PERSON

FAMILIESteg
VORNAMEAngelika


GESCHLECHTweiblich
GEBURT DATUM1641   Suche
EHEPARTNERSteg, Heinrich
TOD DATUM1668-09-15   Suche
TOD ORTLemgo, Burg Sternberg


BIOGRAFIEDie 27jährige Bauersfrau Angelika Steg wußte, was ihr bevorstand, als sie am 11.09.1668 zum Verhör auf die Burg Sternberg im Lipper Land geführt wurde. Die Herren des "Peinlichen Hohen Halsgerichtes" würden sie so lange quälen, bis sie alles gestand, was man ihr vorwarf: Daß sie eine Hexe sei und vier ihrer Nichten und Neffen vergiftet habe; daß sie der Tochter ihres Nachbarn Schmerzen in den Arm gezaubert habe; und daß sie zum Hexentanz auf die Wiesen vor ihrem Dorf Schwelentrup gegangen sei, einem kleinen Bauerndörfchen unweit von Lemgo im Lippischen.

Angelika Steg war sich keiner Schuld bewußt. Dies aber wurde von ihren Richtern nur als eine besonders hinterhältige Variante ihres Bundes mit dem Teufel angesehen. Denn eines wußten die Hexenrichter: Unter der Folter hatte bisher noch jede gestanden.

Das "peinliche" Verhör galt seit Jahrhunderten als das einzige Mittel, um die Wahrheit aus den Zauberinnen herauszubringen. Teuflisch waren dabei nicht die "Geständnisse" der Gefolterten, sondern die Methoden, mit denen man sie zum sprechen brachte: Nagelstühle, Daumen- und Beinschrauben, Wasserbecken, Peitschen und eiserne Fesseln gehörten zu den Instrumenten des Scharfrichters. Gestand eine Frau trotz aller Qualen nicht, galt sie erst recht als Hexe. Denn nur der Teufel selbst konnte einem Menschen die Kraft eingeben, diese Folter zu ertragen.

Die junge lippische Bäuerin beteuerte auch angesichts der Folterwerkzeuge ihre Unschuld. Sie bat um die Wasserprobe. Dabei wurden angeklagte Frauen gefesselt in einen tiefen Fluß oder See geworfen. Ertranken sie, war ihre Unschuld erwiesen. Ertranken sich nicht, konnte ihnen nur der Teufel geholfen haben, und sie wurden als Hexen verbrannt. Angelika Steg war überzeugt, daß sie ertrinken würde, da sie ja unschuldig war. Dann wäre sie der Folter entgangen und hätte ein christliches Begräbnis erhalten.

Die Richter auf Burg Sternberg aber gingen nicht auf die Bitte der Angelika Steg ein. Der Scharfrichter verband ihr die Augen und legte Daumen- und Beinschrauben an. Unter großen Schmerzen "gestand" sie alles, was man ihr vorwarf. Erst als Angelika Steg die Namen von 24 "Complizen" genannt hatte, nahm der Scharfrichter ihr die Beinschrauben ab.

Angelika wurde wieder in ihre Zelle gebracht. Die Richter waren zufrieden, ebenso wie Angelikas Schwager, ihre Stiefschwester und die Nachbarn in Schwelentrup. Endlich, so dachten sie, war die Schuldige gefunden, die soviel Unglück über das Dorf gebracht hatte. Aber was hatte Angelika Steg getan, das sie als Hexe beschuldigt wurde?

Verdächtig an ihr war wohl zunächst ihre Herkunft. Sie stammte nicht aus dem lippischen Schwelentrup, sondern war um 1640 in einem Bauerndorf jenseits der Weser geboren. Kurz nach der Geburt war ihre Mutter gestorben. Ein Bruder ihrer Mutter, der Schwelentruper Bauer Berndt Wulff, hatte Angelika, als sie gerade fünf Tage alt war, zu sich auf seinen Hof genommen. Er und seine Frau Catharina Wulff, im Dorf die "Wulffin" genannt, zogen das Kind auf.

Auf dem Wulffshof wuchs Angelika mit der zwölf Jahre älteren Agnes auf, der leiblichen Tochter der Bauersleute. Jahre später heiratete Agnes den Bauern Arndt Hördemann, der auf den Wulffshof zog; die beiden bekamen acht Kinder. Vier ihrer Kinder starben, die anderen vier waren stets kränklich und schwach. Wer war an diesem Unglück schuld?

Arndt Hördemann beschuldigte zunächst seine Schwiegermutter, die "alte Wulffin", die Kinder verhext zu haben. Sie wurde vor das "Peinliche Hohe Halsgericht" gezerrt und im Sommer 1667 auf der Jerxer Heide bei Detmold als Hexe verbrannt. Die "teuflischen Einflüsse" aber hatte man damit nicht beenden können. Die Kinder auf dem Wulffshof waren immer noch schwach, und sogar die Tochter eines Nachbarbauern erkrankte schwer; sie konnte sich kaum regen vor Schmerzen. Und hatten nicht im Sommer alle Schwelentruper arge Leibschmerzen gehabt und sich übergeben müssen? Es mußte noch eine Hexe im Dorf sein ...

Sofort fiel der Verdacht auf die Stieftochter der "alten Wulffin", auf Angelika. Sie war seit einiger Zeit schon verheiratet mit dem Bauern Heinrich Steg. Hatte man sie nicht gesehen, wie sie nach der Verbrennung ihrer Pflegemutter im Feld gesessen und bitterlich geweint hatte? Bedurfte es mehr Beweise? Wer um eine Hexe weinte, der konnte nur selber einen Pakt mit dem Teufel haben.

Bald war der Verdacht offen ausgesprochen. Angelika Steg hatte sich nicht dagegen gewehrt - wieder ein Beweis in den Augen der Schwelentrupper. Hätte Angelika Steg den Vorwurf bestritten, dann hätte man sie für verschlagen gehalten; so war es ihrer Stiefmutter ergangen, als sie sich gegen die ersten Beschuldigungen gewehrt hatte.

Daß Angelika eine Hexe war, hatte am frühesten ihr Schwager, der Bauer Arndt Hördemann, gemerkt. Denn seine Frau Agnes war die leibliche Tochter der "alten Wulffin"; die aber hatte immer ihre Stieftochter Angelika vorgezogen. Die Erklärung lag auf der Hand: Hexerei hatte die beiden Frauen so eng verbunden.

Nun also stand Angelika Steg vor dem Gericht auf der Burg Sternberg. Sie hatte ihre Schuld eingestanden, und nicht nur die Hohen Herren des Gerichts hatten das Urteil gefällt. Sogar aus den Juristischen Fakultäten der Universitäten zu Rinteln an der Weser und zu Marburg hatte man Gutachten über ihren Fall kommen lassen. Auch die Rechtsgelehrten waren von der Schuld Angelikas überzeugt, obwohl sie nie selbst mit ihr gesprochen hatten.

Am Abend nach ihrem Verhör flehte Angelika Steg um Gnade. Sie ließ den Landesherrn, den Fürsten Simon Henrich zur Lippe, bitten, sie nicht bei lebendigem Leibe zu verbrennen, sondern mit dem Schwert zu töten; dann könnten ihr Mann Heinrich und ihr alter Stiefvater Berendt Wulff sie wenigstens begraben. Graf Simon gestand ihr den Tod durch das Schwert zu, danach aber sollte ihr Körper verbrannt werden.

Heinrich Steg und Berendt Wulff waren völlig ratlos. Ihre Angelika - eine Hexe? Sie hatte ihre Nichten und Neffen doch gern gehabt, ja ihnen sogar Suppe und Eier gebracht, als die Kleinen krank waren. Und die schmerzende Schulter der Nachbarstochter? Wie oft hatte Angelika ihr geraten, auf der Spinnstube nicht tagelang ohne Pause Flachs zu spinnen. Da täten einem hinterher die Arme so weh, daß man glaubt, man könne sie nie wieder bewegen. Aber die junge Nachbarin hatte nicht gehört.

Jetzt waren die beiden Männer allein. In Schwelentrup mied man sie fortan. Zweiundzwanzig Nachbarn und auch der Herr Pfarrer hatten gegen Angelika Steg ausgesagt. Für die junge Frau hatten nur sechs Zeugen gesprochen, darunter Angelikas Onkel und ihre Tante. Sie und auch die angeblichen 24 "Complizen", die Angelika unter der Folter benannt hatte, lebten nun in Angst. Würde man sie bei nächster Gelegenheit ebenfalls der Hexerei verdächtigen?

Das Urteil gegen Angelika Steg wurde am 15.09.1668 auf Burg Sternberg vollstreckt. Der Hexenwahn forderte noch viele Opfer. Nur wenige trauten sich, ihre Stimme gegen dieses Unrecht zu erheben, Kritiker aus Kirche und Wissenschaft wurden oft selbst der Zauberei verdächtigt und verbrannt. Noch hundert Jahre sollte es dauern, bis in Deutschland die Morde an vermeintlichen Hexen aufhörten.

Barbara Küppers

QUELLE  Strotdrees, Gisbert | Es gab nicht nur die Droste | S. 35-36
PROJEKT  Lebensbilder westfälischer Frauen
AUFNAHMEDATUM2003-10-10


QUELLE    Strotdrees, Gisbert | Es gab nicht nur die Droste | S. 35f.

SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Zeit3.3   1600-1649
3.4   1650-1699
Ort2.5.6   Dörentrup, Gemeinde
Sachgebiet6.8.9   Hexen
DATUM AUFNAHME2003-10-10
DATUM ÄNDERUNG2010-04-08
AUFRUFE GESAMT1490
AUFRUFE IM MONAT339