringen Widerstand - führte, brachte diese Politik in ihrer Gesamtwirkung die Konfrontation unaufhaltsam näher. Als am 6. September 1634 österreichische und spanische Truppen gemeinsam und unerwartet die schwedische und deutsche protestantische Hauptmacht bei Nördlingen vernichteten, war dies der Anfang eines offen geführten Krieges. Die Habsburger fühlten sich nun stark genug, das territoriale und politische Vorrücken Frankreichs der vergangenen vier Jahre herauszufordern, sei es in Norditalien oder im Rheinland. Ludwig XIII. und Richelieu sahen sich einer neuen Situation gegenüber, in der der Krieg nur durch eine völlige Kapitulation Frankreichs und damit der Aufgabe der jüngsten Errungenschaften hätte verhindert werden können.

Die Krise der Mantuanischen Erbfolge, die einen Krieg in Norditalien beschleunigt hatte, der von keiner der größeren europäischen Mächte gewollt war, hatte ebenfalls zu einem größeren und längeren Krieg beigetragen, den diese Mächte ebensowenig wollten. Im wahrsten Sinne des Wortes ebnete das Ergebnis des Mantuanischen Erbfolgekrieges den Weg für diesen allgemeinen europäischen Konflikt zwischen den Habsburgern und Frankreich und formte damit entscheidend das Wesen des Dreißigjährigen Krieges mit.



Seitenanfang

ANMERKUNGEN


1. Vgl. z.B. Lublinskaja 1968, S. 156ff.

2. Tapié 1934, S. 507-513.

3. Vgl. z.B. Quazza 1921.

4. Pithon 1960, S. 308.

5. Die Verhandlungen wurden im November 1624 beendet (A[rchivio di] S[tato di] To[rino], L[etteri] M[inistri] Francia, 25, Karlo Emanuel an den Abbé Alessandro Scaglia: fol. 7, 8 Aug. 1624, fol. 24, 9 Nov. 1624).

6. Capriata 1663, S. 304-316.

7. Grillon 1975ff., I, S. 218ff., [Sept. 1625] Sur la necessité de la paix du dedans.

8. Grillon 1975ff., I, S. 226-233, 25 Nov. 1625.

9. A[rchivio di] S[tato di] Ma[ntova], A[rchivio] G[onzaga] E xv 3, busta 675, 17 Feb. 1627, Bericht des mantuanischen Abgesandten in Paris, der sich auf die Ablehnung des Vertrags von Monzón durch den Herzog von Savoyen bezieht.

10. Elliott 1986, S. 406ff.; Stradling 1986; Straub 1980, S. 428-436; Koenigsberger 1971, S. 243ff.; Parrott 1987, S. 92-96.

11. Vgl. z.B. Baudson 1947, S. 237-240, 254.

12. Vgl. Elliott 1986, S. 337-343.

13. Vgl. Pithon 1960, S. 297-322; Israel 1982, S. 162-174; Straub 1980, S. 288-314.

14. Fichtner 1989.

15. Es gab in den 1570er Jahren 85 signori e cavalieri aus dem Hause Gonzaga, von denen 24 kaiserliche Lehensleute waren, vgl. Mozzarelli 1979, S. 442f.

16. Parrott 1997, S. 154-159.

17. Das Motto findet sich auf einer Anzahl von Münzen, die für Karl von Nevers nach seiner Ankunft in Mantua geprägt wurden, vgl. Bignotti 1984, S. 94f.

18. Davari 1891.

19. Carutti 1875-1880, II, S. 112-117.

20. A[rchives des] A[ffaires] É[trangères], M[émoires et] D[ocuments] Italie, 21, fol. 20v., 21, 27 April, 5 May 1613, Briefwechsel zwischen dem spanischen Gouverneur in Mailand und Ludwig XIII., betreffend der Sicherung einer Stellung in Norditalien.

21. Gabiani 1915, S. 170ff.

22. Vgl. z.B. die Briefe des französischen Botschafters, des Marquis de Saint-Chaumont, an Ludwig XIII. (A.A.E., C[orrespondance] P[olitique], Mantoue, 1, fol. 223, 227, 14 Nov., 4 Dec. 1627).

23. Bei den meisten Versuchen, die unternommen wurden, Mantua und Savoyen in den ersten Monaten des Jahres 1628 zu versöhnen, wird die Hochzeit als Hauptquelle für die Streitigkeiten genannt - z.B. A.S. To., Ducato Monferrato, busta 37, pieces 1,10; A.A.E., C.P. Savoie 8, fol. 268, 14 Mar. 1628.

24. A.A.E., C.P. Savoie 8, fol. 242, 3 Mar. 1628, Claudio Marini, französischer Agent in Turin, an Ludwig; A.A.E., C.P. Mantoue 2, fol. 28, 28 Mar. 1628, Saint-Chaumont an den secrétaire d'état, d'Herbault.

25. Affò 1982, III, S. 120.

26. Z.B. Quazza 1926, I, S. 92f.

27. Quazza 1926, I, S. 199ff.

28. Grillon 1975, III, S. 587f., [Dec.] 1628, Allocution au Roi par le Cardinal de Richelieu; A.A.E., C.P. Savoie 8, fol. 471, 21 Dec. 1628, Anweisungen für Henri d'Estampes von Valençay, die Versicherungen betreffend, die gegenüber Karl Emanuel gemacht werden.

29. A.A.E., C.P. Savoie 9, fos 114-119, 10 May 1629, Wortlaut des Vertrags von Bossolino, der Savoyen französische Unterstützung bei der Kontrolle der umstrittenen Teile von Montferrat gewährte.

30. Stradling 1986, S. 77.

31. Quazza 1926, I, S. 410f.

32. Richelieu sprach von dieser zweiten Intervention als "un jeu forcé", das er gerne vermieden hätte, vgl. Grillon 1975, IV, S. 676-681, Considérations pour estre veues par le Roi...

33. Humbert 1960, S. 77-157.

34. Israel 1990a, S. 174ff.

35. Roberts 1958, II, S. 439-452.

36. Der Text der Waffenstillstandsverhandlungen findet sich in A.A.E., C.P. Mantoue 3, fol. 466 et seq., 26. Okt. 1630. Zum Text der Verträge von Cherasco vgl. A.A.E., M [émoires et] d [ocuments] Italie, 21, fol. 220v et seq., 6 April 1631.

37. Über Montferrat schrieb Nevers an Richelieu mit einiger Bitterkeit "vous avez maintenant sceu ce qui s'est passé dans la conclusion du traite de Cherasco et le demembrement qui y est fait en faveur du duc de Savoye de la meilleure et plus riche partye du Monferrat" (A.A.E., C.P. Mantoue 4, fol. 83, 17 April 1631). Über das Abkommen, das die Ansprüche der Guastalla anerkennt vgl. A.A.E., M.D. Italie, 21, fol. 219, 12 Feb 1631, Accordo tra Mons. vescovo di mantova et Guastalla fatto a Vienna.

38. Parrott 1987, S. 95-100.


Seitenanfang

© 2001 Forschungsstelle "Westfälischer Friede", Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Münster, Domplatz 10, 48143 Münster, Deutschland/Germany. - Stand dieser Seite: 2. Mai 2002