Ereignisse > Ereignis des Monats Dezember
Matthias Frese
Dezember 1937 -
Vom Volksgerichtshof verurteilt:
Mitglieder der freigewerkschaftlichen Eisenbahner im Rhein-Ruhr-Gebiet vor Gericht
Vom 01.12. bis 03.12.1937 fand in Düsseldorf vor dem 2. Senat des Volksgerichtshofes der Prozess gegen die Hauptakteure einer der größten, bekannten gewerkschaftlichen Widerstandsgruppen während der NS-Zeit statt. Die zur Internationalen Transportarbeiter-Föderation (ITF) gehörenden freigewerkschaftlichen Eisenbahner im Rhein-Ruhr-Gebiet wurden nach monatelangen Verhören wegen ihrer Arbeit gegen das NS-Regime unter dem Vorwurf der Vorbereitung zum Hochverrat angeklagt und zu langjährigen Zuchthausstrafen verurteilt.Die Umbruchphase 1933
Die Zerschlagung der Freien Gewerkschaften durch die neuinstallierte NS-Regierung und durch NS-Organisationen im Frühjahr 1933 verlief an vielen Orten unterschiedlich, häufig gewalttätig, mitunter aber auch in Form einer schrittweisen Übergabe und Übernahme der Gewerkschaften und ihrer Einrichtungen. Der Besetzung der Gewerkschaftshäuser und der Verhaftung der führenden Funktionäre am 02.05.1933 gingen seit Anfang März 1933 oftmals vorübergehende Beschlagnahmungen und Verbote durch SA- und NSBO-Kommissare (Nationalsozialistische Betriebszellenorganisation), Verhaftungen und Racheakte an einzelnen Personen voraus. Parallel wurde den Freien Gewerkschaften die betriebliche Verankerung genommen durch die Ausschaltung der kurz zuvor im März und April 1933 gewählten Betriebsvertretungen. Die entlassenen Gewerkschafts- und Betriebsfunktionäre wurden, soweit sie nicht ins Ausland flohen, häufig längere Zeit in Gefängnissen und "wilden" Konzentrationslagern inhaftiert, wurden danach überwacht und erhielten vielfach jahrelang keinen Arbeitsplatz in ihrem erlernten Beruf, sondern lebten von Unterstützungen, kleinen Renten oder machten sich selbständig. Etliche Gewerkschaftsfunktionäre nahmen auch Arbeitsstellen als Vertreter an, wodurch es ihnen in der Folgezeit möglich wurde, ohne aufzufallen viel zu reisen und Kontakte zu Gleichgesinnten aufzubauen.Ein illegales Netz entsteht
Die illegale Arbeit der Eisenbahngewerkschafter kam bereits 1933 in Gang. Nach Kontakten mit der ITF-Führung in Amsterdam begann Hans Jahn als früherer hauptamtlicher Sekretär der Organisationsabteilung des Verbandsvorstandes der Eisenbahnergewerkschaft Fühlung zu bisherigen Funktionären aufzunehmen und ein loses Verbindungsnetz zu knüpfen. Jahn kannte viele der Bezirksfunktionäre persönlich und wusste über den organisatorischen Zustand bestens Bescheid. Zudem war es ihm im Mai 1933 gelungen, etwa 17.000 Karteikarten mit Mitgliederanschriften vor dem Zugriff der Gestapo zu sichern. Darüber hinaus gehörte Jahn dem engen Führungskreis der illegalen Reichsleitung der Freien Gewerkschaften in Berlin an und besaß politische Verbindungen zur Exil-SPD (Sopade) und zu linkssozialdemokratischen Organisationen.Im Westen fand Jahn dabei mit Willy Molitor in Mülheim a. d. Ruhr und bald darauf mit Max Pester in Köln zwei engagierte Mitstreiter, die in seinem und im ITF-Auftrag weitere Verbindungspersonen aufspüren sollten. Ehe es zu einem offenen Gespräch kam, waren oftmals mehrere, teilweise sehr zeitaufwändige Fahrten mit dem Fahrrad zu den ausgesuchten Personen erforderlich. Häufig endeten sie damit, dass z.B. Molitor entschied, den illegalen Kontakt nicht aufzubauen, da die angesprochene Person kein Interesse zeigte, resigniert hatte, den Illegalen zu unsicher erschien oder selbst aus Furcht vor Verhaftung und Folter nicht mitmachen wollte oder auch mittlerweile zu den Nationalsozialisten übergelaufen war. Im Rheinland hatte dagegen Max Pester mehr Glück. Im Sommer 1934 warb er erfolgreich Paul Emmen aus Krefeld an, der wiederum Heinrich Malina empfahl. Zunächst wurde nur der erweiterte lose Zusammenhalt früherer Gewerkschafter angestrebt, die mit Jahn als Reichsleiter in Berlin und mit der ITF-Zentrale in Amsterdam bei Treffen in Holland in Verbindung stehen und Informationen austauschen sollten.
Eine Wende in der bisherigen illegalen Arbeit fand statt, als Jahn Ende 1934/Anfang 1935 auf einen festeren organisatorischen Zusammenhalt mit klaren Kompetenz- und Bereichsabgrenzungen drängte. Hierfür trafen sich Anfang März 1935 die bisher angeworbenen Max Pester, Paul Emmen, Willy Komorowsky, Willy Molitor, Heinrich Malina und Leo Radtke in der Wohnung von Hugo Bachmann in Duisburg mit dem aus Berlin angereisten Hans Jahn, der die neue Linie erläuterte und die Aufgabenfelder verteilte.
Danach koordinierte Willy Molitor die illegale Arbeit als Gebietsleiter im Westen, dem Heinrich Malina als Bezirksleiter für das Rheinland unterstand. Wenige Wochen später mussten die Funktionen jedoch neu verteilt werden, da Molitor Anfang Juni 1935 zusammen mit einer illegalen SPD-Gruppe in Duisburg verhaftet wurde und Jahn nach vorübergehender Haft erst in die Tschechoslowakei und dann in die Niederlande floh. Glück hatte die Gruppe auch, dass es der Gestapo trotz zahlreicher Verhaftungen im ganzen Reichsgebiet nach einer Konferenz der ITF im dänischen Roskilde zur Organisation der illegalen Arbeit in Deutschland nicht gelang, die Verbindungen im Rhein-Ruhr-Gebiet aufzudecken. Die Position von Molitor übernahm Heinrich Malina, der damit zur wichtigen Schnittstelle zwischen der Illegalität und der Emigration mit der Leitungsebene der ITF wurde. Zu seinen Aufgaben gehörten neben dem beständigen Ausbau der Verbindungen die regelmäßigen Treffen in Venlo und Amsterdam mit Jahn und dem ITF-Generalsekretär Edo Fimmen sowie in der Illegalität an wechselnden Orten. Neben Malina dominierten Paul Emmen, Willy Komorowsky und Max Pester sowie der neu hinzugekommenen Reichsbahnsekretär Hans Funger die illegale Arbeit im Rheinland, wobei sich Funger bald zur treibenden Kraft entwickelte und schließlich im Sommer 1936 nach dem Rückzug von Malina auch dessen Funktionen übernahm.
Zum "Bezirksleiter" in Westfalen setzte Jahn im Sommer 1935 Leo Radtke ein, mit dem er seit November 1933 in losem Kontakt stand. Nach vorsichtigem Kennenlernen mit Molitor wurde Radtke Ende 1934 in die illegale Arbeit der Eisenbahner im Rhein-Ruhr-Gebiet einbezogen. Für seine Auswahl als Bezirksleiter gaben seine Weimarer Funktionärserfahrung und der Wohnsitz den Ausschlag. Radtke verfügte als ehemaliger Sekretär der Eisenbahnergewerkschaft in Hamm und Dortmund nach eigenen Angaben über gute Verbindungen. Der weitläufige Bezirk Westfalen umfasste für die illegale Arbeit neben dem Hauptsitz Hamm als Stützpunkte die Städte Essen, Wanne-Eickel, Recklinghausen, Dortmund, Soest, Gelsenkirchen, Witten, Münster und reichte bis nach Bielefeld, Osnabrück und Lingen im Emsland. Wurde Radtke anfänglich noch über die Absprachen mit Jahn im Nachhinein informiert, so gehörte er bald zum inneren Kreis der Gruppe und reiste 1936 häufig zu eigenen Treffen nach Venlo, um dort über die Lohn- und Arbeitsbedingungen im Deutschen Reich zu berichten. Jahn und Fimmen wollten diese Berichte in Flugblättern und illegalen Schriften verarbeiten, die wiederum ins Reich gebracht und dort verteilt werden sollten. Radtkes Arbeitsgebiet wurde hierfür auf den Bereich zwischen Dortmund, Bielefeld, Arnsberg und Münster festgelegt. Der geforderte Ausbau der Verbindungen scheiterte jedoch weitgehend, da die angesprochenen Personen nicht zum Einsatz kamen oder sich zurückhielten.
Insgesamt sah die von Jahn 1935/1936 entwickelte Organisationsstruktur der illegalen Gruppen somit allein in Rheinland und Westfalen fünf Bezirke mit Stützpunkten entlang der Bahnlinien vor, zu denen im gesamten Reichsgebiet zahlreichen weitere Verbindungsstellen in 16 "Gauen" gehörten. Allerdings räumte Jahn ein, dass von den Anfang März 1936 zusammen 178 Stützpunkten etliche lediglich auf dem Papier bestanden und nur sehr wenige so dicht besetzt waren wie im "westlichen Industriegebiet".
Tätigkeitsbereiche und Aktivitäten
Im Mittelpunkt der illegalen Arbeit stand zunächst der Aufbau loser Verbindungsnetze, die mit der regionalen und lokalen personellen Ausweitung zunehmend engmaschiger und zugleich straffer organisiert wurden. Hinzu traten regelmäßige Treffen in der Illegalität und mit der Führung der Widerstandsgruppe in der Emigration zum Austausch von unverfälschten Informationen und zur finanziellen, logistischen und informationellen Hilfestellung für die Illegalen durch die internationale Dachorganisation. Zugleich schmuggelten die Illegalen von den Treffen in Holland Flugblätter und Zeitschriften der ITF nach Deutschland oder es wurden solche Publikationen versteckt in Fernzügen der Reichsbahn an verabredete Zielbahnhöfe im Reich geschickt.Dabei stellte Hans Jahn nicht nur die zentrale Person für die illegale Arbeit in Deutschland und für die Verbindungen zur ITF in der Emigration dar, sondern er formulierte auch die Vorgaben für die illegale Arbeit. In Abgrenzung zum Konzept der Massenorganisation oder zur "Taktik des trojanischen Pferdes", wie sie besonders die KPD propagierte, forderte Jahn die Bildung dezentraler Kader aus den Betrieben. Diese Kader sollten aber zugleich durch die zentrale Führung angeleitet und koordiniert werden. In der Praxis behielt Jahn jedoch die inhaltliche und konzeptionelle Arbeit in der Hand, trotz aller Bekenntnisse zum Vorrang der illegalen Gruppen. Umgekehrt benötigten diese die Unterstützung aus der Emigration, ohne die sie noch isolierter handeln mussten. Auch die beabsichtigte, strenge Kaderbildung blieb unrealistisch.
Bei den Eisenbahnern stellten die früheren lokalen und regionalen Gewerkschaftsfunktionäre das Gros der illegalen Verrauensleute, zumal Jahn diese oftmals noch aus seiner Zeit vor 1933 kannte. Ebenso war die verlangte Abgrenzung der Illegalen zu parteipolitischen Gruppen löchrig. So entwickelten sich im Westen mit Unterstützung der Emigration zunehmende Kontakte zum Internationalen Sozialistischen Kampfbund (ISK), einer kleinen linkssozialistischen Gruppe, deren Vorstellungen von illegaler Arbeit mit denen der ITF übereinstimmte. Die den illegalen Kadern vorgegebene Trennung von Partei und Gewerkschaft wurde von der Emigrationsleitung grundsätzlich nur gegenüber den Kommunisten aufrecht gehalten.
Gesellschaftliche Zielsetzungen über den Sturz des NS-Regimes hinaus waren in den Flugblättern und Broschüren kaum enthalten. Eine Rückkehr zu Weimarer Verhältnissen wurde allerdings ausgeschlossen. Erst viel später, während der zweiten Kriegshälfte, entstanden in der Emigration Nachkriegskonzepte, die nach einer Umorientierungsphase unter alliierter Kontrolle eine demokratische Gesellschaft mit gemäßigt kapitalistischer Wirtschaft und starken staatlichen Instanzen anstrebten.
Zerschlagung und Ende der illegalen Gruppe
im Westen
Sei es durch Nachlässigkeit beim Verstecken illegaler Schriften im Pkw für den Transport über die deutsch-niederländische Grenze, sei es durch Zufall der Grenzkontrolle oder sei es durch die Hilfestellung eines V-Mannes der Gestapo im weiteren Umfeld der Kölner Gruppe: Mitte Februar flog die ITF-Widerstandsgruppe im Westen auf. Nach der Verhaftung des Kuriers an der Grenze gelang es der Gestapo innerhalb von drei Wochen den Kern der Gruppe, insgesamt 16 Personen, festzunehmen.
Die Gefangenen wurden im Polizeigefängnis Düsseldorf während der folgenden Wochen, teilweise unter Androhung und Anwendung von Gewalt, verhört. Sie versuchten dabei vor allem, ihre Aktivitäten als nicht-politisch und nur-gewerkschaftlich darzustellen. So hätten sie nicht an einen gewaltsamen Umsturz gedacht, sondern 1934/35 mit einem baldigen Ende des Regimes gerechnet und wollten für den Fall eines Umschwunges eine "Auffang-Organisation" bieten, mit der eine Radikalisierung wie 1918 verhindert werden sollte. Staatsanwaltschaft und Gericht glaubten diesen Darlegungen jedoch nicht, sondern erblickten in den Angeklagten "politisch geschulte Funktionäre", denen bewusst war, "dass ihre Arbeit gegen den Staat gerichtet gewesen war". Mit Ausnahme des Kuriers wurden sämtliche Angeklagte deshalb "wegen Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens unter erschwerenden Umständen verurteilt." Das Strafmaß fiel sehr unterschiedlich aus, je nach dem wie das Gericht zum einen die Auslandsverbindungen zur ITF und zum anderen die Aktivitäten der Angeklagten während des Ersten Weltkrieges und der Nachkriegsjahre wertete. So erhielten die Hauptangeklagten Funger, Emmen und Pester 15 bzw. 10 Jahr Zuchthaus, wohingegen die Strafen von Malina und Radtke mit 5 und 4 Jahren Zuchthaus noch vergleichsweise niedrig ausfielen.
An den Hauptprozess schlossen sich weitere Ermittlungen und Verfahren gegen angeworbene Gruppenmitglieder aus dem Umfeld der Bezirke und Stützpunkte im ganzen Reich an, wobei der V-Mann nach Intervention der Gestapo Düsseldorf in Anklage und Urteil als unbedarft dargestellt und freigelassen wurde. Zwar wurden bei weitem nicht alle Verbindungen aufgedeckt. Doch war die Organisationsstruktur der illegalen Gruppen im "westlichen Industriegebiet" weitgehend zerschlagen. Hans Jahn versuchte in der Folgezeit neue Strukturen aufzubauen. Dies gelang allerdings bis Kriegsbeginn bei weitem nicht mehr im früheren Umfang. Nach Beginn des Krieges gegen Frankreich brachen die illegalen Kontakte weitestgehend zusammen. Jahn, der zwischenzeitlich nach Luxemburg übergesiedelt war, konnte in einer abenteuerlichen Odyssee nach England flüchten, wo er innerhalb der gewerkschaftlichen Emigration tätig wurde.
Die Verurteilten der Rhein-Ruhr-Gruppe mussten ihre Strafen vollständig verbüßen. Während aber Leo Radtke im Anschluss an seine Haft mit Auflagen frei kam, dann als Magazinarbeiter beschäftigt war, nach dem Attentat am 20.07.1944 erneut festgenommen wurde und bis Kriegsende im Konzentrationslager Sachsenhausen inhaftiert war, wurde Heinrich Malina nicht freigelassen, sondern noch im Zuchthaus von der Gestapo erneut verhaftet, nach Sachsenhausen und von da 1944 ins Lager Mauthausen transportiert und 1945 befreit. Hans Funger schließlich starb während des Krieges im Zuchthaus bei einem Bombenangriff.
Die Gefangenen wurden im Polizeigefängnis Düsseldorf während der folgenden Wochen, teilweise unter Androhung und Anwendung von Gewalt, verhört. Sie versuchten dabei vor allem, ihre Aktivitäten als nicht-politisch und nur-gewerkschaftlich darzustellen. So hätten sie nicht an einen gewaltsamen Umsturz gedacht, sondern 1934/35 mit einem baldigen Ende des Regimes gerechnet und wollten für den Fall eines Umschwunges eine "Auffang-Organisation" bieten, mit der eine Radikalisierung wie 1918 verhindert werden sollte. Staatsanwaltschaft und Gericht glaubten diesen Darlegungen jedoch nicht, sondern erblickten in den Angeklagten "politisch geschulte Funktionäre", denen bewusst war, "dass ihre Arbeit gegen den Staat gerichtet gewesen war". Mit Ausnahme des Kuriers wurden sämtliche Angeklagte deshalb "wegen Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens unter erschwerenden Umständen verurteilt." Das Strafmaß fiel sehr unterschiedlich aus, je nach dem wie das Gericht zum einen die Auslandsverbindungen zur ITF und zum anderen die Aktivitäten der Angeklagten während des Ersten Weltkrieges und der Nachkriegsjahre wertete. So erhielten die Hauptangeklagten Funger, Emmen und Pester 15 bzw. 10 Jahr Zuchthaus, wohingegen die Strafen von Malina und Radtke mit 5 und 4 Jahren Zuchthaus noch vergleichsweise niedrig ausfielen.
An den Hauptprozess schlossen sich weitere Ermittlungen und Verfahren gegen angeworbene Gruppenmitglieder aus dem Umfeld der Bezirke und Stützpunkte im ganzen Reich an, wobei der V-Mann nach Intervention der Gestapo Düsseldorf in Anklage und Urteil als unbedarft dargestellt und freigelassen wurde. Zwar wurden bei weitem nicht alle Verbindungen aufgedeckt. Doch war die Organisationsstruktur der illegalen Gruppen im "westlichen Industriegebiet" weitgehend zerschlagen. Hans Jahn versuchte in der Folgezeit neue Strukturen aufzubauen. Dies gelang allerdings bis Kriegsbeginn bei weitem nicht mehr im früheren Umfang. Nach Beginn des Krieges gegen Frankreich brachen die illegalen Kontakte weitestgehend zusammen. Jahn, der zwischenzeitlich nach Luxemburg übergesiedelt war, konnte in einer abenteuerlichen Odyssee nach England flüchten, wo er innerhalb der gewerkschaftlichen Emigration tätig wurde.
Die Verurteilten der Rhein-Ruhr-Gruppe mussten ihre Strafen vollständig verbüßen. Während aber Leo Radtke im Anschluss an seine Haft mit Auflagen frei kam, dann als Magazinarbeiter beschäftigt war, nach dem Attentat am 20.07.1944 erneut festgenommen wurde und bis Kriegsende im Konzentrationslager Sachsenhausen inhaftiert war, wurde Heinrich Malina nicht freigelassen, sondern noch im Zuchthaus von der Gestapo erneut verhaftet, nach Sachsenhausen und von da 1944 ins Lager Mauthausen transportiert und 1945 befreit. Hans Funger schließlich starb während des Krieges im Zuchthaus bei einem Bombenangriff.
Gewerkschaftsfunktionär Leo Radtke (26.03.1897-01.05.1969), erkennungsdienstliches Foto der Staatspolizei Düsseldorf, 1937
Urteil des 2. Senats des Volksgerichtshofs (Vorsitzender: Senatspräsident Engert) im Düsseldorfer Hochverratsprozess, Abschrift vom 07.12.1937
Nachkriegslebenswege
Die überlebenden Inhaftierten und die Rückkehrer aus der Emigration, zu denen neben Jahn auch Willi Molitor zählte, der nach seiner Freilassung aus der Haft und mit Hilfe der ITF im Jahr 1940 nach England geflüchtet war, engagierten sich 1945/1946 beim Wiederaufbau der Gewerkschaften im Westen Deutschlands.Doch trotz der gemeinsamen Erfahrungen trennten sich rasch die Lebenswege und entwickelten sich teilweise erbitterte Gegnerschaften. So gelangte Malina in die Führung der Gewerkschaft Transport und Verkehr im linksrheinischen Bezirk der Britischen Besatzungszone und wurde 1947 Vorsitzender der neuen Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) für die gesamte Besatzungszone. Jahn befürwortete dagegen eine eigene Branchengewerkschaft für die Eisenbahner, deren Führung er seit 1947 inne hatte, und konnte sich letztlich mit Hilfe des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) gegen die Vorstellungen der ÖTV durchsetzen, die eine einheitliche Gewerkschaft für das öffentliche und private Dienstleistungsgewerbe anstrebte. Während Jahn in der Folgezeit bis zu seinem Tod 1960 Vorsitzender der Eisenbahnergewerkschaft blieb, zudem 1956 Präsident der ITF wurde und zwischen 1949 und 1960 für die SPD als Abgeordneter dem Deutschen Bundestag angehörte, schied Malina 1949 tief gekränkt aus der Gewerkschaftsarbeit aus. Leo Radtke hatte sich schon 1946 für einen Wechsel in die Verwaltung entschieden. Bis zu seiner Pensionierung 1962 arbeitete er als Leiter der Entschädigungsbehörde und Dezernent für Wiedergutmachung beim Regierungspräsidium in Arnsberg, wo er auch etlichen ehemaligen Illegalen wie Hans und Frieda Jahn bei der Durchsetzung ihrer Entschädigungsansprüche helfen konnte.
Ressourcen
Weitere Ressourcen zum Thema
Internet-Portal
Literatur
Internet-Portal
- Zum Thema "Nationalsozialismus" bietet das Internet-Portal vielfältige weitere Ressourcen an.
- Wolfgang Stelbrink: Westfalen im Nationalsozialismus (1933-1939)
- Ralf Blank: "Heimatfront" Westfalen - Zwischen Bombenkrieg und "Endkampf" (1939-1945)
Literatur
- Buschak, Willy: "Arbeit im kleinsten Zirkel“. Gewerkschaften im Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Hamburg 1993.
- Esters, Helmut / Pelger, Hans / Schlingensiepen, Alexandra: Gewerkschafter im Widerstand. 2. Aufl. Bonn 1983.
- Mielke, Siegfried / Frese, Matthias: Die Gewerkschaften im Widerstand und in der Emigration 1933-1945. Quellen zur Geschichte der deutschen Gewerkschaftsbewegung, Bd. 5. Köln 1999.
- Scheibe, Dietrich / Wiegold-Bovermann, Margit: "Morgen werden wir die Gewerkschaftshäuser besetzen“. Die Zerschlagung der Gewerkschaften in Rheinland-Westfalen-Lippe am 2. Mai 1933. Essen 2003.
- Schneider, Michael: Unterm Hakenkreuz. Arbeiter und Arbeiterbewegung 1933 bis 1939. Bonn 1999.