DOKUMENTATION | Ausstellungen: 1648 - Krieg und Frieden in Europa
Im Glanz des Friedens
Das Konzept
In Anlehnung an das
historische Geschehen vor 350 Jahren war die Vorgabe für die Ausstellung,
daß diese an den beiden damaligen Kongreßorten Münster und
Osnabrück gezeigt werden sollte. Bei der Ausarbeitung einer dieser Vorgabe
entsprechenden Konzeption stand es von vornherein für die
Ausstellungsmacher fest, daß beide Ausstellungsteile für sich selbst
verständlich sein müßten, da nicht davon ausgegangen werden
konnte, daß alle Besucher sich beide Ausstellungsorte ansehen würden.
Erschwert wurde die Aufgabe noch dadurch, daß in Osnabrück erneut
zwei Ausstellungsstätten zu berücksichtigen waren, das
Kulturhistorische Museum und die Kunsthalle Dominikanerkirche. Nach
ausführlichen Diskussionen mit dem Wissenschaftlichen Beirat und anderen
in- und ausländischen Beratern wurde entschieden: In Münster sollten
eher die strukturellen Gesichtspunkte des Themas beleuchtet werden, das
Kulturhistorische Museum in Osnabrück wurde für die Chronologie der
Ereignisse bestimmt, und in der Dominikanerkirche sollte auf die Bedeutung der
Religion bzw. der verschiedenen Konfessionen eingegangen
werden.
Das Westfälische Landesmuseum präsentiert seinen Teil der Ausstellung im
jüngst restaurierten Altbau. Das Erdgeschoß, das sich der Krise in
Europa um 1600 widmet, erhielt eine gelbe Wandfarbe. Im einleitenden Raum werden
allgemeine Krisenphänomene, das generelle Krisenbewußtsein der Zeit
sowie zeitgenössische Lösungsvorschläge thematisiert. Die sich
anschließenden Räume beschäftigen sich mit den drei großen
zwischenstaatlichen Konfliktzonen. Zum einen geht es um die Auseinandersetzungen
zwischen Spanien und den um ihre staatliche Unabhängigkeit kämpfenden
Niederlanden, des weiteren um die Spannungen zwischen Frankreich und dem Haus
Habsburg, und zum dritten werden die Kriege im Ostseeraum, d. h. einerseits der
Gegensatz zwischen Polen und Schweden, andererseits die Konflikte zwischen
Schweden und Dänemark, erläutert. Die ökonomischen
Gegebenheiten, etwa der Aufschwung des Handels mit den Kolonien, werden im
Erdgeschoß ebenso behandelt wie die Aufrüstung der Kriegsparteien,
wobei das Beispiel Schweden im Mittelpunkt steht. Die Galerien des Erdgeschosses
widmen sich der Literatur der einzelnen europäischen Länder im
ausgehenden 16. und in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts sowie dem
bedeutendsten "Massenmedium" der Zeit, dem illustrierten Flugblatt.
In einer Art Waffenkammer sind die drei wichtigsten Waffengattungen der Zeit,
Infanterie, Artillerie und Kavallerie, mit ihrer typischen Bewaffnung und
Ausrüstung vertreten.
Zentraler Raum des Erdgeschosses ist jedoch der Lichthof des Museums. Hier sind unter dem Titel
"Dramatis personae" die wichtigsten an Krieg und Frieden beteiligten
Personen in Porträts von höchstem Rang präsentiert. Der Raumtitel
erinnert an die barocke Vorstellung vom Krieg als Theater, und diese Idee des
"Theatrum belli" bestimmt auch die Form der Präsentation: In
die Museumsarchitektur eingebaut wurde eine Rotunde, die an ein barockes Theater
erinnern soll, in dem sich die Hauptakteure versammelt haben.
Der Rundgang im ersten, in
roter Wandfarbe gehaltenen Obergeschoß ist dem Krieg gewidmet und wird
eröffnet mit einer Folge von großformatigen Bildern, die die
militärischen Erfolge des kaiserlichen Feldherrn Charles Bucquoi zeigen.
Dieses Thema der propagandistischen Darstellung und Verwertung des
Schlachtensieges wird erneut in einem der folgenden Räume aufgegriffen. Der
siegreiche Feldherr, wenn auch mit veränderter Akzentuierung und
Perspektive, ist gleichfalls ein Aspekt des auf einer Galerie behandelten
"Pompa Introitus Ferdinandi", mit dem die Stadt Antwerpen den Sieger
der Schlacht von Nördlingen, den Kardinalinfanten Ferdinand, 1634 feierlich
empfing. Weitere Themen der Kriegsetage, die sowohl durch Realien als auch durch
Kunstwerke exemplifiziert werden, sind die Kriegsfinanzierung, die taktischen
und technischen Entwicklungen des Kriegswesens sowie die militärische
Gesellschaft. Die Gewinner des Krieges werden in einer kleinen Feldherrengalerie
präsentiert. Befehlshaber wie Wallenstein, Karl Gustav Wrangel oder
Frederik Hendrik suchten ihren im Krieg erworbenen Reichtum und den damit
verbundenen sozialen Aufstieg zu dokumentieren, indem sie sich als Kunstsammler
und Kunstmäzene betätigten. Tote und Verwundete als Opfer des Krieges
auf Schlachtenbildern stellen eine Überleitung dar zu einer Sequenz, in der
es um die Schrecken des Krieges und das Leiden der Zivilbevölkerung geht.
Diese Schrecken spiegeln sich zum Teil auch in der Literatur der Zeit, die
gleichzeitig in großem Umfang den Wunsch nach Frieden zum Ausdruck
bringt.
Einen Übergang
zwischen der Kriegs- und der Friedensetage bildet im Treppenhaus der Schrein des
heiligen Liborius, des Paderborner Bistumspatrons. Der mittelalterliche
Vorgänger des jetzigen Reliquiars fiel 1622 einer Plünderung zum
Opfer; der 1627 geschaffene Schrein wurde 1646 bei einer Friedensprozession
durch Münster getragen: Von daher bot sich die prominente Positionierung
zwischen Krieg und Frieden von selbst an.
Der lange Weg zum Frieden
ist das Thema der türkisfarbenen Friedens-Etage. Eintreffen und
Unterbringung der Gesandten in der Friedensstadt Münster, ihre Beziehungen
zu den Einheimischen sowie die Postverbindungen sind einige Themen dieses Saals.
Auch das starke Interesse, das die zeitgenössische Öffentlichkeit dem
Fortgang der Verhandlungen entgegenbrachte, wird anhand von Exponaten gezeigt.
Es folgt der Kongreß selbst, vor allem die Art und Weise der Verhandlungen
und die unterschiedlichen Typen diplomatischer Schriftstücke. Einen
Höhepunkt bildet dann der Saal mit den originalen Friedensdokumenten von
1648: Es werden die beiden Exemplare des kaiserlich-französischen Friedens
gezeigt, die am 24. Oktober 1648 in Münster unterzeichnet worden sind.
Daneben tritt ein Original des Vertrages zwischen Spanien und den Niederlanden,
der am 30. Januar 1648 geschlossen worden war (das andere Exemplar dieses
Friedens befindet sich im Osnabrücker Teil der Ausstellung). Neben die
Verträge selbst treten die Ratifikationsdokumente, d.h. die eigentlich
völkerrechtlich verbindlichen Ausfertigungen, unterzeichnet von den
jeweiligen Herrschern bzw. im Falle der Republik der Niederlande von den
Vertretern der Provinzen. Hier ist auch das berühmte Gemälde Gerard
ter Borchs von der feierlichen Beeidigung des spanisch-niederländischen
Friedens am 15. Mai 1648 im heute so genannten Friedenssaal des Münsteraner
Rathauses zu sehen.
Der gewonnene Frieden wurde in zahlreichen Flugblättern, Münzen und
Medaillen gefeiert; die Friedensfeiern in den unterschiedlichen
europäischen Städten selbst wurden auf Gemälden und Kupferstichen
festgehalten. Mit dem Westfälischen Frieden waren keineswegs alle Konflikte
in Europa beigelegt: Kriege gab es auch weiterhin, dennoch wurde der
Westfälische Frieden zum Vorbild für anschließende
Friedenskonferenzen. Es folgt ein Raum zu den Niederlanden und ihrer Sicht auf
den Frieden, dem sie ihre staatliche Unabhängigkeit verdanken. Im letzten
Saal schließlich, der den kunsthistorischen Höhepunkt der Ausstellung
bildet, werden unter dem Titel "Der Friede ist die höchste Kunst"
Spitzenwerke der Malerei aus verschiedenen Ländern Europas gezeigt, die
sich mit dem Thema des Friedens beschäftigen. Zentrales Werk ist Peter Paul
Rubens' große Allegorie "Minerva schützt Pax vor Mars" aus der
National Gallery in London, die hier erstmals außerhalb Englands zu sehen
ist.