Zeitabschnitte > 1815-1848/1849





Benedikt Waldeck (1802-1870) im Kerker, 1849 / Münster, LWL-Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, K 28-31 LM
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1850-1870

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1. Die heterogene westfälische Gesellschaft
und der preußische Staat

 
 
 

1.1 Preußen und Westfalen 1815

 
 
 
Die vermutlich nachhaltigste Veränderung, die durch die Neuordnung Europas als Folge des Wiener Kongresses (1815) eintrat, war die territoriale Erweiterung Preußens nach Westen. Sie bot für den vor allem agrarisch geprägten Staat, der sich nun durch die Summe aller unterschiedlichen Einzelregionen in seinem Gesamtcharakter verändert hatte, Chancen auf Entfaltung größerer Wirtschaftsdynamik. Sie eröffnete außerdem vor dem Hintergrund der eigenen erfolgreichen militärischen Traditionen in langfristiger Perspektive die Option auf eine bestimmende, wenn nicht sogar vorherrschende Machtposition in Europa.

Indessen bargen die Veränderungen für den Staat schwer zu kalkulierende Risiken: Die destabilisierenden Konsequenzen der Gegensätze zwischen den vielfach im Katholizismus verwurzelten Regionen der Westprovinzen und den zumeist altpreußisch-protestantisch, von militärmonarchischen Traditionen geprägten Provinzen im Osten waren um 1815 kaum abschätzbar. Insgesamt konnten aber die Unterschiede, welche nicht nur in wirtschaftlicher, sondern in gesellschaftlich-kultureller Hinsicht zwischen den westlichen und östlichen Provinzen bestanden, zentrifugale Kräfte entwickeln. Dies galt durch neue konfessionelle Gemengenlagen aber auch für die westlichen Provinzen selbst.

In Preußen wurde während der Vormärzepoche zu keinem Zeitpunkt die Entwicklung hin zu einer Nation angestrebt (von Beyme). Die Ablehnung der Einberufung einer Nationalrepräsentation durch Friedrich Wilhelm III. und Friedrich Wilhelm IV. - trotz der gegebenen Verfassungsversprechen - und der verpasste Anschluss an die Parlamentarisierung, die ja integrierende Kräfte hätte freisetzen können, führte im Vormärz in den Provinzen zur subjektiven Wahrnehmung einer Art von neuem Westen und altem Osten. Zwischen wirtschaftsbürgerlichen Führungseliten einiger sich beschleunigt industrialisierenden Regionen in der Rheinprovinz und - weniger ausgeprägt - auch in der Provinz Westfalen einerseits sowie der sich in ihren historischen Rechten bedroht fühlenden Schicht von Verteidigern eines Agrarstaates im Osten andererseits existierten tief greifende Verwerfungen. Trotz Zensur wurde dies in der zeitgenössischen Publizistik zusehends deutlich.
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König Friedrich Wilhelm III. (1770-1840, reg. 1797-1840), um 1800
 
 

1.2 Zentrifugale und widerstreitende Kräfte

 
 
 
In den westlichen Provinzen suchten deshalb kleine, aber in ihren Wirkungsmöglichkeiten bedeutsame Bevölkerungskreise des Stadt- und Wirtschaftsbürgertums tatkräftig Anschluss an den durch die Französische Revolution wirkmächtig gewordenen Konstitutionalismus bzw. Parlamentarismus. Sie arbeiteten für eine Dynamisierung gesellschaftlicher sowie wirtschaftlicher Komplexe, welche tief greifende Reformen notwendig gemacht hätten. Gegen diese Gesamtrichtung organisierte sich die mächtige Partei zumeist adeliger Eliten in der höheren Beamtenschaft, in der regierungstreuen Publizistik, im Offizierskorps, im Umkreis des Hofes und die Grundbesitzer. Diese Partei verfügte über führende Köpfe und eine Massenbasis nicht nur im Osten, sondern ebenfalls in Westfalen. Stets ging es ihr um die Erhaltung der in der Vergangenheit erworbenen Güter, um das "Historische Recht". Aus diesem tief greifenden Spannungsverhältnis heraus wurden in Umbruchssituationen am demokratischen bzw. linksliberalen Flügel des Meinungsspektrums in der Rheinprovinz sehr bestimmt, in Westfalen weniger ausgeprägt separatistische Bestrebungen artikuliert.
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Der preußische König Friedrich Wilhelm IV. (reg. 1840-1858/61), nach 1845
 
 
Die Provinz Westfalen befand sich aber im Gegensatz zur Rheinprovinz geografisch, wirtschaftlich und konfessionell in einer Zwischenlage. Waren in den Metropolen der Rheinprovinz mit den rheinischen Liberalen die dynamischen Kräfte genauso klar zu erkennen wie die konservativen Mächte in Ostelbien, so könnte man das 1815 neu zugeschnittene Westfalen gleichsam als Ansammlung des Ungleichartigen bezeichnen. Unter diesem territorial gegenüber dem 18. Jahrhundert und der napoleonischen Herrschaft neu zugeschnittenen westfälischen Dach lagen agrarisch geprägte Zonen neben Regionen der Frühindustrialisierung. Die altpreußischen Territorien, also die Grafschaften Mark und Tecklenburg sowie Minden und Ravensberg, gingen nun direkt in seit Jahrhunderten vom Katholizismus geprägte Gebiete über. In diesen Grenzen lagen nicht nur die Ursachen für konfessionspolitische Streitigkeiten begründet. Vielmehr handelte es sich um Mentalitätsgrenzen, an denen sich vielfach industriell-gewerbliche Dynamik von gesellschaftlich-ökonomischer Rückständigkeit trennte.

Bei damals insgesamt 1,1 Mio. Einwohnern war es für die Menschen Westfalens in den altpreußischen Gebieten eine neue Erfahrung, dass sie zwar in einem protestantischen Staat lebten, die Katholiken aber mit einem Anteil an der Bevölkerung von 56 % in der Provinz dominierten. Viele Jahrzehnte betrachtete die überwältigende Mehrheit der westfälischen Katholiken das Bekenntnis zum preußischen Staat als hohlen Loyalitätsakt, wenn man sich nicht - wie vielfach belegt - herausfordernd abwandte. Das bereitete den Weg für einen energischen politischen Katholizismus, der in einer Betonung konservativ-protestantischen Preußentums seine gegensätzliche Entsprechung fand. Der jüdische Bevölkerungsanteil war mit rund 15.000 Personen statistisch ein Randphänomen. Gleichwohl: Um die vollständige Emanzipation der Juden wurden in Westfalen Kontroversen ausgetragen, gelegentlich so handfest, dass man von Pogromen sprechen muss.
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Westfalen 1818
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1.3 Unlösbare Reform- und Integrationsaufgaben?

 
 
 
Für Preußen existierte in Westfalen ein unauflösliches Dilemma. Einerseits wollte man eine bürgerliche Ordnung mit freien bäuerlichen Eigentümern und sich selbst verwaltenden Bürgern in den Kommunen in einer weiterhin v.a. vom landständigen Adel bestimmten Gesellschaft schaffen. Andererseits beabsichtigte man, den Abstand der bürgerlichen Lebensverhältnisse, der rechtlichen Ordnung und des politischen Klimas von den preußischen Kernlanden nicht zu groß werden lassen. Deshalb wurde von der notwendigen "Einbürgerung" (Conrad) des Adels gesprochen. Dies verlangte nach einer herausragenden Integrationsfigur, die man in dem ersten und langjährigen Oberpräsidenten der Provinz Westfalen, Ludwig von Vincke, fand.
 
 
 
Das Spannungsverhältnis zwischen dem ohne Parlament gesetzgebenden preußischen Staat und der in auseinander gehende Interessen zerfallenden Gesellschaft wurde anhand der notwendigen Neuordnung bzw. Regulierung der rechtlich-sozialen Beziehungen zwischen ehemaligen kleinen Landesherren und ihren Bauern offenbar. Während einige sog. Standesherren auf die Wiederherstellung ihrer Rechte, wie sie vor 1806 bestanden hatten, hofften, hätte umgekehrt eine vollständige Unterwerfung unter die preußische Landeshoheit einen Zustand herbeigeführt, der erst viel später Realität geworden ist. Doch bereits 1820 waren den Standesherren so viele Sonderrechte zugestanden worden, dass sie sich weit aus den ca. 200.000 Menschen heraushoben, die zu ihren Territorien gehörten. Noch konfliktträchtiger war die Frage der gutsherrlich-bäuerlichen Ablösung, die in ihren Ergebnissen über 1848/49 hinaus die westfälische Gesellschaft in erbitterte Widerlager spaltete.

Die wichtigste Maßnahme zur politisch-gesellschaftlichen Integration in Westfalen war die Schaffung der Provinzialstände im Jahre 1824. Der Provinziallandtag setzte sich aus vier Ständen mit insgesamt 71 Sitzen zusammen, von denen elf auf die Standesherren als ersten Stand, 20 auf die Rittergutsbesitzer als zweiten Stand, 20 auf die städtischen Grundbesitzer als dritten und 20 auf die ländlichen Grundbesitzer als vierten Stand entfielen. Der Landtag entwickelte Aktivitäten im Bereich Wohlfahrtspflege und Verkehrswesen, Landwirtschaft, Handel und Gewerbe. 1830/31 griff er kurzzeitig mit der Behandlung der Verfassungsfrage für den Gesamtstaat - ohne sichtbare Ergebnisse - über seinen eigentlichen Kompetenzbereich hinaus. Viele Jahre wurde auch über die Einführung einer Städteordnung diskutiert. Wie weit die Integrationskraft des Provinziallandtags tatsächlich reichte, wird man vermutlich am präzisesten am Verwerfungsgrad der westfälischen Gesellschaft 1848/49 bestimmen können.

Logo der Website Freiherr vom Stein (1757-1831)



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Der Oberpräsident und die Provinzialstände: Eröffnung des Provinziallandtages 1826 - Relief am Sockel des Denkmals für den Freiherrn vom Stein in Berlin, heute vor dem Abgeordnetenhaus, zur Erinnerung an die erste Eröffnung des westfälischen Landtags


 Sitzungsprotokolle des Westfälischen Provinziallandtags (1826-1832)
 
 
 

2. Wirtschaftliche und soziale Entwicklungen

 
 
 

2.1 Krisenhafte Zuspitzungen

 
 
 
Westfalen befand sich im Vormärz in einem tief greifenden Umbruch, der von zwei säkularen Entwicklungen bestimmt wurde. Die Zeitgenossen registrierten zunächst einmal aufmerksam die Veränderung der Bevölkerungsstruktur. Gegenüber der Jahrhundertwende 1800 lebten in den Revolutionsjahren 1848/1849 ca. 50 % mehr Menschen in der Provinz, es waren insgesamt rund 1,5 Mio. Davon entfielen auf den Regierungsbezirk Münster ca. 430.000, auf Minden 470.000 und auf Arnsberg 600.000. Im südlichen Westfalen entwickelte sich die Bevölkerung mit der größten Dynamik. Drei Hungerkrisen des traditionellen Typs, bei denen Missernten von Teuerungskrisen abgelöst wurden, machten einerseits die dadurch entstandenen Schwierigkeiten deutlich und ließen andererseits neue Strategien erkennen.

1816/17 erlebte Westfalen eine Krise des vorindustriell, gleichsam alten Typus. Es kam zu Protesten, die Kornmagazine wurden gestürmt. Deshalb waren 1830/31 und 1846/47 die Behörden und besitzenden Schichten in ernster Sorge. Nun aber wurde angesichts der durch die Bevölkerungsexplosion noch verschärften Probleme von den Behörden Getreide hinzugekauft. Oder aber die Bürger in den Städten gründeten Hilfsvereine. Diese und andere modernere Hilfsmaßnahmen wie Notstandsarbeiten zeigten nur vorübergehend Erfolg.
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Bevölkerungsdichte in Westfalen 1818


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... und 1858
 
 

2.2 Handlungsbedarf bei Massenverelendung

 
 
 
Grundlegende Konzepte zu einer sozialen Reform wurden im vormärzlichen Westfalen vor allem von Friedrich Harkort entwickelt. An verelendete Handwerker und Industriearbeiter gerichtet, blieben erste Organisationsversuche indessen weithin folgenlos. Die "sociale Frage" in der Provinz Westfalen spitzte sich in Krisenzeiten in einzelnen Regionen zu. Überall dort, wo die Agrarreformen die Schicht von unterbäuerlichen Existenzen, die lediglich über marginalen Landbesitz verfügten, noch vergrößert hatte, verschärften sich die Probleme. Weite Bevölkerungskreise in Minden-Ravensberg, Tecklenburg bis hin zum westlichen Münsterland verdienten daher vornehmlich durch die Garnspinnerei und das Weben ihren Lebensunterhalt.

In diesen von der heimgewerblichen Produktion bestimmten Regionen schlug die Teilung der Marken und Gemeinheiten (Gemeindebesitz) vor allem auf die unteren ländlichen Schichten durch. Die einzelnen Textilgewerbe gerieten in eine strukturelle Krise. Insbesondere die Leinengarnproduktion, die in einigen anderen Staaten Westeuropas mechanisiert worden war, stürzte gleichsam ins Nichts. So war es nicht erstaunlich, dass bei einer neuerlichen agrarischen Teuerungskrise 1847/1848 der westfälische Textilgürtel zu trauriger europäischer Berühmtheit als soziale Elendsregion gelangte. Diese gesamte Entwicklung spaltete das vielgesichtige Westfalen. Die unterschiedlichen politischen Lager suchten bereits im Vormärz die sich daraus ergebenden sozialpolitisch-karitativen Fragen zu beleuchten und Lösungsansätze zu entwickeln, allerdings mit geringem Erfolg. Subjektiv verschärften sich noch die Probleme, grenzten doch an die großen Armutsgebiete direkt Regionen relativen Wohlstandes breiter Bevölkerungsschichten. Spannungen waren unausweichlich.
 
 
 

2.3 Uneinheitliche Industrialisierung

 
 
 
Der andere Entwicklungsprozess, der Westfalen im Vormärz zu einer Umbruchregion werden ließ, ist mit dem Begriff Industrialisierung zu umreißen. Die Jahrhunderte alte Drahterzeugung und Metallweiterverarbeitung in der märkischen Region war in Teilen nicht mehr konkurrenzfähig. Die weiterverarbeitende Industrie geriet in Abhängigkeit von der bedeutsamer werdenden Stahlproduktion des Ruhrgebietes und von Importen. Aber durch Produktinnovationen und Teilmechanisierung konnten einige märkische Städte ihre Position ausbauen. In einer Stadt wie Iserlohn mit gut 10.000 Einwohnern musste indessen bei negativem Konjunkturverlauf bereits mit der Verschärfung sozialer Konflikte gerechnet werden.

In den westfälischen Städten des entstehenden Ruhrgebietes um Dortmund, Bochum und Witten entwickelte die Industrialisierung ihre größte Dynamik. Der Steinkohlenbergbau und die Hüttenwerke befruchteten sich gegenseitig. Als die Köln-Mindener und die Bergisch-Märkische Eisenbahn in den 1840er Jahren mit einem großen Bedarf an Schienen und anderen Stahl- und Eisenprodukten des Ruhrgebietes realisiert wurden, begannen sich in Westfalen entscheidende Faktoren zur Einleitung der Take-off-Phase der Industriellen Revolution gegenseitig zu stimulieren. Die umwälzenden Veränderungen der Mobilität hatten eine kommunikative und logistische Revolution quasi im Gepäck. Ungezügelter Strukturwandel in den betroffenen Regionen brachte die Menschen in Arbeitsverhältnisse, deren Bedingungen führten aber bereits im Vormärz zu traditionellem Protest und modernen Streikaktionen.


2.4 Bürgerliche Gesellschaft

Wo eine Schicht führender Repräsentanten des Wirtschaftsbürgertums regional tonangebend geworden war, konstituierte sich eine bürgerliche Gesellschaft, die den traditionellen Einfluss der standesherrlichen Eliten deutlich zurückdrängte. Im Siegerland, in der Mark und dort insbesondere im entstehenden Ruhrgebiet, in Teilregionen Ostwestfalens, namentlich in Bielefeld, hatte der sich im Vormärz überall in Deutschland und Europa beschleunigende Wandel in der sozialen Struktur der herrschenden Eliten erkennbar vollzogen.
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Auf einem der frühesten Industriegemälden Deutschlands ist die Harkortsche Fabrik zu erkennen, die Harkort mit Teilhabern 1818 als "Mechanische Werkstätte" auf Burg Wetter gegründet hatte. So fortschrittlich das Unternehmen auch begonnen hatte, bereits 1834 musste Harkort, dem es an unternehmerischen Fähigkeiten mangelte, ausscheiden.


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Eine Verbindung zwischen Rhein und Weser, zwischen den Kristallisationspunkten des Siedlungs- und damit des Wirtschafts- und Verkehrswesens in den neuen preußischen Westprovinzen zu schaffen - das war das erklärte Ziel Harkorts. Seine ehrgeizigen Verkehrspläne, darunter eine Eisenbahnlinie von Köln nach Minden, die Westfalen zum Ausgangspunkt eines gesamtdeutschen Eisenbahnnetzes machen sollte - siehe den obigen Streckenplan aus seiner programmatischen Schrift  "Die Eisenbahn von Minden nach Cöln" von 1833 - fanden jedoch nicht die nötige Zustimmung.
 
 
 

3. Westfälische Persönlichkeiten im
Fokus ihrer Epoche

 
 
 
Im künstlerisch-literarischen Werk, in der journalistisch-schriftstellerischen Produktion oder in der politischen bzw. administrativen Leistung einiger herausragender westfälischer Persönlichkeiten spiegeln sich wesentliche Veränderungsprozesse der ineinander verschränkten westfälischen, deutschen und europäischen Geschichte der Zeit von 1815 bis 1848/49. Innerhalb der eigenen Generationenlage kristallisierten sich Menschen heraus, in deren Lebensweg epochensignifikante Denkströmungen und Gruppenidentitäten sichtbar gemacht werden können.
 
 
 
Mathilde Franziska Anneke (1817-1884)
Da waren die Frauen, denen die denkbewegten 1830er und die unruhigen 1840er Jahre eine Chance auf Veränderung boten. Mathilde Franziska Anneke, in der Grafschaft Mark familiär verwurzelt und durch Heirat seit 1839 in Münster lebend, löste sich in den 1840er Jahren durch ihre Aufsehen erregende Scheidung, insbesondere aber durch ihre zunehmende freireligiöse Politisierung und politische Radikalisierung in Richtung auf die unterdessen immer populärer werdenden, vor allem aus Frankreich und England stammenden Ideen der 'Socialen Democratie' aus den vorgezeichneten gesellschaftlichen Verkehrskreisen heraus. Hatte sie bis weit in die 1840er Jahre hinein neben Zeitungsartikeln auch religiöse Traktate verfasst, so gab sie während der Revolutionsmonate die politisierte "Frauen-Zeitung" heraus und beteiligte sich während der sog. Reichsverfassungskampagne kämpfend an der militärischen Auseinandersetzung in der Rheinpfalz und in Baden gegen die von konterrevolutionären Staaten entsandten Soldaten. 1849 blieb nur die Flucht in die USA. Dort wurde sie quasi zu einer Ikone der frühen Frauenbewegung.
Gisbert Strotdrees über  Mathilde Franziska Anneke
 
 
Annette von Droste-Hülshoff (1797-1848)
Nahezu die Personifikation ihres Gegenteils in Westfalen war die bei Münster geborene Annette von Droste-Hülshoff. Sie lebte nach Innen gekehrt und feilte an höchster literarisch-ästhetischer Qualität ihrer Texte. Sie setzte sich mit Fragen nach der menschlichen Schuldverstrickung und den Motiven des Bösen auseinander, rang in Novellen und Gedichten literarisch mit dem Übergang von Traum und Wirklichkeit, sprach von Demut und Frömmigkeit. Damit umkreiste Droste-Hülshoff in einer sich säkularisierenden Welt das Religiöse, sie verdichtete literarisch eine konservative Antwort des Adels sowie streng-katholischer und streng-pietistischer Kreise auf die hereinbrechende Moderne, argumentierte gegen Sittenlosigkeit und politischer Tendenzschriftstellerei.
 
 
Friedrich Steinmann (1801-1875) und
Jodocus Donatus Hubertus Temme (1798-1881)

Da waren die Juristen. Deren Studium schwor sie bereits auf die Verteidigung des "Historischen Rechts" ein. Die Historische Rechtsschule gab nicht nur der Deutschen Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche mit der in ihr vorherrschenden "Juristendominanz" (Siemann) ein konservatives Gepräge. Vielmehr hatte diese sich entschieden vom Naturrecht und damit von Prinzipien der Französischen Revolution abwendende Schule auch in der provinzial-preußischen Gesellschaft Westfalens in Verwaltungen und Gerichten, unter Rechtsanwälten oder z.B. unter Landräten viele Repräsentanten. Sie bildete dadurch einen stabilen konservativen Faktor. Dies war die Position der Mehrheit innerhalb dieses Berufsstandes, und zwar unabhängig vom jeweiligen konfessionellen Standort.
 
 
 
Gleichwohl gab es Abweichler: Sowohl Friedrich Arnold Steinmann als auch Jodocus Donatus Hubertus Temme hatten durch das Studium kaum Berührungen mit der Historischen Rechtsschule, gehörten nicht zu den begüterten Schichten und sicherten ihren Familien beide zeitlich parallel zu ihren Karrieren als Richter den Lebensunterhalt mit literarischer Produktion. Steinmann betätigte sich im Vergleich zu Temme weitaus stärker als politischer Literat, war mit dem Dichter Heinrich Heine und dem 'socialen Democraten' Karl Grün eng befreundet, und veröffentlichte 1850 übrigens auch ein Werk über Temme und dessen spektakulären Hochverratsprozess. Temme selbst verdankte seine Popularität seiner Abgeordnetentätigkeit sowohl in der Preußischen Nationalversammlung als auch in der Frankfurter Paulskirche, insbesondere seinem entschiedenen Eintreten gegen die Kräfte der Konterrevolution, die sich seit November 1848 offen zeigten. In seiner Revolutionsbiografie wechselten sich politisch motivierte Versetzung, Parlamentsarbeit, Inhaftierung und der Status als Charismatiker der Revolution in schneller Folge ab. Steinmann und Temme wurden von den konservativ-militärischen Eliten im Umkreis des Hofes bekämpft und schließlich um ihre Positionen im Staatsdienst gebracht.
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 Jodokus Donatus Hubertus Temme (Pseudonym: Heinrich Stehl)
 
 
Benedikt Waldeck (1802-1870)
Jurist war auch Benedikt Waldeck, geboren in Münster, nach steiler Karriere zeitweilig in Hamm und seit 1844 am Königlichen Obertribunal in Berlin. Waldeck galt als der führende juristische Kopf unter den Demokraten in der Nationalversammlung zu Berlin und als Ausnahmeerscheinung. Die von ihm geleitete Verfassungskommission entwickelte einen Entwurf, der nach der Veröffentlichung als "Charte Waldeck" bekannt geworden ist. Diejenigen Passagen, welche die Eigentumsverhältnisse und Ablösungsfragen betrafen, lösten in 'conservativen' Kreisen Entrüstung aus. In einer eindringlichen Parlamentsrede hatte Waldeck "programmatisch den Zusammenhang" (Walter) zwischen der vom "Historischen Recht" abgekehrten Revolution und der Recht schaffenden Funktion des Abgeordneten hergestellt. Er tat dies, indem er die Revolution als "gewaffneten Protest des Volkes gegen den alten bureaukratischen Militair- und Feudal-Staat" bezeichnete, den Parlamentariern aber die Aufgabe zumaß, den "Protest organisch durchzuführen".
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Der Abgeordnete  Benedikt Waldeck, dargestellt im Kerker 1849, setzte sich für ein Ende der Polizeiwillkür durch Ausweitung der demokratischen Bewegung ein: "Sie kommen dahin", so Waldeck, "daß Sie eine Hälfte des Landes einsperren lassen müssen, um die andere zu beruhigen."
 
 
Clamor Huchzermeyer (1809-1899)
Diejenigen, auf welche Waldecks Formulierung im Negativen zielte, saßen im vormärzlichen Westfalen an allen Schalthebeln der Macht. Sie fühlten sich durch die Revolution in ihren Rechtpositionen bedroht, für deren Erhalt sie sich nach der Revolutionswende im Herbst 1848 massiv einsetzten. Zu den "Conservativen" gehörte der in Schildesche bei Bielefeld wirkende Pfarrer Clamor Huchzermeyer, der in die Berliner Nationalversammlung gewählt wurde. Er repräsentierte in protestantischen Enklaven wie Minden-Ravensberg über Jahrzehnte hinweg ein sozial-moralisches Milieu, das von einer dezidiert politischen Religiosität geprägt war. In dieser Sphäre wurde das hochkonservative Bündnis von Thron und Altar erfolgreich mit einem volkstümlichen Konservativismus verbunden, der seine ideologischen Elemente aus dem Gedankengut der Erweckungsbewegung speiste. In Berlin wirkte Huchzermeyer auf die preußische Regierung ein, die Not leidenden Spinner und Weber in Westfalen zu unterstützen. Seine Sozialethik mahnte eine "moralische Ökonomie" (Thompson) gegenüber den verheerenden Folgewirkungen der liberalen preußischen Wirtschaftspolitik an.
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Clamor Huchzermeyer (1809-1899)
 
 
Wilhelm von der Recke (1819-1910)
Vollkommen anders verhielt sich dies in Ausbildung, Entwicklung und finanziellem Hintergrund bei Wilhelm Freiherr von der Recke. Er wurde u. a. an der "Ritter-Akademie" in Brandenburg standesgemäß auf seinen weiteren Lebensweg vorbereitet und hatte sich bei Protagonisten der Historischen Rechtsschule zum Juristen ausbilden lassen. Dies eröffnete ihm eine stufenreiche Laufbahn im Staatsdienst. In den Jahren 1848 bis 1850 betätigte er sich als Verbandslobbyist für den von Grundbesitzern dominierten "Westphälischen Verein zum Schutze des Privatrechts und des Eigentums sowie zur Beförderung des allgemeinen Wohls". Wie kein anderer westfälischer Konservativer verfocht er, bestens ausgebildet und hochintelligent, an der politischen Vereinsbewegung und an den Parlamenten vorbei seine Pläne. Im Mittelpunkt stand die Aufrechterhaltung einer "ständischen Monarchie", die Durchsetzung des militärisch-ständischen Konservativismus und seit Juli 1849 die Kriminalisierung der Repräsentanten der Idee der Volkssouveränität in Staat und Gesellschaft.
 
 
 
Karl Heinrich Brüggemann (1810-1887)
Den "Proletariern der Geistesarbeit" (Riehl) fiel es im Vormärz wegen eines Überhanges an Akademikern schwer, in sichere Positionen einzurücken. Viele dieser vermögenslosen Intellektuellen formulierten die ideologischen Grundlagen neuer gesellschaftlicher Bewegungen, zeigten beispielhaften persönlichen Mut und setzten immense künstlerisch-literarische Energien frei. Aus der Nähe von Rheine stammte Karl Heinrich Brüggemann. Er hatte in Heidelberg Kameralwissenschaft studiert und war als Burschenschaftler 1832 beim Hambacher Fest als einer der wirkmächtigsten Redner mit, wie Zeitgenossen urteilten, messianischer Ausstrahlung hervorgetreten. Dieses Ereignis war Ausgangspunkt seines persönlichen Leidensweges. Dieser führte über die Auslieferung nach Preußen, der Verbüßung einer langjährigen Gefängnisstrafe, der Verhinderung einer akademischen Karriere durch die preußischen Behörden schließlich - anders als erstrebt - zur politischen Schriftstellerei und in den politischen Journalismus. Noch Jahre nach der Revolution wurde Brüggemanns unfreiwilliger Rückzug von der Stellung als Redaktionsleiter bei der Kölnischen Zeitung durch Einflussnahme der Behörden bewirkt.
 
 
 
Karl Grün (1817-1887)
Der in Lüdenscheid geborene Karl Grün hatte zunächst Theologie, Philologie und Philosophie in Bonn und Berlin studiert. Durch Aufsehen erregende Veröffentlichungen, in denen sich sein Wandel von einem liberalen Oppositionellen zum frühen 'socialen Democraten' vollzog, und wegen seiner spektakulären Ausweisung aus Baden, die er publizistisch vermarktete, wurde Grün zu einer Kultfigur der vormärzlichen Opposition in Deutschland. Intensiv setzte er sich mit politisch-theologischen Strömungen in Europa, mit der Entwicklung sozialistischer Bewegungen in Frankreich und Belgien, mit literatur- und kulturgeschichtlichen Themen des In- und Auslandes auseinander. Er befand sich in Gegnerschaft zu Karl Marx und arbeitete mit Pierre-Joseph Proudhon zusammen. Grün personifizierte durch sein Leben und Werk gleichsam das Europäische in den vormärzlichen Bewegungen Westfalens. 1848 war er Abgeordneter der Preußischen Nationalversammlung, 1849 agierte er als einer der Wortführer der Linken in der Zweiten Kammer. Sein Wirken in der Reichsverfassungskampagne machte die Rückkehr nach Preußen vor 1861 unmöglich. Die Qualität seiner späten Schriften - etwa als autorisierter Herausgeber von Briefen und Werken Börnes und Feuerbachs - ist bemerkenswert.
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Porträtfoto von Karl Grün, [1885]
 
 
Ludwig Freiherr Vincke (1774-1844)
Spitzenpositionen in der Verwaltung eröffneten stets politisch Handlungsspielräume, und von diesen machte der erste Oberpräsident der Provinz Westfalen Ludwig Freiherr Vincke intensiven Gebrauch. Wegen seines unermüdlichen Fleißes bei der Erkundung 'seiner' Provinz durch Dienstreisen, wegen seiner Modernisierungsdynamik und der aktiven Beförderung der innerprovinzialen Integration durch Chaussee-, Straßen- und Eisenbahnbau wurde er schon zu Lebzeiten zum Mythos. Vincke wollte die Provinz Westfalen stärken. Dafür war er als Oberpräsident 'aller Westfalen' bereit, die extreme westfälische Adelsopposition deutlich in ihre Schranken zu weisen.
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Vincke-Turm auf der Hohenyburg bei Dortmund, errichtet 1857
 
 
Georg Freiherr Vincke (1811-1875)
Als in den 1840er Jahren die Massenbewegungen 'von unten' immer stärker wurden, war die Zeit bereits reif für eine bürgerlich-adelige Allianz, die im Sohn des Oberpräsidenten, Georg von Vincke, gleichsam personifiziert war. Der 1837 zum Landrat des Kreises Hagen ernannte Jurist und glühende Verfechter der Positionen der Historischen Rechtsschule führte auf dem Ersten Vereinigten Landtag zwar die Opposition gegen eine konservativ-reaktionäre Mehrheit an und brachte damit Friedrich Wilhelm IV. und die gesamte konservative Militärpartei am Hof gegen sich auf. Doch während der Revolution von 1848/49 gesellte sich Vincke in der Frankfurter Nationalversammlung genau mit dieser Position zur politischen Rechten, da er sich gegen Demokratie und jede Form der Volkssouveränität aussprach. Mit dieser Position erschien er 1848 sogar dem Hof mehrfach als preußischer Ministerpräsident geeignet.
 
 
Friedrich Harkort (1793-1880)
Dieses vermeintliche Changieren von einer Position einer relativen politischen Mitte im Vormärz hin zu einer Position auf der Rechten im Jahr 1848/49 begegnet ebenso bei dem bekanntesten westfälischen Unternehmer in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Friedrich Harkort war in der Tat Modernisierer, Wirtschaftsliberaler, Förderer nationaler Wirtschaftsräume insbesondere durch die Erweiterung des Eisenbahnstreckennetzes und ein leidenschaftlicher Sozialreformer. Umgekehrt zeigte er sich 1848/1849 als glühender Antirevolutionär. Bereits wenige Tage nach den revolutionären Ereignissen in Berlin vom 18.03./19.03.1848 hatte er eine Gruppe konservativer Bürokraten und ländlicher Unternehmer aus dem Gebiet der ehemaligen Grafschaft Mark um sich versammelt. Diese wollten eine im Prinzip gleichfalls für die Aufständischen denkbare karitative Sammlung allein auf die Opfer der Armeeeinheiten beschränken. Während der gesamten 14 Revolutionsmonate vertrat Harkort den konservativ-militärischen Interessenstandpunkt von Armee und konservativen Landwehreinheiten. Deshalb lobte sogar das Zentralorgan des militärischen Konservativismus, die Deutsche Wehrzeitung, seine Initiativen. Parlamentarisch positionierte sich Harkort auf der entschiedenen Rechten.
 
 
Wilhelm Gerhardi (1812-1870)
Sucht man unter den westfälischen Unternehmern nach einem Gegenbild zu Harkort, so findet man dieses teilweise in Wilhelm Gerhardi. Ungeachtet einer großen Zahl von biografischen Ähnlichkeiten mit Harkort entschied sich der Schwager von Karl Grün für die Teilnahme am Aufstand mit dem Ziel der Durchsetzung der Reichsverfassung im Mai 1849. Der Einsatz von Gewalt galt ihm als ein legitimes Mittel gegen die preußische Regierung. Deren Handeln erschien einem großen Teil der Bevölkerung der märkischen Region als nicht rechtmäßig, weil sie Landwehrsoldaten zur Niederschlagung der Verfassungsbewegung in Baden und der Rheinpfalz mobilisieren wollte.
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Familie Gerhardi, 1846
 
 
 

4. Revolution 1848/1849 in Westfalen

 
 
 

4.1 Möglichkeiten und Grenzen

 
 
 
Die westfälische Bevölkerung wurde vom Frühjahr 1848 bis zum Sommer 1849 politisch fundamental mobilisiert. Durch Zeitungsartikel und auf Volksversammlungen, in Vereinen und Interessorganisationen, bei Wahlen und handfest-gewalttätigen Auseinandersetzungen zeigten sich politische und soziale Verwerfungen. Das Ausmaß des gesellschaftlichen Auseinanderfallens und der Umfang der sich aus den politischen, sozialen und kulturell-konfessionellen Unterschieden ergebenden Konflikte hätte zuvor kaum jemand für möglich gehalten. Eine im Februar/März 1848 vermeintlich offene Situation wurde durch ein Bündel von Entwicklungen in Preußen, Deutschland und Europa mehrfach in ungeahnte Richtungen gelenkt. Erst im Sommer 1849 wurde vollständig offenbar, welche Fehlentwicklungen es bei der Sicherung von Errungenschaften der ersten Monate des Jahres 1848 gegeben hatte. Oder umgekehrt, aus welchen Gründen sich bestimmte Gruppierungen im Kampf gegen die Volkssouveränität und für die Beibehaltung überkommenen "Historischen Rechts" durchgesetzt hatten. Die Entwicklungen waren in der Provinz Westfalen angesichts zahlreicher großer Mittelstädte und unterschiedlicher Verhältnisse in den Regionen besonders vielfältig.
Martin Dröge über die  Gründung der Westfälischen Zeitung am 06.06.1848 und die Zensurmaßnahmen Preußens
 
 

4.2 Proteste, Parteien und politische
Fundamentalpolitisierung

 
 
 
Der Sturz des französischen Königs Louis Philippe bildete im Februar 1848 den Auftakt der europäischen Revolution. Sogleich zeigten in Westfalen Protestaktionen und schwere soziale Konflikte über mehrere Wochen das Ausmaß gegensätzlicher Rechtsauffassungen. Erst mit der Parlamentarisierung im Mai wurden viele Konflikte auf die legislative Ebene umgelenkt.

Wo man in Westfalen überhaupt mit einem wie auch immer gearteten Transfer der Revolution aus Frankreich gerechnet hatte, wurden - vermeintlich fremd gesteuerte - Massenaufläufe und Großdemonstrationen in Berlin oder in größeren westfälischen Städten prognostiziert. Bei jenen wurde die Durchsetzung zeitüblicher Volksforderungen wie zum Beispiel nach Presse- und Versammlungsfreiheit erwartet. Um so überraschter war man insbesondere im Süden und Südosten der westfälischen Provinz, als noch vor der sog. Berliner Märzrevolution am 18.03. und 19.03.1848 etwas Ähnliches wie ein "Bauernkrieg" (Reininghaus) ausbrach. In den Kreisen Büren, Brilon und Lippstadt z. B. schien nach dem zeitgenössischen Urteil der betroffenen Schicht von Standesherren Anarchie zu herrschen. Abgabepflichtige und von Flurbereinigungen Benachteiligte nutzten die politische Unruhe, um in einigen sehr bemerkenswerten Fällen die Herrenhäuser zu stürmen, die Gutsverwalter anzugreifen und erhebliche Schäden anzurichten. Häufig wurden Unterlagen vernichtet, welche die Rechtsverhältnisse dokumentierten.

Grafschaft Mark und Landkreis Dortmund
Das Gebiet der Grafschaft Mark war in weiten Teilen durch das bestimmende Metallgewerbe und im Raum Witten-Bochum durch den Bergbau industrialisiert. Der Landreis Dortmund befand sich mit Bergbau, Hüttenwerken und Eisenbahnwerkstätten auf dem Weg hin zur Hochindustrialisierung. Doch während es in diesen Regionen des späteren Ruhrgebiets wegen der klugen Vorsorgestrategie der Behörden ruhig blieb, ereignete sich in der märkischen Region ein Maschinensturm, andere wurden angedroht. In der damaligen märkischen Metropole Iserlohn mit mehr als 10.000 Einwohner entwickelte sich ein zähes Ringen um Mindestlöhne, Kündigungsschutz und Kinderarbeit. Die Situation hätte leicht in Gewaltaktionen umschlagen können.
 
 
Das Münsterland
Der Regierungsbezirk Münster war im März 1848 von einer variationsreichen Folge von sozialen, politischen und konfessionellen Protest- und Gewaltaktionen von struktureller Uneinheitlichkeit geprägt. Lohnforderungen, Aktionen gegen den Adel, Provokationen für die Wiederherstellung alten Rechts lösten sich gegenseitig ab. Bevölkerungsstrukturell bedeutsam für Westfalen waren die konfessionellen Streitigkeiten im Kreis Tecklenburg. Im doppelkonfessionellen Werl mit einem gemeinschaftlich genutzten Gotteshaus entführten die Katholiken das sakrale Gerät der Protestanten aus der Kirche, um es triumphierend durch die Stadt zu tragen.
 
 
 
Ostwestfälische Regionen
Im Regierungsbezirk Minden mit einem extrem hohen Anteil verarmter klein- und unterbäuerlicher Existenzen und den breiten Verelendungsregionen mit hausgewerblicher Weberei und Spinnerei gab es eine tief greifende Verunsicherung, welche Möglichkeiten sich durch die politisch-soziale Aufbruchsstimmung boten. Auch hier bedurfte es nicht der Berliner Ereignisse vom 18.03. und 19.03.1848, um bereits vereinzelt in tumultuarischen Aktionen Institutionen und Personen, welche die ländliche oder kleinstädtische Lebenswelt und Sozialordnung repräsentierten, zu attackieren. Bis Ende März zeichnete sich ab, dass lediglich die Herbeirufung von militärischen Einheiten aus Festungs- und Garnisonsstädten, in denen vielfach Soldaten und Offiziere der östlichen Provinzen zusammengezogen waren, die Unruhen zu unterdrücken vermochten.

Die aufgebotenen Schützengilden, die Bürgerwehren oder die kurzfristig mobilisierten Teile von Landwehreinheiten erwiesen sich hingegen häufig als unzuverlässig. Für einzelne Gutsherren wurden überdies auf oberpräsidiale Weisung hin keine zusätzlichen Schutzeinheiten abgestellt. Jenes bekamen die Rietberger Standesherren deutlich zu spüren, die sich einem "organisierten Aufstand von Kleinbauern" (Reininghaus) gegenübersahen. Die dort auf agrarrevolutionären Druck hin unterzeichneten Verzichtserklärungen waren vermutlich umfassender als jede 'von oben' gesteuerte Agrarreform mit Rücksicht auf überkommene Rechte realistischerweise hätte sein können.
 
 
 
Städte
Ungeachtet einzelner Unruhen sowie deutlicher Bekundungen für einen Nationalstaat im März blieb es in den westfälischen Städten vergleichsweise ruhig. Versammlungen der Stadtverordneten und bekannte Persönlichkeiten veröffentlichten vereinzelt Erklärungen oder brachten Petitionen auf den Weg, in denen Pressefreiheit, Reformen, die Einberufung des Vereinigten Landtags, eine Verfassung und die Schaffung von Bürgerwehren gefordert wurden. In den preußisch-protestantischen Regionen wurde dies mit Loyalitätsbekundungen für das preußische Herrscherhaus verknüpft. In den katholischen Gegenden sehnte man dagegen nicht ein dominierendes Preußen, sondern im Gegenteil ein vereintes Deutschland unter katholischer Vorherrschaft herbei. Als der Habsburger Erzherzog Johann von der Deutschen Nationalversammlung zum Reichsverweser gewählt wurde, feierte man in diesen Regionen.
 
 
 
Fundamentalpolitisierung
Man kann die langfristigen Wirkungen der erstmaligen fundamentalen Politisierung der westfälischen Gesellschaft, die sich während des Frühjahrs und Sommers 1848 vor allem in den Städten vollzog, nicht hoch genug bewerten. Für die Kultur von Debatte und freier Rede, für das Einüben demokratischer Spielregeln durch das politische Vereinswesen und für die Mitwirkung bei der Willensbildung im Rahmen bereits relativ moderner Parteiorganisationen bot die Revolution Übungsplattform und Praxisfeld. Man erlernte die Techniken der Beeinflussung von Wahlen, nutzte politische Zeitungen zur Selbstdarstellung und erfuhr nicht zuletzt etwas vom Zusammen- bzw. Gegenspiel von Parlamentsabgeordneten mit der politisch zerklüfteten regionalen Basis. Die Revolution als zugleich lokales, nationales und europäisches Phänomen war fast täglich neu erfahrbar.

Wahlen und erste Parteibildungsprozesse
Der erste Wahlgang zur preußischen und deutschen Nationalversammlung wurde für den 01.05.1848 angesetzt. Das indirekte Verfahren sah die Bestimmung von Wahlmännern im Rahmen einer Urwahl vor. Dann wurden am 08.05. bzw. 10.05.1848 die Abgeordneten bzw. deren Stellvertreter gewählt. Ohne die neue Pressefreiheit wäre eine sinnvolle Diskussion über Kandidaten und über zentrale politische Fragen wie die künftige Verfassung oder das Verhältnis von Preußen zu Deutschland nicht möglich gewesen. Den 52 Zeitungen, die im Vormärz in Westfalen existierten, gesellten sich 1848 stattliche 28, 1849 weitere 14 hinzu. Alle politischen Richtungen waren vertreten. Sie boten Wahlkomitees, den entstehenden Vereinen und Kandidaten ein ideales Forum.
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Einzug der Parlamentarier in die Frankfurter Paulskirche, 18.05.1848


 Bericht des Abgeordneten Dr. Ziegert über die Eröffnung der Frankfurter Nationalversammlung für das Mindener Sonntagsblatt, 28.05.1848
 
 
Bereits im April spiegelte sich in den Auseinandersetzungen die politische und regionale Zerklüftung der westfälischen Gesellschaft wider. Den konstitutionell-monarchischen Gruppierungen, die - auf gesetzgeberische Kontinuität setzend - eine gemäßigte Anpassung von Staat und Gesellschaft an neuere Standards von Recht und Freiheit bei gleichzeitiger Erreichung der staatlichen Einheit favorisierten, standen in den großen Städten bereits frühzeitig demokratische Gruppierungen gegenüber. Forderungen nach einem allgemeinen, also direkten Wahlrecht, nach Volkssouveränität bis hin zur republikanischen Staatsform, nach einer tabulosen Diskussion aller mit der sozialen Frage zusammenhängenden Eigentums- und Rechtstatbestände und nach einer Rückdrängung des Militärs als innerstädtischer Ordnungsmacht unterschieden sie markant von den vorerwähnten konstitutionell-monarchischen, aber auch anderen politischen Strömungen.
 
 
 
Politisierte Kirche
Der politische Katholizismus organisierte sich in den Pius-Vereinen mit Zentren in Münster und Paderborn. 1848/1849 bildete er zahlreiche Filialvereine. Er hielt sich in der Schwebe zwischen der politisch-theologisch motivierten Distanzierung von allem Politischen einerseits und der hochpolitischen Stellungnahme für eine praktische christliche Caritas in Ablehnung der 'socialen' Revolution andererseits. Mit dem Kampf für die Konfessionsschule verband sich in Westfalen die Zurückweisung der preußisch-protestantisch geprägten Staatskultur insgesamt. Auch die Konservativen meldeten sich bereits im April 1848 zu Wort. Unter der formelhaften Forderung nach einem starken Königtum fanden sich konservativ-militärische, preußisch-patriotische und konservativ-pietistische Kreise zusammen und organisierten sich im Laufe des Jahres immer offener in politischen Vereinen. Die adeligen Grundbesitzer wirkten währenddessen im Hintergrund in einer Art von politischem Verbandslobbyismus.
 
 
 
Parteien und Wahlen
Dieses im Entstehen begriffene Parteiensystem, welches durch die konfessionelle und wirtschaftlich-industrielle Heterogenität der Provinz Westfalens besonders geprägt wurde, fand in sehr eindeutiger Weise bei Wahlen sowie bei der Verteilung und Dichte politischer Vereinsorganisationen seine Entsprechung. Das lässt sich simplifizierend folgendermaßen zusammenfassen: Vor allem die märkische Region entsandte einige Wirtschaftsbürger, hier dominierten preußenfreundliche konservativ-konstitutionelle und liberal-konstitutionelle Vereine.

Im Raum Minden-Ravensberg waren konservativ-pietistische Kreise in politischen Vereinen und bei Wahlen tonangebend. In den katholisch geprägten Regionen entsandte die Basis vielfach Geistliche in die Parlamente. Die Demokraten gehörten bei diesen ersten Wahlen selten zu den Gewinnern, weil sie vorerst weniger bekannte Persönlichkeiten aufbieten konnten. In der Preußischen Nationalversammlung bildeten viele Westfalen unter der Führung Friedrich Harkorts mit einem entschieden antirevolutionären Programm eine eigene Fraktion, die Fraktion Harkort.
 
 
 
Vereine
Während des Jahres 1848 formierte sich innerhalb Westfalens auf der Basis der konfessionellen, sozial-moralischen und wirtschaftlich-industriellen Milieus eine heterogene und differenzierte Struktur politischer Vereine, die die Entstehung politischer Parteien spiegelte. Für den weiteren konkreten Verlauf der Ereignisse in Westfalen und Preußen sollte man die Bedeutung der Vereine nicht unter-, allerdings auch nicht überbewerten. Erst als Friedrich Wilhelm IV. am 08.11.1848 ein Reaktionsministerium einsetzte, dieses staatsstreichartig die Nationalversammlung verlegte und vertagte, schließlich über Berlin der Belagerungszustand verhängt wurde, organisierten sich die demokratischen Vereine deutlich straffer. Sie bildeten überall Filialvereine und trafen sich zu Kongressen, auf denen man z. B. über Lösungskonzepte für soziale Fragen nachdachte und eine Stärkung der demokratischen Rechte innerhalb der Verfassung thematisierte.
 
 
Führende Demokraten und ihre Vereine griffen das Ministerium im November in Pressekampagnen scharf an. Sie erreichten einen hohen Mobilisierungsgrad vor allem in den Städten, wo sie eine von Berlin ausgehende Kampagne zur Steuerverweigerung zu organisieren versuchten. Da mit der oktroyierten, d. h. aufgezwungenen Verfassung vom 05.12.1848 auch Wahlen für Ende Januar und Anfang Februar 1849 ausgeschrieben worden waren, verschärfte sich der Streit zwischen den Parteien, überdies zwischen der Regierung und den politischen Führern der Demokratie. So wurde z. B. Temme kurzfristig inhaftiert.

Wahlen Anfang 1849 und parteipolitische Zuspitzungen
Die konservativ-bürokratisch dominierten Regierungspräsidien und Kreisbehörden bemühten sich um eine Stärkung der loyalen Vereine im Kampf gegen die Demokraten. Sowohl der politische Katholizismus als auch die Konservativen in Minden-Ravensberg und nicht zuletzt die Konservativ-Konstitutionellen im Süden Westfalens führten einen aggressiven Wahlkampf mit dem gemeinsamen Ziel, Erfolge für demokratische Kandidaten zu verhindern. Das gelang nicht immer. Die Demokraten verbuchten spektakuläre Stimmengewinne in den Städten. Wegen des Wahlkreiszuschnitts und des andersartigen politischen Milieus in den ländlichen Regionen entwickelte sich die Wahl gegenüber den Ergebnissen von 1848 für sie allerdings nicht zu einem Erdrutschsieg.

Reichsverfassungskampagne
Am 28.04.1849 lehnte Friedrich Wilhelm IV. die ihm angetragene Kaiserkrone und damit die in Frankfurt a. M. von der Deutschen Nationalversammlung beschlossene Reichsverfassung ab. Dadurch hatte er sich auch über ein Votum der Zweiten Kammer und damit über die Meinung eines Großteils der westfälischen Abgeordneten hinweggesetzt. Der Monarch löste diese Kammer auf. Die politische Erregung erreichte in Westfalen ihren Höhepunkt, als preußische Landwehrregimenter in Baden zur Niederschlagung der Aufstandsbewegung zur Durchsetzung der Reichsverfassung eingesetzt werden sollten.

Weite Bevölkerungskreise bis hinein in die wirtschaftsbürgerliche Schicht sahen im Verhalten der Regierung einen verabscheuungswürdigen Anschlag auf Recht und Gesetz, die absolute Mehrheit der Bevölkerung in diesem Vorgang zumindest die Entrechtlichung der rechtsförmig gewordenen Revolution. Fast durchgängig wurde die Politik des Ministeriums Brandenburg verurteilt. Während aber Konservative, Liberal-Konstitutionelle und Persönlichkeiten des organisierten politischen Katholizismus einen Bürgerkrieg bzw. Anarchie befürchteten, sahen vielfach die demokratisch-republikanischen Kräfte die Durchsetzung der Reichsverfassung mit allen Mitteln, auch den Einsatz von Gewalt, als unvermeidlich an. Im Rahmen der sog. Reichsverfassungskampagne erlebte Preußen deshalb erneut in verschiedenen Regionen Aufstände, die sich in Westfalen auf Hagen und Iserlohn konzentrierten. Durch eine unglückliche Verkettung von Umständen, an denen beide Seiten nicht ganz schuldlos waren, kam es in Iserlohn zu einem Zusammenstoß von Truppen und Aufständischen, bei dem wahrscheinlich 43 Zivilisten und drei Soldaten ihr Leben verloren.
 Königreich Preußen: "Verordnung über einige Grundlagen der künftigen Preußischen Verfassung", 06.04.1848


 Königreich Preußen: "Gesetz, betreffend den Schutz der zur Vereinbarung der Preußischen Verfassung berufenen Versammlung", 23.06.1848


 "Verfassungsurkunde für den preußischen Staat", die sog. "Oktroyierte Verfassung", 05.12.1848


 "Verfassung des Deutschen Reiches", sog. "Paulskirchen-Verfassung", 28.03.1849


 Königreich Preußen: "Verordnung über die Ausfühurng der Wahl der Abgeordneten zur zweiten Kammer", 30.05.1849


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Gruppenbild der Fraktion "Club de Casino", 1849


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"Mitglieder der Linken des ersten deutschen Reichstags in Frankfurt a. M.", 1849
 
 
 

5. Konservative Erstarrung:
Gewinner und Verlierer

 
 
 
Es ist weder im Vormärz noch während der Revolution gelungen, in Westfalen hochrangige Militärs, Spitzenbeamte oder mächtige Grundbesitzer in nennenswerter Zahl auf die Seite reformbereiter bürgerlicher Kräfte zu ziehen. Im Gegenteil: Auch in Westfalen wirkten Einzelpersonen wie Wilhelm Freiherr von der Recke offen für die militärische Konterrevolution. Diejenigen, die den Verlust von Macht, Spitzenstellungen und Vermögen fürchteten, bereiteten im Hintergrund den Weg für eine Verfassungswirklichkeit, ein klassenbezogenes Wahlrecht und damit für eine Gesellschaftsordnung, in der politisch-soziale Partizipationsrechte eines Großteils der Bevölkerung eingeschränkt blieben. Die Reformbewegungen des Vormärzes und der Revolution hatten andere Ziele im Blick. Eine große Zahl ihrer führenden Repräsentanten gingen gleichsam traumatisiert ins Exil, wurden in Abwesenheit wegen Hochverrats verurteilt und fast alle erlebten einschneidende biografische Brüche. Die Niederlage der Reformbewegungen sollte in Westfalen bis weit in das 20. Jahrhundert fortwirken.
 
 
 
 

6. Literatur

 
 
 

6.1 Allgemeine Geschichte

 
 
 
Wehler, Hans-Ulrich
Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 2: Von der Reformära bis zur industriellen und politischen "Deutschen Doppelrevolution" 1815-1845/49. 3. Aufl. München 1996.

Winkler, Heinrich August
Der lange Weg nach Westen, Bd. 1: Deutsche Geschichte vom Ende des Alten Reiches bis zum Untergang der Weimarer Republik. 5., durchges. Aufl. München 2002.

Nipperdey, Thomas
Deutsche Geschichte 1800-1866. Bürgerwelt und starker Staat. 6. Aufl. München 1994.

Langewiesche, Dieter
Europa zwischen Restauration und Revolution 1815-1849. 3. Aufl. München 1993.

Hardtwig, Wolfgang
Vormärz. Der monarchische Staat und das Bürgertum. München 1998.

Siemann, Wolfram
Die deutsche Revolution von 1848/49. Frankfurt a. M. 1985.

Jonathan Sperber
The European Revolutions 1848-1851. Cambridge 1994.

Dipper, Christof / Speck, Ulrich (Hg.)
1848. Revolution in Deutschland. Frankfurt a. M. 1998.

Dowe, Dieter / Haupt, Heinz-Gerhard / Langewiesche, Dieter (Hg.)
Europa 1848. Revolution und Reform. Bonn 1998.

Hardtwig, Wolfgang (Hg.)
Revolution in Deutschland und Europa 1848/49. Göttingen 1998.

Hein, Dieter
Die Revolution von 1848/49. München 1998.

Jansen, Christian / Mergel, Thomas (Hg.)
Die Revolutionen von 1848/49. Erfahrung - Verarbeitung - Deutung. Göttingen 1998.

Hachtmann, Rüdiger
Berlin 1848. Eine Politik- und Gesellschaftsgeschichte der Revolution. Bonn 1997.

Trox, Eckhard
Militärischer Konservativismus und "Militärpartei" in Preußen zwischen 1815 und 1848/49. Stuttgart 1990.
 
 
 

6.2 Westfälische Geschichte

 
 
 
Reininghaus, Wilfried / Conrad, Horst (Hg.)
Für Freiheit und Recht. Westfalen und Lippe in der Revolution 1848/49. Münster 1999.
Den derzeit besten Zugang zur Vormärzepoche und zur Revolution in Westfalen bietet dieser reichhaltig bebilderte Band. Sachlich und methodisch bemerkenswert ist besonders der ereignisgeschichtliche Durchgang von Wilfried Reininghaus / Axel Eilts, Fünfzehn Revolutionsmonate: die Provinz Westfalen von März 1848 bis Mai 1849 (S. 32-73), mit exakten Nachweisen der Fundstellen. Der Katalogteil zur Ausstellung (S.141-280) präsentiert kommentiert bzw. referiert in großer Breite herausragende schriftliche Quellen und die sächliche Überlieferung.

Reininghaus, Wilfried (Hg.)
Die Revolution 1848/49 in Westfalen und Lippe. Tagung der Historischen Kommission für Westfalen am 18. und 19. Februar 1999 in Iserlohn. Münster 1999.
Wichtiger Sammelband mit den Sektionen: "Parlamentarismus, Parlamentarier und politische Vereine", "Die Revolution 1848/49 als Phänomen der regionalen und lokalen Geschichte in Westfalen und den Nachbarräumen" sowie "Geschlecht und Generation": Der Band bietet auf den S. 455-505 einen umfangreichen wissenschaftlichen Anhang mit dem "Nachweis des sozialen Protestes in der Provinz Westfalen und im Fürstentum Lippe im März 1848", mit einem "Nachweis der politischen Vereine in der Provinz Westfalen 1848/49" und der reichhaltigen "Annotierten Bibliographie zur Revolution 1848/49 in Westfalen und Lippe", auf die hier ausdrücklich zu verweisen ist.

Walter, Bernd (Bearb.)
Westfälischen Forschungen 49 (1999) mit dem Themenschwerpunkt "Die Revolution von 1848/49 in Westfalen", S. 1-420.
Insbesondere der Frage nach dem Vorhandensein eines breit gespannten Spektrums antirevolutionärer und konservativer Kräfte widmet sich in mehreren Beiträgen der von Bernd Walter konzipierte, bearbeitete und eingeleitete Aufsatzteil (bes. S. 225-304). Darüber hinaus enthält der Band Einzelstudien unter regionalgeschichtlicher Perspektive, in denen die Formierung politischer Bewegungen und Formen politischer Partizipation thematisiert werden (S. 69-224 u. 305-347). Andere Beiträge nähern sich dem gerade für Westfalen besonders bedeutsamen Verhältnis von Kirche und Staat, namentlich der Wirkmächtigkeit des konfessionellen Faktors im alltäglichen Leben (S. 349-420).

Wischermann, Clemens
An der Schwelle der Industrialisierung (1800 bis 1850). In: Wilhelm Kohl (Hg.), Westfälische Geschichte, Bd. 3: Das 19. und das 20. Jahrhundert. Wirtschaft und Gesellschaft, Düsseldorf 1984, S. 41-162.
Es handelt sich um eine wichtige Darstellung im Überblick, die den Zusammenhang von wirtschaftlicher Dynamik und gesellschaftlichen Veränderungsprozessen zu Recht stark akzentuiert.

Vogelsang, Reinhard / Westheider, Rolf (Hg.)
Eine Region im Aufbruch. Die Revolution von 1848/49 in Ostwestfalen-Lippe. Bielefeld 1998.
Neueste Forschungsergebnisse für Ostwestfalen, zusammengeführt in einem umfangreichen Sammelband.

Schulte, Wilhelm
Volk und Staat. Westfalen im Vormärz und in der Revolution von 1848/49. Münster 1954.
Nach wie vor unverzichtbar ist diese erste Gesamtübersicht zum Thema. Die Arbeit besticht durch Materialreichtum und Faktendichte. Sie leidet indessen an einem ausufernden Anmerkungsapparat, der in seiner Zuordnung zum Text nicht immer klar ist. Die Arbeit ist außerdem in der Wahl der Begriffe teilweise problematisch und überholt.

Stremmel, Ralf / Weise, Jürgen (Hg.)
Bergisch-märkische Unternehmer der Frühindustrialisierung. Rheinisch-Westfälische Wirtschaftsbiographien, Bd. 18. Münster 2003.
Zentraler biografischer Sammelband zu märkischen (und bergischen) Unternehmerpersönlichkeiten der Frühindustrialisierung auf aktuellem Forschungsstand. In Stremmels Einführungsbeitrag unter dem Titel „Tradition und Innovation" werden Möglichkeiten und Grenzen von kollektiv-biografischen Aussagen zu einer Unternehmerschicht ausgelotet, die während des Vormärzes und der Revolution für industriell-gewerbliche Veränderungen und Weichenstellungen verantwortlich zeichnete. Sie war mit Blick auf Mentalitäten, politische Einstellungen und Sozialmuster in sich inhomogen.

Trox, Eckhard (Hg.)
Preußen und Wir. Wirtschaft, Bürgertum und Alltag im südlichen Westfalen 1800-1918. Unter Mitarbeit von Ulrich Hermanns. Lüdenscheid 1998.
Der Sammelband lenkt den Blick auf die Prägungen von Wirtschaft und Gesellschaft durch den Einfluss Preußens im Gebiet der Grafschaft Mark. Deutlich wird die Heterogenität der westfälischen Gesellschaft auch während der Vormärzepoche, hervorgerufen durch starke Einflussfaktoren wie staatliche Traditionen, religiös-konfessionelle Mentalitäten und sich über lange Zeit erstreckende Verhaltensmuster in Handel und Gewerbe.
 
 
 
Stand des Haupttextes: 2004.